Das im Dritten Reich als Ehrenmal für gefallene “Helden” der Marine errichtete “Ehrenmal” in Laboe ist umgestaltet worden. Dabei sind gemäß dem Urteil einiger Historiker und Didaktiker (darunter Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Karl Heinrich Pohl aus Kiel) wesentliche Chancen vergeben worden, zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein beizutragen.
Der Fall ist wieder einmal eine Bestätigung, dass ein großer Bedarf dafür besteht, im Geschichtsunterricht nicht (nur/vor allem) über die “wahre” Geschichte und Vergangenheit zu unterrichten, sondern mindestens eben so stark über die Konzepte und Kategorien sowie Methoden und Medien, mit welcher unsere Gesellschaft über die Vergangenheit streitet oder auch nur debattiert, und über die Kriterien, mit denen darüber geurteilt wird.
“Reflektiertes Geschichtsbewusstsein” und Kompetenzen zur De-Konstruktion von derartigen öffentlichen (proto-)Narrativen müssen im Unterricht gefördert werden. Das Ziel ist die Befähigung der Lernenden zur Teilhabe an solchen Debatten, wie sie u.a. in diesem Artikel sichtbar werden. Dazu gehört u.a. auch die Fähigkeit, unterschiedliche Erinnerungs- und Gedenkformen zu unterscheiden und ihre politischen Gegenwartsbezüge zu erkennen und sich dazu verhalten zu können, also etwa gerade Ehrenmale von Mahnmalen, Sieger- vom Verlierer-Gedächtnis und beide von einer reflexiven Erinnerung, welche nicht die Erinnerung an “eigene” Großtaten und/oder Niederlagen formiert und stillstellt, sondern den Besuchern die Chance eröffnet, sich selbst, von ihrem eigenen zeitlichen Horizont aus, reflexiv zum Dargestellten zu verhalten.
“Afrika — (k)ein Thema im hiesigen Geschichtsunterricht?” ist eine Veranstaltung überschrieben, die der AB Geschichtsdidaktik in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Boell-Stiftung (“umdenken”) am 25. Juni durchführt.
Das Podium wird sich der Frage widmen, welchen Stellenwert “Afrika” im Geschichtsunterricht hiesiger (Deutscher, Hamburger) Schulen zum einen traditionell einnimmt und einnehmen kann und sollte. Dabei geht es nicht allein (und nicht einmal primär) um quantitative Aspekte, nicht um die Reklamierung des dem Kontinent “gebührenden” Anteils, sondern vor allem auch um die Frage, in welcher Form und mit welchem Ziel “afrikanische Geschichte” thematisiert werden kann und soll.
Den Flyer zur Veranstaltungen finden Sie hier:
Im April dieses Jahres berichtete die Bergedorfer Zeitung von Plänen der Gemeinde Wentorf, das dortige Kriegerehrenmal aus den 1920er Jahren, das in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg nur die Ergänzung “1939−1945” trägt, um eine neue Bronzetafel mit den Namen Wentorfer Gefallener zu ergänzen. In dem Artikel und in den dort zitierten Äußerungen der Initiatoren wurde dies ausdrücklich als beabsichtigte “Ehrung” bezeichnet. Das Denkmal firmiert bei der Gemeinde ausdrücklich als “Ehrendenkmal” (etwa hier).
Zu diesen Plänen habe ich seinerzeit einen Brief (Wentorf_BZ_Gedenken_1) an die Gemeinde Wentorf und auch an die BZ geschrieben (s. Beitrag in diesem Blog), der auf Grund seiner Länge jedoch nicht als Leserbrief abgedruckt wurde.
Später wurde ‑wiederum in der BZ- berichtet, dass diese Ehrentafel nun am 25.10. eingeweiht werden soll.
Aus dem Kreise der Initiatoren wird behauptet, Kritik an diesem Vorhaben verkenne die Zusammenhänge; es handle sich nicht um ein “Heldengedenken”. Dem ist aber durchaus einiges entgegenzuhalten:
Denkmal in Wentorf von 1925; Entwurf: Friedrich Terno 1 ; Zustand 6/2009; Foto: Körber; Inschrift “Dem lebenden Geist unserer Toten”
Denkmal in Wentorf von 1925; Entwurf: Friedrich Terno; Zustand 6/2009; Detail (Foto: A.Körber): Inschrift auf dem Schwert: “Treue bis zum Tod”. Die Inschrift auf der anderen Seite des Schwerts lautet “Vaterland”
Nicht nur angesichts der Tatsache, dass unter den Namen, die im April als zu “ehrende” veröffentlicht wurden, mindestens einer einen SS-Unterscharführer bezeichnet, dessen Tod von seinen Eltern in der SS-Zeitung “Das Schwarze Korps” in eindeutig propagandistischer Manier angezeigt wurde, muss sich die Gemeinde Wentorf die Frage gefallen lassen, ob “Ehrung” hier die richtige Kategorie des Gedenkens ist, und ob also das Gedenken in dieser Form und an diesem Ort angemessen sein kann.
Traueranzeige für SS-Unterscharführer Reinhold Grieger. Aus: Das Schwarze Korps, Jg. 10, Nr. 16; 20.4.1944, S. 8.
Man gewinnt den Eindruck, dass hier doch, nachdem genug Zeit ins Land gegangen ist, dort wieder angeknüpft werden soll, wo man in den 1950er Jahren nicht einfach weiter zu machen wagte (es aber wohl eigentlich wollte), nämlich bei der Glorifizierung der eigenen Gefallenen ohne hinreichende Berücksichtigung der Zusammenhänge ihres Todes.
Gegen eine Bekundung von Trauer als Verarbeitung des menschlichen Verlustes kann man sinnvollerweise nichts oder wenig einwenden. Auch ist durchaus nachzuvollziehen, dass für die Angehörigen derjenigen, die keine andere Grabstätte haben, ein konkreter Ort des Erinnerns wichtig ist.
Eine Würdigung dieser Männer als Menschen ist wohl in den allermeisten Fällen auch durchaus angebracht — aber eine öffentliche symbolische “Ehrung” an diesem Gefallenenehrenmal muss zwangsläufig auch als positive Wertung der Tatsache ihres Sterbens verstanden werden.
Auch wenn das nicht explizit als “Heldengedenken” gedacht ist — die Gestaltung des gesamten Denkmals spricht trotz der expressionistischen Anklänge diese Sprache. Das Schwert im Helm als Sinnbild für die Unmenschlichkeit von Krieg und das Mahnmal somit als ein Friedensmal anzusehen, ist untriftig. Vielmehr deutet es auf die Gefahren hin, die im Krieg lauern und auf die Opfer, die zu bringen sind.
Eine Würdigung der Gefallenen als “Opfer” des Krieges, die aus dem ganzen Denkmal ein Mahnmal machen würde, erscheint somit unglaubwürdig. Wer hier nicht “Heldengedenken” erkennen mag oder kann, wird doch mindestens an ihren Tod als ein für das Vaterland “treu” gebrachtes “Opfer” denken. Opfer also im Sinne von “sacrifice”, von Aufopferung denken können, nicht aber im Sinne von unschuldigen “victims”. Und Opfer in diesem Sinne gelten nun einmal für eine “gute Sache”. — Der Zweite Weltkrieg auf deutscher Seite — eine gute Sache?
Haben wir denn nicht endlich gelernt zu differenzieren?
Initiatoren und Gemeinde müssen sich also fragen lassen, wofür dieses “Ehrenmal” stehen soll, welche Geschichte es erzählen soll, welchen Bezug zum erinnerten Geschehen es ausdrücken soll.
Hier soll doch wohl kein neuer Ort für Gedenkfeiern entstehen, wie sie gerade auch die NPD an solchen Denkmälern immer noch abhält?
Gerade weil Erinnerung und Gedenken immer politisch sind und ihre öffentlichen Symbole immer politisch gelesen werden, sollte entweder eine eindeutige und den Werten der Bundesrepublik entsprechende Symbolik und Terminologie gewählt werden — oder man sollte das berechtigte Interesse der Trauer um die eigenen Toten doch lieber im privaten Rahmen belassen.
Zu Friedrich Terno ist wenig bekannt. Aus einigen genealogischen Datenbanken können die Lebensdaten entnommen werden. Geboren am 12. Juli 1881 in Schleswig, evtl. als Sohn des dortigen Lehrers, Grafikers und Schrifstellers und Kulturadministrators Emil Terno; 1909 in Hamburg verheiratet; Kriegsteilnahme zunächst als Gefr.; im 2. Jahr des 1. Weltkrieges Unteroffizier des in seiner Geburtsstadt stationierten Infanterie-Regiments Nr. 84 “von Manstein”; am 20. Oktober 1915 wird er in Frankreich leicht verwundet. Dienstgrad bei Kriegsende Leutnant d.R.; Mitte der 1920er Jahre firmiert Terno in Hamburg, wohnhaft Claus-Groth-Straße 59a, als “Maler und Bildhauer” und ist gemäß seinem Telefonbuch-Eintrag als Schriftführer der “Offiziers-Vereinigung der ehemaligen Mansteiner” in der Traditionspflege aktiv. Er stirbt am 7. September 1925 mit 44 Jahren in Hamburg; vgl. u.a. https://gedbas.genealogy.net/person/show/1134152534; Preußische Armee: Armee-Verordnungsblatt; Anhang; Verlustlisten; Preußen Nr. 358; S. 9474; vorl. zugänglich unter http://des.genealogy.net/search/show/2698120; Amtliches Fernsprechbuch für die Oberpostdirektion Hamburg, 1924; Hülsemann (1921−1929): Geschichte des Infanterie-Regiments von Manstein (Schleswigsches) Nr. 84 1914 – 1918 in Einzeldarstellungen von Frontkämpfern. Hamburg (Erinnerungsblätter der ehemaligen Mansteiner). [↩]
Learning Each Other‘s Historical Narrative An innovative form of peace-promoting history teaching and its background conditions in conflicting societies
Sami Adwan, Prof. of Education in Bethlehem, is co-initiator (together with the late with Dan Bar-On) and co-director of PRIME, the Peace-Research Institute for the Middle East in Talitha Kumi. In this function, he initiated a project for promoting a culture of mutual understanding among Jewish Israeli and Palestinian Students using a history textbook presenting the history of their societies‘ conflict in two contrasting narratives (Learning each other‘s historical narrative; 3 volumes). This project makes use of principles which correlate with standard principles of history teaching, theoretically cherished in German history didactics, however not fully implemented in teaching materials so far (multiperspectivity, controversialty, orientation on narratives rather than only on primary sources). Prof. Adwan will give a presentation about the idea of, the concept for and the experiences with this project.
Shifra Sagy, Prof. of Psychology, has undertaken empirical research about the perception of the mutual conflict among Jewish and Arab Israeli students in a longitudinal study. She will present her results and discuss them with special regard to effects of the the changing political situation onto both the perception and interpretation both of the past and on the attitudes towards the other.
Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft
Professur für Erziehungswissenschaft
unter bes. Berücksichtigung der Didaktik der Geschichte und der Politik
Der folgende Beitrag greift die Diskussion darum auf, ob bzw. inwieweit “Zeitgeschichte” eine Teildisziplin der Geschichtswissennschaft ist, welche eine gegenüber den anderen besondere Methodologie benötigt, und inwieweit somit auch zeitgeschichtliches Lernen eine gewisse Sonderstellung im historischen Lernen einnimmt.Er versucht, mit Hilfe des Kompetenzmodells “Historisches Denken” der FUER-Gruppe eine verbindende Antwort.
Körber, Andreas (2008): “Kompetenz(en) zeitgeschichtlichen Denkens. Eine Skizze.” In: Barricelli, Michele; Hornig, Julia (2008; Hgg.): Aufklärung, Bildung, ‘Histotainment’? Zeitgeschichte in Unterricht und Gesellschaft heute. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang; ISBN: 9783631565353; S. 43 – 66.
Körber, Andreas (23.3.2001): „”Der Stresemann-Film in der öffentlichen Erinnerung an Gustav Stresemann.” Vortrag auf der Tagung „Gustav Stresemann (1878 – 1929) – Ein deutscher Politiker“. Gemeinsames internationales Kolloquium der Universität Kiel und der Friedrich-Naumann-Stiftung mit Unterstützung der Fritz-Thyssen-Stiftung aus Anlass des 75. Jahrestages der Verleihung des Friedensnobelpreises an Gustav Stresemann und Aristide Briand. Gummersbach: Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung, 23. – 25. März 2001.
Körber, Andreas (5.10.1999): “Die öffentliche Erinnerung an Gustav Stresemann. Eine Geschichte historiographischen Fortschritts?” Vortrag auf der XIII. Zwei-Jahrestagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik (KGD) 1999 in Seeon; 4. – 5.10. 1999