Aufgabe 1. Untersuchen Sie (mit kurzer Begründung) den folgenden Text auf den­­/die in ihm erkennbare(n) Sinnbildungstyp(en)!

M11

“1954 wird in den USA das Unternehmen McDonalds gegründet. Kurz darauf wird Deutschland – Weltmeister.
1974 – der BicMac feiert seinen ersten Geburtstag in Deutschland. Kurz darauf wird Deutschland – Weltmeister.
1990 baut McDonalds das erste Restaurant in Ostdeutschland. Kurz darauf wird Deutschland – Weltmeister.
2010 führt McDonalds den McWrap ein. Den Rest können Sie sich ja vorstellen.”
McDonalds Werbung 2010. Zitiert nach https://youtu.be/q6oS2x3JlSs (gelesen 31.5.2010).

Musterlösung
In dem Text ist mindestens eine exemplarische Sinnbildung erkennbar, insofern aus mehreren Beispielen des Zusammentreffens zweier Ereignisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine Regel abgeleitet wird, die auf die Gegenwart übertragen wird: Immer wenn die Firma McDonalds eine Innovation einführt, wird Deutschland Weltmeister. Ansatzweise lässt sich auch eine traditionale Sinnbildung erkennen bzw. konstruieren, insofern die Existenz der Firma McDonalds als Bedingung für das Weltmeister-Werden der Deutschen Nationalmannschaft angeführt werden könnte und somit ein Fortbestand der Firma und gar ihr Prosperieren gewünscht werden könnte. Eine genetische Sinnbildung kann ich nicht erkennen, da etwa eine Qualitätssteigerung nicht behauptet wird. Das wäre anders, wenn irgendwie dargelegt würde, dass Deutschland immer öfter, immer sicherer, immer leichter Weltmeister würde, oder wenn eine Reihe von a) erster Qualifikation über b) Teilnahme an der Endrunde, c) Viertel-, d) Halb- und e) Finalteilnahme bis zum f) Weltmeistertitel konstruiert worden und diese an die Bedingung einer Tätigkeit von McDonalds geknüpft worden wäre.

Aufgabe 2. Skizzieren Sie Möglichkeiten, den Geltungsanspruch der der Aussage in M1  zu prüfen und ihn ggf. zu erhöhen!

Musterlösung

Geltungsansprüche von historischen Aussagen werden geprüft, indem ihre Triftigkeiten geprüft werden. Sie werden erhöht, indem die Triftigkeiten gesteigert werden. Jede Geschichte kann/muss in jeder der drei Dimensionen „triftig“ sein. Nach RÜSEN gibt es drei Triftigkeitsdimensionen: empirische, normative und narrative.

  1. Empirische Triftigkeit: Die empirische Triftigkeit betrifft den Erfahrungsgehalt der Geschichte. Es müsste zunächst geprüft werden, ob Deutschland tatsächlich 1954, 1974, 1990 Weltmeister geworden ist. Das ist angesichts der verbreiteten Euphorie wohl nicht systematisch nötig, wäre aber möglich (die Bilder im Video haben die wenn auch nicht hinreichende Funktion solcher Belege). Dazu müsste aber geprüft werden, ob die Fa. McDonalds tatsächlich 1954 gegründet wurde (Eintrag in ein Handelsregister, Firmengeschichte), ob der “BigMac” tatsächlich 1973 in Deutschland eingeführt wurde (so dass er 1974 seinen “ersten Geburtstag feiern” konnte), ob tatsächlich 1990 das erste Restaurant in Ostdeutschland gebaut wurde (Baugenehmigung prüfen, zunächst reich vielleicht auch eine entsprechende Werbung in einer Zeitschrift wie der “SuperIllu”). Dazu muss geprüft werden, ob tatsächlich der McWrap 2010 neu eingeführt wurde.
  2. Normative Triftigkeit: Eine Geschichte ist normativ triftig, wenn sie den Normen des Publikums entspricht, ihnen wichtig und zustimmungsfähig erscheint. Es wäre zu überlegen, ob “Weltmeister” werden in der Tat etwas ist, was der Werbezielgruppe bedeutend und (in diesem Falle positiv) erscheint. Das ist basal ohne Weiteres Einsichtig. Die Werbung basiert auf der allgemeinen Fußball-WM-Euphorie in Deutschland. Sie macht sich diesen zu nutze. Eine wertbezogene Haltung des Publikums zur Fa. McDonalds kann hingegen weniger stark vorausgesetzt, d.h. als Bedingung für die Triftigkeit angesehen werden, soll sie doch mit dem Werbespot überhaupt erst hergestellt werden. Gesteigert triftig wäre die Narration, wenn argumentiert werden könnte, dass der Zusammenhang auch anderen Menschen ebenso bedeutsam erscheint. Das wird einerseits schwieriger, weil diese Werbung gegenüber, sagen wir, Ausländern in Deutschland nicht ebenso einfach funktioniert und in dieser emphatischen Form in anderen Ländern, etwa den USA gar nicht funktionieren würde. Insofern die Geschichte aber einer Perspektivenerweiterung durchaus zugänglich ist, etwa durch Herausnahme der pathetischen, normatives Einvernehmen heischenden Ansprache des Zuschauers, und allgemeiner dargelegt würde, dass die Aktivitäten von McDonalds in Deutschland zu dessen Erfolg beigetragen hätten, wäre die normative Triftigkeit durchaus steigerbar. Die gleiche Geschichte kann dann auch in anderen Ländern erzählt werden, ohne auf Widerspruch zu stoßen — allerdings wäre die Emphase wohl dahin.
  3. Narrative Triftigkeit. Der in der Geschichte behauptete Zusammenhang zwischen Aktivitäten der Fa. McDonalds und den Erfolgen Deutschlands bei Fußball-Weltmeisterschaften müsste plausibel gemacht werden: Warum soll Deutschland immer dann Weltmeister werden, wenn McDonalds innovativ wird? Dazu müsste zum Einen geprüft werden, ob denn McDonalds nicht auch in anderen Weltmeisterschaftsjahren etwas Neues eingeführt hat, ohne dass Deutschland Weltmeister geworden wäre. Dann nämlich bräche die behauptete die Regel in sich zusammen. Zudem müsste eine Logik angeführt werden, warum Innovationen bei McDonalds Einfluss haben sollten auf die Weltmeisterschaft – und nicht nur Zufall sind. Das wird schwerlich gelingen. Zur Steigerung der Triftigkeit müsste McDonalds also entweder anführen, dass es NUR in diesen Jahren Innovationen gegeben habe (was nicht stimmen wird), und WARUM ihre Innovationen zur Weltmeisterschaft Deutschlands beitragen (etwa weil sie die Stimmung im Lande heben, oder weil die Mannschaft immer als erste davon profitiert).
  1. Die Werbung besitzt ganz offenkundig einen deutlichen Grad an Ironie (erkennbar u.a. an der pathetischen Sprache und der Hintergrundmusik). McDonalds erwartet von keinem Zuschauer, tatsächlich den Zusammenhang zu glauben. Gerade deshalb eignet sich diese Werbung aber für eine Fingerübung. []