Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik / History Education, Universität Hamburg

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Lehrkräftemangel: Aktivierung von Pensionär*innen — ja, gern, aber anders!

22. März 2023 Andreas Körber Keine Kommentare

Das fol­gen­de ist ein (leicht über­ar­bei­te­ter) Aus­zug aus einem frü­he­ren Blog-Ein­trag, der dort viel­leicht eher unsicht­bar bleibt, weil er wei­ter unten steht.

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Die Stän­di­ge Wis­sen­schaft­li­che Kom­mis­si­on (SWK) der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz emp­fiehlt in ihrer Emp­feh­lun­gen zum bil­dungs­ad­mi­nis­tra­ti­ven Umgang mit dem der­zei­ti­gen Lehr­käf­te­man­gel1 neben­ein­an­der den (begrenz­ten) Ein­satz nicht-fer­tig aka­de­misch aus­ge­bil­de­ter Stu­die­ren­der als Lehr­kräf­te, jenen von Quer- und Seiteneinsteiger:innen mit eben­falls nicht ange­schlos­se­ner (eher “on the Job” und par­al­lel dazu zu absol­vie­ren­der und ver­kürz­ter) päd­ago­gisch-fach­di­dak­ti­scher Aus­bil­dung und die Reak­ti­vie­rung bereits pen­sio­nier­ter Lehrkräfte.

Jeder die­ser Maß­nah­men erscheint zunächst — in deut­li­chen Gren­zen — sinn­voll. Alle zusam­men wer­fen u.a. die Fra­ge auf, wie aktu­el­les bzw. rezen­tes fach­li­ches und fach­di­dak­ti­sches, aber auch schul­päd­ago­gi­sches und erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­ches Wis­sen, das “voll aus­ge­bil­de­ten”) Stu­die­ren­den im Rah­men ihrer uni­ver­si­tä­ren ers­ten Pha­se begeg­net und von ihnen im Rah­men von Prak­ti­ka vor allem aber im Vor­be­rei­tungs­dienst und in ihrer spä­te­ren Tätig­keit in die Schu­len getra­gen wor­den wäre, auch die­sen ver­kürzt und ohne inten­si­ven Kon­takt zu aktu­el­ler wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Dis­kus­si­on im Unterrcht ein­ge­setz­ten Lehr­kräf­ten nahe gebracht und in ihre Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen wer­den kann.

Zudem hat jede die­ser Maß­nah­men nicht nur mög­li­che Fol­gen, son­dern auch Bedin­gun­gen ihrer Umset­zung. Das gilt ins­be­son­de­re auch für die zuletzt­ge­nann­te Maß­nah­me der Reak­ti­vie­rung erfah­re­ner pen­sio­nier­ter Lehr­kräf­te. Wäh­rend abschre­cken­de finan­zi­el­le Hür­den (etwa mög­li­che Anrech­nun­gen der Hono­ra­re auf die Pen­si­on) admi­nis­tra­tiv besei­tigt wer­den kön­nen oder schon wur­den, ist die Vor­stel­lung der Attrak­ti­vi­tät einer erneu­ten Unter­richts­träg­keit zumin­dest für eini­ge erfah­re­ne Lehr­kräf­te nicht ungebrochen.

Wäh­rend aus mei­nem Bekann­ten­kreis eini­ge durch­aus bestä­ti­gen, dass die Vor­stel­lung, wie­der päd­ago­gisch und unter­richts­nah tätig zu sein, durch­aus attrak­tiv ist, schreckt vie­le doch die jene eines erneu­ten voll ver­ant­wort­li­chen Ein­sat­zes ab, wozu meh­re­re Aspek­te bei­tra­gen, näm­lich neben unsi­che­rer eige­ner Gesund­heit und gerin­ger Nei­gung, in nen­nens­wer­tem Umfang unter gegen­wär­ti­gen (und zum Teil bereits als ver­än­dert wahr­ge­nom­me­nen Bedin­gun­gen) täg­li­che Ver­ant­wor­tung tra­gen zu müs­sen bis hin zur deut­li­chen Ein­schrän­kung der mit der Pen­sio­nie­rung gewon­ne­nen zeit­li­chen Flexibilität.

Vor die­sem Hin­ter­grund gebe ich zu erwä­gen, ob nicht etwa die von der SWK for­mu­lier­te Leit­li­nie, nicht-fer­tig aus­ge­bil­de­ten Lehr­kräf­te, wie auch Quer- und Seiteneinsteiger*innen erfah­re­ne (akti­ven) Lehr­kräf­te zur Sei­te zu stel­len im Sin­ne eines “Men­to­ring” und ins­be­son­de­re zur Unter­stüt­zung bei der Unter­richts­pla­nung, dahin­ge­hend abzu­wan­deln, gera­de für die­se Auf­ga­be pen­sio­nier­te Lehr­kräf­te abzu­wer­ben und ein­zu­set­zen, und die­se Tätig­keit wie­der­um ein ein Unter­tüt­zungs­sys­tem ein­zu­bin­den. Auf die­se Wei­se kann die Exper­ti­se der pen­so­nier­ten Lehr­kräf­te genutzt und in Wert gesetzt wer­den, ohne dass sie selbst mit täg­li­cher Ver­pflich­tung gegen­über Schüler:innen und Eltern “in die Bütt” müss­ten. Sie könn­ten viel­mehr als Exper­ten bera­tend tätig wer­den gegen­über nicht voll und nicht fer­tig aus­ge­bil­de­ten Lehr­kräf­ten — etwa im Rah­men wöchent­li­cher grup­pen­wei­se “Peer-Super­vi­si­on”, in wel­cher letz­te­re sowohl Fra­gen der Uner­richts­pla­nung, aber auch von Unter­richts­er­fah­run­gen (bis hin zu “Fall­be­spre­chun­gen”) sowohl unter- und mit­ein­an­der als auch mit den erfah­re­nen Lehr­kräf­ten bespre­chen und ent­wi­ckeln können.

Ergänzt wer­den könn­te (und soll­te) die­ses Sys­tem durch eine Art kas­ka­die­ren­der Betreu­ung auch die­ser Mentor*innen und ihrer Grup­pen durch Per­so­nal aus der Lehr­kräf­te­fort­bil­dung und der Uni­ver­si­tät — etwa durch etwa 6‑wöchentliche Mentor:innen-Beratungen und zusätz­li­che the­men­spe­zi­fi­sche Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen, die gera­de auch fach-didak­tisch aus­ge­rich­tet wer­den — zu lei­ten unter wesent­li­cher Betei­li­gung der Uni­ver­si­tä­ten und dort der Fach­di­dak­ti­ken. Hier­für wäre es ins­be­son­de­re sehr ange­bracht, wenn für jedes Fach ein­zel­ne akti­ve Lehr­per­so­nen zur Betei­li­gung an der uni­ver­si­tä­ren Leh­re in der Fach­di­dak­tik (25%) und zur Betreu­ung fach­spe­zi­fi­scher sol­cher Betreu­ungs­grup­pen (25%) abge­stellt würden.

Die Kon­struk­ti­on könn­te also so aus­se­hen, dass eine sol­che fach­spe­zi­fi­sche pha­sen- und insti­tu­tio­nen-per­spek­ti­ven ver­schrän­ken­de (PIPV) Betreu­ungs­grup­pe von einer akti­ven, in die Fach­di­dak­tik der Uni­ver­si­tät ein­ge­bun­de­nen Lehr­kraft und eine:r pen­sio­nier­ten Praktiker:in (ggf. wech­selnd) gelei­tet wür­den und an ihnen eine Zahl bereits unter­rich­ten­der Stu­die­ren­der und Quer- bzw. Seiteneinsteiger:innen teil­neh­men, wie auch fest ange­stell­te Lehr­kräf­te in der Drit­ten, der Berufs­ein­gangs­pha­se, in der sie mit 25% ihres Depu­tats für (unter ande­rem) für die­se Super­vi­si­ons- und Ent­wick­lungs­grup­pen frei­ge­stellt würden.

Die dazu nöti­ge Reduk­ti­on ihrer Unter­richts­ver­pflich­tung der Lehr­kräf­te in der Berufs­ein­gangs­pha­se, der Quer- und Seiteneinsteiger:innen und der Lehr­be­auf­trag­ten für die­se Grup­pen wäre eine gute Inves­ti­ti­on in die Qua­li­täts-Siche­rung und Ent­wick­lung. Sie könn­te durch eine Ent­las­tung der Lehr­kräf­te von unter­richts­fer­nen (admi­nis­tra­ti­ven) Auf­ga­ben zumin­dest teil­wei­se kom­pen­siert werden.

Die akti­ven wie pen­sio­nier­ten Mentor:innen in die­sem Sys­tem wie­der­um soll­ten ihrer­seits an (evtl. abwech­selnd schul­päd­a­gisch, ‑psy­cho­lo­gisch und fach­di­dak­tisch) aus­ge­rich­te­ten Refle­xi­ons- und Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen teil­neh­men und zudem (etwa vier­tel- oder hab­jähr­lich) Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen zu neu­en The­men (Digi­ta­li­sie­rung, Inklu­si­on, kul­tu­rel­le Hete­ro­ge­ni­tät, fach­li­che Fra­gen) orga­ni­siert wer­den. Damit wür­de eine Kom­bi­na­ti­on der Wei­ter­ga­be von Erfah­rungs­wis­sen und Rou­ti­nen einer- und evi­denz­ba­sier­tem wie aktu­el­len Theo­rie­wis­sen und neu­en Per­spek­ti­ven ande­rer­seits auch unter den Bedin­gun­gen des Lehr­kräf­te­man­gels gesichert.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Köl­ler, Olaf; Thiel, Feli­ci­tas; van Acke­ren-Mindl, Isa­bell; Anders, Yvonne; Becker-Mrot­zek, Micha­el; Cress, Ulri­ke et al. (2023): Emp­feh­lun­gen zum Umgang mit dem aku­ten Lehr­kräf­te­man­gel. Stel­lung­nah­me der Stän­di­gen Wis­sen­schaft­li­chen Kom­mis­si­on der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz. Stel­lung­nah­me der Stän­di­gen Wis­sen­schaft­li­chen Kom­mis­si­on der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz. Unter Mit­ar­beit von DIPF | Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­for­schung und Bil­dungs­in­for­ma­ti­on und Stän­di­ge Wis­sen­schaft­li­che Kom­mis­si­on der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz (SWK). https://​www​.kmk​.org/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​D​a​t​e​i​e​n​/​p​d​f​/​K​M​K​/​S​W​K​/​2​0​2​3​/​S​W​K​-​2​0​2​3​-​S​t​e​l​l​u​n​g​n​a​h​m​e​_​L​e​h​r​k​r​a​e​f​t​e​m​a​n​g​e​l​.​pdf; gele­sen 30.1.2023[]
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Die Verwässerung des Kompetenzkonzepts in den neuen Bildungsplänen. Zum Leitfaden für die Implementation der neuen Hamburger Bildungspläne

10. Februar 2023 Andreas Körber Keine Kommentare

Inzwi­schen sind — nach zahl­rei­chen kri­ti­schen Stel­lung­nah­men zu den Refe­ren­ten­ent­wür­fen (vgl. auch mei­ne eige­ne zum Stu­di­en­stu­fen­plan Geschich­te) — nicht nur die neu­en Ham­bur­ger Bil­dungs­plä­ne 2022 sei­tens der BSB ver­öf­fent­licht und zum 1.8.2023 in Kraft gesetzt wor­den, son­dern auch ein Leit­fa­den für ihre Imple­men­ta­ti­on — kon­kre­ter: für die Über­ar­bei­tung der schul­in­ter­nen Cur­ri­cu­la — erschie­nen.1

Das Doku­ment hat unter ande­rem auch die Auf­ga­be, “die neu­en Struk­tur­ele­men­te” der (ja nur über­ar­bei­te­ten, nicht wirk­lich neu­en) Bil­dungs­plä­ne aus­führ­li­cher, “als dies in einer Prä­am­bel mög­lich ist” zu erläu­tern (S. 4).

Obwohl zu Beginn des Texts fest­ge­stellt wird, dass sich die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung (an der auch expres­sis ver­bis fest­ge­hal­ten wird) “durch­ge­setzt” habe und “kei­ner Erläu­te­rung” mehr bedür­fe (S. 3), wird auch sie doch noch ein­mal erläu­tert, näm­lich dahin­ge­hend, dass Kom­pe­ten­zen “Kennt­nis­se und Hal­tun­gen” ein­schlös­sen, und “durch die Aus­ein­an­der­set­zung mit Inhal­ten und den han­deln­den Umgang mit Wis­sen und Wer­ten erwor­ben” wer­den. Die­se For­mu­lie­run­gen sind bemerkenswert:

Sie begrün­den die Ein­füh­rung von “Kern­cur­ri­cu­la” als “ver­bind­lich zu erar­bei­ten­der Inhal­te”, wel­che die “kom­pe­tenz­be­zo­ge­nen Anfor­de­run­gen ergänz[t]en und bereits bestehen­de inhalt­li­che Vor­ga­ben prä­zi­sie­ren und kon­kre­ti­sie­ren (S. 3).

Dass Kom­pe­ten­zen in der Aus­ein­an­der­set­zung mit Inhal­ten und den han­deln­den Umgang mit Wis­sen erwor­ben wür­den, wie dar­ge­stellt, ist nicht zu bean­stan­den. Kom­pe­tenz­er­werb ist weder “Tro­cken­schwim­men”, fin­det nicht in abs­trak­ter, inhalts­frei­er oder auch nur ‑armer Form und ohne Bezug zu Wis­sen statt. Auch ist es nicht falsch, dass Kom­pe­ten­zen Kennt­nis­se und in gewis­ser Wei­se auch “Hal­tun­gen” umfas­sen. Dass die letz­te­ren bei­den aber inhalts­be­zo­gen wären, wie die Form­lie­rung durch ihren gram­ma­tisch etwas schie­fen Satz­bau (allein­ste­hen­der Neben­satz: “Denn Kom­pe­ten­zen schlie­ßen …”) ver­deut­licht, ist pro­ble­ma­tisch und ent­spricht gera­de nicht der gän­gin­gen Kom­pe­tenz­de­fi­ni­ti­on, an die gera­de auch die neu­en Ham­bur­ger Bil­dungs­plä­ne ja expli­zit anschlie­ßen, indem der Absatz, in dem die­se Fest­le­gun­gen ste­hen, mit einem Beleg­ver­weis auf die “Kli­e­me-Exper­ti­se” in der unver­än­der­ten Neu­auf­la­ge 2009 der Online-Fas­sung von 2007 (die gedruck­te ers­te Auf­la­ge stammt von 2003) abge­schlos­sen wird. Es ist also die Kom­pe­tenz­de­fi­ni­ti­on nach Wei­nert (2001), die dort Ver­wen­dung fin­det, und an die auch hier ange­schlos­sen wird. Die­se aber defi­niert gera­de­zu, dass Kom­pe­ten­zen jene Facet­ten von Wis­sen, Kön­nen und Hal­tun­gen (“Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten” sowie “motivationale[n], volitionale[n] und soziale[n] Bereit­schaf­ten und Fähig­kei­ten”) umfasst, die gera­de nicht an einen bestimm­ten “inhalt­li­chen” Kon­text (bes­ser: Gegen­stand) gebun­den sind, son­dern die das Indi­vi­du­um in die Lage ver­set­zen, in varia­blen Situa­tio­nen Pro­ble­me zu lösen. Kom­pe­ten­zen sind also gera­de die trans­fer­a­blen Facet­ten, die zwar durch­aus an einem Gegen­stand, in einem kon­kre­ten Kon­text und im Umgang mit kon­kre­tem Wis­sen erwor­ben wer­den, sich aber gera­de an ande­ren Pro­ble­men in neu­en Kon­tex­ten, im (ggf. die­se auch erst erschlie­ßen­den) Umgang mit ande­ren (ggf. unbe­kann­ten) Wis­sens­be­stän­den bewäh­ren müs­sen. Dass Kom­pe­ten­zen “Kennt­nis­se und Hal­tun­gen” ein­schlie­ßen, stimmt also nur in Bezug auf trans­fer­a­bles, neue Kon­tex­te erschlie­ßen hel­fen­des, etwa kate­go­ri­sie­ren­des, metho­di­sches Wis­sen und die “Hal­tung”, die dar­in besteht, über die­ses Wis­sen nicht nur theo­re­tisch und abst­alt zu ver­fü­gen, son­dern es dann auch anzu­wen­den — gera­de nicht aber in jenem Wis­sen, das an ein­zel­ne Kon­tex­te gebun­den ist. Kon­zep­tu­el­les und pro­ze­du­ra­les Wis­sen also ist Bestand­teil von Kompetenz(en), nicht sub­stan­ti­ves. Um ein sehr ein­fa­ches (bei­na­he zum tri­via­len hin zuge­spitz­tes) Bei­spiel aus mei­nem Fach zu neh­men: Die Fähig­keit, die Emser Depe­sche zu inter­pre­tie­ren, ist kei­ne Kom­pe­tenz — ins­be­son­de­re nicht, wenn man Quel­len­in­ter­pre­ta­ti­on an ihr oder auch nur einem sehr eng ver­wand­ten Bei­spiel gelernt hat. Die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft, ande­re Quel­len bzw. Quel­len ins­ge­samt zu inter­pre­tie­ren, nach­dem man u.a. die Emser Depe­sche unter­sucht und inter­pre­tiert hat, beweist Kom­pe­tenz — ins­be­son­de­re, wenn man in der Lage ist, das auch mit Quel­len ande­ren Typs zu tun und dabei vom Kon­kre­ten zu abs­tra­hie­ren, also die Fähig­keit fle­xi­bel in neu­en Situa­tio­nen einzusetzen. 

Vor die­sem Hin­ter­grund erweist sich aber zudem der in Fuß­no­te 1 auf S. 4 gege­be­ne Ver­weis auf die Kli­e­me-Exper­ti­se als min­des­tens unscharf. Ver­wie­sen wird näm­lich auf die dor­ti­ge Sei­te 12. Dort ist in der Tat etwas zu fin­den, das auch hier Ver­wen­dung fin­det, näm­lich die Auf­zäh­lung von “Kom­pe­ten­zen, Qua­li­fi­ka­tio­nen, Wis­sens­struk­tu­ren, Ein­stel­lun­gen, Über­zeu­gun­gen, Wert­hal­tun­gen”. Im Ham­bur­ger Leit­fa­den lau­tet sie etwas anders, inso­fern (ohne Kenn­zeich­nung der wört­li­chen Über­nah­men) von “Kom­pe­tenz­ent­wick­lung wie auch der Aneig­nung von Fach­me­tho­den und dem Auf­bau von Qua­li­fi­ka­tio­nen, Wis­sens­struk­tu­ren, Ein­stel­lun­gen, Über­zeu­gun­gen und Wert­hal­tun­gen” die Rede ist — hier jedoch als Zweck der “Kern­in­hal­te, mit denen sich Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus­ein­an­der­set­zen sol­len”. Von Inhal­ten und inhalts­be­zo­ge­nen Kennt­nis­sen aber ist in der refe­ren­zier­ten Kli­e­me-Exper­ti­se an der ange­ge­be­nen Stel­le gera­de nicht die Rede. Es han­delt sich also gera­de­zu um ein Fehl­zi­tat, inso­fern der Beleg die Haupt­aus­sa­ge des Absat­zes, hin­ter dem er steht, — Kom­pe­ten­zen umfass­ten auch Kennt­nis­se — gera­de nicht deckt. 

Die Kli­e­me-Exper­ti­se spricht aber auch sonst kaum von Kennt­nis­sen, In einem his­to­ri­schen Rück­griff auf “klas­si­sche Bil­dungs­theo­rie” wer­den zwar vier Modi der Welt­erfah­rung als Bestand­tei­le von Bil­dung und “Kennt­nis­sen” (in Anfüh­rungs­zei­chen!) erwähnt, im glei­chen Absatz aber nicht Kennt­nis­se, son­dern “Wis­sen und Kön­nen” als zwei Kom­po­nen­ten von Kom­pe­ten­zen auf­ge­zählt.2 Gera­de im wei­te­ren Argu­men­ta­ti­ons­gang wird dort aber ein Wis­sens­be­griff genutzt, der die­ses expli­zit nicht auf Kennt­nis­se redu­ziert. Im Kapi­tel der Exper­ti­se zum Ver­hält­nis von Wis­sen und Kön­nen (S. 87f) wird viel­mehr gera­de­zu ver­wor­fen, Kom­pe­tenz­re­le­van­tes Wis­sen mit “den Fak­ten” gleich­zu­set­zen, ” die in Lehr­plä­nen nie­der­ge­schrie­ben sind. Selbst wenn es Schü­le­rin­nen und Schü­lern” gelin­ge, “die­ses Wis­sen auf­zu­neh­men”  blie­be es “doch oft trä­ge“, inso­fern es “außer­halb der Lern­si­tua­ti­on nicht ange­wandt” wer­den kön­nen, wes­halb es kei­ne hin­rei­chen­de Basis für kom­pe­ten­tes Han­deln” dar­stellt. Gera­de auch wo die Kli­e­me-Exper­ti­se for­dert, die Ver­knüp­fung von Wis­sen und Kön­nen nicht in den Bereich jen­seits der Schu­le zu ver­la­gern (also in das Bewäh­rungs­feld der Lebens­welt), son­dern auch inner­halb der Schu­le sol­che Leis­tungs­si­tua­tio­nen zur Bewäh­rung zu gestal­ten, wird gera­de nicht von kon­kret inhalt­be­zo­ge­nem Wis­sen gespro­chen, son­dern von Situa­tio­nen, wel­che die Fähig­keit zur Anwen­dung fach­lich spe­zi­fi­schen Sche­ma­ta in der “Behand­lung von Fäl­len” erfordern.

Auch in Bezug auf “Inhal­te” fin­det sich an der ange­ge­be­nen Stel­le gera­de kein Beleg dafür, dass Kom­pe­ten­zen Inhal­te “umfass­ten”. Viel­mehr emp­fiehlt die Kli­e­me-Exper­ti­se 2003÷2007÷2009 zwar expli­zit, Bil­dungs­stan­dards “Hand in Hnd” (S. 17) mit “zen­tra­len Kern­cur­ri­cu­la” zu ent­wi­ckeln, die Hin­wei­se zur Sequen­zie­rung von The­men und Inhal­ten geben — aber das bedeu­tet gera­de kei­ne Inte­gra­ti­on der Inhal­te oder Kennt­nis­se in die Kom­pe­ten­zen. Viel­mehr wird expli­zit dar­ge­legt, der Begriff der Kom­pe­ten­zen drü­cke aus, “dass die Bil­dungs­stan­dards – anders als Lehr­plä­ne und Rah­men­richt­li­ni­en – nicht auf Lis­ten von Lehr­stof­fen und Lern­in­hal­ten zurück­grei­fen, um Bil­dungs­zie­le zu kon­kre­ti­sie­ren.” Es gehe “viel­mehr dar­um, Grund­di­men­sio­nen der Lern­ent­wick­lung in einem Gegen­stands­be­reich (einer ‘Domä­ne’, wie Wis­sens­psy­cho­lo­gen sagen, einem Lern­be­reich oder einem Fach) zu iden­ti­fi­zie­ren”, die “vielfältig[e], flexib[el] und variab[el]” genutzt wer­den kön­nen müs­sen (S. 21f).

Mit die­ser Kri­tik an der (zudem falsch zitie­ren­den) Ver­schlei­fung des Kom­pe­tenz­be­griffs soll somit gera­de nicht gesagt wer­den, dass “inhalt­li­che” Cur­ri­cu­la im Sin­ne der Vor­ga­be und Fest­schrei­bung von Gegen­stän­den (und par­ti­ell auch der The­ma­ti­sie­re­un­gen der­sel­ben) kei­nen Platz in Bil­dungs­plä­nen hät­ten. Sie sind legi­tim, gera­de in der Form von “Kern”-Curricula, die eini­ge ver­bind­li­che Vor­ga­ben machen, dane­ben aber wesent­li­che Frei­räu­me belas­sen — aber sie sind etwas ande­res als Kom­pe­tenz­mo­del­lie­run­gen. Kom­pe­tenz­de­fi­ni­tio­nen und ‑model­le einer­seits und (Kern-)Curricula ande­rer­seits sind viel­mehr zwei neben­ein­an­der mög­li­che und wohl auch nöti­ge For­men der Kon­zep­tua­li­sie­rung zwei­er unter­schied­li­cher Dimen­sio­nen. Sie ergän­zen ein­an­der (wie im vor­lie­gen­den Text an ande­rer Stel­le ja uch durch­aus rich­tig gesagt wird), gehen aber nicht inein­an­der auf. Man kann sie sich vor­stel­len wie Spal­ten und Zei­len einer Matrix oder einer Tabel­le. Weder Kom­pe­ten­zen (also Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten und Bereit­schaf­ten sowie die Ver­fü­gung über fall- und gegen­stands­über­grei­fen­des, kon­zep­tu­el­les bzw. pro­ze­du­ra­les Wis­sen) noch Gegen­stand­be­zo­ge­nes (“sub­stan­ti­ves”) Wis­sen kön­nen getrennt von ein­an­der erwor­ben wer­den. Aber sie müs­sen auch wie­der von­ein­an­der getrennt wer­den. Die erwor­be­nen Fähig­kei­ten müs­sen an ande­ren “Inhal­ten” (bes­ser: Gegen­stän­den) wei­ter ela­bo­riert, erwei­tert, ver­fei­nert, abs­tra­hiert und kon­kre­ti­siert wer­den, damit sie zu Kom­pe­ten­zen im vol­len Sin­ne wer­den, und die Kennt­nis­se und Wis­sens­be­stän­de müs­sen ihrer­seits mit­tels ande­rer Kom­pe­ten­zen mit­ein­an­der zu einem zugleich in der Brei­te umfas­sen­den wie hin­sicht­lich Kon­kre­ti­sie­rung und Abs­trak­ti­on auf­ge­spann­ten Welt­bild ver­netzt wer­den. Nur gemein­sam garan­tie­ren die­se bei­den (getrenn­ten!) Dimen­sio­nen von Bil­dung, dass die Welt­bil­der, die Kennt­nis­se, Ein­sich­ten eben­so wie die Hal­tun­gen und die Fähig­kei­ten nicht ver­fes­ti­gen, son­dern in in varia­blen Situa­tio­nen und unter sich ver­än­dern­den Bedin­gun­gen ope­ra­bel bleiben.

Den Aus­füh­run­gen zur Auf­ga­be der Kern­cur­ri­cu­la selbst im zwei­ten Absatz kann dem­ge­gen­über deut­lich bes­ser zuge­stimmt wer­den, ja es ist posi­tiv her­aus­zu­stel­len, dass zwar von durch sie vor­ge­ge­be­nem “Wis­sen” die Rede ist, aber doch in Form von Wissens“elementen”, also Bestand­tei­len von durch die Ler­nen­den im Pro­zess der Aus­ein­an­der­set­zung damit mit dem, was wie­der­um nicht als “Fak­ten” oder ähn­li­chem ein­fach zur Über­nah­me vor­ge­ge­ben wird, son­dern als “Gegen­stand” einer sol­chen eigen­stän­di­gen und zumin­dest par­ti­ell ergeb­nis­of­fe­nen und plu­ra­len “Unter­su­chung” ent­wi­ckelt und ela­bo­riert wer­den soll.  Hier also ist ein deut­li­cher Anschluss an Kon­zep­te eigen­stän­di­gen und akti­ven Ler­nens zu erken­nen, die auch mit den gleich dar­auf for­mu­lier­ten Zie­len der Selbst­stän­dig­keit und Ver­ant­wort­lich­keit kom­pa­ti­bel ist.

Von als zu erwer­ben vor­ge­ge­be­nen Kennt­nis­sen wird dann gleich­wohl am Ende des fol­gen­den Absat­zes die Rede, in wel­chem die Bedeu­tung der Befä­hi­gung zu selbst- und nicht fremd­be­stimm­tem Den­ken, Urtei­len und Han­deln in der gegen­wär­ti­gen (Medien-)Welt — etwa ange­sichts von FakeN­ews etc. — die Rede ist, gespro­chen. Auch die­ser For­mu­lie­rung kann als sol­che gut unter­schrie­ben wer­den, inso­fern die­se Kennt­nis­sen auf­grund des ange­spro­che­nen Zusam­men­hangs gera­de sol­che mei­nen müs­sen, die Ler­nen­de in die Lage ver­set­zen, jeweils neue Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen. Das ist etwa dann der Fall, wenn es sich um pro­ze­du­ra­le und kon­zep­tua­le Kennt­nis­se han­delt, wie um fall­über­grei­fen­de Ein­sich­ten. Auch sub­stan­ti­ves Wis­sen (also etwa “Ein­zel­fall­wis­sen”) gehört dazu, inso­fern es dazu bei­trägt, dass Ler­nen­de mit sei­ner Hil­fe ihnen neue Behaup­tun­gen usw. ein­ord­nen kön­nen. Auch die­ses Wis­sen gewinnt somit eine über es selbst hin­aus grei­fen­de Funk­ti­on. Es ist dann aber eben auch nicht (wie hier durch­aus kor­rekt auf­ge­zählt) Bestand­teil der zu erwer­ben­den Kom­pe­ten­zen, son­dern gewis­ser­ma­ßen neben sei­nem Eigen­wert zum Einen Sub­strat des Erwerbs der Kom­pe­ten­zen, eben­so aber muss es auch Gegen­stand ihrer Anwen­dung wer­den kön­nen. Es ruht also nicht in sich, son­dern muss in der Per­spek­ti­ve und unter der Vor­aus­set­zung erwor­ben (und dazu ver­mit­telt) wer­den, dass es mit Hil­fe der Kom­pe­ten­zen durch die Ler­nen­den geprüft, dif­fe­ren­ziert und — etwa ange­sichts neu­er Infor­ma­tio­nen — auch zuguns­ten neue­rer Ein­sich­ten und Kennt­nis­se über­wun­den wer­den kön­nen muss.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Arnold, Burk­hard; Haupt, Ste­phan; Jas­per, Ilka; Lam­pert, Yvonne (2023): Das schul­in­ter­ne Cur­ri­cu­lum. Leit­fa­den zur Imple­men­ta­ti­on der neu­en Bil­dungs­plä­ne. Unter Mit­ar­beit von Lydia Lach, Chris­ti­ne Rog­gatz, Hen­drik Stamm­er­mann und Julia­ne Tro­je. Ham­burg: Behör­de für Schu­le und Berufs­bil­dung.[]
  2. Kli­e­me, Eck­hard; Ave­na­ri­us, Her­mann; Her­mann, Wer­ner a.o (2007): Zur Ent­wick­lung natio­na­ler Bil­dungs­stan­dards: Eine Exper­ti­se. unver­änd. Neu­auf­la­ge 2009. Hg. v. BMBF. Bonn. Online ver­füg­bar unter http:­/­/www.bmbf.de­/pub­/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf, zuletzt geprüft am 10.02.2023; S. 67[]
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Analyzing Monuments using crosstabulations of Historical Thinking Competencies and Types of Narrating

16. Oktober 2018 Andreas Körber Keine Kommentare

This artic­le is a fol­low-up to the dis­cus­sion on Sté­pha­ne Léves­ques model of his­to­ri­cal com­pe­ten­ci­es as pre­sen­ted in Public Histo­ry Weekly, a few days ago, titled “Remo­ving the ‘Past’: Deba­tes Over Offi­ci­al Sites of Memo­ry“1 and my first exten­ded com­ment on this published here on this blog.

A cros­s­ta­bu­la­ti­on of com­pe­ten­ci­es and patterns/​logic of sen­se­ma­king as sug­gested by Sté­pha­ne Léves­que2 is inde­ed useful for “rea­ding” indi­vi­du­al monu­ments and making sen­se of their “mes­sa­ge”, also. Lévesque’s fil­ling of the table is a bit abs­tract, gene­ral for this, so the fol­lo­wing would in part be my own understanding.

It also is based on Rüsen’s noti­on that while the dif­fe­rent pat­terns were deve­lo­ped sequen­ti­al­ly over time, to “older” ones are not lost, but still available and inde­ed visi­ble in modern day thin­king, in fact most of the time in com­bi­na­ti­ons. What cha­rac­te­ri­zes modern-time his­to­ri­cal thin­king, then, is the pre­sence and domi­nan­ce of “gene­tic” thin­king, while pre-modern thought would not have this type at its dis­po­sal at all. But then, our examp­les here are all “modern”, so that it may be a ques­ti­on of domi­nan­ce and rela­ti­ve weight.

Take a monu­ment for a civil war general:

  • A spec­ta­tor today may read it as a remin­der to the ori­gin of the cur­rent sta­te of affairs, pos­si­bly the “losing of the cau­se” (e.g. both the hono­u­red gene­ral and the spec­ta­tor being sou­the­ners) or to the libe­ra­ti­on of the slaves (both nor­the­ners). In both cases, the monu­ment would be seen as poin­ting to an ori­gin of what is seen as valid today (the very defi­ni­ti­on of Rüsen’s “tra­di­tio­nal” type). This might explain why peo­p­le adhe­ring to the nor­t­hern nar­ra­ti­ve would oppo­se to sou­thern monu­ments, and vice ver­sa, not believ­e­ing their sto­ry in the first place — and may­be fea­ring that kee­ping the monu­ments would signi­fy that their ver­si­on was to be seen as valid.
  • In an exem­pla­ric mode, howe­ver, both may accept the “other side’s” monu­ments, becau­se what they point at would not be seen as the ori­gin of affairs, but rather a gene­ral rule, e.g. hono­u­ring peo­p­le “bra­ve­ly fight­ing for their respec­ti­ve (!) cau­se”. The logic would be that each socie­ty would honor “their heroes”, who do not so much stand for the spe­ci­fic cau­se but for a gene­ral rule. What hap­pens on the ground in Get­tysburg, e.g., is some­thing along this line: “Tra­di­tio­nal” com­me­mo­ra­ting attracts most peo­p­le going the­re, but an exem­pla­ry “cover-nar­ra­ti­ve” allows for com­mon remembrance.

Con­sider an exam­p­le from Ham­burg, whe­re I work3: On our “Rat­haus­markt”, the­re is a monu­ment, hono­u­ring Hamburg’s dead from WW1. When it was erec­ted in 1932, it loo­ked as it does today. The inscrip­ti­on on one side reads “FOURTY THOUSAND SONS OF TOWN LEFT/​LOST THEIR LIVES FOR YOU” (in Ger­man: “Vier­zig Tau­send Söh­ne der Stadt lie­ßen ihr Leben für Euch”) while the other side shows reli­ef by Ernst Bar­lach depic­ting a woman (mother) and child (daugh­ter) appar­ent­ly com­fort­ing each other in mour­ning (and the­r­e­fo­re some­what remi­nis­cent of a pie­tà).

Ernst Barlach: Relief (1931; Re-construction) auf dem Mahnmal auf dem Hamburger Rathausmarkt. Foto von Wikimedia Commons (gemeinfrei): https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2c/Hamburg_Mahnmal_01_KMJ-adj.jpg

Ernst Bar­lach: Reli­ef (1931; Re-Con­s­truc­tion of 1948) on Ham­burg Town Hall Squa­re Monu­ment . Pho­to from Wiki­me­dia Com­mons (public domain): https://​upload​.wiki​me​dia​.org/​w​i​k​i​p​e​d​i​a​/​c​o​m​m​o​n​s​/​2​/​2​c​/​H​a​m​b​u​r​g​_​M​a​h​n​m​a​l​_​0​1​_​K​M​J​-​a​d​j​.​jpg

In 1938, the reli­ef was exch­an­ged for a “phoe­nix” fly­ing up.4 

Hans-Mar­tin Ruwoldt (1938): Phoe­nix on Ham­burg Town Hall Squa­re Monu­ment. Pho­to by https://​www​.denk​-mal​-gegen​-krieg​.de/​k​r​i​e​g​e​r​d​e​n​k​m​a​e​l​e​r​/​h​a​m​b​u​r​g​-​l​o​-​os/

In 1938, under Nazi rule, the reli­ef was exch­an­ged for a „phoe­nix“. Did it chan­ge the nar­ra­ti­ve and com­me­mo­ra­ti­ve eva­lua­ti­on of the loss of the 40000 Ham­bur­gi­ans? To my view, it most cer­tain­ly did.

The addi­ti­on of the last part “FOR YOU” to the inscrip­ti­on alre­a­dy befo­re the initi­al instal­la­ti­on of the monu­ment was a con­ces­si­on to the right par­ties, chan­ging (in Rüsen‘s terms) a more tra­di­tio­nal mes­sa­ge into a more exem­pla­ry one:

While the com­bi­na­ti­on of the initi­al wor­ding wit­hout the addi­ti­on „FOR YOU“ and the mother-child-reli­ef fit into a deve­lo­p­ment of monu­ment cul­tu­re deve­lo­ped in WW1 which has been iden­ti­fied in retro­s­pect, name­ly monu­ments which which do no lon­ger pro­vi­de an aut­ho­ri­ta­ti­ve sug­ges­ti­on of the mea­ning of the protagonist‘s death, but rather ques­ti­on this mea­ning.5 It did so becau­se it expres­sed the con­ti­nuous loss, refer­ring to the dead sol­diers rather as vic­tims of a grea­ter con­text of war, to be mour­ned, by poin­ting to their their death and loss as the rather tra­gic ori­g­ins of the com­mon grief.

Adding „FOR YOU“ to the inscrip­ti­on did not ful­ly era­di­ca­te this nega­ti­ve-tra­di­tio­nal nar­ra­ti­ve pat­tern, but added an addi­tio­nal lay­er of dif­fe­rent nar­ra­ti­ve and eva­lua­ti­ve cha­rac­ter both to the deaths, which are ascri­bed a pur­po­se, and to the con­cep­tu­al framing of the dead, which are no lon­ger only vic­tims but also (self-)sacrifices for a com­mon good. Inte­res­t­ingly, both con­cepts, that of vic­tim and that of sacri­fice, are pre­sent in the Ger­man term „Opfer“ expli­cit­ly used, but allu­ded to, here.

The exch­an­ge of the mour­ning mother/child-reli­ef by a „phoe­nix“ in 1938, then, era­di­ca­ted the thin lay­er of ques­tio­ning the pur­po­se and mea­ning of the loss, the noti­on of „vic­tims“ and ren­de­red the 40,000 Fathers, Brot­hers and „Sons of Town“ heroes – not only self-sacri­fices for the well­be­ing of their respec­ti­ve fami­lies, but role-models to be cele­bra­ted and emu­la­ted.6 In 1948, then, the lost Bar­lach-reli­ef, was res­to­red, alas not by Bar­lach hims­elf, who had mean­while died.

I do have a hard time con­s­truc­ting a gene­tic under­stan­ding of such a monu­ment, may­be becau­se a modern, gene­tic way of thin­king needs to have been infor­med by the “cri­ti­cal” mode of at least part­ly de-legi­ti­mi­zing the ori­en­ta­ting power of tra­di­tio­nal and exem­pla­ric thinking.

May­be this is the back­ground for modern monu­ments being quite dif­fe­rent, eit­her often non-figu­ra­ti­ve — as Peter Eisenman’s Memo­ri­al to the Mur­de­red Jews in Ber­lin, or many works by Jochen Gerz7 — or taking on forms of coun­ter-memo­ri­a­liza­ti­on8, thus set­ting in moti­on a kind of chan­ge, not just re-pre­sent-ing a past, but encou­ra­ging or even enfor­cing cri­ti­cal reflec­tion on it.

It is easier for the Ham­burg monu­ment: Gene­tic thin­king would ques­ti­on whe­ther not only this heroi­fy­ing way of com­me­mo­ra­ting heroes (even if not indi­vi­du­al), but also the con­cre­te form of public ack­now­led­ging of tra­gic loss can be time­ly, after we expe­ri­en­ced ano­ther war and an inhu­man dic­ta­tor­ship and geno­ci­de which was not least based on fee­lings ins­ti­ga­ted by such com­me­mo­ra­ting.9

But the­re is some­thing more to reflec­ting about nar­ra­ti­ves — and espe­ci­al­ly on how to rela­te to them. As I wro­te abo­ve, Memo­ri­als are nar­ra­ti­ves. Rüsen calls them “nar­ra­ti­ve abbre­via­ti­ons”, poin­ting to them stan­ding for a spe­ci­fic nar­ra­ti­ve, i.e. a spe­ci­fic rela­ti­on bet­ween a past (under memo­ry), the pre­sent (of the aut­hors and erec­tors of the monu­ment as well as the inten­ded public), and with regard to a spe­ci­fic future, con­s­truc­ted only part­ly in ver­bal nar­ra­ti­ve form, but also with non-ver­bal and sequen­ti­al­ly nar­ra­ti­ve ele­ments (even though in some cases it is only the ver­bal inscrip­ti­ons which real­ly hint to any his­to­ri­cal meaning).

Memo­ri­als are more than only pro­to-nar­ra­ti­ves. Their (often) pro­mi­nent (albeit also often over­loo­ked) posi­tio­ning, their (proto-)narrative struc­tu­re and their own qua­li­ty for las­ting a long time (cf. “monu­men­tum exegi aere per­en­ni­us), they do not only con­sti­tu­te a nar­ra­ti­ve rela­ti­on from one tem­po­ral and social posi­ti­on towrds the past and the future, but also are meant to pro­long the sen­se they make and to impo­se it on later gene­ra­ti­ons. Monu­ments are about obli­ga­ting their audi­ence, the spec­ta­tors with a cer­tain nar­ra­ti­ve and inter­pre­ta­ti­on. That qua­li­fies them as parts of what we call “poli­tics of histo­ry”, not only of com­me­mo­ra­ti­on, and what makes them political.

It the­r­e­fo­re is para­mount to read monu­ments as nar­ra­ti­ves, and not only in the de-con­s­truc­ti­ve sen­se of “what did tho­se erec­tors make of that past back then”, but also in the re-con­c­truc­ti­ve sen­se of “in how far or how does this nar­ra­ti­ve fit into my/​our rela­ti­on to that past). In other words: Stan­ding befo­re a monu­ment and thin­king about monu­ments, we all need to (and in fact do) think in a com­bi­na­ti­on of under­stan­ding the others’ and deli­be­ra­ting our own nar­ra­ti­ve mea­ning-making.
The­r­e­fo­re we need to read them as nar­ra­ti­ves first, and beco­me com­pe­tent for it.

Monu­ments often take on the form of addres­sing peo­p­le. Some­ti­mes — as in the Ham­burg case abo­ve — they address the spec­ta­tor, remin­ding them of some kind of obli­ga­ti­on to com­me­mo­ra­te.10 But who is tal­king to whom? If the sena­te of Ham­burg tal­kes to that to the Ham­burg citi­zens of 1930 – 1932, can/​will we accept that (a) the Ham­burg Sena­te of today still admo­nis­hes us like that, and b) that we Ham­burg citi­zens of today are still addres­sed in the same way?

In other cases, (inscrip­ti­ons in) memo­ri­als might expli­cit­ly address the com­me­mo­ra­ted them­sel­ves, as e.g. in the con­fe­de­ra­te monu­ment in Yan­cey­ville, N.C., who­se plaque reads “To the Sons of Cas­well Coun­ty who ser­ved in the War of 1861 – 1865 in ans­wer to the Call of their Coun­ty”, and con­ti­nues in a “We-Voice”, signed by the Cas­well Chap­ter of the United Daugh­ters of the Con­fe­dera­cy”. So far so con­ven­tio­nal. This might be rather unpro­ble­ma­tic, sin­ce spea­k­er-posi­ti­on and addres­sees are cle­ar­ly mark­ed. One might lea­ve the monu­ment even if one dis­agreed, not having to ali­gn with its nar­ra­ti­ve. Only if the pre­sence of such com­me­mo­ra­ting in its­elf is inac­cep­ta­ble, action is imme­dia­te­ly cal­led for.

But the­re are other monu­ments which seem to talk from a neu­tral posi­ti­on, which in fact is that of the erec­tors, but by not being qua­li­fied, includes the spec­ta­tor into the spea­k­er posi­ti­on. The exam­p­le I have rea­dy at hand, is not from the US and not about war heroes, but again from Ham­burg, this time from Neu­en­gam­me con­cen­tra­ti­on camp memo­ri­al. In 1965, an “inter­na­tio­nal monu­ment” ste­le11 was erec­ted the­re, tog­e­ther with a who­le series of coun­try-spe­ci­fic memo­ri­al pla­tes. The inscrip­ti­on on the monu­ment reads “Your suf­fe­ring, your fight­ing and your death shall not be in vain” (my trans­la­ti­on).
This now cle­ar­ly is inte­res­t­ing in at least two respects: (1) it ascri­bes not only suf­fe­ring and death, but also fight­ing to tho­se com­me­mo­ra­ted and ther­eby pos­si­bly does not refer to tho­se inma­tes who never had a chan­ce or did not “fight”, who were pure vic­tims, and (2) it speaks from a neu­tral voice which is not mark­ed in time and social, poli­ti­cal or event-rela­ted posi­ti­on. Whoe­ver mourns at that place pos­si­bly sil­ent­ly co-signs the statement.

International Monument (1965) at Neuengamme Concentration Camp Memorial (partial photo; (c) 2006 Andreas Körber)

Inter­na­tio­nal Monu­ment (1965) at Neu­en­gam­me Con­cen­tra­ti­on Camp Memo­ri­al (par­ti­al pho­to; © 2006 Andre­as Körber)

Con­sider an equal hono­u­ring of con­fe­de­ra­te gene­rals in, say NC: “Your fight­ing shall not have been in vain.” I would spark much more con­tro­ver­sy and con­cers — and right­ly so.

Still ano­ther exam­p­le, the first Ham­burg monu­ment for the vic­tims of Natio­nal Socia­lism (from late 1945) on the Cen­tral Ceme­try in Ham­burg-Ohls­dorf, has an inscrip­ti­on “Inju­s­ti­ce brought Us Death — Living: Reco­gni­ze your Obligation”.

Erstes Hamburger Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus von 11/1945 in Hamburg Ohlsdorf. Foto von NordNordWest/Wikipedia. Lizenz: CC-BY-SA 3.0; (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode); Original: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mahnmal_Opfer_der_NS-Verfolgung_Ohlsdorf.jpg

Ers­tes Ham­bur­ger Mahn­mal für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus von 11/​1945 in Ham­burg Ohls­dorf. Foto von NordNordWest/​Wikipedia. Lizenz: CC-BY-SA 3.0; (https://​crea​tive​com​mons​.org/​l​i​c​e​n​s​e​s​/​b​y​-​s​a​/​3​.​0​/​d​e​/​l​e​g​a​l​c​ode); Ori­gi­nal: http://​com​mons​.wiki​me​dia​.org/​w​i​k​i​/​F​i​l​e​:​M​a​h​n​m​a​l​_​O​p​f​e​r​_​d​e​r​_​N​S​-​V​e​r​f​o​l​g​u​n​g​_​O​h​l​s​d​o​r​f​.​jpg

 

Erstes Hamburger Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus von 11/1945 in Hamburg Ohlsdorf; Detail. Zustand 25.3.2010; Foto (c) Andreas Körber

Ers­tes Ham­bur­ger Mahn­mal für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus von 11/​1945 in Ham­burg Ohls­dorf; Detail. Zustand 25.3.2010; Foto © Andre­as Körber

 

Again, for ana­ly­zing and under­stan­ding, we need to reco­gni­ze. The spea­k­er posi­ti­on here, is cle­ar­ly (meta­pho­ri­call) held by the vic­tims to be com­me­mo­ra­ted. But whom do they speak to? Lite­ral­ly, it is the “living”. In a very broad under­stan­ding, the monument/​memorial the­r­e­fo­re addres­ses all humans, quite in a way what Rüsen has addres­sed as the hig­hest level of nor­ma­ti­ve plau­si­bi­li­ty: broa­de­ning the per­spec­ti­ve to the level of huma­ni­ty.
This is not very pro­ble­ma­tic, sin­ce the inscrip­ti­on does talk of “duty”, not of “guilt”, it does not con­f­la­te the addres­sees with tho­se who inflic­ted the inju­s­ti­ce upon the vic­tims. But it could have done. In 1945, the mes­sa­ge would be cle­ar­ly not mere­ly uni­ver­sal­ly huma­ni­stic, but at least also addres­sing the Ger­mans as the socie­ty of the per­pe­tra­tors. It does not con­demn, but calls for reco­gni­zing the “duty” and respon­si­bi­li­ty for com­me­mo­ra­ting and non-repea­ting as well as over­co­ming the struc­tures of NS inju­s­ti­ce, hin­ting at respon­si­bi­li­ty for not pre­ven­ting them or even par­ti­ci­pa­ting in them in the first place.

And today? In how far is the mes­sa­ge the same for today’s socie­ty in Ger­ma­ny? The peo­p­le living in Ger­ma­ny today do — apart from very few excep­ti­ons — not share any per­so­nal guilt or respon­si­bi­li­ty for what hap­pen­ed. In how far can or should they see them­sel­ves addressed?

Again, the­re is no ques­ti­on as to the very gene­ral, huma­ni­ty-rela­ted address. This is direc­ted at any audi­ence. But would that mean that the­re is no dif­fe­rence bet­ween any other visi­tor to the memo­ri­al and Ger­mans? Has the Nazi inju­s­ti­ce (and simi­lar­ly the Holo­caust) beco­me a mat­ter of gene­ral, uni­ver­sal histo­ry only? Is the­re no spe­cial belon­ging to and mes­sa­ge for Ger­man histo­ry? All the­se ques­ti­ons can and need to be addres­sed — and espe­ci­al­ly so, sin­ce a con­sidera­ble part of Ger­man socie­ty con­sists not only of peo­p­le born and rai­sed (long) after the “Third Reich”, but also of many who immi­gra­ted from other count­ries, socie­ties and cul­tures mean­while. Are they sim­ply coun­ted into the per­pe­tra­tors’ socie­ty? — no, I think; but as peo­p­le living in Ger­ma­ny, they also are adres­sed in a more spe­ci­fic way than any other visi­tor — and they are expec­ted to feel addres­sed, also. While the­re may be (and often inde­ed is) not spe­ci­fic respon­si­bi­li­ty for what the­se memo­ri­als and monu­ments refer to, the­re sure­ly is a spe­ci­fic respon­si­bi­li­ty from or out of this histo­ry — and the­se monu­ments the­r­e­fo­re ser­ve not only as gene­ral mar­kers to a set past, but also as marks which have spe­ci­fic mes­sa­ges and dif­fe­rent (but com­pa­ti­ble) ones for dif­fe­rent reci­pi­ents. This is what also is a part of what is nee­ded to be reflec­ted and dis­cus­sed with regard to monu­ments in public histo­ry cul­tu­re and what histo­ry edu­ca­ti­on needs to enable lear­ners to par­ta­ke in.

In order to make up our minds on monu­ments we have “inhe­ri­ted” not only in poli­ti­cal terms, we need to reflect their spe­ci­fic nar­ra­ti­ve mes­sa­ge in a spec­trum of time-rela­ti­ons. And we need to dif­fe­ren­tia­te our ter­mi­no­lo­gy and enable our stu­dents to mas­ter a set of con­cepts rela­ted. We need, e.g., to distin­gu­ish hono­ring forms of com­me­mo­ra­ti­on from remin­ding and admo­nis­hing ones.

In Ger­ma­ny we have (not eas­liy) deve­lo­ped the noti­on of “Mahn­mal”, admo­nis­hing, to be distin­gu­is­hed from a mere “Denk­mal” (lite­ral­ly a “thin­king mark”). But even this distinc­tion is insuf­fi­ci­ent. A Mahn­mal (in fact the lite­ral trans­la­ti­on to “monu­ment”, from Latin “admon­e­re”) may admo­nish to remem­ber our own suf­fe­ring inflic­ted on us by our­sel­ves, some tra­gic or by others, but also may admo­nish to not for­get what we inflic­ted on others. This is the spe­ci­fic form “nega­ti­ve memo­ry” of Ger­man memo­ri­al culture.

 

The­r­e­fo­re, there’s a lot more to be reflec­ted in commemorating:

  • Who “talks”? who aut­hors the nar­ra­ti­ve — and is what capa­ci­ty (e.g. in lieuf of “the peo­p­le”, of a cer­tain group, …)?
  • whom does the monu­ment expli­ci­ty address?
  • what is the rela­ti­on of expli­cit addres­sees and fac­tu­al spectators?
  • in how far is the mes­sa­ge the same for us today as it was envi­sio­ned back then — and pos­si­bly rea­li­zed? is it the same for all of us?
  • what kind of mes­sa­ge is perceived?

(cf. Kör­ber 2014)

 

Refe­ren­ces:

  • Has­berg, Wolf­gang (2012): Ana­ly­ti­sche Wege zu bes­se­rem Geschichts­un­ter­richt. His­to­ri­sches Den­ken im Hand­lungs­zu­sam­men­hang Geschichts­un­ter­richt. In: Mey­er-Ham­me, Johan­nes /​ Thü­ne­mann, Hol­ger /​ Züls­dorf-Kers­t­ing, Meik (Hrsg.): Was heißt guter Geschichts­un­ter­richt? Per­spek­ti­ven im Ver­gleich. Schwalbach/​Ts. /​ Wochen­schau, S. 137 – 160, p. 140.
  • Klin­gel, Kers­tin (2006): Eichen­kranz und Dor­nen­kro­ne. Krie­ger­denk­mä­ler in Ham­burg. Ham­burg: Lan­des­zen­tra­le für Poli­ti­sche Bildung.
  • Kör­ber, Andre­as (2014): De-Con­s­truc­ting Memo­ry Cul­tu­re. In: Tea­ching his­to­ri­cal memo­ries in an inter­cul­tu­ral per­spec­ti­ve. Con­cepts and methods : expe­ri­en­ces and results from the Teac­Mem pro­ject. Hrsg. von Hel­le Bjerg, Andre­as Kör­ber, Clau­dia Lenz u. Oli­ver von Wro­chem. Ber­lin 2014, 145 – 151.
  • Kör­ber, Andre­as (2016): Sinn­bil­dungs­ty­pen als Gra­du­ie­run­gen? Ver­such einer Klä­rung am Bei­spiel der His­to­ri­schen Fra­ge­kom­pe­tenz. In: Kat­ja Leh­mann, Micha­el Wer­ner und Ste­fa­nie Zabold (Hg.): His­to­ri­sches Den­ken jetzt und in Zukunft. Wege zu einem theo­re­tisch fun­dier­ten und evi­denz­ba­sier­ten Umgang mit Geschich­te. Fest­schrift für Wal­traud Schrei­ber zum 60. Geburts­tag. Ber­lin, Müns­ter: Lit Ver­lag (Geschichts­di­dak­tik in Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart, 10), S. 27 – 41.
  • Rüsen, Jörn (2017): Evi­dence and Mea­ning. A Theo­ry of His­to­ri­cal Stu­dies. Unter Mit­ar­beit von Dia­ne Kerns und Katie Digan. New York, NY: Berg­hahn Books Incor­po­ra­ted (Making Sen­se of Histo­ry Ser, v.28).
Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1.   Léves­que, Sté­pha­ne: Remo­ving the “Past”: Deba­tes Over Offi­ci­al Sites of Memo­ry. In: Public Histo­ry Weekly 6 (2018) 29, DOI: dx​.doi​.org/​1​0​.​1​5​1​5​/​p​h​w​-​2​018 – 12570. The­re also is a Ger­man and a French ver­si­on. []
  2. Ano­ther such cros­s­ta­bu­la­ti­on has been sug­gested (in Ger­man) by Wolf­gang Has­berg (Ana­ly­ti­sche Wege zu bes­se­rem Geschichts­un­ter­richt. His­to­ri­sches Den­ken im Hand­lungs­zu­sam­men­hang Geschichts­un­ter­richt. In: Mey­er-Ham­me, Johan­nes /​ Thü­ne­mann, Hol­ger /​ Züls­dorf-Kers­t­ing, Meik (Hrsg.): Was heißt guter Geschichts­un­ter­richt? Per­spek­ti­ven im Ver­gleich. Schwalbach/​Ts. /​ Wochen­schau, S. 137 – 160, p. 140). For my cri­tique see Kör­ber 2016 (in Ger­man). I also pro­vi­ded a table, inclu­ding the dif­fe­rent niveaus, but rest­ric­ted to “Fra­ge­kom­pe­tenz” (simi­lar to Lévesque’s “inquiry com­pe­tence”). []
  3. I used this also in a twit­ter-dis­cus­sion with Kim Wag­ner (@KimAtiWagner) recent­ly. []
  4. For more pic­tures and infor­ma­ti­on see also https://​www​.denk​-mal​-gegen​-krieg​.de/​k​r​i​e​g​e​r​d​e​n​k​m​a​e​l​e​r​/​h​a​m​b​u​r​g​-​l​o​-​os/. []
  5. On this type of monu­ments cf. Koselleck, Rein­hart (1994): Ein­lei­tung. In: Rein­hart Koselleck und Micha­el Jeis­mann (Hg.): Der poli­ti­sche Toten­kult. Krie­ger­denk­mä­ler in der Moder­ne. Mün­chen: Fink (Bild und Text), S. 9 – 20, here p. 18f. []
  6. Accor­ding to Klin­gel, Kers­tin (2006): Eichen­kranz und Dor­nen­kro­ne. Krie­ger­denk­mä­ler in Ham­burg. Ham­burg: Lan­des­zen­tra­le für Poli­ti­sche Bil­dung, p.71, the mour­ning-reli­ef initi­al­ly was to be repla­ced by “war sym­bols” but all skte­ches han­ded in by artists (inclu­ding a wrath with swords by Ruwoldt) were rejec­ted, so that he was com­mis­sio­ned to crea­te an eagle, which he did, but in a way which far more resem­bled a dove than an eagle. In how far this can be inter­pre­ted as a sub­ver­si­ve rejec­tion of the new mar­ti­al cha­rac­ter and even be eva­lua­ted as an act of defi­ance, is high­ly ques­tionable, sin­ce the sym­bo­lism of the dove as the uni­ver­si­al sym­bol for peace was crea­ted by Picas­so only after World­War II. []
  7. Cf. e.g. his “Invi­si­ble Monu­ment” in Sar­brü­cken: https://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​P​l​a​t​z​_​d​e​s​_​U​n​s​i​c​h​t​b​a​r​e​n​_​M​a​h​n​m​als. []
  8. Cf. a.o. Wij­sen­beek, Dinah: Denk­mal und Gegen­denk­mal. Über den kri­ti­schen Umgang mit der Ver­gan­gen­heit auf dem Gebiet der bil­den­den Kunst. Mün­chen 2010. []
  9. There’s a lot more to be reflec­ted in com­me­mo­ra­ting: Who talks to whom, here? What do they say and expect? Who is the “you”? Is it ” us” — still today? And if so: in how far is the mes­sa­ge the same for all of us, tho­se with Ham­burg ances­tors of the time, and tho­se wit­hout, may­be immi­grants? In how far can this aspect defi­ne our atti­tu­de? Can we force all recent immi­grants into our own “natio­nal” nar­ra­ti­ve (and even more so when it is not WW1, but Holo­caust rela­ted)? But then, how can we not? (cf. also Kör­ber 2014, and see below. []
  10. My mother used to explain the Ger­man word “Denk­mal”, lite­ral­ly referrring to a “mark(er)” for initia­ting thin­king, as an impe­ra­ti­ve: “Denk mal!”, refer­ring to the other mea­ning of the word “mal” as “for once”, resul­ting in “do think for once!” []
  11. Cf. https://​upload​.wiki​me​dia​.org/​w​i​k​i​p​e​d​i​a​/​c​o​m​m​o​n​s​/​t​h​u​m​b​/​1​/​1​5​/​N​e​u​e​n​g​a​m​m​e​_​m​e​m​o​r​i​a​l​.​j​p​g​/​8​0​0​p​x​-​N​e​u​e​n​g​a​m​m​e​_​m​e​m​o​r​i​a​l​.​jpg, (pho­to by Hao Liu in the public domain) []
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Neuerscheinung: Bjerg/​Körber/​Lenz/​v. Wrochem (Eds.; 2014): Teaching Historical Memories

12. Februar 2014 Andreas Körber Keine Kommentare

Bjerg, Hel­le; Kör­ber, Andre­as; Lenz, Clau­dia; von Wro­chem, Oli­ver (2014; Eds.): Tea­ching His­to­ri­cal Memo­ries in an Inter­cul­tu­ral Per­spec­ti­ve. Con­cepts and Methods. Expe­ri­en­ces and Results from the Teac­Mem Pro­ject. Ber­lin: Metro­pol (Neu­en­gam­mer Kol­lo­qui­en; 4); ISBN: 9783863311148. Darin:

  • Kör­ber, Andre­as: “His­to­ri­cal Thin­king and His­to­ri­cal Com­pe­ten­ci­es as Didac­tic Core Con­cepts”; pp. 69 – 96.
  • Kör­ber, Andre­as “De-Con­s­truc­ting Memo­ry Cul­tu­re.” pp. 145 – 150.

 

 

 

In die­ser Woche ist eine Publi­ka­ti­on erschie­nen, an wel­cher Mit­glie­der des Arbeits­be­reichs betei­ligt waren:

Bjerg, Helle/​Körber, Andreas/​Lenz, Clau­dia et al. (Hg.) (2014): Tea­ching His­to­ri­cal Memo­ries in an Inter­cul­tu­ral Per­spec­ti­ve. Con­cepts and Methods (= Neu­en­gam­mer Kol­lo­qui­en, Band 4), Berlin.

Bjerg/Körber/Lenz/von Wrochem (Eds.; 2014)

Vgl. auch: Blog-Ein­trag im Blog des Pro­jects TeacMem

Der Erste Weltkrieg im Geschichtsunterricht — aber wie?

02. Februar 2014 Andreas Körber Keine Kommentare

“Der Ers­te Welt­krieg ist fes­ter Bestand­teil des Geschichts­un­ter­richts. Die dabei ver­folg­ten Lern­zie­le haben sich im Lau­fe der Zeit immer mehr von kon­kre­ten ereig­nis- und ver­laufs- ori­en­tier­ten Inhal­ten hin zu dem Anlie­gen ent­wi­ckelt, das Lei­den der Men­schen und den men­schen­ver­ach­ten­den Cha­rak­ter des neu­ar­ti­gen Krie­ges in den Mit­tel­punkt zu stel­len. Eine sol­che Per­spek­ti­ve lässt viel­fäl­ti­ge kul­tur­ge­schicht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen zu, die neue Her­an­ge­hens­wei­sen bei der Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ver­gan­gen­heit und ihren his­to­ri­schen Akteu­ren erfordern.”

Mit die­sen Wor­ten eröff­net das LVR-Indus­trie­mu­se­um Ober­hau­sen die Ankün­di­gung einer Fort­bil­dung, die sich an “Unter­rich­ten­de[.] des Faches Geschich­te aller Aus­bil­dungs­pha­sen und Qua­li­fi­ka­ti­ons­stu­fen” rich­tet, mit dem Ziel, ihnen “aktu­el­le For­schung und die Arbeit mit neu­en Quel­len zu aus­ge­wähl­ten The­men zunächst in Fach­vor­trä­gen vor­zu­stel­len” und in “anschlie­ßen­den Work­shops” gemein­sam mit ihnen “Umset­zungs­mög­lich­kei­ten im Unter­richt” zu reflek­tie­ren, wobei “Fra­ge­stel­lun­gen, Zugän­ge und Metho­den dis­ku­tiert und Mate­ria­li­en prä­sen­tiert” wer­den, “die geeig­net sind, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern neue und span­nen­de Facet­ten his­to­ri­scher Lebens­wel­ten zu erschließen.”

Die For­mu­lie­rung weist — inso­fern sie nicht die didak­ti­sche Dis­kus­si­on, son­dern die Rea­li­tät des Geschichts­un­ter­richts und sei­ner Ent­wick­lung zutref­fend beschreibt — auf einen nicht gering zu schät­zen­den, son­dern zu unter­stüt­zen­den Fort­schritt im Geschichts­ler­nen hin und ist gar noch zurück­hal­tend for­mu­liert. Die “kon­kre­ten ereig­nis- und ver­laufs-ori­en­tier­ten Inhal­te” waren ja oft­mals nicht Aus­druck einer Ori­en­tie­rung an wis­sen­schaft­li­cher Neu­tra­li­tät und Objek­ti­vi­tät, son­dern — neben eben­so zu fin­den­den mani­fest feind­se­li­gen Instru­men­ta­li­sie­run­gen — viel­mehr Instru­ment einer Natio­nal­erzie­hung mit­tels “Ver­mitt­lung” der in natio­na­len Kate­go­rien als die “eige­ne” gese­hen Auf­fas­sung im Gewan­de einer betont sach­li­chen Darstellung.

Nicht zuletzt durch die schon in der Zwi­schen­kriegs­zeit ein­set­zen­den (damals noch zeit­lich wie sozi­al nur begrenzt wirk­sa­men) Bemü­hun­gen um eine “Ent­gif­tung” der Schul­buch­dar­stel­lun­gen (damals von Sieg­fried Kawer­au, nach dem Zwei­ten Welt­krieg von Georg-Eckert in dem von ihm auf­ge­bau­ten und im spä­ter nach ihm benann­ten Schul­buch­in­sti­tut vor­an­ge­trie­ben), aber auch durch die sozi­al­his­to­ri­sche Kri­tik am his­to­ri­schen Den­ken des deut­schen Idea­lis­mus (Georg Iggers) und schließ­lich durch Bemü­hun­gen vie­ler sozi­al- wie all­tags­his­to­risch ori­en­tier­ter Didak­ti­ker und Lehrer.

Gleich­wohl — mit den dabei zu Recht abge­lehn­ten und hof­fent­lich in der Tat wei­test­ge­hend über­wun­de­nen natio­nal- eth­no­zen­tri­schen Kon­zep­ten haben auch die in der Fort­bil­dungs­an­kün­di­gung erwähn­ten und in der Ver­an­stal­tung in kul­tur­wis­sen­schaft­li­cher Rich­tung fort­zu­schrei­ben­den didak­ti­schen Kon­zep­te gemein­sam, dass in ihnen eine bestimm­te Deu­tung und Wer­tung den Ler­nen­den prä­sen­tiert, mit Mate­ria­li­en plau­si­bel, metho­disch auf­ge­schlos­sen, in den bes­ten Fäl­len auch zur Refle­xi­on eröff­net wird. Die­ser letzt­lich — in der Ter­mi­no­lo­gie des FUER-Kom­pe­tenz­mo­dells — “re-kon­struk­ti­ve” Zugriff ist — das sei noch ein­mal betont — rich­tig und wich­tig. Er wird zudem gera­de auch ange­sichts der erwei­ter­ten Mög­lich­kei­ten durch die neu­en Medi­en nicht nur inhalt­lich, son­dern auch metho­disch vor­an­ge­trie­ben wer­den (müs­sen), wie der­zeit etwa unter ande­rem (mit Bezug auf die Euro­pea­na 1914 – 1928-Samm­lung) Dani­el Bern­sen in sei­nem Blog argu­men­tiert: (“Working with the Euro­pea­na 1914 – 18 coll­ec­tions in the histo­ry class­room – Part 1/​3: Scar­ci­ty vs. abun­dance.” In: Medi­en im Geschichts­un­ter­richt 1.2.2014)

Aber es reicht mei­nes Erach­tens nicht aus. Gera­de die der­zeit wie­der leb­haf­te Debat­te (nicht nur) in Eng­land und Deutsch­land um Ursa­che und Schuld am Ers­ten Welt­krieg, die ja gera­de nicht mehr allein eine Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen einer “deut­schen” und einer “eng­li­schen” Posi­ti­on ist und auch nicht mit den Kate­go­rien einer “lin­ken” vs. einer kon­ser­va­ti­ven Geschichts­schrei­bung und ‑inter­pre­ta­ti­on erschlos­sen wer­den kann, die die “natio­na­len” Per­spek­ti­ven und Posi­tio­nen über­la­gern wür­den, son­dern bei wel­cher höchst aktu­el­le Vor­stel­lun­gen über die Euro­päi­sche Uni­on, die Rol­le Deutsch­lands in Euro­pa eine Rol­le spie­len, ver­deut­licht, dass es bei Geschich­te (zumal “in der Gesell­schaft”) nie allein um Aspek­te der “ver­gan­ge­nen Lebens­wel­ten” geht, auch wenn es inno­va­ti­ve und sol­che sind, wel­che huma­nis­ti­sche Kri­te­ri­en anwenden.

Nötig ist viel­mehr (nicht als Ersatz, aber als Ergän­zung) der genann­ten inno­va­ti­ven Ansät­ze die (de-kon­struk­ti­ve) The­ma­ti­sie­rung der öffent­li­chen Dis­kus­sio­nen um die Ver­gan­gen­heit, die ihr zuge­wie­se­ne Bedeu­tung und die Deu­tun­gen, die ihr zuteil wer­den. Dabei muss mehr und ande­res in den Blick kom­men und als Mate­ri­al zur deu­ten­den und urtei­len­den Erschlie­ßung bereit­ge­stellt wer­den als mög­lichst ein­deu­ti­ge und gut erschließ­ba­re Quel­len und Dar­stel­lun­gen. Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät ist dann — wie es die didak­ti­sche Theo­rie seit lan­gem for­dert — mehr als ein Mit­tel zur best­mög­li­chen Annä­he­rung an die ver­gan­ge­ne Wirk­lich­keit und ihre Kom­ple­xi­tät, son­dern wird als Merk­mal das gesell­schaft­li­chen Geschichts­de­bat­te selbst unhintergehbar.

Da glei­che gilt aber wie­der­um für die zeit­li­che, die his­to­ri­sche Dimen­si­on: Eine gewis­ser­ma­ßen nur zwei Zeit­ebe­nen in den Blick (“damals” und “heu­te”) neh­men­de Auf­be­rei­tung reicht nicht aus, viel­mehr müs­sen die heu­ti­gen Posi­tio­nen und Per­spek­ti­ven in Rela­ti­on gesetzt wer­den zu sol­chen meh­re­rer Zeit­ebe­nen seit dem the­ma­ti­sier­ten Ereig­nis. Die Arti­kel der gegen­wär­ti­gen Debat­te (also etwa der Bei­trag von Geppert/​Neitzel/​Stephan/​Weber mit den Ant­wor­ten von Ull­rich und/​oder Her­zin­ger, aber auch die von bzw. über Micha­el Gove, Tri­st­ram Hunt, Boris John­son, Richard Evans) — samt ihren Bezü­gen auf­ein­an­der — bil­de­ten somit nur eine “Schicht” des rele­van­ten Mate­ri­als. Dazu gehö­ren dann — als eine wei­te­re Schicht — auch rele­van­te Aus­zü­ge der “Fischer-Kon­tro­ver­se”, und — nicht zuletzt — expli­zi­te Refle­xio­nen der ver­wen­de­ten Kon­zep­te und Begriffe.

Historisch Denken Lernen an den neuen Debatten um die Schuld am Ersten Weltkrieg — aber wie?

05. Januar 2014 Andreas Körber 4 Kommentare

Es war ja zu erwar­ten, dass im Vor­feld des hun­dert­jäh­ri­gen Geden­kens des Beginns des Ers­ten Welt­krie­ges die Debat­ten um die Ursa­chen und ins­be­son­de­re um die “Schuld” an die­sem Krieg eine erneu­te Kon­junk­tur erle­ben wür­den. Nicht nur die gro­ße neue Unter­su­chung von Chris­to­pher Clark, wel­che die ins­be­son­de­re von Fritz Fischer ver­tre­te­ne The­se vom deut­schen Kriegs­wil­len und ins­be­son­de­re von der vor­nehm­lich deut­schen Ver­ant­wor­tung erneut in Fra­ge stellt, hat dazu deut­lich beigetragen.

Was aber ist dar­aus zu ler­nen? Geht es dar­um, die — wenn man den Kom­men­ta­to­ren folgt — vor­nehm­lich in libe­ra­len und “lin­ken” Krei­sen popu­lä­re The­se der deut­schen “Allein­schuld” in den Köp­fen der Men­schen aus­zu­tau­schen gegen die neue, Clark’sche Vari­an­te einer mehr­sei­tig ver­teil­ten Ver­ur­sa­chung? Das wäre his­to­ri­sches Ler­nen im Sin­ne einer recht kru­den Kon­zep­ti­on von “Abbild­di­dak­tik”, der zufol­ge die jeweils aktu­el­len Erkennt­nis­se der His­to­ri­ker als bes­te Annä­he­run­gen an die “his­to­ri­sche Wahr­heit” zu “ver­mit­teln”, nein, zu “über­mit­teln” sei­en. Und es wäre doch all­zu wenig — nicht nur, weil es letzt­lich an der rezep­ti­ven Abhän­gig­keit der so Belehr­ten von den For­schun­gen der Fach­leu­te (und den publi­zis­ti­schen Macht­ver­hält­nis­sen unter ihnen) nicht ändert, son­dern auch, weil damit der letzt­lich unpro­duk­ti­ven Vor­stel­lung einer his­to­ri­schen “Wahr­heit” Vor­schub geleis­tet wür­de, die in Form einer Annä­he­rung an die ver­gan­ge­ne Wirk­lich­keit her­kommt, und nicht der weit­aus anschluss- und ori­en­tie­rungs­fä­hi­ge­ren Kon­zep­ti­on, der­zu­fol­ge es um die Qua­li­tät als rela­tio­na­ler Kon­zep­te zwi­schen Gegen­wart und Ver­gan­gen­heit gedach­ter his­to­ri­scher Aus­sa­gen geht, die sich in ihrer Zustim­mungs­fä­hig­keit (“Trif­tig­keit” oder “Plau­si­bi­li­tät” in drei oder vier Dimen­sio­nen; vgl. Rüsen 1994; Rüsen 2013) bemisst. Anders gesagt: Wer über und an historische(n) Deu­tun­gen ler­nen will, muss die jeweils spe­zi­fi­schen Ori­en­tie­rungs­be­dürf­nis­se, die Norm­vor­stel­lun­gen, die Impli­ka­tio­nen der ein­zel­nen Inter­pre­ta­tio­nen usw. mitdenken.

In die­sem Zusam­men­hang sind — wie so oft — publi­zis­ti­sche Inter­ven­tio­nen von His­to­ri­kern und ande­ren öffent­li­chen “Ver­mitt­lern” mit­samt den öffent­li­chen Reak­tio­nen inter­es­sant, wie sie etwa in den Debat­ten unter Online-Zei­tungs­ar­ti­keln zuhauf zu fin­den sind. Weit davon ent­fernt zu glau­ben, dass die­se “die öffentliche(n) Meinung(en)” bzw. deren Ver­tei­lung relia­bel abbil­de­ten oder auch nur die wah­re Mei­nung der jewei­li­gen (oft­mals anony­men) Autoren, hal­te ich die­se Debat­ten doch für sehr geeig­net, his­to­ri­sches Den­ken zu ler­nen, weil sie zum Teil pro­to­ty­pisch über­höht und zuge­spitzt Deu­tun­gen und Schluss­fol­ge­run­gen, Sach­ver­halts­auss­gaen, Sach- und Wert­ur­tei­le prä­sen­tie­ren, die als “sag­bar” gel­ten. Es geht also in gewis­ser Form um Dis­kurs­ana­ly­sen in rudi­men­tä­rer Form, um aus ihnen mög­li­che und unmög­li­che, zustim­mungs­fä­hi­ge und pro­ble­ma­ti­sche For­men his­to­ri­scher Sinn­bil­dung samt ihrer Gel­tungs­an­sprü­che und ent­spre­chen­der Appel­le an die Leser erschließ­bar zu machen, ohne dass am Ende eine gemein­sa­me Sicht, eine von allen geteil­te Bewer­tung ste­hen muss — hof­fent­lich aber doch eini­ges an bes­se­rem Ver­ständ­nis über die Be-Deutung(en) der jewei­li­gen Geschichten.

Die For­men, wel­che die Debat­te gegen­wär­tig anzu­neh­men beginnt, sind da schon sehr aufschlussreich.

In der WELT for­dern heu­te vier nam­haf­te deut­sche Historiker(innen), näm­lich Domi­nik Geppert, Sön­ke Neit­zel, Cora Ste­phan und Tho­mas Weber, die Ablö­sung der The­se von der Deut­schen Allein­schuld (“War­um Deutsch­land nicht allein Schuld ist”) — und zwar durch­aus mit (beden­kens­wer­ten) Argu­men­ten, die nicht nur auf die Ver­gan­gen­heit zie­len, son­dern gera­de auch auf die mög­li­chen Wir­kun­gen im gegen­wär­ti­gen poli­ti­schen Feld der euro­päi­schen Poli­tik. In unse­rem Zusam­men­hang inter­es­sant ist dabei die oben beraits ange­deu­te­te Bewer­tung der The­se von deut­scher Schuld als “lin­ker Mythos”. Die sich anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on (“Kom­men­ta­re”) erweist sich aber als noch inter­es­san­ter. Wo die Historiker(innen) die Eig­nung des Ers­ten Welt­kriegs und der Schuld­fra­ge zur Bekämp­fung von Natio­na­lis­mus bezwei­feln, neh­men vie­le Kom­men­ta­to­ren die­se Ableh­nung der Fischer-The­se zum Anlass, um in durch­aus rein natio­na­lem Den­ken wie­der­um die Schuld ent­we­der direkt bei den dama­li­gen Fein­den der Deut­schen zu ver­or­ten oder die­se von jeg­li­cher Schuld frei­zu­spre­chen. Wie dort die Kate­go­rien durch­ein­an­der gehen, etwa “Ursa­che”, “Anlass”, aber auch “Schuld” und “Ver­ant­wor­tung”, macht deut­lich, dass der Opti­mis­mus der His­to­ri­ker, mit der kor­rek­ten his­to­ri­schen Deu­tung sol­cher­lei Natio­na­lis­men zu erschwe­ren, reich­lich unbe­grün­det erscheint.

Noch inter­es­san­ter wird es aber, wenn man gleich­zei­tig einen Arti­kel des eng­li­schen Bil­dungs­mi­nis­ters Micha­el Gove in der eng­li­schen Dai­ly Mail her­an­zieht — und den dazu­ge­hö­ri­gen Kom­men­tar im Guar­di­an von sei­nem “Schatten”-Kollegen Tri­st­ram Hunt). In ers­te­rem (“Micha­el Gove blasts ‘Black­ad­der myths’ about the First World War spread by tele­vi­si­on sit-coms and left-wing aca­de­mics”) kri­ti­siert Gro­ve unter ande­ren “lin­ke” Geschichts­my­then, und zwar mit Hil­fe einer — so Hunt — “berei­nig­ten” Ver­si­on der The­sen von Max Has­tings, denen zufol­ge der Krieg ein “not­wen­di­ger Akt des Wider­stan­des gegen ein mili­ta­ris­ti­sches, kriegs­trei­be­ri­sches und impe­ria­lis­ti­sches Deutsch­land” (wört­lich: “a neces­sa­ry act of resis­tance against a mili­ta­ristic Ger­ma­ny bent on war­mon­ge­ring and impe­ri­al aggres­si­on”) gewe­sen sei — mit einer Neu­auf­la­ge von Fritz Fischers The­se der deut­schen Kriegs­schuld also. “In an artic­le for the Dai­ly Mail, Mr Gove says he has litt­le time for the view of the Depart­ment for Cul­tu­re and the For­eign Office that the com­me­mo­ra­ti­ons should not lay fault at Germany’s door” ‑schreibt Mail Online. Ganz ähn­lich und in der poli­ti­schen Aus­rich­tung noch deut­li­cher auch Boris John­son: “Ger­ma­ny star­ted the Gre­at War, but the Left can’t bear to say so” im “Tele­graph”.

Bei­der­seits der Nord­see also eine Ableh­nung “lin­ker” The­sen — nur, dass ein­mal The­sen Fischers als sol­che gel­ten und sie ein­mal gegen sol­che in Anschlag gebracht wer­den. Grund genug also, gera­de auch in die­sem Fal­le nicht allein nach der “Wahr­heit” zu fra­gen, son­dern die Nar­ra­tio­nen kon­kret zu prü­fen — zu de-kon­stru­ie­ren, um in der Ter­mi­no­lo­gie von FUER zu bleiben.

Natür­lich sind die Kom­men­ta­re auch in der Dai­ly Mail und im Guar­di­an eben­falls inter­es­sant und ein­zu­be­zie­hen und natür­lich wird noch vie­les gesche­hen in der Debat­te. Erst mit ihnen, mit Nar­ra­ti­on, Inter­pre­ta­ti­on sowie Wer­tung und den jewei­li­gen viel­fäl­ti­gen Gegen­po­si­tio­nen aber wird ein Mate­ri­al dar­aus, wel­ches es für his­to­ri­sches Ler­nen im kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Sin­ne geeig­net macht.

Eine klei­ne Anmer­kung mei­ner­seits sei aber noch gestattet:
Die Abwehr der Fischer-The­se als “links” und zu gefähr­lich idea­lis­tisch und die Befür­wor­tung einer rea­lis­ti­sche­ren Sicht auf die Ursa­chen des Ers­ten Welt­kriegs auch als Basis für eine rea­lis­ti­sche­re Poli­tik in Euro­pa mag ja rich­tig sein. Aber es darf nicht ver­kannt wer­den, dass gera­de auch die Fischer-Kon­tro­ver­se in einem his­to­ri­schen Zusam­men­hang steht — wie auch die deut­sche Erin­ne­rungs­po­li­tik zuvor. Dass die Fischer-The­se nicht zur Abwehr von Natio­na­lis­mus tau­ge, ist also nur begrenzt rich­tig. In den 60er Jah­ren und ange­sichts der Fort­set­zung der Ent­schul­di­gungs­po­li­tik der Zwi­schen­kriegs­zeit (man Den­ke an “Die gro­ße Poli­tik der euro­päi­schen Kabi­net­te”) hat­te die Her­aus­ar­bei­tung wenn nicht der “Allein­schuld”, so aber doch des deut­li­chen Kriegs­wil­lens durch­aus ihre Berech­ti­gung und Funk­ti­on — die Kom­men­ta­re zum WELT-Arti­kel bele­gen das indi­rekt noch heute.

Und noch ein paar Anmer­kun­gen — als Nachtrag:

  • Die Inter­ven­tio­nen bei­der hier in aller Kür­ze vor­ge­stell­ter Sei­ten gehen gegen “lin­ke” Geschichts­bil­der und füh­ren gegen sei das Inter­es­se an Wahr­heit und Ehr­lich­keit an. Das klingt zunächst ein­mal gut. Aber die Oppo­si­ti­on von “Wahr­heit” und “Ehr­lich­keit” gegen “poli­ti­sche” Geschichts­bil­der ist in sich selbst falsch — und zwar zunächst (!) unab­hän­gig davon, wel­cher poli­ti­schen Rich­tung die kri­ti­sier­ten Geschichts­bil­der ent­stam­men. Es wür­de schon enorm wei­ter­hel­fen, aner­zu­er­ken­nen, dass jede Posi­ti­on, wel­che für sich poli­ti­sche Neu­tra­li­tät, unpo­li­ti­sche “Ehr­lich­keit” und “Wahr­heit” bean­sprucht, ihrer­seits emi­nent poli­tisch ist — und zwar nicht nur, weil die sie behaup­ten­den Autoren jeweils selbst (hof­fent­lich) poli­ti­sche Men­schen mit Über­zeu­gun­gen, Posi­tio­nen und Vor­stel­lun­gen für gegen­wart und Zukunft sind und ihre Vor­stel­lun­gen von der Ver­gan­gen­heit von ihnen mit geprägt wer­den, son­dern auch weil die Vor­stel­lung einer vor­po­li­ti­schen Raums der Wahr­heit und der ver­zer­ren­den Natur poli­ti­scher Per­spek­ti­ven irrig ist. Es wäre noch mehr gewon­nen, wenn die Ein­sicht, wel­che für die Poli­tik­di­dak­tik in den 1960er Jah­ren Her­mann Gies­ecke for­mu­liert hat, dass die Natur der Demo­kra­tie die Unei­nig­keit und die Aus­ein­an­der­set­zung ist und dass Kon­tro­ver­sen kei­nes­wegs ein zu ver­mei­den­des Übel, son­dern die Form sind, in wel­cher not­wen­di­ger­wei­se unter­schied­li­che Inter­es­sen an, Bli­cke auf und ver­ar­bei­tungs­wei­sen von sozia­ler und poli­ti­scher Rea­li­tät sicht­bar und aus­ge­han­delt wer­den, wenn die­se Ein­sicht nun end­lich auch auf das Feld der Geschich­te über­tra­gen wür­de. Die Geschichts­theo­rie stellt das nöti­ge Instru­men­ta­ri­um seit Lan­gem bereit: Geschich­te ist immer stand­ort­ge­bun­den und somit per­spek­ti­visch, sie ist immer par­ti­ell und selek­tiv und sie ist immer gegen­wär­tig. Sie ist näm­lich von der Ver­gan­gen­heit zu unter­schei­den. Wäh­rend die­se ein­ma­lig war und nur in einer Form exis­tiert hat ist sie über­kom­plex und als sol­che nicht zu erken­nen. Geschich­te als die immer gegen­wär­ti­ge, an einen (zeit­li­chen, sozia­len, poli­ti­schen, kul­tu­rel­len, …) Stand­ort gebun­de­ne und von die­sem Stand­punkt und sei­nen Prä­gun­gen aus geform­te Erzäh­lung über (!) Ver­gan­gen­heit ist viel­fäl­tig und das zu recht. Damit ist einem Rela­ti­vis­mus das Wort gere­det, dem­zu­fol­ge jede Aus­sa­ge über die­se Ver­gan­gen­heit, jede Geschich­te gleich gut wäre, wohl aber der Ein­sicht, dass es nicht nur eine “rich­ti­ge” Sicht gibt, son­dern dass auf­grund ihres rela­tio­na­len, Vergangenheit(en) udn gegenwarte(en) mit­ein­an­der ver­bin­den­den Cha­rak­ters meh­re­re “gül­tig” sein kön­nen. Und es folgt eben­so dar­aus, dass es noch mehr unwah­re Geschich­ten gibt: näm­lich sol­che, deren Rela­tio­nen aner­kann­ten Stan­dards widersprechen.Das Resul­tat ist, dass in allen Gesell­schaf­ten, aber mehr noch in libe­ra­len, plu­ra­len und hete­ro­ge­nen eine stän­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung über und um Geschich­te Herr­schen muss, bei des­sen sinn­vol­ler Aus­ge­stal­tung nicht die Über­wäl­ti­gung der jeweils ande­ren zu Aner­ken­nung der eige­nen Dar­stel­lung, Deu­tung und Schluss­fol­ge­rung das Ziel sein muss, son­dern die Her­stel­lung einer neu­en Ebe­ne von his­to­ri­scher Kul­tu­ra­li­tät, bei der die jewei­li­gen Geschich­ten so mit­ein­an­der kom­pa­ti­bel (nicht aber iden­tisch) gemacht wer­den, dass man mit­ein­an­der reden, den­ken, Gegen­wart gestal­ten und zukunft (aktiv) erwar­ten kann. Das wäre übri­gens auch “Ein­heit in Viel­falt” und stün­de etwa einem “Euro­päi­schen Geschichts­be­wusst­sein” gut an. Es wäre aber noch mehr — es bedeu­te­te, das his­to­ri­sche Den­ken selbst zu demokratisieren.
    Gar­aus folgt zum einen, dass “Geschichts­po­li­tik” nichts nega­ti­ves ist — sofern der Begriff nicht ein die Geschich­te zum vor­der­grün­di­gen Zweck miss­brau­chen­des Han­deln bezeich­net, son­dern das Poli­tik­feld, in dem sol­che sowie demo­kra­ti­sche For­men des Rin­gens um his­to­ri­sche Ori­en­tie­rung statt­fin­den. Eine Ent­ge­gen­set­zung von “Poli­tik” und “Geschich­te” ist unfrucht­bar. Bes­ser wäre es, anzu­er­ken­nen, dass demo­kra­ti­sche Gesell­schaf­ten sich auch über die Gel­tungs­an­sprü­che öffent­li­cher Geschichts­aus­sa­gen, über ihre Ver­bind­lich­keit (Geschichts­po­li­tik) wie über die aus ihnen zu zie­hen­den Schluss­fol­ge­run­gen im poli­ti­schen Han­deln (“Ver­gan­gen­heits­po­li­tik” in einem Sin­ne, der nicht nur auf die Ver­ar­bei­tung von Dik­ta­tur­er­fah­run­gen beschränkt blei­ben darf) immer neu aus­ein­an­der­set­zen müssen.Daraus folg­te aber auch, dass die Klas­si­fi­ka­ti­on eines Geschichts­bil­des als “links” oder “rechts” noch kein Argu­ment sein dürf­te, es zu dis­qua­li­fi­zie­ren. Poli­ti­sche Geschichts­bil­der sind nor­mal und sie müs­sen als sol­che ernst genom­men wer­den. Man muss sich mit ihnen aus­ein­an­der­set­zen, und sie in ihrer nar­ra­ti­ven Erklä­rungs- und Ori­en­tie­rungs­kraft dis­ku­tie­ren — das meint die jüngst von Bodo von Bor­ries ein­ge­for­der­te “Nar­ra­ti­ons­prü­fung” oder “De-Kon­struk­ti­on”. Dass eini­ge lin­ke wie auch eini­ge “rech­te” Geschichts­bil­der die­se Prü­fung kaum über­ste­hen wer­den, dürf­te klar sein — wobei ich selbst noch immer den­ke, dass vie­le expli­zit “rech­te” Geschichts­bil­der auf­grund in sie ein­ge­hen­der Nor­men und Vor­stel­lun­gen pro­ble­ma­ti­scher sind als vie­le “lin­ke”, wobei aber natür­lich auch hier vie­les pro­ble­ma­tisch ist.
    Es wäre also viel gewon­nen, den Ver­weis auf “links” (und “rechts”) nicht als Argu­ment anzu­füh­ren, son­dern viel­mehr die Geschichts­dar­stel­lun­gen aller Pro­ve­ni­enz einer prü­fung zu unter­zie­hen, die wesent­lich, aber nicht nur auf den Quel­len, beruht, son­dern auch die ein­ge­hen­den Nor­men, Men­schen­bil­der, Gesell­schafts­theo­rien, aber auch die Erklä­rungs­mus­ter und­so­mit die Impli­ka­tio­nen für das heu­ti­ge Zusam­men­le­ben in den Blick nimmt. Nichts ande­res mein­te übri­gens Jörn Rüsen mit sei­nen schon zitier­ten drei “Trif­tig­kei­ten” bzw. neu­er­dings “vier Plausibilitäten”
  • Es ist aber noch etwas ande­res anzu­mer­ken: Eine Schluss­fol­ge­rung hier­aus lau­tet, dass die Mit­glie­der min­des­tens der moder­nen, plu­ra­len und hete­ro­ge­nen Gesell­schaf­ten im Geschichts­un­ter­richt und der poli­ti­schen Bil­dung in die Lage ver­setzt wer­den müs­sen, eigen­stän­dig und ver­ant­wort­lich an die­ser gesell­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung um Geschich­te teil­zu­neh­men. Das meint “Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung”. Sie dür­fen nicht in einer Lage belas­sen oder gera­de erst in sie ver­setzt wer­den, dass sie nur rezep­tiv auf­neh­men, was “die Fach­leu­te” ihnen erzäh­len, und mit dem Ver­weis auf ihren Fach­leu­te-Sta­tus legi­ti­mie­ren. Ande­rer­seits: die Vor­stel­lung, dass jede® befä­higt wer­den soll, sich sei­ne eige­ne “Mei­nung” (oder bes­ser: “Auf­fas­sung”) zu bil­den, kann auch über­trie­ben oder dies­be­züg­lich miss­ver­stan­den wer­den. Es geht zwar schon dar­um, dass “Ever­y­man his own his­to­ri­an” sein kön­nen muss — aber die Vor­stel­lung einer Abschaf­fung der his­tor­si­chen Zunft der Fach­leu­te zuguns­ten einer völ­li­gen “Demo­kra­ti­sie­rung” der his­to­ri­schen For­schung wäre nicht nur über­zo­gen idea­lis­tisch — sie wäre auch töricht. Es ist zwar das Ziel des kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Geschichts­un­ter­richts, dass prin­zi­pi­ell jedes Mit­glied der moder­nen Gesell­schaft über die grund­le­gen­den Fähig­kei­ten des his­to­ri­schen Den­kens selbst ver­fügt, also — etwa nach Jeis­mann — selbst Sach­ver­halts­fest­stel­lun­gen (um den Begriff ein­mal abzu­wan­deln) tref­fen, Sach- und Wert­ur­tei­le his­to­ri­scher Art fäl­len kann — aber es kann und soll nicht gemeint sein, dass jeder in jedem Fal­le zum Exper­ten wer­den soll und muss. Aber dann gehört es zur his­to­ri­schen Bil­dung und Kom­pe­tenz, Aus­sa­gen von His­to­ri­kern wie von Akteu­ren der öffent­li­chen his­to­ri­schen Debat­ten nicht nur ver­ste­hen und sich zwi­schen ihnen ent­schei­den zu kön­nen, son­dern sie in dem Sin­ne kri­tisch zu rezi­pie­ren, dass sie kri­tisch befragt (“hin­ter­fragt” heißt das modern) und bedacht wer­den kön­nen — und zwar nicht nur auf ihre Quel­len hin (“Prü­fung der empi­ri­schen Trif­tig­keit”), son­dern auch auf die Prä­mis­sen, Nor­men, Model­le — und auf die Impli­ka­tio­nen für die Gesell­schaft und jeden ein­zel­nen in Gegen­wart und Zukunft. Das aber umfasst auch, den Sta­tus sol­cher Aus­sa­gen als Tei­le einer (nicht zwin­gend partei‑, aber doch) poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung um zeit­li­che Ori­en­tie­rung zu erken­nen und zu akzep­tie­ren. Ein­zel­ne Posi­tio­nen als “ehr­lich”, weil unpo­li­tisch und ande­re als falsch WEIL poli­tisch zu klas­si­fi­zie­ren, hilft dabei nicht.
  • His­to­ri­sches Ler­nen gera­de auch im Geschichts­un­ter­richt soll­te somit nicht gedacht wer­den als die Bevor­ra­tung der Ler­nen­den mit einer bestimm­ten Ori­en­tie­rung, son­dern vor­nehm­lich um die Befä­hi­gung der Ler­nen­den zur Selbst­ori­en­tie­rung und zur Teil­ha­be an der gesell­schaft­li­chen Orientierung.

Ergän­zun­gen 7.1.2014/23.1.2014:

Erinnerungspolitik in Hamburg: Wiederherstellung des einen und Vernichtung des anderen?

03. Januar 2014 Andreas Körber Keine Kommentare

Ges­tern (2.1.2014) bzw. heu­te (3.1.2014) fin­den sich sich in der Ham­bur­ger Pres­se zwei Mel­dun­gen über erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Inti­ta­ti­ven und begin­nen­de Kon­tro­ver­sen darum:

  1. Die taz nord berich­tet ges­tern unter der Über­schrift “Der Geist der Kai­ser­zeit” über eine erneu­te Initia­ti­ve des Lei­ters des Alto­na­er Stadt­teil­ar­chivs, ein 1970 zuge­schüt­te­tes Mosa­ik mit Korn­blu­men unter dem Kai­ser-Wil­helm-Denk­mal vor dem Alto­na­er Rat­haus wie­der frei­le­gen und restau­rie­ren zu las­sen. In dem Bericht wird her­vor­ge­ho­ben, dass die­se Blu­men die Lieb­lings­blu­men des Kai­sers gewe­sen sei­en, und dass die­se Blu­me — aus der Tra­di­ti­on der “blau­en Blu­me ” der deut­schen Roman­tik kom­mend — spä­ter gar Kenn­zei­chen einer (aller­dings nicht mit Ham­burg ver­bun­de­nen) SS-Divi­si­on wurde.
  2. Die Ber­ge­dor­fer Zei­tung berich­tet heu­te unter der Über­schrift “Sol­len umstrit­te­ne Sta­tu­en ein­ge­schmol­zen wer­den?” über eine Ini­ti­taive, die in der Ber­ge­dor­fer Stern­war­te ein­ge­la­ger­ten ehe­ma­li­gen Kolo­ni­al­denk­mä­ler ein­zu­schmel­zen und zitiert den Pro­test von u.a. HM Joki­nen (u.a. afri​ka​-ham​burg​.de) und dem Netz­werk “Ham­burg Post­ko­lo­ni­al” dage­gen.

Noch lie­gen mir zu bei­den Fäl­len kei­ne kon­kre­ten wei­te­ren Infor­ma­tio­nen vor. Bei­de Fäl­le sind aber durch­aus geeig­net, im Rah­men einer Didak­tik der Erin­ne­rungs­kul­tur und ‑poli­tik the­ma­ti­siert zu wer­den. In der Dop­pe­lung von Wie­der­her­stel­lung /​ Ver­nich­tung wer­fen die­se Fäl­le näm­lich gera­de in ihrer Kom­bi­na­ti­on inter­es­san­te Fra­gen und The­sen auf:

  • Die Wie­der­her­stel­lung oder auch nur Pfle­ge eines Denk­mals wirft die berech­tig­te Fra­ge danach auf, ob damit der “Geist” und die Deu­tung der ursprüng­li­chen Denk­mal­set­zer erneut bekräf­tigt wer­den soll oder auch nur die Gefahr besteht, dass es so ver­stan­den wird und wirkt.
  • Kann/​soll/​muss dem­nach in der Demo­kra­tie und unter Bedin­gun­gen sich gewan­del­ten und sich wei­ter (hof­fent­lich in zustim­mungs­fä­hi­ger Rich­tung) wan­deln­den poli­ti­schen und mora­li­schen Wer­ten der Denk­mals­be­stand stän­dig kri­tisch durch­fors­tet und über­ar­bei­tet werden? 
    • Ist dafür das Ver­ste­cken und/​oder die Ver­nich­tung solch unlieb­sa­mer, unbe­que­mer Denk­mä­ler geeig­net — oder bzw. inwie­weit ist sie Aus­druck einer Erin­ne­rungs­kul­tur und ‑poli­tik, die mehr das Unlieb­sa­me ver­drängt statt durcharbeitet?
    • Inwie­fern bedeu­tet die­ses Ver­nich­ten und Ver­drän­gen somit auch ein Unter­drü­cken unlieb­sa­mer Anfra­gen an die Tra­di­tio­nen des eige­nen Den­kens und Handelns?
    • Wel­che Alter­na­ti­ve gibt es zu den bei­den Polen “Reno­vie­ren” und “Ver­nich­ten”?
  • Wie kann eine Erin­ne­rungs­kul­tur aus­se­hen, wel­che weder in der ein­fa­chen Bekräf­ti­gung ver­gan­ge­ner, über­kom­men­der oder gar über­hol­ter und eigent­lich über­wun­de­ner poli­ti­scher Aus­sa­gen noch in ihrer ein­fa­chen Ver­drän­gung noch zum Mit­tel der dam­na­tio memo­riae greift?
  • Sind Gegen­denk­ma­le, wie sie zumin­dest für vie­le Krie­ger­denk­mä­ler ja inzwi­schen durch­aus nicht sel­ten sind, dafür geeignet?
  • Gibt es wei­te­re For­men, wel­che weni­ger in der Über­prä­gung eines bestehen­den Denk­mals mit einer neu­en Aus­sa­ge bestehen als in der För­de­rung einer refle­xi­ven und kon­tro­ver­sen Diskussion?

Bei alle­dem soll­te jedoch klar sein, dass die Ver­nich­tung sol­che refle­xi­ven For­men erin­ne­rungs­po­li­ti­scher Akti­vi­tä­ten und zuge­hö­ri­ger Lern­for­men ver­hin­dern wür­de. Sie schei­den somit aus mei­ner Sicht aus. Inso­fern ist den Pro­tes­ten gegen etwa­ige sol­che Plä­ne zuzustimmen.
Auch die ein­fa­che Wie­der­her­stel­lung des Alto­na­er Mosa­iks wür­de aber wohl eben­so mehr Pro­ble­me auf­wer­fen. Ihre Ver­hin­de­rung löst das Pro­blems eben­falls nicht. Hier wären also ande­re Lösun­gen zu suchen.

Internationale Konferenz zur Erinnerungskultur in Ghana und Deutschland im Vergleich

30. September 2012 Andreas Körber Keine Kommentare

 

Vom 20. bis 24. Sep­tem­ber 2012 fand in Ham­burg die vom Arbeits­be­reich Geschichts­di­dak­tik der Uni­ver­si­tät Ham­burg gemein­sa­me mit dem Stu­di­en­zen­trum der KZ-Gedenk­stät­te Neu­en­gam­me und der Mis­si­ons­aka­de­mie an der Uni­ver­si­tät Ham­burg ver­an­stal­te­te inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz “Struc­tures and Pro­ces­ses of Com­me­mo­ra­ting Cruel­ties in Aca­de­me and Histo­ry Tea­ching: The com­me­mo­ra­ti­on of the Trans­at­lan­tic Slave Trade and of the Natio­nal Socia­list Cri­mes in Com­pa­ri­son” statt.

Die Kon­fe­renz hat­te zum Ziel, Struk­tu­ren und For­men des öffent­li­chen Erin­nerns in Deutsch­land an die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­chen in Deutsch­land und Euro­pa und die­je­ni­gen der öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on der Geschich­te des Trans­at­lan­ti­schen Skla­ven­han­dels (wie auch der ein­hei­mi­schen Skla­ve­rei) in Gha­na sowie die gegen­wär­ti­ge Rol­le die­ser The­men in schu­li­schem und uni­ver­si­tä­rem Geschichts­ler­nen zu ver­glei­chen und auf die didak­ti­schen Poten­tia­le gera­de auch des Ver­gleichs hin aus­zu­lo­ten. Dabei wur­de auch die Bedeu­tung von Reli­gi­on und reli­giö­sem Den­ken sowohl für die Skla­ve­rei, den Skla­ven­han­del und ihre Über­win­dung als auch für his­to­ri­sches Den­ken und Erin­nern sowie Ler­nen an die­sem Gegen­stand thematisiert.

Die The­ma­tik der Tagung ent­sprach einer gemein­sa­men Idee von Prof. Dr. Kofi Dark­wah von der Uni­ver­si­ty od Edu­ca­ti­on in Win­ne­ba/​Ghana und Prof. Dr. Andre­as Kör­ber. Sie wur­de in enger Zusam­men­ar­beit mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen meh­re­rer Uni­ver­si­tä­ten in Gha­na von Jan Brei­ten­stein, Dok­to­rand der Geschichts­di­dak­tik an der Uni­ver­si­tät Ham­burg, vor­be­rei­tet und organisiert.

Refe­ren­ten der Tagung waren:

  • Dr. Kofi Baku (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon; Head of Histo­ry Depart­ment): “Memo­ry and Memo­ri­a­li­sing Slavery and Slave Trade in Gha­na: Who­se memo­ry, Which memo­ri­als and for What Purpose?”
  • Prof. Dr. Andre­as Kör­ber (Ham­burg Uni­ver­si­ty):  “His­to­ri­cal Remem­be­ring and Lear­ning at Memo­ri­als in Ger­ma­ny” and a Cam­pus-Tour on “Decen­tra­li­zed Remem­be­ring of the Cri­mes of Natio­nal Socialism”
  • Prof. Dr. Eliza­beth Amo­ah (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon;): “Reli­gi­on and Slavery in Ghana”
  • Prof. Dr. Wer­ner Kahl (Aca­de­my of Mis­si­on, Ham­burg): “Theo­lo­gy after Ausch­witz: Whe­re is god? — Expe­ri­en­ces and reflec­tions of Afri­can migrant pas­tors in Neuengamme.”
  • Dr. Ako­sua Per­bi (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon;): “Slavery in Gha­na: The Unf­or­got­ten Past”
  • Ulri­ke Jen­sen and Mar­co Küh­nert (Neu­en­gam­me Con­cen­tra­ti­on Camp Memo­ri­al): Gui­ded Tour
  • Dr. Oli­ver von Wro­chem (Neu­en­gam­me Con­cen­tra­ti­on Camp Memo­ri­al Stru­dy cent­re): “Neu­en­gam­me as a Memo­ri­al and Place for His­to­ri­cal Learning”
  • Nicho­las Ivor (Head of the Gha­na Muse­ums and Monu­ments Boards (GMMB) for the Cen­tral and Wes­tern Regi­ons): “Cape Coast Cast­le as a Memo­ri­al and Place for His­to­ri­cal Learning”
  • HMJo­ki­nen (Ham­burg): “Wands­bek World White Revi­si­ted” (com­me­mo­ra­ti­ve performance)
  • Prof. Dr. Klaus Weber (Euro­pa-Uni­ver­si­tät Via­dri­na, Frankfurt/​Oder): “The­re were many Schim­mel­manns: Hamburg’s and Cen­tral Europe’s Links with the Atlan­tic Slave Trade and Plan­ta­ti­on Eco­no­mies, 16th to the 19th Centuries”
  • Jan Brei­ten­stein (Ham­burg Uni­ver­si­ty): “Per­for­ma­ti­ve Com­me­mo­ra­ting and Fluid­Re­mem­be­ring of the Trans­at­lan­tic Slave Trade: Impul­se or Frame­work for (pro­cess-ori­en­ted) His­to­ri­cal Learning?”
  • Dr. Yaw Ofu­su-Kusi (Uni­ver­si­ty of Edu­ca­ti­on, Win­ne­ba/​Ghana): “Vio­la­ti­ons of Child­hood through Ens­lavement of Child­ren in West Afri­ca: Past, Pre­sent and the Future.”
  • Prof. Dr. (em.) Bodo von Bor­ries (Uni­ver­si­tät Ham­burg): „Trans­at­lan­tic Slave Trade“ and „German/​ Euro­pean Holo­caust“ as Mas­ter Nar­ra­ti­ves – Edu­ca­ti­on in bet­ween Com­me­mo­ra­ti­on of Geno­ci­des and Neces­si­ty of Human Rights.”
  • Dr. Felix Duo­du (Uni­ver­si­ty of Edu­ca­ti­on, Win­ne­ba/​Ghana): “The rele­van­ce of socie­tal diver­si­ty for Inter eth­nic (histo­ry) Tea­ching in Ghana.”
  • Dr. Clau­dia Lenz (The Euro­pean Wer­ge­land Cent­re, Oslo/​Norway): “Com­pe­tence ori­en­ted his­to­ri­cal lear­ning as inter­cul­tu­ral lear­ning – expe­ri­en­ces from the Teac­Mem pro­ject.”
  • Joke van der Lee­uw-Roord (Euro­clio, The Hague): “Chan­ging His­to­ri­cal Lear­ning in Schools and its impli­ca­ti­ons for Tea­ching about Slavery and Natio­nal Socialism”
  • Emma­nu­el Koom­son (Afri­can Chris­ti­an Mis­si­on A.C.M. Juni­or High School, Winneba/​Ghana): “Slave Trade and its Com­me­mo­ra­ti­on as a Topic for His­to­ri­cal Lear­ning in Ghana.”
  • Hil­de­gard Wacker (Gym­na­si­um Cor­vey­stra­ße, Ham­burg and Ham­burg Uni­ver­si­ty): “Natio­nal Socia­lism and its Com­me­mo­ra­ti­on as a Topic for His­to­ri­cal Lear­ning in Germany.”

 

Geschichts- und Erinnerungspolitik im Bundestag in der Kritik (zu Recht)

14. Februar 2011 Andreas Körber Keine Kommentare

Geschichts- und Erin­ne­rungs­po­li­tik sind nichts Anrü­chi­ges — zumin­dest nicht, wenn die Begrif­fe die Tat­sa­che bezeich­nen, dass in Gesell­schaf­ten immer und not­wen­dig um his­to­ri­sche Deu­tun­gen und ihre Rele­vanz im öffent­li­chen Geden­ken gerun­gen wird, um ihre Ein­heit­lich­keit und Ver­bind­lich­keit bzw. ihre Offen­heit und Plu­ra­li­tät (Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät, Kon­tro­ver­si­tät) wie die die­sen Ori­en­tie­rungs- und Ver­stän­di­gungs­pro­zes­sen zu Grun­de lie­gen­den Struk­tu­ren, die dabei genutz­ten Ver­fah­ren, Instru­men­te usw.

Die­se Ein­sicht in die Legi­ti­mi­tät und Not­wen­dig­keit einer gesell­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung um Ver­gan­gen­heit und ihre (Be-)Deutung(en) ist das eine. Sie darf aber nicht dazu ver­füh­ren, das, was auf die­sem Poli­tik­feld (Geschichts­po­li­tik als poli­ty) geschieht, immer nur distan­ziert zu betrach­ten — im Gegen­teil: gera­de die Ein­sicht in die­se Not­wen­dig­keit und Legi­ti­mi­tät ruft dazu auf, sich aktiv an die­ser Aus­ein­an­der­set­zung zu betei­li­gen mit eige­nen Geschichts­po­li­ti­ken (poli­ci­es), und ande­re zu kri­ti­sie­ren und (natür­lich im Rah­men der plu­ra­len Ori­en­tie­rung) zu bekämpfen.

Dass um Geschich­te gerun­gen und gestrit­ten wird, ist also ein gutes Zei­chen. Ein­zel­ne (oder auch vie­le) dabei ver­tre­te­nen Deu­tun­gen und Inter­pre­ta­tio­nen sind oft­mals hoch pro­ble­ma­tisch — und zwar nicht nur in dem Sin­ne, dass sie “fal­sche” Dar­stel­lun­gen der eigent­lich rich­tig erkenn­ba­ren Ver­gan­gen­heit wären, son­dern gera­de weil ihnen poli­ti­sche Inter­es­sen eben­so zu Grun­de lie­gen wie Erkennt­nis­mög­lich­kei­ten und per­spek­ti­ven. Geschichts­po­li­tik ist so das­je­ni­ge Feld, in dem his­to­ri­sche Denutun­gen sowohl in ihrer Bin­dung an die Mög­lich­kei­ten der Erkennt­nis, an die nor­ma­ti­ven Qua­li­täts­kri­te­ri­en his­to­ri­scher Re-Kon­struk­ti­on und Inter­pre­ta­ti­on und an die hete­ro­ge­nen sozia­len, kul­tu­rel­len, poli­ti­schen und wei­te­re Per­spek­ti­ven und Inter­es­sen­la­gen the­ma­tisch wer­den. Sie kön­nen und müs­sen selbst zum Gegen­stand von Unter­su­chung und Ana­ly­se (“De-Kon­struk­ti­on”) wer­den — wie zum gegen­stand poli­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zung. Dass die Geschichts­po­li­tik wie die Dis­zi­plin der Zeit­ge­schich­te  geprägt wird von der unauf­lös­ba­ren Ver­bin­dung von gefor­der­ter wis­sen­schaft­li­cher Distanz der Ana­ly­se einer- und der je eige­nen poli­ti­schen Per­spek­ti­ve ande­rer­seits, muss immer mit bedacht wer­den, soll­te aber kein Grund sein, die­ses Feld nur Exper­ten zu über­las­sen. — im Gegen­teil: Geschichts­un­ter­richt muss die­se Kom­ple­xe expli­zit ein­be­zie­hen, will er Ler­nen­de dazu befä­hi­gen, an der heiti­gen Gesell­schaft aktiv und pas­siv teilzuhaben.

In die­sem Sin­ne ist die aktu­el­le Kon­tro­ver­se um “Flucht und Ver­trei­bung”, um das geplan­te Denk­mal und Zen­trum für/​gegen Ver­trei­bun­gen und ganz aktu­ell um den aktu­el­len Beschluss des Deut­schen Bun­des­ta­ges, den 5. August als “Ver­trie­be­nen-Gedenk­tag” ein­zu­rich­ten, zu begrü­ßen — macht sie doch die ver­schie­de­nen Sicht­wei­sen und Inter­es­sen an der Geschich­te in unse­rer Gesell­schaft erst sicht­bar (wie übri­gens all die gleich­zei­tig und ver­setzt ablau­fen­den Debat­ten und Kon­tro­ver­sen um die Erin­ne­rung an die Bom­ben­an­grif­fe auf Dres­den, usw.).

Aus didak­ti­scher Per­spek­ti­ve ist die­se Debat­te also zu begrü­ßen und zu the­ma­ti­sie­ren. Unbe­scha­det davon ist es natür­lich not­wen­dig, in die­ser Fra­ge selbst Stel­lung zu bezie­hen. In die­sem Sin­ne haben gemäß heu­ti­gen Pres­se­be­rich­ten eine Rei­he nam­haf­ter deut­scher His­to­ri­ker zusam­men mit eini­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus ande­ren Län­dern den Bun­des­tags­be­schluss kri­ti­siert. Die­ser Kri­tik ist m.E. in vol­lem Umfan­ge zuzu­stim­men. Dem anzu­er­ken­nen­den Bedürf­nis von Ver­trie­be­nen und Ange­hö­ri­gen nach Geden­ken und Erin­ne­run­gen kann und muss auf ande­re Art und Wei­se Rech­nung  getra­gen wer­den als mit einer Sym­bo­lik, die einer Gleich­set­zung von “Flucht und Ver­trei­bung” mit dem Holo­caust gleichkommt.

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