Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik / History Education, Universität Hamburg

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Gegenstand statt Bedingung. Zur Veränderung der Themen in kompetenzorientiertem Geschichtsunterricht

26. Oktober 2015 Andreas Körber Keine Kommentare

Aus­zug aus einer (guten) Haus­ar­beit zum The­ma “Lern­or­te”:

“Eine zen­tra­le Eigen­schaft, die der außer­schu­li­sche Lern­ort mit sich bringt, ist vor allem die Anschau­lich­keit, die die Ima­gi­na­ti­on beför­dert. Der ori­gi­na­le Gegen­stand hat den Vor­teil von z.B. ‘ori­gi­na­ler Far­be, Form, Grö­ße und Drei­di­men­sio­na­li­tät, die kein ande­res Medi­um erset­zen kann.’ 1. Durch ihn kön­nen sich die Ler­nen­den rea­lis­ti­sche Vor­stel­lun­gen von frü­he­ren Lebens­um­stän­den und damals han­deln­den Men­schen machen. Ima­gi­na­ti­on gilt all­ge­mein als wich­ti­ger Fak­tor im Pro­zess his­to­ri­schen Lernens.”

Abge­se­hen vom etwas apo­dik­ti­schen letz­ten Satz dürf­te die­se Aus­sa­ge bei Geschichts­di­dak­ti­kern und ‑leh­rern kaum auf Kri­tik sto­ßen — schon gar nicht die zitier­te Passage.

Aller­dings wäre (nicht nur bei expli­zit kom­pe­tenz­ori­en­tier­tem Geschichts­un­ter­richt) noch ein­mal zu fragen:

  1. Ist es ein hin­rei­chen­des Ziel von Geschichts­un­ter­richt, dass sich Ler­nen­de Ver­gan­ge­nes “rea­lis­tisch” vor­stel­len kön­nen? Kul­mi­niert Geschichts­un­ter­richt in der Prä­sen­ta­ti­on und Über­nah­me von (wie auc immer medi­al gefass­ten) Bil­dern von Ver­gan­ge­nem — oder ist die­se zwar nur ein wesent­li­cher, aber als sol­cher nicht wei­ter befrag­ter Zwi­schen­schritt zu wei­te­ren Denk­auf­ga­ben (in denen dann etwa der Gegen­warts­be­zug ein­ge­löst wird)?
  2. Wel­che Rol­le spielt dabei die oben ange­spro­che­ne “Ori­gi­na­li­tät” der Far­be, Form etc., d.h. die Authen­ti­zi­tät? Ist sie eine Eigen­schaft der Gegen­stän­de, der Objek­te, der Lern­or­te vom Typ “his­to­ri­sche Stät­te”? Ist sie ihnen gege­ben und wird sie somit zur posi­ti­ven Vor-Bedin­gung his­to­ri­schen Ler­nens? Oder ist sie eher eine den Objek­ten, Räu­men (auch: Tex­ten) zuer­kann­te Eigen­schaft?

Wenn “Ori­gi­na­li­tät”, “Authen­ti­zi­tät” und “Anschau­lich­keit” in der oben ange­deu­te­ten Wei­se als gege­ben gedacht und zur Vor­be­din­gung von Geschichts­un­ter­richt gemacht wer­den, wird m.E. Wesent­li­ches ausgelassen:

  • Woher nimmt denn die Gesell­schaft oder der Leh­rer als ihr Agent im Pro­zess des his­to­ri­schen Leh­rens und Ler­nens die Gewiss­heit, dass der Gegen­stand, sei­ne Form und Far­be, sei­ne Beschaf­fen­heit etc. “orgi­nal” ist?
  • woher stammt die Aus­sa­ge, dass eine Dar­stel­lung “anschau­lich” ist in dem Sin­ne, dass sie optisch (ggf. auch anders) ein­gän­gig etwas ande­res kor­rekt darstellt?
  • Ist es auch nur ent­fernt denk­bar, dass der glei­che Gegen­stand in frü­he­ren Zei­ten unter ver­gleich­ba­rem Anspruch ganz anders prä­sen­tiert wur­de — und dass er es spä­ter wie­der anders wird?
  • Ist es auch nur ent­fernt denk­bar, dass die Zuschrei­bung von Authen­ti­zi­tät und Ori­gi­na­li­tät einer spe­zi­fisch gegen­wär­ti­gen und auch inner­halb der Gegen­wart spe­zi­fi­schen Per­spek­ti­ve (mit) ver­dankt wird?

Alle die­se Bedin­gun­gen sind streng genom­men selbst Teil des his­to­ri­schen Gegen­stan­des, der unter­richt­lich “ver­mit­telt” wer­den soll.

His­to­ri­sches Ler­nen, das sich nicht dar­auf beschrän­ken will, den Ler­nen­den Geschichts­bil­der zu ver­mit­teln, muss die Kon­sti­tu­ti­on ihrer sach­li­chen Gegen­stän­de immer (wenn auch nicht immer im glei­chem Maße) zum Teil ihres Gegen­stands­be­reichs machen.

Authen­ti­zi­tät und Ori­gi­na­li­tät dür­fen dann im Unter­richt nicht (nur) als vor­aus­ge­setz­te Bedin­gun­gen erschei­nen, die selbst nicht in den Hori­zont der Refle­xi­on der Schü­ler gera­ten, son­dern müs­sen immer auch Gegen­stand des Ler­nens sein, müs­sen befragt und dis­ku­tiert wer­den, und zwar nicht im Sin­ne einer Unter­su­chung des “ob” (oder ob nicht), son­dern eher des “inwie­fern”. Es geht also nicht dar­um, gemein­sam ein Ver­ständ­nis dar­über zu erzie­len, ob ein Gegen­stand als “ori­gi­nal” ange­se­hen wer­den kann und soll (und ob er dann als 100%ig “echt” ange­spro­chen wer­den darf), sondern

  • inwie­fern ihm die­se Eigen­schaft zuer­kannt wer­den kann und soll
  • und was das für das eige­ne Den­ken und Urtei­len bedeutet.

Erst mit die­sen Modi­fi­ka­tio­nen (die in gutem Geschichts­un­ter­richt immer auch schon eine Rol­le gespielt haben, wenn auch nicht immer sys­te­ma­tisch) ist die Kom­pe­tenz der Ler­nen­den im Zen­trum des Unter­richts. Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung bedeu­tet dann nicht, die klas­si­schen Gegen­stän­de des Geschichts­un­ter­richts gegen neu­ar­ti­ge aus­zu­tau­schen, son­dern an ihnen das his­to­ri­sche Den­ken in all sei­nen Facet­ten (auch) zum Gegen­stand zu machen. Die The­men ändern sich dann aler­dings durch­aus. Wenn unter “The­ma” die Kom­bi­na­ti­on von Gegen­stand und Inten­ti­on ver­stan­den wird, dann lässt eine Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zumin­dest sol­che The­ma­ti­sie­run­gen nicht mehr zu, in denen die Kon­sti­tu­ti­on der Gegen­stän­de als his­to­risch nicht auch Gegen­stand ist, und in denen das eige­ne Den­ken und Urtei­len  kei­ne Rol­le spielt.

Es geht dann etwa in einem Muse­um nicht (nur) dar­um, an Hand eines alten land­wirt­schaft­li­chen Geräts zu erken­nen und sich vor­zu­stel­len wie die Men­schen frü­her gear­bei­tet und gelebt haben, son­dern auch zu reflek­tie­ren, was an dem Gerät eigent­lich “alt” ist, inwie­fern es für etwas steht (und ste­hen soll), das “ver­gan­gen” ist, das im posi­ti­ven wie nega­ti­ven Sin­ne über­wun­den ist.

Es gin­ge dar­um zu klä­ren, was uns dazu bringt, einen sol­chen Gegen­stand, ein sol­ches Gerät als alt zu dekla­rie­ren (und nicht etwa nur als “abge­nutzt”). Das bedeu­tet, dass in Rela­tio­nen gespro­chen wer­den muss. Ver­glei­che mit gegen­wär­ti­gen Erfah­run­gen dür­fen dann nicht nur dazu genutzt wer­den, Alteri­tät zu beto­nen, son­dern müs­sen genutzt wer­den auch als Äuße­run­gen dazu, wel­che Eigen­schaf­ten und Dimen­sio­nen als rele­vant für Gegen­wär­ti­ges, Heu­ti­ges, Aktu­el­les gel­ten und inwie­fern die Ver­gan­gen­heit als “anders” ima­gi­niert und beur­teilt wird.

Ähn­li­ches gilt im Übri­gen für vie­le Bedin­gun­gen his­to­ri­schen Ler­nens und Den­kens — und auch von Lernzielen.

So ist das eben­falls von Ulrich May­er for­mu­lier­te Lern­ziel der “Ver­ständ­nis für die Ein­ma­lig­keit und Schutz­wür­dig­keit his­to­ri­scher Orte” doch sei­ner­seits pro­ble­ma­tisch. Ist wirk­lich gemeint, dass die Schüler(innen) ler­nen, dass his­to­ri­sche Orte grund­sätz­lich schutz­wür­dig sei­en, und grund­sätz­lich ein­ma­lig? Mir scheint, dass hier wie­der eine ver­kürz­te For­mu­lie­rung eines Lern­ziel vor­liegt, das erst in kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter For­mu­lie­rung sei­ne gan­ze Trag­wei­te aufzeigt:
“Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sol­len die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft erwer­ben und aus­bau­en, die beson­de­re Qua­li­tät eines gege­be­nen Ortes als his­to­risch ein­ma­lig und schutz­wür­dig (zuneh­mend) selbst­stän­dig ein­zu­schät­zen und zu beurteilen.”
Und auch hier dür­fen Lern­ziel und die dazu­ge­hö­ri­ge Auf­ga­ben­stel­lung nicht nur nicht auf “dass” lau­ten, son­dern nicht ein­mal auf “ob” oder “ob nicht”. Erst mit Hil­fe des Qua­li­fi­ka­tors “inwie­fern” näm­lich eröff­net eine Auf­ga­ben­stel­lung den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine Argu­men­ta­ti­ons­mög­lich­keit, die auch par­ti­el­le oder ande­re Lösun­gen (Re-Kon­struk­ti­on, Doku­men­ta­ti­on) einbezieht.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. May­er, Ulrich: His­to­ri­sche Orte als Lern­or­te. In: May­er, Ulrich, Pan­del, Hans-Jür­gen, Schnei­der, Ger­hard (2004; Hrsg.): Hand­buch Metho­den im Geschichts­un­ter­richt. Schwal­bach: Wochen­schau, S. 389 – 407, hier S. 394f [FN ange­passt][]
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Und noch einmal: Sinnbildungs- oder Erzählmuster bzw. ‑typen

27. September 2015 Andreas Körber Keine Kommentare

Immer wie­der Sinn­bil­dungs­mus­ter. Man mag die wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung von Mus­tern his­to­ri­scher Sinn­bil­dung im Anschluss an die Typo­lo­gie von Jörn Rüsen, wie zunächst Bodo von Bor­ries (1988) und in letz­ter Zeit vor­nehm­lich ich selbst sie vor­ge­legt haben, für klein­ka­riert und wenig gewinn­brin­gend hal­ten. Jörn Rüsen selbst hat 2012 in sei­nem Inter­view mit Tho­mas Sand­küh­ler die­se Sai­te anklin­gen lassen,

“Die Erzähl­ty­po­lo­gie ist erst ein­mal rein theo­re­tisch ent­stan­den, und dann habe ich gemerkt, dass sie uni­ver­sell ist. Die Kin­der im Unter­richt und auch die Leh­rer fol­gen die­sen Typen, wis­sen es aber nicht. Der Mei­nung bin ich bis heu­te. In der Geschichts­di­dak­tik hat sich das all­mäh­lich her­um­ge­spro­chen, so dass mei­ne Kol­le­gen, Andre­as Kör­ber in Ham­burg und Wal­traud Schrei­ber in Eich­stätt, mei­nen, Rüsens Typo­lo­gie sei wun­der­bar, nur viel zu sim­pel. Vier Typen reich­ten nicht, dar­aus müss­ten min­des­tens sechs wer­den. Das ist da lei­der das Pro­blem der Geschichts­di­dak­ti­ker, dass sie alles ver­kom­pli­zie­ren müs­sen, anstatt es auf den Punkt zu bringen”[1],

bevor er abschlie­ßend in der Wei­ter­ar­beit auch eine Bestä­ti­gung sei­ner Arbeit erken­nen mochte:

“Die Tat­sa­che, dass etwa Frau Schrei­ber, Herr Kör­ber und ande­re das auf­neh­men, was wir in den Sieb­zi­ger­jah­ren ange­fan­gen haben, zeigt mir: Das haben wir doch rich­tig gemacht!”[2]

Ein ähn­li­cher Vor­wurf des Nicht-auf-den-Punkt-Brin­gens und der Abs­trak­ti­on wird Rüsen aber im glei­chen Band von Hans-Jür­gen Pan­del gemacht:

“Rüsen hat zum Bei­spiel sei­ne Ver­lauf­s­ty­pen nicht in dem Sin­ne kon­kre­ti­siert, dass er sagt: ‘Es gibt Auf­stie­ge und Abstie­ge, es gibt Kar­rie­ren und Unter­gän­ge.’ Er macht das nicht an die­sen Begrif­fen fest. Er sagt uns nicht: ‘Gene­ti­sche Geschich­ten sind in der Gegen­wart sol­che, die Auf­stie­ge zei­gen oder, nega­tiv gewen­det, Abstie­ge, Unter­gän­ge.’ Auf die­se Ebe­ne bringt er das nicht. Das kön­nen sie doch nur auf die­ser Ebe­ne im Unter­richt einbringen”[3],

nach­dem er kurz zuvor bereits, auf die Urfas­sung der Typologie[4] ange­spro­chen, kri­ti­sier­te, dass zwei der Typen, “kri­ti­sches und exem­pla­ri­sches — falsch” seien.[5]

Die­se kur­zen Aus­sa­gen der bei­den Kon­struk­teu­re der bei­den in Deutsch­land bekann­tes­ten Typo­lo­gien his­to­ri­scher Erzähl­mus­ter bzw. ‑typen sind denn aber doch hin­rei­chen­der Anlass für ein paar Bemerkungen:

  1. Es geht bei der von mir erar­bei­te­ten “wei­te­ren Differenzierung”[6] der Sinn­bil­dungs­mus­ter natür­lich nicht dar­um, dass die Zahl zu gering und die Typo­lo­gie nicht kom­plex genug sei. Ihr lie­gen viel­mehr viel­mehr zwei Moti­ve zugrunde: 
    1. zunächst die bei­den bereits von Bodo von Bor­ries [1988] for­mu­lier­ten und gra­phisch umge­setz­ten Ein­sich­ten auf­zu­grei­fen und wei­ter­zu­den­ken, näm­lich dass 
      • die kri­ti­sche Sinn­bil­dung in Rüsens Typo­lo­gie eine ande­re Natur auf­weist als die drei übri­gen, indem sie gewis­ser­ma­ßen den “Über­gang” von einer ent­wi­ckel­ten Sinn­bil­dung zur Ent­wick­lung einer neu­en durch die kri­ti­sche Refle­xi­on des erreich­ten Stan­des in neu­em Licht vor­be­rei­te­te, [in his­to­rio­gra­phie­ge­schicht­li­cher wie in sys­te­ma­ti­scher Per­spek­ti­ve) und dass somit auch die theo­re­ti­schen Über­gän­ge zwi­schen den Sinn­bil­dungs­mus­ter grund­sätz­lich — und nicht nur zwi­schen der exem­pla­ri­schen und der gene­ti­schen — durch eine sol­che kri­ti­sche Wen­dung “vor­be­rei­tet” sein müss­ten; hier­aus ent­wi­ckel­te von Bor­ries das Pos­tu­lat der Über­gangs­for­men “tra­di­ti­ons­kri­tisch” [bei Rüsen feh­lend], “exem­pel-kri­tisch” [ent­spre­chend Rüsens “kri­ti­scher Sinn­bil­dung”] und “gene­se-kri­tisch”;
      • sol­che Über­gän­ge auch “vor“der “Tra­di­tio­na­len” und nach der “Gene­ti­schen” Sinn­bil­dung denk­bar und folg­lich “nie­de­re” (bzw. “älte­re”) und höhe­re (bzw. “neue­re”) Sinn­bil­dungs­mus­ter theo­re­tisch pos­tu­liert und viel­leicht auch empi­risch gefun­den wer­den müssten;
    2. sodann die Ein­sicht, dass die “kri­ti­sche” Sinn­bil­dung nicht genügt, wenn nicht nur im all­täg­li­chen Sprach­ge­brauch von Lai­en, son­dern auch in vie­len Unter­richts­ent­wür­fen und Tex­ten von Stu­die­ren­den nicht zwi­schen Kri­tik im All­ge­mei­nen und kri­ti­scher Sinn­bil­dung unter­schie­den wird, der­ge­stalt, dass immer dort, wo etwas nega­tiv beur­teilt wur­de, “kri­ti­sche Sinn­bil­dung” dia­gnos­ti­ziert wird. Dass die­ser Typus nicht dort statt­fin­det, wo sinn­bil­dend etwas Ver­gan­ge­nes kri­ti­siert wird, son­dern wo Sinn­bil­dung kri­ti­siert wird, scheint durch die Typo­lo­gie nicht hin­rei­chend betont zu wer­den. Mit den von mir neu vor­ge­schla­ge­nen Typen sol­len zumin­dest sol­che For­men der Kri­tik fass­bar wer­den, die zwar eine kon­kre­te Sinn­bil­dung kri­ti­sie­ren, nicht aber deren Ersatz durch eine Sinn­bil­dung ande­ren Typs vor­be­rei­ten, son­dern “ledig­lich” eine bes­se­re Alter­na­ti­ve der glei­chen Logik, etwa 
      • wenn Tra­di­tio­nen in Fra­ge gestellt wer­den, weil ande­re Ursprün­ge behaup­tet wer­den, die Ori­en­tie­rung an einem Gel­tung gene­rie­ren­den Ursprung jedoch kei­nes­wegs in Fra­ge gestellt wird;
      • wenn aus his­to­ri­schen Bei­spie­len abge­lei­te­te Regeln kri­ti­siert und ande­re Regel­haf­tig­kei­ten behaup­tet wer­den, ohne das Inter­es­se an “Regel­kom­pe­tenz” in Fra­ge zu stellen;
      • wenn Ent­wick­lun­gen in Fra­ge gestellt und ande­re Ent­wick­lun­gen behaup­tet werden.
    3. Gera­de wenn Rüsen Recht hat, dass “die Kin­der im Unter­richt” und die Leh­rer unwis­sent­lich von den Sinn­bil­dungs­ty­pen Gebrauch machen, und dass die­se letzt­lich als zugrun­de lie­gen­de Mus­ter alle Sinn bil­den­den Bezü­ge auf die Ver­gan­gen­heit prä­fi­gu­rie­ren, stellt die Sinn­bil­dungs­ty­pen­leh­re einen wich­ti­gen Theo­rie­bau­stein der Geschichts­di­dak­tik dar. Wenn Geschichts­un­ter­richt den Ler­nen­den nicht bestimm­te Geschich­ten vor­ge­ben soll (und sei­en es sol­che eines gegen­über bis­he­ri­gen ‘bes­se­ren’ Sinn­bil­dungs­typs), son­dern die Ler­nen­den zum eigen­stän­di­gen his­to­ri­schen Den­ken befä­hi­gen soll, ist die Typo­lo­gie zur Bewusst­ma­chung des­sen, was mit Geschich­ten eigent­lich erzählt wird, was sie zur Ori­en­tie­rung leis­ten, wertvoll.
  2. Pan­dels Kri­tik an Rüsens Sinn­bil­dungs­mus­tern und sei­ne Vor­schlä­ge zur “kon­kre­te­ren” For­mu­lie­rung des gene­ti­schen Typs machen aber auch deut­lich, dass sein Ver­ständ­nis der­sel­ben an dem­je­ni­gen Rüsens an ent­schei­den­der Stel­le vor­bei geht, was auch ein Hin­weis dar­auf ist, dass sei­ne eige­ne Typo­lo­gie der Erzähl­mus­ter eben kei­nes­wegs eine bes­se­re Fas­sung des­sen ist, was Rüsen  unter “Erzähl­ty­pen” oder “Sinn­bil­dungs­mus­tern” vesteht: 
    1. “Geschich­ten, die Auf­stie­ge” zei­gen, sind kei­nes­wegs das glei­che wie “gene­ti­sche” Geschich­ten, wie Pan­del behaup­tet. Bil­dungs­ro­ma­ne etwa oder die Geschich­te eines Auf­stiegs “vom Tel­ler­wä­scher zum Mil­lio­när” sind zumeist über­haupt nicht gene­tisch. Inso­fern Geschich­ten bestimm­te, zeit­ty­pi­sche Ver­laufs­for­men von Auf­stie­gen, Abstie­gen oder Unter­gän­gen zei­gen, sind sie nicht ein­mal spe­zi­fisch his­to­risch. Ande­re, wie etwa vie­le Geschich­ten des Auf­stiegs einer Nati­on zur Hege­mo­nie, oder sol­che des Unter­gangs von Rei­chen (Paul Ken­ne­dys Theo­rie des “Impe­ri­al Overst­retch”  mag als Bei­spiel die­nen), sind zutiefst exemplarisch.
    2. Gene­tisch sind Geschich­ten nicht durch die The­ma­ti­sie­rung eines Auf­stiegs, Abstiegs oder Unter­gangs, son­dern dadurch, dass sie — impli­zit oder (bes­ser:) expli­zit —  die Ver­än­de­rung der Bedin­gun­gen mensch­li­chen Lebens the­ma­ti­sie­ren. Erst dort, wo etwa zeit­li­che Ver­än­de­run­gen von Auf­stie­gen und Abstie­gen the­ma­ti­siert wer­den, wird gene­tisch erzählt.

Anmer­kun­gen

[1] Rüsen, Jörn (2014): “Inter­view mit Tho­mas Sand­küh­ler.” In: Sand­küh­ler, Tho­mas (Hg.) 2014: His­to­ri­sches Ler­nen den­ken.: Gesprä­che mit Geschichts­di­dak­ti­kern der Jahr­gän­ge 1928 – 1947. Mit einer Doku­men­ta­ti­on zum His­to­ri­ker­tag 1976: Göt­tin­gen, Nie­der­sachs: Wall­stein: S. 251 – 292, hier S. 283.

[2] Ebda., S. 292.

[3] Pan­del, Hans-Jür­gen (2014): “Inter­view mit Tho­mas Sand­küh­ler.” In: Sand­küh­ler, Tho­mas (Hg.) 2014: His­to­ri­sches Ler­nen den­ken.: Gesprä­che mit Geschichts­di­dak­ti­kern der Jahr­gän­ge 1928 – 1947. Mit einer Doku­men­ta­ti­on zum His­to­ri­ker­tag 1976: Göt­tin­gen, Nie­der­sachs: Wall­stein: S. 326 – 356, hier S. 350.

[4] Rüsen, Jörn (1982): “Die vier Typen des his­to­ri­schen Erzäh­lens.” In: Koselleck, Rein­hart; Lutz, Hein­rich; Rüsen, Jörn (Hgg.) 1982: For­men der Geschichts­schrei­bung. Ori­gi­nal­ausg.: Mün­chen: Deut­scher Taschen­buch Ver­lag: (Theo­rie der Geschich­te. Bei­trä­ge zur His­to­rik, 4), S. 514 – 606.

[5] Ebda., S. 350.

[5] Kör­ber, Andre­as (2013): His­to­ri­sche Sinn­bil­dungs­ty­pen. Wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung: Wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung http://​www​.pedocs​.de/​v​o​l​l​t​e​x​t​e​/​2​0​1​3​/​7​2​64/.

 

Zitier­te Literatur

 

 

Noch einmal Sinnbildungsmuster: “traditional” vs. *“traditionell”

16. Februar 2015 Andreas Körber Ein Kommentar

Die Sinn­bil­dungs­mus­ter bzw. Erzähl­ty­pen von Rüsen und (mit etwas ande­rer theo­re­ti­scher Logik) Pan­del erschei­nen mir wei­ter­hin als ein wich­ti­ges Instru­ment, den Kon­strukt­cha­rak­ter und die Ori­en­tie­rungs­leis­tung von Geschich­ten (“Nar­ra­tio­nen”) zu ver­deut­li­chen und ihn trans­pa­rent zu machen.

In den Klau­su­ren zu mei­nem Ein­füh­rungs­mo­dul in die “Fach­di­dak­tik Geschich­te” (bes­ser: “Geschichts­di­dak­tik”) sind daher öfters auch Tex­te auf die in ihnen ent­hal­te­nen Sinn­bil­dungs­mus­ter zu unter­su­chen. Dabei müs­sen die Stu­die­ren­den ihre Ana­ly­sen natür­lich auch begrün­den, d.h. zumin­dest ansatz­wei­se para­phra­sie­ren, wie sie die ver­schie­de­nen Text­stel­len des Mate­ri­als gele­sen und ver­stan­den haben, und wel­che ori­en­tie­rungs­funk­ti­on, wel­che “Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lung” sie erkannt haben.

Dabei kommt es (einer­seits “natür­lich”, ande­rer­seits “lei­der”) immer wie­der vor, dass Stu­die­ren­de einen der Sinn­bil­dungs­ty­pen als  “tra­di­tio­nell” anspre­chen, nicht — wie es kor­rekt wäre — als “tra­di­tio­nal”. Das mag zuwei­len auf eine noch nicht abge­schlos­se­ne Ein­übung in die Fein­hei­ten der deut­schen Bil­dungs­spra­che und ihrer Dif­fe­ren­zie­run­gen in der Adap­ti­on und Nut­zung latei­ni­scher Ter­mi­ni sein — kei­nes­wegs nur bei migran­ti­schen Jugendlichen.

Man kann die­se Dif­fe­ren­zie­rung durch­aus oft­mals als über­zo­gen kri­ti­sie­ren. Schon beim Über­set­zen ins Eng­li­sche ist sie gar nicht mehr voll­stän­dig durch­zu­hal­ten. Aller­dings hat sie oft­mals durch­aus ihre Berech­ti­gung und Relevanz:

An einem Bei­spiel möch­te ich kurz die Bedeu­tung der oben genann­ten Unter­schei­dung besprechen.

Ein(e) Stu­die­ren­de schrieb in einer jüngst bear­bei­te­ten Klau­sur, in wel­cher die Rede von Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck zum 70. Jah­res­tag der Befrei­ung des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz zu ana­ly­sie­ren war:

“Tra­di­tio­nal ist aller­dings auch der Juden­hass” [Z. XX], “den jedoch nur die Deut­schen so weit geführt haben.”

Hier ist es ein­mal nicht die nur fal­sche Benen­nung eines an sich kor­rekt erkann­ten tra­di­tio­na­len Mus­ters als “tra­di­tio­nell”, son­dern umge­kehrt die fälsch­li­che Iden­ti­fi­zie­rung eines von Gauck ange­führ­ten Sach­ver­halts als “tra­di­tio­nal”. Gauck sagte:

“Der deutsch-jüdi­sche Schrift­stel­ler Jakob Was­ser­mann […] hat­te bereits Ende des Ers­ten Welt­kriegs des­il­lu­sio­niert geschrie­ben: Es sei ver­geb­lich, unter das Volk der Dich­ter und Den­ker zu gehen und ihnen die Hand zu bie­ten: ‘Sie sagen’, schrieb er, ‘was nimmt er sich her­aus mit sei­ner jüdi­schen Auf­dring­lich­keit? es ist ver­geb­lich, für sie zu leben und für sie zu ster­ben. Sie sagen: Er ist Jude.’

Der Jude der Anti­se­mi­ten war kein Wesen aus Fleisch und Blut. Er galt als Böse schlecht­hin und dien­te als Pro­jek­ti­ons­flä­che für jede Art von Ängs­ten, Ste­reo­ty­pen und Feind­bil­dern, sogar sol­chen, die ein­an­der aus­schlie­ßen. Aller­dings ist nie­mand in sei­nem Juden­hass so weit gegan­gen wie die Natio­nal­so­zia­lis­ten. Mit ihrem Ras­sen­wahn mach­ten sie sich zu Her­ren über Leben und Tod”. (1)

Somit war der Juden­hass des Natio­nal­so­zia­lis­ten bei Gauck zwar tra­di­tio­nell, d.h. nicht von den Natio­nal­so­zia­lis­ten selbst neu erfun­den, son­dern auf einer älte­ren Geschich­te auf­bau­end, kei­nes­wegs aber tra­di­tio­nal, d.h. seit einem iden­ti­fi­zier­ten Ursprung unver­än­der­lich wei­ter gül­tig, denn das hie­ße: auch über die Zeit von Gaucks Anspra­che hin­aus gül­tig und letzt­lich nicht ver­än­der­bar. Mit einer Deu­tung des Juden­has­ses als “tra­di­tio­nal” wäre der gan­ze Sinn der Rede Gaucks, näm­lich der Hoff­nung Aus­druck zu geben, dass durch ein nicht-ritua­li­sier­tes, son­dern jeweils zeit­ge­mä­ßes und ehr­li­ches Erin­nern gera­de die­se Gel­tung zu durch­bre­chen und dem Juden­hass und ande­ren, ver­wand­ten For­men von Unmensch­lich­keit ent­ge­gen­zu­tre­ten, ver­geb­lich gewesen.

Tra­di­tio­nal sind für Gauck viel­mehr zum einen das Erschre­cken über die Fähig­keit des eige­nen Vol­kes zur Unmensch­lich­keit, der unhin­ter­geh­ba­re, nicht mehr auf­geb­ba­re Bezug deut­scher Iden­ti­tät zu die­sem Ver­bre­chen und dem Erschre­cken und der Refle­xi­on dar­über sowie die Pra­xis des Erin­nerns in Gedenk­fei­ern selbst. Bei allem Bewusst­sein der Gefahr ihres Erstar­rens in lee­ren Ritua­len sei dar­an festzuhalten.

“Tra­di­tio­nal” und “tra­di­tio­nell” bezeich­nen somit fun­da­men­tal unter­schied­li­che Kon­zep­te von Gel­tung in Zeit: Was frü­her “tra­di­tio­nal” war, kann von heu­te aus nicht mehr ohne wei­te­res als tra­di­tio­nal erin­nert und erzählt wer­den — es sei denn, sei­ne Wei­ter­gel­tung sol­le aus­ge­drückt wer­den. War der Anti­se­mi­tis­mus für die Nazis durch­aus “tra­di­tio­nal” in dem Sin­ne, dass er für sie eine Gel­tung in die Zukunft hin­ein auf­wies, kann er von einer auf­ge­klärt-huma­nen (d.h. nor­ma­tiv trif­ti­gen) Per­spek­ti­ve aus allen­falls als “tra­di­tio­nell” erklärt wer­den — nicht aber mehr als tra­di­tio­nal gültig.

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(1) Gauck, Joa­chim (27.1.2015): Rede des Bun­des­prä­si­den­ten zum 70. Jah­res­tag der Befrei­ung des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz. http://​www​.bun​des​prae​si​dent​.de/​S​h​a​r​e​d​D​o​c​s​/​R​e​d​e​n​/​D​E​/​J​o​a​c​h​i​m​-​G​a​u​c​k​/​R​e​d​e​n​/​2​0​1​5​/​0​1​/​1​5​0​1​2​7​-​B​u​n​d​e​s​t​a​g​-​G​e​d​e​n​k​e​n​.​h​tml (gele­sen 27.1.2015).

 

Die anthropologische Begründung des historischen Denkens nach Jörn Rüsen und die Lehre von den Sinnbildungstypen des historischen Denkens [Version 3; letzte Änderung: 25.2.2014]

25. Februar 2014 Andreas Körber Keine Kommentare

Vor­be­mer­kung
Die­ser Bei­trag ist ein Ver­such, einen der m.E. zen­tra­len Tex­te zur Theo­rie des his­to­ri­schen Den­kens (und Ler­nens), näm­lich das Kapi­tel “Zeit­er­fah­rung und Selbst­iden­ti­tät” in His­to­ri­sche Ver­nunft von Jörn Rüsen (Rüsen 1983, S. 48 – 58) sowie sei­ne Typo­lo­gie der Sinn­bil­dun­gen his­to­ri­schen Den­kens und ein­zel­ne Erwei­te­run­gen und Ver­än­de­run­gen der dar­in vor­ge­schla­ge­nen Kon­zep­te und Begrif­fe für Anfän­ger ver­ständ­lich aus­zu­drü­cken. Inzwi­schen geht die Abhand­lung aber deut­lich hinaus.

I. Geschichts­den­ken ist kei­ne aus­schließ­li­che Domä­ne der Wissenschaft

Geschichts­wis­sen­schaft ist kei­nes­wegs eine Instanz, wel­che allein “rich­ti­ges” his­to­ri­sches Wis­sen pro­du­ziert. His­to­ri­sches Den­ken fin­det immer und über­all in der Gesell­schaft statt. Es ist kein Spe­zi­fi­kum der Wis­sen­schaft. “His­to­ri­sches Ler­nen” soll­te daher auch nicht dar­in gese­hen wer­den, die Ergeb­nis­se der Geschichts­wis­sen­schaft in die Köp­fe der Ler­nen­den zu trans­fe­rie­ren (sog. “Abbild­di­dak­tik”), son­dern die­se zu selbst­stän­di­gem his­to­ri­schen Den­ken zu befä­hi­gen. Die “Abbild­di­dak­tik” schei­tert zudem an der Tat­sa­che, dass wir Aus­sa­gen über Geschich­te immer nur in Form von Nar­ra­tio­nen besit­zen, also sprach­li­chen Aus­drü­cken. Ein Ver­gleich an einer nar­ra­ti­ons­un­ab­hän­gi­gen “Wirk­lich­keit” ist nicht denk­bar, denn die­se ist a) ver­gan­gen und wäre b) zu kom­plex, um über­haupt “1:1” und voll­stän­dig erkannt oder gar ver­ba­li­siert wer­den zu kön­nen (vgl. Dan­to 1980).

His­to­ri­sche Aus­sa­gen sind immer

  • nar­ra­tiv strukturiert
  • retro­spek­tiv
  • selek­tiv
  • per­spek­ti­visch
  • in der Gegen­wart angesiedelt

Was aber macht nun his­to­ri­sches Den­ken zu his­to­ri­schem Den­ken — was ist das Beson­de­re an der Geschich­te (z.B. im Ver­gleich zur Lite­ra­tur oder ande­ren Denkformen?

II. His­to­ri­sches Den­ken als anthro­po­lo­gisch not­wen­di­ger Prozess
Der Mensch ist anthro­po­lo­gisch dar­auf ange­wie­sen, eine Vor­stel­lung davon zu haben, wie (zumin­dest in etwa) das “Mor­gen” aus­se­hen wird, in dem er han­deln will und für das er heu­te pla­nen muss (Rüsen 1983, S. 48ff).
Dass man ‘mor­gen’ nicht ein­fach so wei­ter macht, wie heu­te, liegt dabei dar­an, dass der Mensch in der Lage ist, sich die Welt anders vor­zu­stel­len, als sie ist, dass er also auch Ver­än­de­run­gen pla­nen kann (“Inten­tio­na­li­täts­über­schuss” nennt Jörn Rüsen das). Dass sich das ‘Mor­gen’ zudem vom ‘Heu­te’ unter­schei­den wird, ja sogar von dem, wie er sich das ‘Mor­gen’ heu­te vor­stel­len kann, erfährt der Mensch aber immer dann, wenn er die ‘heu­ti­gen’ Erfah­run­gen mit sei­nen ‘gest­ri­gen’ Plä­nen für ‘heu­te’ ver­gleicht: Es ist anders gekom­men als gedacht — und zwar in einer Wei­se, die weder vor­her­seh­bar ist, noch rein zufäl­lig (“Kon­tin­genz”).

Die­se Erfah­rung und ihre Extra­po­la­ti­on in die Zukunft (‘wenn es heu­te anders ist als ges­tern gedacht — wie kann ich dann sagen, was mor­gen sein wird?’) könn­te den Men­schen dazu füh­ren, gar nicht mehr in eine Zukunft pla­nen zu kön­nen, also hand­lungs­un­fä­hig zu wer­den — wenn nicht für eine plau­si­ble Vor­stel­lung gesorgt wür­de, wie aus dem ‘Heu­te’ ein ‘Mor­gen’ wird.

Eine sol­che Vor­stel­lung, wie aus dem ‘Heu­te’ das ‘Mor­gen’ her­vor­ge­hen kann (nicht muss), ist mög­lich durch einen Blick zurück und die ‘Erfor­schung’ des­sen, wie denn aus dem ‘Ges­tern’ das ‘Heu­te’ gewor­den ist — und schließ­lich wie­der durch eine Extra­po­la­ti­on der so gemach­ten Erfah­run­gen von Ver­än­de­run­gen in eine (prin­zi­pi­ell) all­ge­mein­gül­ti­ge Regel: eine “Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lung” über den Ver­lauf der Geschich­te. His­to­ri­sches Den­ken ist der Blick zurück ange­sichts eines aktu­el­len Ori­en­tie­rungs­be­dürf­nis­ses (einer aktu­el­len zeit­li­chen Ver­un­si­che­rung), um eine Vor­stel­lung zu gewin­nen, wie ‘heu­te’ und ‘mor­gen’ sinn­voll gehan­delt wer­den kann.

His­to­ri­sches Den­ken (“Geschichts­be­wusst­sein”) ist die Bil­dung von Sinn über die Erfah­rung von zeit­li­cher Kon­tin­genz. “Sinn­bil­dung über Zeiterfahrung”.

Das klingt dra­ma­ti­scher, als es ist: Schon der Erwerb neu­en Detail­wis­sens kann dazu füh­ren, bis­he­ri­ge Vor­stel­lun­gen kon­kre­ti­sie­ren zu müs­sen. Oft­mals wird es bei die­sen ‘Ori­en­tie­rungs­be­dürf­nis­sen’ dar­um gehen, bestehen­de Vor­stel­lun­gen zu bestä­ti­gen. Aber dazu müs­sen sie grund­sätz­lich erst ein­mal in Fra­ge gestellt wer­den: Der Blick in die Ver­gan­gen­heit öff­net bestehen­de Vor­stel­lun­gen vom Zeit­ver­lauf für eine Revision.

Die­ser Pro­zess des Zurück­bli­ckens kann nicht völ­lig vor­aus­set­zungs­frei gesche­hen. Auch wird nie “die” “gan­ze” Geschich­te einer Revi­si­on unter­zo­gen. His­to­ri­sches Den­ken geht immer von aktu­el­len und kon­kre­te­ren Irri­ta­tio­nen der bis­her geleis­te­ten Vor­stel­lun­gen aus — und beruht daher auf jeweils aktu­el­len und aus einer beson­de­ren Situa­ti­on ent­sprin­gen­den Voraussetzungen.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen umfas­sen zum Einen die kon­kre­ten Erfah­run­gen und die aus ihnen ent­sprin­gen­den Fra­gen an die Ver­gan­gen­heit. Aber auch die­se sind natür­lich nicht frei von den vor­her gemach­ten Erfah­run­gen. So gehen die sozia­le Posi­ti­on des his­to­ri­sche Fra­gen­den, sei­ne bis­he­ri­gen Wert­vor­stel­lun­gen, sei­ne Über­zeu­gun­gen, sein Wis­sen und vie­le Rah­men­be­din­gun­gen in das Ori­en­tie­rungs­in­ter­es­se ein — und auch in die Lei­ten­den Hin­sich­ten, mit denen er den Blick in die Ver­gan­gen­heit wen­det. Die “Lei­ten­den Hin­sich­ten” sind so etwas wie ein Fil­ter, mit dem die Men­ge der Daten aus der Ver­gan­gen­heit vor­gän­gig gefil­tert wird — qua­si ein mehr­di­men­sio­na­les Selek­ti­ons­in­stru­ment, das man vor Augen nimmt, bevor man sich den Daten aus der Ver­gan­gen­heit zuwendet.

Mit die­sen lei­ten­den Hin­sich­ten und den beherrsch­ten Metho­den (auch die­se ein aus der Gegen­wart mit­ge­brach­ter Fak­tor) wer­den nun die zur Ver­fü­gung ste­hen­den oder extra in Erfah­rung gebrach­ten ‘Daten’ aus der Ver­gan­gen­heit ‘gesich­tet’. Mit den so gemach­ten Erfah­run­gen wer­den die bestehen­den Vor­stel­lun­gen ‘umge­baut’, so dass die anfangs irri­tie­ren­den neu­en Erfah­run­gen mit den so gemach­ten in eine neue Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lung gebracht wer­den. Die­se muss natür­lich der bis­he­ri­gen nicht völ­lig wider­spre­chen, oft­mals genügt eine Prä­zi­sie­rung im Detail, manch­mal sind grund­le­gen­de­re Ände­run­gen not­wen­dig. Inwie­weit hier wirk­lich voll­stän­dig neue Vor­stel­lun­gen ent­ste­hen kön­nen, ist schwer zu ent­schei­den. Vie­les spricht dafür, dass auch bei der Kon­struk­ti­on von Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lun­gen dem ein­zel­nen Den­ken­den ein Vor­rat an Deu­tungs­mus­tern zur Ver­fü­gung steht, der nur in begrenz­tem Umfang abge­wan­delt und ergänzt wer­den kann. Prin­zi­pi­el­les Umler­nen, die Kon­struk­ti­on völ­lig neu­ar­ti­ger Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lun­gen, ist daher vohl nur duch viel­fa­che Abwan­de­lung von bestehen­den Deu­tun­gen möglich.

III. Deu­tungs­mus­ter und Sinnbildungstypen
Die den ein­zel­nen Den­ken­den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Deu­tungs­mus­ter las­sen sich viel­fach ord­nen. Eine grund­le­gen­de Ord­nung ist die von Jörn Rüsen erar­bei­te­te Ein­tei­lung in vier Sinn­bil­dungs­ty­pen. Es han­delt sich dabei um grund­le­gen­de Arten von Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lun­gen die in einer logi­schen Rei­hen­fol­ge hin­sicht­lich ihres Kom­ple­xi­täts­gra­des stehen.

Tra­di­tio­na­le Sinnbildung
Die Tra­di­tio­na­le Sinn­bil­dung ‘über­sieht’ den Wan­del der Ver­hält­nis­se über die Zeit. Es ist die­je­ni­ge Sinn­bil­dung, die im Lauf der Geschich­te ‘alles beim Alten’ aus­macht. Din­ge, die ein­mal erreicht wur­den, gel­ten als wei­ter­hin gül­tig, Ver­lo­re­nes als unwie­der­bring­lich dahin. Die­se Sinn­bil­dung ist nur so lan­ge plau­si­bel, wie sich wirk­lich nichts wirk­lich wich­ti­ges ändert. Unter die­ser Bedin­gung hilft tra­di­tio­na­les Geschichts­den­ken tat­säch­lich, in die Zukunft zu pla­nen — es ist eine Ver­ge­wis­se­rung des­sen, was denn ent­stan­den und gewor­den ist und was auch ‘Mor­gen’ noch gel­ten wird.
Exem­pla­ri­sche Sinnbildung
Die exem­pla­ri­sche Sinn­bil­dung irt inso­fern kom­ple­xer, als sie Ver­än­de­run­gen im Lau­fe der Zeit aner­kennt. Aller­dings ver­sucht sie, die Ver­än­de­run­gen als Wan­del zwi­schen ver­schie­de­nen Fäl­len der­sel­ben Art zu ver­ste­hen, d.h. die Ver­än­de­rung wird als nur den Ein­zel­fall betref­fend ver­stan­den, woge­gen grund­sätz­lich alles beim Alten bleibt. Das bedeu­tet aber, dass die Ein­zel­fäl­le nur Bei­spie­le für eine all­ge­mein­gül­ti­ge Regel sind, die über­zeit­lich gilt, und dass man aus der Betrach­tung eines Fal­les oder meh­re­rer Fäl­le auch für einen wei­te­ren, kom­men­den Fall ler­nen kann. His­to­ri­sches Den­ken zielt nun mehr auf die Erkennt­nis einer über­zeit­li­chen Regel. “Regel­kom­pe­tenz” ist das Ziel.[1]
Kri­ti­sche Sinnbildung
Kri­ti­sche Sinn­bil­dung ist im Modell von Jörn Rüsen die­je­ni­ge Sinn­bil­dung, die bestehen­de Ori­en­tie­run­gen und Vor­stel­lun­gen außer Kraft zu set­zen im Stan­de ist — und zwar auf Grund gegen­tei­li­ger Erfah­run­gen im Umgang mit ver­gan­ge­nem Mate­ri­al. Sie lehrt, dass es doch nicht so sein kann, dass alle Ein­zel­fäl­le immer nur Fäl­le eienr Art sind. Sie leug­net, dass es eine all­ge­mein­gül­ti­ge Regel gibt, ohne schon selbst eine neue Sinn­bil­dung anzubieten.Die kri­ti­sche Sinn­bil­dung an die­ser Stel­le zwi­schen exem­pla­ri­scher und gene­ti­scher Sinn­bil­dung unter­zu­brin­gen, ist unzweck­mä­ßig. Vgl. die Argu­men­ta­ti­on im erwei­ter­ten Modell unten.
Gene­ti­sche Sinnbildung
Die gene­ti­sche Sinn­bil­dung reagiert auf die Kri­tik der kri­ti­schen Sinn­bil­dung. Sie erkennt an, dass die Ver­än­de­run­gen in der Geschich­te, die die Sich­tung des empi­ri­schen Mate­ri­als erge­ben hat, nicht nur Ver­än­de­run­gen inner­halb eines über­zeit­lich gül­ti­gen Regel­sys­tems sind, son­dern dass sich die Regeln selbst geän­dert haben. Sie ver­sucht, den Zusam­men­hang zwi­schen Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft dadurch wie­der her zu stel­len, dass eine gerich­te­te Ver­än­de­rung ange­nom­men wird, eine Ent­wick­lung und sie zielt dar­auf, die Rich­tung die­ser Ver­än­de­rung zu erken­nen. His­to­ri­sches Ori­en­tiert­sein bedeu­tet nicht mehr, die all­ge­mei­nen Regeln zu ken­nen, son­dern eine Vor­stel­lung davon zu haben, wie, d.h. in wel­che “Rich­tung” sich die Ver­hält­nis­se geän­dert haben, und die­se Ent­wick­lung in die Zukunft extra­po­lie­ren zu können.

Hin­zu kommt, dass die­se Typen nicht nur hin­sicht­lich ihrer Kom­ple­xi­tät auf­ein­an­der folgen[2], son­dern der Theo­rie zufol­ge auch inner­halb der His­to­rio­gra­phie­ge­schich­te. Etwa bis Mit­te des 5.Jh. vor Chr. habe eine tra­di­tio­na­le Geschichts­schrei­bung vor­ge­herrscht, seit Thuky­di­des etwa habe Geschich­te die Auf­ga­be Schaf­fung von Regel­kom­pe­tenz ange­nom­men und seit dem Ende des Mit­tel­al­ters und ins­be­son­de­re mit Auf­klä­rung und His­to­ris­mus sei die Gerich­tet­heit von Ver­än­de­run­gen in den Blick gera­ten — vor allem auf Grund der Erfah­run­gen, die das Welt­bild am Beginn der Neu­zeit grund­sätz­lich ver­än­dert haben (Ent­de­ckung Ame­ri­kas, Buch­druck, Huma­nis­mus) und der star­ken und sich beschleu­ni­gen­den Ver­än­de­run­gen der Lebens­ver­hält­nis­se im Gefol­ge der indus­tri­el­len Revolution.

Ein wei­te­rer zu beach­ten­der Punkt ist, dass die­se Typen nie in Rein­form auf­tre­ten, son­dern nach dem Modell von Kom­pe­tenz und Per­for­manz zusam­men wir­ken: Im Lau­fe der Mensch­heits­ge­schich­te sei­en die jeweils kom­ple­xe­ren For­men nach­ein­an­der ent­wi­ckelt wor­den — in Abhän­gig­keit von der jewei­li­gen Wahr­neh­mung der Ver­än­der­lich­keit der Lebens­welt. Aber das bedeu­tet nicht, dass die­ser Typ dann allein ver­tre­ten gewe­sen sei. Alle weni­ger Kom­ple­xen Typen hät­ten wei­ter gewirkt. Auch wenn die Men­schen die Kom­pe­tenz zu kom­ple­xe­rer Sinn­bil­dung ent­wi­ckeln, aktua­li­sie­ren sie sie nicht stän­dig. Ein Groß­teil des tat­säch­li­chen his­to­ri­schen Den­kens fin­den unter Zuhil­fe­nah­me “nie­de­rer” Ope­ra­ti­ons­ty­pen statt. Das mag eine Faust­for­mel als Hypo­the­se ver­an­schau­li­chen: Solan­ge ich einen Sach­ver­halt auf nied­ri­ger Kom­ple­xi­täts­ebe­ne zufrie­den stel­lend, d.h. ori­en­tie­rend, zu Sinn ver­ar­bei­ten kann, blei­be ich dabei, erst wenn mich eine Erkennt­nis der Ver­än­de­run­gen dazu führt, dies nicht als ori­en­tie­rend (sinn­voll) anzu­se­hen, grei­fe ich zu den (per­for­mie­re die) nächst­hö­he­ren Kom­ple­xi­täts­for­men von Sinn­bil­dung, zu denen ich fähig (kom­pe­tent) bin: “So unkom­pli­ziert wie mög­lich, so kom­plex wie nötig”. Das wür­de erklä­ren, dass auch in einer Zeit star­ker Ver­än­de­run­gen der Lebens­welt (z.B. Tech­nik­ent­wick­lung) noch vie­le Din­ge (im All­tag) mit Hil­fe von exem­pla­risch struk­tu­rier­ten Regeln (z.B. Sprich­wör­tern) ver­ar­bei­tet werden.

Rüsen zufol­ge tre­ten die Sinn­bil­dungs­ty­pen gesell­schaft­lich also immer in cha­rak­te­ris­ti­schen Kom­bi­na­tio­nen auf, wobei eine domi­nant sei. Ich den­ke aber, dass selbst ein­zel­ne Sinn­bil­dungs­pro­zes­se sich nie rein einem Typ zuord­nen las­sen, son­dern dass viel­mehr Misch- und Kom­bi­na­ti­ons­ty­pen vor­kom­men. Zudem den­ke ich, dass in der Ver­wen­dung der Typen zur Ana­ly­se von tat­säch­li­chen Sinn­bil­dun­gen Varia­tio­nen her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den können.

Ein sehr gutes Bei­spiel bil­den m.E. die aktu­el­len Dis­kus­sio­nen um Gen­tech­no­lo­gie und Men­schen­bild: “Fort­schritt?” (opti­mis­tisch-gene­tisch) oder “wie­der ein­mal ein Bei­spiel dafür, dass sich die Inter­es­sen der Mäch­ti­gen durch­set­zen wer­den?” (pes­si­mis­tisch tra­di­tio­nal bzw. exem­pla­risch) oder ein Anwen­dungs­fall für zeit­über­grei­fend gül­ti­ge Regeln (z.B. Men­schen­rech­te, exem­pla­risch), die aber wei­ter ent­wi­ckelt wer­den müs­sen (gene­tisch). Hier zeigt sich m.E. sehr schön, dass die vier Sinn­bil­dungs­ty­pen bei RÜSEN noch zu all­ge­mein defi­niert sind (bzw. über­wie­gend so ver­stan­den wer­den). “Exem­pla­ri­sche Sinn­bil­dung” ist m.E. (auch in der Logik der Typo­lo­gie) nicht auf die Erkennt­nis einer über *alle* Zei­ten hin­weg gül­ti­ge Regel gerich­tet, son­dern auf eine Regel, die über *län­ge­re* Zeit­räu­me hin­weg gilt. Erst die Erkennt­nis, dass die Regel nicht mehr gilt, zwingt zur nächst kom­ple­xe­ren Sinn­bil­dung, der gene­ti­schen Sinn­bil­dung. Aber: Auch wenn ich weiß, dass vor lan­ger Zeit ande­re Regeln gegol­ten haben, ich aber mit seit eben so län­ge­rer Zeit bewähr­ten Regeln aus­kom­me (“in der Anti­ke mag das anders gewe­sen sein, aber seit der Erfin­dung von xy gilt”). Man könn­te dies eine “gene­tisch auf­ge­klär­te oder sen­si­bi­li­sier­te exem­pla­ri­sche Sinn­bil­dung” nen­nen — und das trifft sich ja auch mit Rüsens Aus­sa­ge, dass die­se Typen nie in Rein­form, son­dern immer in cha­rak­te­ris­ti­schen Kom­bi­na­tio­nen auftreten.

Das Sinn­bil­dungs­mo­dell ist inzwi­schen recht berühmt gewor­den. Weni­ger bekannt ist eine sub­stan­ti­el­le Wei­te­rung, die Bodo von Bor­ries vor­ge­schla­gen hat (von Bor­ries 1988, S. 59 – 96): Die Plat­zie­rung der “Kri­ti­schen Sinn­bil­dung” zwi­schen exem­pla­ri­scher und gene­ti­scher Sinn­bil­dung bei RÜSEN ist his­to­rio­gra­phie­ge­schicht­lich ver­ständ­lich, aber unzweck­mä­ßig, weil sich wei­te­re kri­ti­sche Vari­an­ten (“Tra­di­ti­ons-Kri­tik”, “Exem­pel-Kri­tik”, “Gene­se-Kri­tik”) den­ken las­sen, ja eigent­lich sogar not­wen­dig sind. Eini­ge wei­te­re Mus­ter las­sen sich dann per Ana­lo­gie­schluss “erfin­den”. Das (inzwi­schen noch­mal; 2013) modi­fi­zier­te Modell sähe dann aus wie folgt. Ich habe — auf­grund eini­ger Erfah­run­gen mit Übun­gen zum Erken­nen von Sinn­bil­dungs­mus­tern in Nar­ra­ti­ven bei Klau­su­ren — auch Test­fra­gen eingebaut:

(anthro­po­lo­gi­sche oder natur­ge­setz­li­che) Konstanz
Die Vor­stel­lung, dass ein Zusam­men­hang zwi­schen beob­acht­ba­ren, erfah­re­nen Phä­no­me­nen, jeg­li­cher Ver­än­de­rung ent­zo­gen ist, dass er qua­si natur­ge­setz­li­chen Cha­rak­ter hat, muss wohl von der tra­di­tio­na­len Sinn­bil­dung unter­schie­den wer­den. Hin­sicht­lich des Kom­ple­xi­täts­gra­des der Ver­än­de­rungs­er­fah­rung muss er vor der tra­di­tio­na­len Ver­än­de­rung plat­ziert wer­den. Die Test­fra­ge lau­tet: “Geht der Autor davon aus, dass etwas immer gül­tig und unver­än­der­bar ist, ohne auch nur irgend­wann begon­nen zu haben?”
kon­stanz-kri­ti­sche Sinnbildung
Die Erkennt­nis, dass in einem “zuvor” als kon­stant ange­nom­me­nen Erfah­rungs­be­reich, hin­sicht­lich eines Zusam­men­han­ges doch ein Wan­del fest­stell­bar ist, müss­te als “Kon­stanz-Kri­tik” bezeich­net wer­den. Die Test­fra­ge wäre: “Stellt der Autor (nur) in Fra­ge, dass etwas ohne einen Beginn qua­si natur­ge­setz­lich gül­tig ist?”
Tra­di­tio­na­le Sinnbildung
Die Tra­di­tio­na­le Sinn­bil­dung ‘über­sieht’ den Wan­del der Ver­hält­nis­se über die Zeit. Es ist die­je­ni­ge Sinn­bil­dung, die im Lauf der Geschich­te ‘alles beim Alten’ aus­macht. Din­ge, die ein­mal erreicht wur­den, gel­ten als wei­ter­hin gül­tig, Ver­lo­re­nes als unwie­der­bring­lich dahin. Die­se Sinn­bil­dung ist nur so lan­ge plau­si­bel, wie sich wirk­lich nichts wirk­lich wich­ti­ges ändert. Unter die­ser Bedigung hilft tra­di­tio­na­les Geschichts­den­ken tat­säch­lich, in die Zukunft zu pla­nen — es ist eine Ver­ge­wis­se­rung des­sen, was denn ent­stan­den und gewor­den ist und was auch ‘Mor­gen’ noch gel­ten wird. Die Test­fra­ge lau­tet: “Behaup­tet der Autor (ggf. impli­zit), dass etwas heu­te Gül­ti­ges irgend­wann in der Geschich­te erfun­den, ent­deckt bzw. errun­gen wur­de oder durch sonst ein Ereig­nis oder Akte (seit­her) fort­wäh­ren­de Gel­tung erlangt hat?”
Kri­tisch-tra­di­tio­na­le Sinnbildung
Unter “kri­tisch-tra­di­tio­nal” möch­te ich Sinn­bil­dun­gen fas­sen, in wel­chen eine kon­kre­te Tra­di­ti­ons­li­nie kri­ti­siert wird, jedoch nicht, um eine ande­re Art, einen ande­ren Typus der Sinn­bil­dung dage­gen zu set­zen, son­dern um eine ande­re Tra­di­ti­on (also eine Sinn­bil­dung glei­chen Typs) zu behaup­ten. Hier wird also nicht der Typ, son­dern die kon­kre­te Sinn­kon­struk­ti­on inner­halb des glei­chen Typs kri­ti­siert. Das wäre etwa der Fall, wenn für die Gel­tung einer bestimm­ten sozia­len Ord­nung­eine Ursa­che abge­lehnt und eine ande­re behaup­tet wird: “Die Sozi­al­ver­si­che­rung in Deutsch­land haben wir nicht Bis­marck zu ver­dan­ken — sie ist eine Errun­gen­schaft des Kamp­fes der Arbei­ter­klas­se”. Ob das trif­tig ist oder nicht — hier wür­de eine Tra­di­ti­on mit­tels einer ande­ren kri­ti­siert. Die Test­fra­ge lau­tet, ob der Autor einen behaup­te­ten Beginn oder Ursprung durch einen ande­ren ersetzt wis­sen will.
Tra­di­ti­ons-kri­ti­sche Sinnbildung
Irgend­wann machen Men­schen die Erfah­rung, dass nicht alles, was ent­steht, auch (gül­tig) bleibt, dass das, was ver­lo­ren geht, in ähn­li­cher Form wie­der ent­ste­hen kann. Die his­to­ri­sche Nai­vi­tät eines Geschichts­be­wusst­seins, das nur fragt, wie etwas ent­stan­den ist, oder wer etwas erfun­den hat, ist damit gebro­chen, ohne dass eine neue Ori­en­tie­rungs­form ent­stan­den ist. Die Test­fra­ge lau­tet: “Will der Autor in Fra­ge stel­len, dass das heu­te Gül­ti­ge in der Ver­gan­gen­heit ein­fach ent­deckt, errun­gen, gefun­den oder gestif­tet wur­de und seit­her unver­än­dert gül­tig ist?”
Exem­pla­ri­sche Sinnbildung
Nun kommt eine genaue­re Ana­ly­se der Daten aus ver­gan­ge­nen Zei­ten zu dem Ergeb­nis, dass sich vie­le Din­ge wie­der­ho­len, dass es aber in den Details durch­aus merk­ba­re Unter­schie­de gibt. Die nun ent­ste­hen­de exem­pla­ri­sche Sinn­bil­dung ist inso­fern kom­ple­xer, als sie Ver­än­de­run­gen im Lau­fe der Zeit aner­kennt. Aller­dings ver­sucht sie, die Ver­än­de­run­gen als Wan­del zwi­schen ver­schie­de­nen Fäl­len der­sel­ben Art zu ver­ste­hen, d.h. die Ver­än­de­rung wird als nur den Ein­zel­fall betref­fend ver­stan­den, woge­gen grund­sätz­lich alles bei­om Alten bleibt. Das bedeu­tet aber, dass die Ein­zel­fäl­le nur Bei­spie­le für eine all­ge­mein­gül­ti­ge Regel sind, die über­zeit­lich gilt, und dass man aus der Betrach­tung eines Fal­les oder meh­re­rer Fäl­le auch für einen wei­te­ren, kom­men­den Fall ler­nen kann. His­to­ri­sches Den­ken zielt nun mehr auf die Erkennt­nis einer über­zeit­li­chen Regel. “Regel­kom­pe­tenz” ist das Ziel. Die Test­fra­ge lau­tet: “Geht der Autor davon aus, dass hin­ter den ver­schie­de­nen Fäl­len der Geschich­te eine Regel erkenn­bar ist, mit deren Hil­fe gegen­wär­ti­ge Ereig­nis­se erklärt und eige­nes Han­deln ver­bes­sert wer­den kann?”
kri­tisch-exem­pla­ri­sche Sinnbildung
Auch hier gilt, dass nicht jede Kri­tik an einer Regel­be­haup­tung bereits eine Kri­tik am Sinn­bil­dungs­typ dar­stellt. Wer also die Gel­tung einer Regel bezwei­felt, “nur” um eine ande­re Regel dage­gen zu set­zen, bil­det nicht im Rüsen­schen Sinn (exempel-)“kritisch” Sinn, son­dern kri­ti­siert inner­halb der exem­pla­ri­schen Sinn­bil­dung. Das könn­te man “kri­tisch-exem­pla­ri­sche Sinn­bil­dung” nen­nen. Die Test­fra­ge lau­tet, ob der Autor eine bestimm­te, in einer Geschich­te aus der Ver­gan­gen­heit abge­lei­te­te (oder aus der Gegen­wart auf die Ver­gan­gen­heit pro­ji­zier­te) Regel kri­ti­siert, und eine ande­re Regel­haf­tig­keit erwar­tet oder behaup­tet. Bei­spiel: “Alle die­se Lebens­ge­schich­ten zei­gen kei­nes­wegs, dass was Häns­chen nicht lernt, auch für Hans nicht mehr zu erwer­ben ist, wohl aber, dass es bestimm­te sozia­le Bedin­gun­gen dafür gibt, ob auch in höhe­rem Alter noch gelernt wer­den kann.”
Exem­pel-kri­ti­sche Sinnbildung
Die exem­pel-kri­ti­sche Sinn­bil­dung eta­bliert sich dem­ge­gen­über in dem Moment, indem es den Men­schen nicht mehr gelingt, neu­ar­ti­ge Erfah­run­gen unter eine der her­ge­brach­ten oder durch Ana­ly­se vie­ler ähn­li­cher Fäl­le gewon­ne­ne Regel zu sub­sum­mie­ren. In dem Moment, wo die Erkennt­nis reift, dass sich nicht nur die Anwen­dungs­fäl­le, son­dern auch die Logi­ken des Han­delns ändern, ist die Kri­tik am exem­pla­ri­schen Den­ken for­mu­liert — jedoch noch ohne einen Vor­schlag, wie man denn nun den neu­en Fall über­haupt mit dem Frü­he­ren in Ver­bin­dung brin­gen soll. Zunächst erscheint alles in Fra­ge gestellt. Die Test­fra­ge lau­tet hier, ob der Autor der Vor­stel­lung einer die (betrach­te­ten) Zei­ten über­dau­ernd gül­ti­gen Regel gegen­über skep­tisch ist und viel­mehr eine Ver­än­de­rung behaup­tet. Bsp.: “Die vie­len in Sprich­wör­tern greif­ba­ren Lebens­re­geln aus der Vor­mo­der­ne funk­tio­nie­ren heu­te nicht mehr. Es ist aber eben­so unsin­nig, sie nur genau­er for­mu­lie­ren zu wol­len. Die Lebens­mstän­de haben sich der­art wei­ter­ent­wi­ckelt, dass man mit ihnen nie­man­dem mehr etwas Gutes tut.”
Gene­ti­sche Sinnbildung
Die gene­ti­sche Sinn­bil­dung reagiert auf die Kri­tik der kri­ti­schen Sinn­bil­dung. Sie erkennt an, dass die Ver­än­de­run­gen in der Geschich­te, die die Sich­tung des empi­ri­schen Mate­ri­als erge­ben hat, nicht nur Ver­än­de­run­gen inner­halb eines über­zeit­lich gül­ti­gen Regel­sys­tems sind, son­dern dass sich die Regeln selbst geän­dert haben. Sie ver­sucht, den Zusam­men­hang zwi­schen Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft dadurch wie­der her zu stel­len, dass eine gerich­te­te Ver­än­de­rung ange­nom­men wird, eine Ent­wick­lung und sie zielt dar­auf, die Rich­tung die­ser Ver­än­de­rung zu erken­nen. His­to­ri­sches Ori­en­tiert­sein bedeu­tet nicht mehr, die all­ge­mei­nen Regeln zu ken­nen, son­dern eine Vor­stel­lung davon zu haben, wie sich die Ver­hält­nis­se geän­dert haben, und die­se Ent­wick­lung in die Zukunft extra­po­lie­ren zu kön­nen. Die Test­fra­ge lau­tet hier, ob der Autor davon aus­geht, dass er aus den Ver­än­de­run­gen, die er in der Ver­gan­gen­heit erkennt, eine Rich­tung wei­te­rer Ver­än­de­run­gen her­aus­le­sen will, mit denen er wei­te­re Ver­än­de­run­gen in der Zukunft erwar­ten kann. Bsp.: “Irgend­wann in der Zukunft wird der Mensch unsterb­lich sein, denn die Geschich­te der Medi­zin zeugt von einem immer bes­se­ren Ver­ständ­nis der Gehei­mis­se des Lebens und der mensch­li­chen Körperfunktionen.
Kri­tisch-gene­ti­sche Sinnbildung
und auch hier ist nicht jede Kri­tik an einer behaup­te­ten Ent­wick­lungs­rich­tung gleich eine am gene­ti­schen Den­ken. Die Kri­tik an einem Fort­schritts­op­ti­mis­mus etwa, die die­sem ent­ge­gen­hält, eig
ent­lich wer­de doch alles schon immer immer schlim­mer, setzt nicht das Den­ken in gerich­te­ten Ent­wick­lun­gen außer Kraft, son­dern kehrt ledig­lich die Rich­tung um. Das wäre “kri­tisch-gene­tisch”, nicht “gene­se-kri­tisch”. Die Test­fra­ge lau­tet hier, ob der Autor zwar die kon­kre­te Vor­stel­lung einer Ver­än­de­rung für unplau­si­bel hält, nicht aber, dass es eine Ent­wick­lungs­rich­tung gibt, die in die Zukunft wei­ter­geht. Bsp.: “Die Mensch­heit wird nicht immer bes­ser leben, weil die For­schung so gro­ße Fort­schrit­te macht — sie wird ihre Lebens­grund­la­ge immer wei­ter aus­beu­ten und das eige­ne Über­le­ben immer stär­ker gefähr­den. Die Geschich­te der Wis­sen­schaf­ten ist kei­ne des Fort­schritts son­dern eine der zuneh­men­dem Über­heb­lich­keit und Verantwortungslosigkeit”.
Gene­se-kri­ti­sche Sinnbildung
Auch die Vor­stel­lung einer(!) Ent­wick­lungs­rich­tung in allen Fäl­len, erscheint zuneh­mend als unplau­si­bel. Weder die gene­ti­sche Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lung des ‘Fort­schritts’ noch eine der zuneh­men­den Kom­ple­xi­tät (z.B. in der Moder­ni­sie­rungs­theo­rie) erklärt hin­rei­chend alle Erfah­run­gen. Ers­te­re ist vor allem durch die äußerst ambi­va­len­ten Erfah­run­gen mit tech­ni­schem Fort­schritt (Atom­waf­fen-Over­kill; Umwelt­ver­schmut­zung), aber auch mit den Ratio­na­li­sie­rungs-Poten­tia­len der Moder­ne in der Fol­ge der Auf­klä­rung (Die Juden­ver­nich­tung im Drit­ten Reich als ratio­nal geplan­tes Pro­jekt) nor­ma­tiv in Fra­ge gestellt. Eine ein­fa­che Ent­wick­lungs­rich­tung scheint es nicht zu geben. Die Test­fra­ge lau­tet hier, ob der Autor die Vor­stel­lung, dass das, was die bis­he­ri­ge Ent­wick­lung kenn­zeich­net, als nicht wirk­lich für in die Zukunft ver­län­ger­bar kri­ti­siert. Bsp.: “Nur weil die Geschich­te der euro­päi­schen Neu­zeit von einer Moder­ni­sie­rung, d.h. zuneh­men­der Kom­ple­xi­tät der gesell­schaf­ten und ihrer (Sub-)Systeme gekenn­zeich­net ist, kön­nen wir kei­nes­wegs davon aus­ge­hen, dass das immer so wei­ter geht, oder dass das auch auf die ande­ren Regio­nen der Welt über­trag­bar ist.”
[Plu­ri-Gene­ti­sche Sinn­bil­dung?] /​ [Post­mo­der­ne Sinnbildung]?
Was kommt nach der gene­ti­schen Sinn­bil­dung? Es ist noch nicht ein­deu­tig geklärt. Ein wei­te­rer Vor­schlag wäre eine “Plu­ri-gene­ti­sche” Sinn­bil­dung, wel­che die Exis­tenz meh­re­rer, unab­hän­gi­ger Ent­wick­lun­gen anerkennt.

Als Vor­schlag für die Nach­fol­ge der gene­ti­schen Sinn­bil­dung ‘geis­tert’ die post­mo­der­ne Geschichts­schrei­bung durch die Lite­ra­tur. Aber inso­fern sie jeg­li­chen Zusam­men­hang zwi­schen Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft in Fra­ge stellt, geht sie zwar fun­da­men­tal über das gene­ti­sche Kon­zept hin­aus, stellt sich aber auch eigent­lich außer­halb die­ses gan­zen Sinn­bil­dungs­kon­zep­tes. Zumin­dest die­je­ni­gen Tei­le der post­mo­der­nen Geschichts­schrei­bung, die es ableh­nen, sich mit ver­gan­ge­nen Zei­ten um gegen­wär­ti­ger Pro­ble­me zu beschäf­ti­gen (mit dem sehr plau­si­blen Argu­ment, dass wir die Men­schen frü­he­rer Zei­ten nicht auf ihre Eigen­schaft, unse­re Vor­fah­ren zu sein, redu­zie­ren dür­fen), dürf­ten mit der gan­zen anthro­po­lo­gi­schen Grund­le­gung der Sinn­bil­dungs­ty­pen­leh­re und der oben skiz­zier­ten Begrün­dung, war­um Men­schen über­haupt his­to­risch den­ken, nicht ein­ver­stan­den sein. Ein­zu­wen­den ist dage­gen, dass wir gar nicht anders kön­nen, als von heu­te aus zu den­ken. Auch eine Geschichts­schrei­bung, die sich um die ver­gan­ge­ne Lebens­welt um ihrer eige­nen Kom­ple­xi­tät und Rea­li­tät Wil­len küm­mert, beruht auf Vor­aus­set­zun­gen aus der Gegen­wart und trifft Ent­schei­dun­gen. Inso­fern muss es legi­tim sein, auch das post­mo­der­ne Inter­es­se an der Geschich­te unter den oben skiz­zier­ten Kri­te­ri­en der Ori­en­tie­rung für Gegen­wart und Zukunft zu betrach­ten. Ande­rer­seits kann nicht geleug­net wer­den, dass die­se gan­ze Sinn­bil­dungs­leh­re selbst gene­tisch gedacht ist. Indem die ver­schie­de­nen Sinn­bil­dungs­ty­pen als eine Abfol­ge hin­sicht­lich ihrer Kom­ple­xi­tät, aber auch ihres Auf­tre­tens im Rah­men der His­to­rio­gra­phie­ge­schich­te (und wohl auch im Rah­men der lebens­ge­schicht­li­chen Ent­wick­lung jedes Ein­zel­nen) ange­se­hen wer­den, stellt das Modell selbst ein gene­ti­sches Sinn­bil­dungs­kon­strukt dar. Men­schen, die nur exem­pla­risch den­ken kön­nen, kön­nen den gene­ti­schen Typ der ‘Abfol­ge’ jeweils kom­ple­xe­rer Sinn­bil­dungs­ty­pen gar nicht ver­ste­hen. Wenn dem so ist: Wie kann ein sol­ches Modell einen post-gene­ti­schen Sinn­bil­dungs­typ inte­grie­ren, ohne die­sen in das gene­ti­sche Mus­ter zu zwin­gen? Von daher betrach­tet könn­te es tat­säch­lich die Post­mo­der­ne sein, deren Sinn­bil­dungs­lo­gik spe­zi­fi­schen, nach-moder­nen Erfah­run­gen (z.B. einer neu­en Unüber­sicht­lich­keit, des Nicht-Auf­ge­hens von gerich­te­ten Zukunfts­vor­stel­lun­gen) gerecht wird, die aber in einem sol­chen Modell nicht gefasst wer­den kann.

Ein zwei­ter Vor­schlag, der das Modell in sei­nen Grund­zü­gen bewah­ren wür­de, wäre der­je­ni­ge, ein his­to­ri­sches Den­ken, wel­ches nicht auf die Erkennt­nis einer all­ge­mei­nen, ‘die’ Geschich­te umgrei­fen­den Ver­än­de­rung aus­ge­rich­tet ist, son­dern wel­ches in ver­schie­de­ner Hin­sicht Plu­ra­li­tät und Kon­struk­ti­vi­tät aner­kennt, als den nächs­ten Sinn­bil­dungs­typ zu neh­men. Ein sol­ches his­to­ri­sches Den­ken scheint sich — nicht zuletzt gera­de auch auf Grund der Arbei­ten von Rüsen — her­aus zu bil­den. Es geht zum einen um die Aner­ken­nung von Geschich­te und geschicht­li­chem Sinn als Kon­struk­tio­nen. Ein sol­ches his­to­ri­sches Den­ken wür­de dann nicht nach ‘der’ Ver­än­de­rung der Lebens­ver­hält­nis­se in der Zeit und ‘ihrer’ Rich­tung fra­gen, son­dern zunächst nach ein­zel­nen Ver­än­de­run­gen (neben denen ande­re ste­hen kön­nen) und es wür­de aner­ken­nen, dass ver­schie­de­ne Kon­struk­tio­nen sol­cher Ver­än­de­rungs­vor­stel­lun­gen neben­ein­an­der exis­tie­ren kön­nen. Es wür­de zudem kul­tu­rell unter­schied­li­che Vor­stel­lun­gen von Veränderung(en) und Ent­wick­lung anerkennen.

Ob das für einen neu­en Sinn­bil­dungs­typ aus­reicht, muss die Dis­kus­si­on erbringen.

Eine wei­te­re Typo­lo­gie von Sinn­bil­dungs­mus­tern hat jüngst Hans-Jür­gen Pan­del vor­ge­schla­gen. Sie weicht in eini­gen Punk­ten von der­je­ni­gen Rüsens ab (Pan­del 2002, S. 43):

Erzählumuster nach PANDEL 2002, S. 43

Hier­zu eini­ge Erläu­te­run­gen und Anmerkungen:

Tra­di­tio­na­le Sinnbildung
Die­se Sinn­bil­dungs­form erkennt kei­ne Ver­än­de­rung an. Sie stellt Zeit still. Wie bei RÜSEN kennt sie hier kei­nen aus­ge­wie­se­nen Anfang der wahr­ge­nom­me­nen und als ver­pflich­tend ange­nom­me­nen Tra­di­ti­on. Hier scheint eine Unter­tei­lung in einen Typ “Kon­stanz” und einen Typ “Tra­di­ti­on nach einem Ursprung” (s.o.) doch über­le­gen zu sein.
Gene­ti­sche Sinnbildung
Sie ist bei PANDEL eine expli­zit “gegenwarts”-genetische Sinn­bil­dung, die eine gerich­te­te Ver­än­de­rung nur bis zur Gegen­wart kennt, nicht aber ihre Ver­län­ge­rung in die Zukunft. Eine sol­che Sinn­bil­dung wür­de fun­da­men­tal zwi­schen den Zeit­ab­schnit­ten “Ver­gan­gen­heit bis Gegen­wart” und “Gegen­wart in die Zukunft” unter­schei­den, dass die Funk­ti­on, aus einem Rück­blick in die Ver­gan­gen­heit eine Vor­stel­lung für Ver­än­de­run­gen in die Zukunft zu erlan­gen (s.o.), nicht mehr denk­bar wäre. Wenn es einen sol­chen Typ gibt, kann ihm kaum die Funk­ti­on zuge­spro­chen wer­den, aus der Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit eine Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lung zu erar­bei­ten, die in die Zukunft extra­po­liert für zukünf­ti­ges Han­deln Ori­en­tie­rung ver­schaf­fen soll. Auch aus die­sem Grund bleibt zu über­le­gen, ob es sich nicht um eine Ver­bin­dung zwi­schen Ele­men­ten gene­ti­scher und sol­chen tra­di­tio­na­ler Sinn­bil­dung nach RÜSEN handelt.
Teli­sche Sinnbildung
Hier­un­ter ver­steht PANDEL eine Sinn­bil­dung, die der his­to­ri­schen Ent­wick­lung ein Ziel “unter­stellt”. Dies ist inso­fern etwas ande­res als RÜSENS gene­ti­sche Sinn­bil­dung, als die­se (RÜSENs) nicht ein zwin­gen­des Zulau­fen auf einen defi­nier­ten Ziel­punkt, son­dern ledig­lich die Vor­stel­lung einer Rich­tung in den wahr­ge­nom­me­nen Ver­än­de­run­gen umfasst. PAN­DELs “teli­sches Erzäh­len” scheint somit ein Son­der­fall der gene­ti­schen Sinn­bil­dung nach RÜSEN zu sein.
Zykli­sche Sinnbildung
Hier­un­ter wird die Vor­stel­lung ver­stan­den, dass Geschich­te sich regel­recht “wie­der­holt”, und zwar expli­zit im Sin­ne der Wie­der­ge­win­nung eines “frü­he­ren Zustan­des”. Damit ist also ande­res gemeint als die wie­der­hol­te (dau­ern­de) Gül­tig­keit bestimm­ter Grund­mus­ter in wech­seln­den Zusam­men­hän­gen. Das wäre ein Aus­druck exem­pla­ri­schen his­to­ri­schen Den­kens. Hier geht es um eine ech­te Rück­kehr. Die zykli­sche Sinn­bil­dung muss dann als eine wirk­li­che Ergän­zung des “Sinn­bil­dungs­ar­se­nals” ange­se­hen werden.
Orga­ni­sche Sinnbildung
Hier­un­ter ver­steht Pan­del die Vor­stel­lung, dass Geschich­te sich nach einem Mus­ter voll­zieht, wie es in der Natur vor­kommt, näm­lich mit Aufstiegs‑, Hoch- und Nie­der­gangs­pha­sen ähn­lich dem Lebens­zy­klus. Sol­che Grund­mus­ter lie­gen z.B. dem bekann­ten “Der Unter­gang des Abend­lan­des” von Oswald Speng­ler zu Grun­de, zum Teil auch dem “Auf­stieg und Fall der Gro­ßen Mäch­te” von Paul Ken­ne­dy, zumin­dest aber wohl allen popu­lä­ren Pro­phe­zei­un­gen oder Pro­gno­sen eines kom­men­den “Zeit­al­ters der Asia­ten” und ähn­li­chen Vor­stel­lun­gen. Auch bei die­sem Sinn­bil­dungs­typ ist zu fra­gen, ob er nicht eine Son­der­form des exem­pla­ri­schen Erzäh­lens dar­stellt, näm­lich eine, deren Regeln so abs­trakt und gleich­zei­tig so umfas­send-unab­än­der­lich sind, dass sie nicht aktiv beherrscht, son­dern nur pas­siv erkannt wer­den kön­nen. In die­sem Sin­ne (Regeln als Qua­si-Natur­ge­set­ze) könn­te es sich auch um eine spe­zi­fi­sche Ver­bin­dung von “kon­stan­ter” und exem­pla­ri­scher Sinn­bil­dung handeln.

Wie erkenn­bar ist, fehlt die­sem Modell auch eine Struk­tu­rie­rung des Über­gangs zwi­schen den ein­zel­nen Formen.

Anmer­kun­gen

[1] Schö­ne Bei­spie­le (ohne Ver­wen­dung der Ter­mi­no­lo­gie Rüsens) und eine dif­fe­ren­zier­te Betrach­tung über die Ent­ste­hung des gene­ti­schen Mus­ters bie­tet jetzt auch Reemts­ma 2002.

[2] Eine kür­ze­re Erläu­te­rung der Sinn­bil­dungs­for­men mit einer tabel­la­ri­schen Auf­stel­lung ihrer Eigen­schaf­ten ist zu fin­den in: Rüsen, Jörn (1989): “His­to­risch-poli­ti­sches Bewußt­sein — was ist das?” In: Cremer, Will; Com­mi­ch­au, Imke (Red.) (1989; Hg.): Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Geschich­te, Bewußt­sein. Bonn: Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung (Schriftenreihe;273); S. 119 – 141.

Lite­ra­tur

  • von Bor­ries, Bodo (1988): Geschichts­ler­nen und Geschichts­be­wußt­sein. Empi­ri­sche Erkun­dun­gen zu Erwerb und Gebrauch von His­to­rie. Stutt­gart: Ernst Klett.
  • Dan­to, Arthur C. (1980 [z. 1965]): Ana­ly­ti­sche Phi­lo­so­phie der Geschich­te. Frank­furt am Main: Suhr­kamp Taschen­buch Ver­lag (Suhr­kamp Taschen­buch Wis­sen­schaft; 328); 503 S.
  • Ken­ne­dy, Paul M. (2003): Auf­stieg und Fall der gro­ßen Mäch­te: öko­no­mi­scher Wan­del und mili­tä­ri­scher Kon­flikt von 1500 bis 2000. 4. Aufl.; Frank­furt am Main: Fischer-Taschen­buch-Verl. (Fischer-Taschen­bü­cher; 14968).
  • Pan­del, Hans-Jür­gen (2002): “Erzäh­len und Erzähl­ak­te. Neue­re Ent­wick­lun­gen in der didak­ti­schen Erzähl­theo­rie.” In: Deman­tow­sky, Mar­co; Schö­ne­mann, Bernd (2002; Hg.): Neue­re geschichts­di­dak­ti­sche Posi­tio­nen. Bochum: Pro­jekt-Ver­lag (Dort­mun­der Arbei­ten zur Schul­ge­schich­te zur und his­to­ri­schen Didaktik;32); S. 39 – 56.
  • Reemts­ma, Jan Phil­ipp (2002): “Was heißt: Aus der Geschich­te ler­nen?” In: Reemts­ma, Jan Phil­ipp (2002): ‘Wie hät­te ich mich ver­hal­ten?’ und ande­re nicht nur deut­sche Fra­gen. Mün­chen. C.H. Beck (Beck’sche Rei­he; 1489), S. 30 – 52.
  • Rüsen, Jörn (1983): His­to­ri­sche Ver­nunft. Grund­zü­ge einer His­to­rik I: Die Grund­la­gen der Geschichts­wis­sen­schaft. Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht (Klei­ne Van­den­hoeck-Rei­he; 1489).
  • Rüsen, Jörn (1989): “His­to­risch-poli­ti­sches Bewußt­sein — was ist das?” In: Cremer, Will; Com­mi­ch­au, Imke (Red.) (1989; Hg.): Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Geschich­te, Bewußt­sein. Bonn: Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung (Schriftenreihe;273); S. 119 – 141.
  • Rüsen, Jörn (1993): “ ‘Moder­ne’ und ‘Post­mo­der­ne’ als Gesichts­punk­te einer Geschich­te der moder­nen Geschichts­wis­sen­schaft.” In: Kütt­ler, Wolf­gang; Rüsen, Jörn; Schul­in, Ernst (Hg.): Geschichts­dis­kurs. Bd. 1: Grund­la­gen und Metho­den der His­to­rio­gra­phie­ge­schich­te. Frankfurt/​Main: Fischer Taschen­buch Ver­lag, S. 17 – 30.
  • Speng­ler, Oswald (2003 [zuerst 1923]): Der Unter­gang des Abend­lan­des: Umris­se einer Mor­pho­lo­gie der Welt­ge­schich­te. Unge­kürz­te Ausg. Aufl.; Mün­chen: Dt. Taschen­buch-Verl. (dtv; 30073).

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Hin­weis: Vor Umstel­lung der Blog­farm war die­ser Bei­trag erreich­bar unter fol­gen­der URL: http://​koer​ber2005​.erzwiss​.uni​-ham​burg​.de/​w​o​r​d​p​r​e​s​s​-​m​u​/​h​i​s​t​o​r​i​s​c​h​d​e​n​k​e​n​l​e​r​n​e​n​/​t​a​g​/​g​e​n​e​t​i​s​c​h​e​-​s​i​n​n​b​i​l​d​u​n​g​/​#​p​a​n​d​e​l​2​002

“Uses” and “ab-uses” of history. Possible consequences for history teaching at schools

12. September 2011 Andreas Körber Ein Kommentar

Kör­ber, Andre­as (2011): ““Uses” and “ab-uses” of histo­ry. Pos­si­ble con­se­quen­ces for histo­ry tea­ching at schools”. Talk deli­ver­ed at the EUSTORY Semi­nar (Ab-)Use of Histo­ry, Hel­sin­ki, August 7th to 10th, 2011.

[jupdf-view­er file=“http://www.pedocs.de/volltexte/2012/6626/pdf/Koerber_2011_Uses_Abuses_D_A.pdf”]

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Andre­as Körber

Uses” and “ab-uses” of histo­ry. Pos­si­ble con­se­quen­ces for histo­ry tea­ching at schools

Talk deli­ver­ed at the EUSTORY Semi­nar (Ab-)Uses of Histo­ry,: Hel­sin­ki; August, 7th – 10th, 2011

1 Introduction

Use and Abu­se of Histo­ry. The terms cen­tral in the sub­ject of this con­fe­rence are both: quite strong and quite unclear – espe­ci­al­ly when appli­ed to a sub­ject like histo­ry. When con­fron­ted with the sug­ges­ti­on to con­tri­bu­te to the dis­cus­sions, here, I imme­dia­te­ly had some asso­cia­ti­ons coming to my mind which had not­hing to do with histo­ry at all, but with a series of “abuse”-subjects in public deba­te of recent years – most­ly abu­se of child­ren by adults in edu­ca­tio­nal or reli­gious insti­tu­ti­ons, by par­ents, and so on. Sure­ly, this was not was was meant by the col­le­agues sug­gest­ing this venue. So I put the­se asso­cia­ti­ons at bay – but they will play a role in my talk later on.

Of cour­se, I was also remin­ded of pro­fes­sio­nal deba­tes not only more clo­se to, but rather direct­ly cen­tral in the area I am working on: theo­ry of histo­ry, name­ly the ques­ti­on of the pos­si­bi­li­ty of truth and objec­ti­vi­ty in our domain. This is some­thing many col­le­agues have reflec­ted upon and whe­re some fun­da­men­tal insights have been gai­ned in the last deca­des. So the ques­ti­on for me was in this case, whe­ther under the hea­ding of “use and abu­se” the­re was to be ano­ther dis­cus­sion of objec­ti­vi­ty. I doub­ted that this would meet much inte­rest, here. So I tried to put this strand asi­de, too.

The­re is, of cour­se ano­ther strand of deba­te, rela­ted to the lat­ter, which is much more pro­ne to the sub­ject of this event, and that is the ques­ti­on of respon­si­bi­li­ty of pro­fes­sio­nal his­to­ri­ans and all others pre­sen­ting accounts of the past – more con­cre­te, the ques­ti­on of what histo­ry to tell and what not to tell. It is the ques­ti­on about the cor­rect, not the true, histo­ry, even though the two ques­ti­ons are stron­gly inter­re­la­ted, at least from some points of view.

When com­mu­ni­ca­ting with Andrea Sen­sen­schmidt and Han­nah Kok­ko­nen – spar­se­ly, I must admit – the ques­ti­on was pre­sen­ted whe­ther I could not say some­thing about histo­ry tea­ching in the for­mer “Ger­man Demo­cra­tic Repu­blic”, the Soviet-allied Eas­tern Ger­ma­ny. I decli­ned this, part­ly becau­se I am by far no expert on that sub­ject. The­re are others who have done first hand rese­arch on it, some of them from a Wes­tern per­spec­ti­ve (e.g. Hans-Die­ter Schmied,1 Hei­ke Mät­zing,2 …, alre­a­dy in times of Ger­man par­ti­ti­on), and others with their own edu­ca­tio­nal and some­ti­mes even pro­fes­sio­nal back­ground as didac­ti­ci­ans of histo­ry in the East, like Chris­ti­na Bött­cher, Mar­ko Deman­tow­sky,3 Saskia Handro4 etc., but also becau­se I felt that it would be only half inspi­ring to pre­sent a com­plex whe­re the jud­ge­ment that it would fall under “abu­se” at least most­ly, was known from the start. In fact the jud­ge­ment on a spe­ci­fic way of “using” histo­ry on the basis that it is foun­ded on a cer­tain ideo­lo­gy is always pro­ble­ma­tic, becau­se we must be awa­re that our own sys­tem of values may be (and most often is) seen as “ideo­lo­gi­cal” by the others. After the end of the block-con­fron­ta­ti­on this argu­ment is not done with. Even though Wes­tern poli­ti­cal thought and values have pro­ved to be supe­ri­or to tota­li­ta­ri­an ones, we still have to admit and con­sider that our values also are con­tin­gent and may be chal­len­ged as “ideo­lo­gic”, espe­ci­al­ly from other cul­tu­ral perspectives.

Much more rewar­ding, so I thought, would be the sub­jects cover­ed by others, about how to address con­tro­ver­si­al and “pro­ble­ma­tic” issues in rese­arch and tea­ching. From my point of view, I might alre­a­dy sta­te here at the begin­ning, the­re is not ques­ti­on on whe­ther to pre­sent a spe­ci­fic his­to­ri­cal account, it is not about pro­per­ly sel­ec­ting, but rather about the atti­tu­des, the func­tion and the methods. In my view, it is not the what but the how and what for of his­to­rio­gra­phy and histo­ry tea­ching, which meri­ted reflec­tion. So “use” and “abu­se” are not about whe­ther pre­sen­ting a spe­ci­fic sub­ject, a spe­ci­fic sto­ry, amounts to abu­se, but whe­ther the­re are spe­ci­fic cri­te­ria by which to judge about the “how” of this presentation.

Tow more points of start for my reflec­tion need to be men­tio­ned. First of all, the terms “use and abu­se” are far from well ela­bo­ra­ted. They are used quite dif­fer­ent­ly, espe­ci­al­ly in our domain. This needs to be reflec­ted, first. And here a refe­rence needs to be made to the recent dis­cus­sions about child abuse.

Second­ly, the ques­ti­on of “uses” of histo­ry (in the more pro­per sen­se) has alre­a­dy been addres­sed by col­le­agues. Mar­gret Macmil­lan, the renow­ned Cana­di­an col­le­ague, has published a popu­lar reflec­tion on it quite recent­ly, and one of the col­le­agues pre­sent here, Klas Gör­an Karls­son, has taken up the ques­ti­on of uses and even of ab-use at a con­fe­rence in Novem­ber 2008, the pro­cee­dings of which have just been published. It is his very short ans­wer of the ques­ti­on what defi­nes abu­se, which I’d like to initi­al­ly cite, cri­ti­cis­ing one of his ide­as, but to final­ly come to a con­clu­si­on, which can be read as a sup­port of his.

2 The problem of “use and abuse” I: Terminology

Within his con­side­ra­ti­ons, Karls­son, howe­ver cau­sal­ly quo­tes Fried­rich Nietzsche’s second “untime­ly con­side­ra­ti­ons”. This famous text, which starts with an app­rai­sal of the ani­mals’ igno­rance of any histo­ry, their living only in a pre­sent, thus being free from any obli­ga­ti­ons of any past, and of a “super­his­to­ri­cal” stand­point (which in my view, infor­med by Jörn Rüsen, would rather be an exem­pla­ric use of histo­ry), and then dif­fe­ren­tia­tes bet­ween three “uses” of histo­ry (monu­men­tal, anti­qua­ri­an, cri­ti­cal), all of which are deep­ly roo­ted in pre­sent needs, has at least in some Eng­lish edi­ti­ons (alt­hough not the bet­ter one used by Karls­son) been titled “Use and Abu­se”. This noti­on is pro­ble­ma­tic. Nietz­sche most pro­found­ly did not want to con­sti­tu­te a spe­ci­fic cri­ter­ion for pro­per use of histo­ry lying in its own domain, but reflec­ted upon the advan­ta­ges and dis­ad­van­ta­ges of histo­ry (thus the best trans­la­ti­on, simi­lar to that of the edi­ti­on used by Karls­son: “uses and dis­ad­van­ta­ges”).5 As for the sub­ject of my talk and of the who­le con­fe­rence, I take it that we don’t talk about “advan­ta­ges” and “dis­ad­van­ta­ges”, about the “pros” and “cons” of refer­ring to the past, that its is not a ques­ti­on of whe­ther to “use” histo­ry in the first place, but that we do talk about the dimen­si­on of pro­per and impro­per use.

3 uses and abuses – a question of typology?

In his pre­sen­ta­ti­on in 2008, Klas-Gör­an Karls­son distin­gu­is­hed dif­fe­rent “uses” of histo­ry, as had Mar­gret Macmil­lan: In short, their reflec­tions, which are both very inte­res­t­ing and valuable to read, can be sum­ma­ri­zed as a typo­lo­gy of moti­va­tions of pre­sen­ting accounts of the past for reasons which lie in the pre­sent. The­re are quite a varie­ty of such moti­va­tions and of spe­ci­fic struc­tures of pre­sen­ta­ti­ons fol­lo­wing them. The enu­me­ra­ti­on here can give just an overview.

      1. sci­en­ti­fic usa­ge: cha­rac­te­ri­zed by inter­nal cri­te­ria of qua­li­ty and vali­di­ty, by the idea of appro­xi­mat­ing an ide­al know­ledge or at least the idea of pro­gres­si­ve­ly “bet­ter” under­stan­ding, by the regu­la­ti­ve idea of a dis­so­cia­ti­on bet­ween the aut­hors’ inte­rests and the sub­ject mat­ter rese­ar­ched, and by the idea that tea­ching and tel­ling (Karls­son speaks of “media­ti­on”, which is by far a too reflec­ti­ve term for the posi­ti­on sket­ched here) means “trans­port” of the pro­per know­ledge into the lear­ners’ or readers’/listeners’ minds (which is thought pos­si­ble becau­se the “true” histo­ry – even though “valid” and “rele­vant” – is con­cei­ved as inde­pen­dent from the reci­pi­ents’ per­spec­ti­ves and inte­rests as from the researchers’.

      2. Exis­ten­ti­al use of history

      3. moral use of history

      4. ideo­lo­gi­cal use of history

      5. “non-use”

      6. “poli­ti­co-pedago­gi­cal use”

      7. MACMILLANS “Histo­ry for Comfort”

        1. Histo­ry as the ulti­ma­te expl­ana­ti­on for life

        2. Histo­ry as an escape from the present

        3. Histo­ry as a book of examp­les for good and evil

        4. Histo­ry as the judge for cur­rent politics

        5. Histo­ry as a field of cur­rent poli­tics (recon­ci­lia­ti­on, rep­en­tance, apo­lo­gies, histo­ry wars)

All of the­ses uses – as is made expli­cit­ly clear by Karls­son, have their merits, their own digni­ty. They can­not be just divi­ded into sup­port­a­ble and insup­port­a­ble, in uses and abu­ses. This in part is due, I’d like to sug­gest, that Karlsson’s and Macmillan’s typo­lo­gies are not “pure” typo­lo­gies, lis­ting mutual­ly exclu­si­ves modes or ways of “using” histo­ry, but rather rele­vant and com­bi­nable dimen­si­ons which need to be dis­cer­ned within any “use” of histo­ry. It may be true that the­re is no neces­si­ty for them all to be pre­sent in a ran­dom­ly sel­ec­ted use, but at least some of them will always be the­re in com­bi­na­ti­on: poli­ti­co-pedago­gi­cal use can be high­ly dri­ven by moral con­side­ra­ti­ons, or by ideo­lo­gi­cal ones, and so on.

For us, glad to say, this is no pro­blem, becau­se Karls­son does not sin­gle out some as pro­per and others as impro­per. The cri­ter­ion for abu­se, accor­ding to him, is – in a pic­to­ri­al meta­phor – not a divi­si­on bet­ween some of them and others, but lying across them, divi­ding fea­si­ble and fal­li­ble ver­si­ons in each cate­go­ry: for him, it is the vio­la­ti­on of human rights.

But: is this a cri­ter­ion which is in any way hel­pful as to the spe­ci­fi­ci­ties of histo­ry? Can it be satis­fy­ing to refer to a cri­ter­ion out­side the theo­ry of histo­ry, only? Isn’t the­re some­thing like an insi­de cri­ter­ion as to when a pre­sen­ta­ti­on of histo­ry, a sto­ry etc. amounts to abuse?

In gene­ral, I’d like to sup­port Karlsson’s libe­ral view that the­re is not one “cor­rect” use of histo­ry, not one way of “doing it”, which takes all the merits, but that the diver­si­ty of “usa­ges” can be fea­si­ble and sup­port­a­ble – espe­ci­al­ly that it is not just the “sci­en­ti­fic” use or the histo­ry of the his­to­ri­ans, which has more digni­ty. Mar­gret Macmil­lan also rejects the idea that histo­ry belongs to the his­to­ri­ans, even though she more stron­gly keeps up the idea that his­to­ri­ans have a stron­ger capa­ci­ty to for­mu­la­te valid his­to­ries, most­ly becau­se of their pos­si­bi­li­ty to take more time and efforts on the task (becau­se they are trai­ned and paid to do so), but also with a refe­rence to the idea that his­to­ri­ans can be more impar­ti­al, more distanced than nor­mal peo­p­le. Throug­hout her book, the idea is visi­ble that the­re is one cri­ter­ion for use and abu­se which comes from histo­ry its­elf, name­ly the appro­pria­ten­ess of the depic­tion of the past: The past its­elf is the cri­ter­ion for use and abu­se of history.

To a much les­ser degree, this cri­ter­ion is also dis­cer­ni­ble in Karlsson’s other dif­fe­ren­tia­ti­on bet­ween a gene­tic and a genea­lo­gic mode of histo­ry. “Gene­tic” he calls – not as the first – the “per­spec­ti­ve” in which we gain and trans­mit know­ledge about the deve­lo­p­ment up to now, whe­re­as the term “genea­lo­gic” refers to the “making” of histo­ry “by reflec­ting our­sel­ves and our pre­sent situa­ti­on in the past” (Karls­son 2011, 133). His (sup­port­a­ble) ide­al is the “balan­ce” of the­se two modes in what he calls a “reflec­ti­ve his­to­ri­cal con­scious­ness”,6 which could “join the­se two fun­da­men­tal his­to­ri­cal per­spec­ti­ves in so far that a genea­lo­gi­cal per­spec­ti­ve can pro­vi­de gene­tic histo­ry with agen­cy and cri­te­ria of rele­van­ce, while a gene­tic per­spec­ti­ve is nee­ded not only to sup­p­ly us with his­to­ri­cal con­tents, but also to help us under­stand why histo­ry is recal­led and repre­sen­ted the way it is.” (Karls­son 2011, 134). He links this to Kierkegaard’s dic­tum about living life for­ward, but under­stan­ding it back­ward. Again: Sup­port­a­ble as this view is, it is also pro­ble­ma­tic, inso­far as it sums up to dif­fe­ren­tia­ting bet­ween a know­ledge of the “real histo­ry” of the “con­tents” (what ever that means: what is the con­tai­ner of the­se con­tents?) and its uses in the pre­sent, bet­ween the sub­stra­tum and the ope­ra­ti­ons. This, to my view, can not hold. I will dwell on this point from ano­ther ang­le in a few minu­tes, but would like to sketch my solu­ti­on here in advan­ce, first: I don’t think that the­re is a pos­si­bi­li­ty of any divi­si­on bet­ween the sub­stra­tum of his­to­ri­cal “con­tents”, of any “real” histo­ry and the ope­ra­ti­on of his­to­ri­cal thin­king. In my theo­re­ti­cal frame­work, they are lin­ked tog­e­ther much more pro­found­ly than sug­gested by Karls­son. It is not a ques­ti­on of joi­ning the­se two per­spec­ti­ves or modes, but whe­ther they can be sepa­ra­ted from one ano­ther in the first place more than ana­ly­ti­cal­ly. I sug­gest that what Karls­son calls “genea­lo­gic” is a modus, a mode of asking, of the ope­ra­ti­on which essen­ti­al­ly turns our adver­tence to things past and their inter­con­nec­tions, in the first place, while what he calls “gene­tic” is a mode of ans­we­ring to such ques­ti­ons stem­ming from the genea­lo­gi­cal per­spec­ti­ve. “Gene­tic” then can be the type of histo­ry told when asked for one’s genea­lo­gy. Howe­ver, it is not the only mode for such nar­ra­ti­ve ans­wers. Jörn Rüsen alre­a­dy distin­gu­is­hed at least four of them in his well-known typo­lo­gy later on cor­rec­ted and refi­ned by Bodo von Bor­ries (and me).7 Gen­e­lo­gi­cal ques­ti­ons, ques­ti­ons asked with a view to the past out of a pre­sent need for agen­cy and rele­van­ce, can not only be ans­we­red by tel­ling a gene­tic sto­ry high­light­ing and stres­sing a deve­lo­p­ment of fun­da­men­tal chan­ges, but also by refer­ring to rules and laws cove­ring situa­tions occur­ring in quite dif­fe­rent times (the exem­pla­ric mode) or by refer­ring to well-estab­lished tra­di­ti­ons (the tra­di­tio­nal mode).

Thus – and this is why I refer to this point here – the dif­fe­ren­tia­ti­on bet­ween the histo­ry and its “use” is erro­n­eous: Histo­ry, or rather: his­to­ries, do only come into exis­tence by “usa­ge”. They are not a sub­stra­tum alre­a­dy pre­sent when the genea­lo­gi­cal inte­rest starts acting – at least not in the way sug­gested by the title of this con­fe­rence and by Karls­son and more stron­gly by Macmillan.

4 The problem of “use and abuse” II: Conceptualization

I alre­a­dy hin­ted that I think that the idea of “using” histo­ry is wrong in a cer­tain way. In order to illus­tra­te this, I’d like to refer to the alre­a­dy men­tio­ned deba­te on child abu­se: When the media star­ted to be full of this con­cept of “child abu­se”, some of the brigh­ter com­men­ta­tors imme­dia­te­ly asked (wit­hout wan­ting to play down), whe­ther talk of child-abu­se was not a pro­blem in its­elf, becau­se it forces us to think about what a pro­per “use” of child­ren would be. Can child­ren be “used” so that one can dif­fe­ren­tia­te other uses as impro­per, which then are cal­led “abu­se”?

The idea behind this chall­enge of the public deba­te and its ter­mi­no­lo­gy is con­cep­tu­al: Whoe­ver uses the term “child abu­se” refers to a con­cept of “child use” and in it to a con­cept of child­ren as being “objects”. Human rights, howe­ver, demand – at least when based on the ide­as of Kant – that no human being be trea­ted only as a means to some out­side aim, that no human being be trea­ted as an object only.

Let’s dwell for a moment on the noti­on of “usa­ge” and on the con­no­ta­ti­on of the object impli­ed in it.

Cle­ar­ly, in this under­stan­ding of “usa­ge”, of “emploi”, the object is alre­a­dy the­re befo­re it is used – we have alre­a­dy seen that point. But more – it also is con­side­red of exis­ting as it is inde­pendent­ly of the usa­ge. The object to be used is seen to have an exis­tence and a spe­ci­fic con­sti­tu­ti­on inde­pen­dent from the usa­ge and the user. If to peo­p­le e.g. use a book for gathe­ring infor­ma­ti­on, the book it its­elf, the mate­ri­al text, is given and the same for both of them. If they use it for e.g. blo­cking a door against moving in the wind, the book also is taken as an exis­ting object.

“Using” means to employ an “objec­tively” exis­ting object for some out­side purpose.

For this kind of noti­on, the­re can be some cri­te­ria for fea­si­bi­li­ty considered:

Cri­te­ria for fea­si­ble uses of this kind may be manifold:

      1. The first cri­ter­ion may be whe­ther the object was inten­ded for the pur­po­se. Thus to take a book for rea­ding may be more fea­si­ble than for using it for blo­cking a door against wind etc. But as we can see, this not a neces­sa­ry cri­ter­ion: it may be fea­si­ble to “ab-use” an object for a new, unin­ten­ded pur­po­se, if other cri­te­ria apply:

        1. First, that the objects real­ly helps to ful­fill the func­tion. The object must be useful. In con­s­truc­ti­vist terms, what us cen­tral here, is the viability.

        2. Second, whe­ther the object is dama­ged in such using. If a book is most likely to be squeezed to unre­a­da­ble sta­tus by the wind-moved door, its deploy for this pur­po­se may be ren­de­red “ab-use” in the nor­ma­ti­ve sense.

        3. Third­ly, ano­ther cri­ter­ion can refer to the sym­bo­lic value of the object. Using a book for stop­ping a door against wind may be fea­si­ble for someone, even though he would call the use of a Qu’ran abuse.

All the­se cri­te­ria have two things in common:

  1. They refer to cases in which objects were used for pur­po­ses for which they were not intended.

  2. They are appli­ca­ble – as said befo­re – if histo­ry is to be con­cei­ved as a pre-exis­ting enti­ty, unch­an­ged for all of its users.

So we should once more think about what histo­ry is and what it is made for.

  1. If “histo­ry” refers to an enti­ty inde­pen­dent from our usa­ge, to the real past or at least our best know­ledge of it, we should, I think, easi­ly con­fer that it was NOT made for any of our uses. It is one of the thoughts stres­sed in some ear­ly con­cepts of post-modern theo­ry of histo­ry: Our pre­de­ces­sors, the peo­p­le having lived befo­re our times, did not do so in order to pro­vi­de us with “con­tent”, with examp­les. They may not be redu­ced to being the sub­stra­tum of our own ori­en­ta­ti­on. The ques­ti­on, then, is not that of what kind of use would amount to ab-use, but whe­ther histo­ry should be used at all. If we take this argu­ment serious­ly (and I think we should), it would for­bid any “use” of histo­ry for some other pur­po­se that to “live it”. “Histo­ry” taken as the past enti­ty of rea­li­ty and the lives in it, cle­ar­ly have no other pur­po­se that to exist.

  2. If “histo­ry” does not refer to this past rea­li­ty, but to our own con­cepts of them, to our con­s­truc­tions, then we can­not object to such “usa­ge”, becau­se histo­ry is not used as a distinct object were, but is is crea­ted in this ope­ra­ti­on in the first place.

So I cle­ar­ly tend to the second under­stan­ding of histo­ry – and I would pre­ser­ve the term for it. The for­mer, the real lives of the peo­p­le in the past, for their hopes and values etc., should be cal­led “the past” only.

So again, we arri­ve at a distinc­tion which is very cen­tral: The rea­li­ty of other times is “the past”. It can be used, and may­be also “abu­sed” in the mea­ning of the term used in recent dis­cus­sions: impro­per, con­dem­nable emploi of an exis­ting object.

But cle­ar­ly, this does not mean that “any­thing goes”, that ever­y­bo­dy is uncon­di­tio­nal­ly free to crea­te any his­to­ri­cal account she or he wis­hes, that the­re are no cri­te­ria whatsoever.

So let’s try to take the argu­men­ta­ti­on a bit further:

Histo­ry in the under­stan­ding just out­lined is a rela­tio­nal con­cept. It is not the past in its­elf, but a cer­tain rela­ti­on bet­ween the past(s) and a spe­ci­fic pre­sent – more pre­cis­e­ly: a spe­ci­fic social, cul­tu­ral, nor­ma­ti­ve and tem­po­ral posi­ti­on. The­r­e­fo­re, cri­te­ria for the fea­si­bi­li­ty of his­to­ries can only be taken from the rela­ti­on. Jörn Rüsen has sug­gested three of them:

      1. empi­ri­cal plausibility

      2. nor­ma­ti­ve plausibility

      3. nar­ra­ti­ve plausibility.

Sin­ce we do not have any other access to the past rea­li­ty as the sub­stra­tum of his­to­rio­gra­phy, we can­not compa­re any given histo­ry to this rea­li­ty, but only eit­her to other his­to­ries of the same nar­ra­ti­ve (and that is: sel­ec­ti­ve, par­ti­tio­nal, per­spec­ti­val, nor­ma­ti­ve etc.) natu­re. If we want to test the empi­ri­cal plau­si­bi­li­ty of a histo­ry, then we should test it against the cur­rent acces­si­ble amount of best first-hand data. As for the nor­ma­ti­ve ingre­di­ents, we need to compa­re it to our own audi­ence and society’s values and as for the nar­ra­ti­ve plau­si­bi­li­ty we have to refer to the cur­rent ide­as of what is accep­ta­ble in terms of explai­ning etc.

But this may not be enough for our pur­po­se. I only refer­ring to Rüsens tri­par­ti­te con­cept of plau­si­bi­li­ties, we have redu­ced the ques­ti­on of ab-use of histo­ry to the ques­ti­on of “objec­ti­vi­ty”. I don’t think this is satisfactory.

So I think we should take into account ano­ther cha­rac­te­ristic of “histo­ry” in the nar­ra­ti­vist mea­ning: “Histo­ry” – even though an indi­vi­du­al­ly crea­ted nar­ra­ti­ve rela­ti­on to the past – is a com­mu­ni­ca­ti­ve con­cept. Histo­ry unfolds its full capa­bi­li­ty of ori­en­ta­ti­on if it does not only link us as indi­vi­du­als, qua­si as mon­ads, to a past that is fore­go­ne, but if it helps us under­stand how our pre­sent socie­ty in its com­ple­xi­ty has been come about and how it is per­cei­ved by others. If we want to be able to act in our socie­ty, we do not only have to cla­ri­fy our own rela­ti­on to the past, but we have to do so with that of our co-mem­bers of socie­ty also. It is not only about who I think I am in my light of the past, and what I make of it, about my inten­ti­ons and moti­va­tions, but also about

  • who the (dif­fe­rent!) others think they are, in their view of the past, what their per­cep­ti­ons of them­sel­ves are and their pos­si­ble actions,

  • who I think they are and what they could or should do,

  • who they think I or we are, etc.

For this coll­ec­ti­ve ori­en­ta­ti­on, we need to exch­an­ge our nar­ra­ti­ves, we need to tell them, but we also need to inte­gra­te them.

Form this con­side­ra­ti­on, long ago laid out by Kurt Rött­gers, we can abs­tract some other cri­te­ria for use and abu­se of histo­ry. But befo­re I short­ly ela­bo­ra­te on them, I might stress, that from here on, the­se cri­te­ria do not refer to “histo­ry” as a syn­onym of “the past”, but that here I refer to the nar­ra­ti­ve rela­ti­ons to the past, which I would reser­ve the term histo­ry for.

  1. First of all, if one func­tion of his­to­ries is not only to indi­vi­du­al­ly, but to coll­ec­tively ori­en­ta­te, then they need to inte­gra­te per­spec­ti­ves. In order to do so, they need to reflect the valid per­spec­ti­ves, i.e. the inte­rests, needs, values etc. of today’s mem­bers of socie­ty. A histo­ry which does not reflect their dif­fe­rent per­spec­ti­ves, ques­ti­ons, values, pat­terns of expl­ana­ti­on etc. would not be ori­en­ta­ting but dis-ori­en­ta­ting. So as a cri­ter­ion, pro­per histo­ry have to inte­gra­te the per­spec­ti­ves of dif­fe­rent par­ti­ti­ons of their audi­ence, not to impo­se one per­spec­ti­ve on the­se dif­fe­rent fractions.

  2. Second­ly, his­to­ries have to offer nar­ra­ti­ve expl­ana­ti­ons, con­nec­tions, and atti­tu­des to the past as well as con­clu­si­ons and moti­va­tions. Again it would be impro­per (and here I would start to use the word ab-use in the full sen­se) if they impo­sed such con­nec­tions and moti­va­tions. This cri­ter­ion needs some more ela­bo­ra­ti­on: How can a histo­ry offer but not impo­se if it is sup­po­sed to pre­sent such a con­nec­tion. How can a histo­ry ful­fil its nar­ra­ti­ve task but not over­due it in this direc­tion? The ans­wer I sug­gest here is: By allo­wing the rea­der, the lis­te­ner to take his own posi­ti­on in rela­ti­on not only to the past but to the nar­ra­ti­ve struc­tu­re of the histo­ry its­elf – by lay­ing open the ingre­di­ents, the inner struc­tures, so that the rea­der can rela­te to them.

If this is what Karls­son meant by not vio­la­ting human rights, if his cri­ter­ion was that the audi­ence, the addres­sees, the public needs to be taken serious­ly in their capa­ci­ty to actively rela­te to sto­ry, and that not doing so would be vio­la­ting human rights – then I ful­ly agree.

5 Using Histories

So slow­ly taking the cur­ve to the last aspect, I hold that the­re is a “using” histo­ry in the sen­se of “using nar­ra­ti­ve struc­tures” in human com­mu­ni­ca­ti­on. And in this sen­se, the­re can be use and abu­se – and they can be seen on at least two sides of the communication:

  1. “Using histo­ry” can mean the ope­ra­ti­ons a per­son car­ri­es out with regard to a given, a pre­sen­ted nar­ra­ti­ve, be it their “(cogni­ti­ve) par­ti­cu­lars” (Karls­son 2011, 135), the con­nec­tions con­s­truc­ted in it, the con­clu­si­ons drawn and offe­red and the appeals made. It can con­sist in their accep­ting them and in their doubting, their distancing from them, their critique.

    On the recipient’s side, then, pro­per use of his­to­ries would be to reco­gni­ze and accepts one’s own capa­ci­ty and respon­si­bi­li­ty, one’s entit­le­ment, but also obli­ga­ti­on to actively rela­te to his­to­ries. It means to lis­ten and read thinking.

  2. On the author’s side, pro­per use of histo­ry the means a way of addres­sing the reci­pi­ent in a way which again reco­gni­zes his com­pe­tence, it means to not trap him into a situa­ti­on whe­re he can­not actively rela­te, he may not be over­powered or over­whel­med.8 This requi­res to

    1. iden­ti­fy rather than hide the con­s­truc­tion­al sta­tus of the pre­sent histo­ry, the fact that it has been crea­ted by a spe­ci­fic, per­so­nal aut­hors, with spe­ci­fic ques­ti­ons in mind, a spe­ci­fic back­ground etc.

    2. to make visi­ble his per­spec­ti­ves and values etc.,

    3. to dis­cuss the ingre­di­ents of the sto­ry, the cha­rac­te­ristics of the pri­ma­ry source mate­ri­al used, the con­cepts appli­ed etc.

    4. to at least ack­now­ledge, bet­ter: indi­ca­te, best: pre­sent and dis­cuss con­tras­ting and con­tra­dic­to­ry mate­ri­als, con­clu­si­on, judgements,

    5. to at least indi­ca­te tho­se parts of the sto­ry, which are more infe­ren­ti­al than others – in a pic­to­ri­al meta­phor: which might be drawn in black and white or greysca­le rather that full colour.

    Misu­se, or abu­se then cle­ar­ly would be to hin­der the reci­pi­ent to make up his own mind, to reflect his/​her own situa­ti­on towards the sto­ry told, the “con­tents”, the values and con­cepts appli­ed etc. Again: to vio­la­te the human right to self-determination.

Two small remarks to the side:

  1. Using the­se cri­te­ria, we might easi­ly arri­ve at con­dem­ning much of Eas­tern Ger­man his­to­rio­gra­phy and histo­ry tea­ching – but I am sure that lots of his­to­rio­gra­phy and tea­ching in the “free west” would look meek, too).

  2. The con­cept of “media­ti­on” used by Karls­son and cri­ti­cis­ed by me abo­ve, can be regard­ed from here, too: If “media­ti­on” is con­side­red as “trans­mis­si­on” of a sto­ry to an audi­ence, their heads and minds only, in a way whe­re it has to be unch­an­ged, this would be ab-use. The term “Ver­mitt­lung” in Ger­man cle­ar­ly has the same pro­blem. In most cases it is taken as “trans­fer of know­ledge” to the stu­dents, whe­re­as a pro­per con­side­ra­ti­on not only from pedago­gi­cal per­spec­ti­ve9 but also from ter­mi­no­lo­gy would yield that it has to make dif­fe­rent per­spec­ti­ves and under­stan­dings, dif­fe­rent posi­ti­ons towards an object, a “con­tent”, here: a his­to­ri­cal account meet and reco­gni­ze each other.

6 Use and abuse in History Teaching

This leads over to the last aspect: For didac­tics, use and abu­se of histo­ry can also be dis­cus­sed on the basis laid down above.

Any histo­ry tea­ching which only focu­ses on pro­vi­ding stu­dents with (at least parts of) the one sto­ry in a fashion whe­re it is best unch­an­ged, any tea­ching which con­ce­als from lear­ners the natu­re both of the spe­ci­fic histo­ry at hand (inclu­ding tho­se in the text­books) and of histo­ry as such as a nar­ra­ti­ve con­s­truct, with strengths in ori­en­ta­ting offer but also with limits, which con­ce­als that the­se his­to­ries do not just repre­sent the past, but have a func­tion in today’s socie­ties and that they need to be asses­sed, rela­ted to, ana­ly­sed and scru­ti­ni­sed, amounts to ab-use.

Histo­ry tea­ching not abusing histo­ry (or bet­ter: his­to­ries) then has to focus on the lear­ners acqui­si­ti­on of the capa­ci­ties, the com­pe­ten­ci­es to reco­gni­ze and accept their own respon­si­bi­li­ty and entit­le­ment towards pre­sen­ted sto­ries. Lear­ners must not only learn to tell sto­ries (in a pro­per way) but also to actively act as cri­ti­cal reci­pi­ents. This is not only valid with a view to the individual’s human right of self-deter­mi­na­ti­on, but also with a focus on socie­ty and on histo­ry as such: Abu­se can only work if reci­pi­ents do not reco­gni­ze and actively take their cri­ti­cal role.

Histo­ry tea­ching which is about hin­de­ring ab-use, then, is about

  1. empower­ment – about empower­ment of the lear­ners to ack­now­ledge and assert their own entitlement

  2. It is about not just tea­ching “the histo­ry”, but also the nar­ra­ti­ve, con­s­truc­ti­ve logic of histo­ry from the start,

  3. It is about actively addres­sing his­to­ri­cal deba­tes and histo­ry wars – but not crea­ting the impres­si­on that the­se histo­ry deba­tes and wars as such were abu­se, but that may­be one side, more often some par­ti­ci­pan­ts on all sides, have bet­ter and worse argu­ments, which may be abuse,

  4. it is about con­side­ring the role of histo­ry and of spe­ci­fic argu­men­ta­ti­ons in such deba­tes and histo­ry wars,

  5. it is not about avo­i­ding to take sides and stands, but to make clear on what grounds they are taken – and about let­ting the lear­ners to take their own stands (but of cour­se not wit­hout pro­per argumentation).

It would be abu­se to hin­der lear­ners to get insight into the func­tion and role of histo­ry and his­to­ries in socie­tal deba­tes and to take their own reflec­ted position.

Thank you.

1E.G. Schmid, Hans-Die­ter (1979): Geschichts­un­ter­richt in der DDR. Eine Ein­füh­rung. Stutt­gart (Anmer­kun­gen und Argu­men­te 25); Schmid, Hans-Die­ter (1982): „Die Ent­wick­lung des Geschichts­un­ter­richts in der SBZ/​DDR.“ In: Berg­mann, Klaus; Schnei­der, Ger­hard (Hgg.; 1982): Gesell­schaft — Staat — Geschichts­un­ter­richt. Bei­trä­ge zu einer Geschich­te der Geschichts­di­dak­tik und des Geschichts­un­ter­richts 1500 – 1980, Düs­sel­dorf 1982, S. 313 – 348.

2Mätzing, Hei­ke Chris­ti­na (1999): Geschich­te im Zei­chen des his­to­ri­schen Mate­ria­lis­mus. Unter­su­chun­gen zu Geschichts­wis­sen­schaft und Geschichts­un­ter­richt in der DDR. Han­no­ver (Schrif­ten­rei­he des Georg-Eckert-Insti­tuts für inter­na­tio­na­le Schul­buch­for­schung, Bd. 96). Hei­ke Mät­zing is also Co-Edi­tor (to Vere­na Rad­kau) of a biblio­gra­phy on Histo­ry Tea­ching in the GDR: Mät­zing, hei­ke Chris­ti­na; Rad­kau, Vere­na (Eds.; 2000): Die DDR-Geschichts­di­dak­tik im Spie­gel der Publi­ka­tio­nen seit 1990. Eine Biblio­gra­phie. In: www​.gei​.de/​d​o​c​s​S​9​6​.​htm (Stand Dezem­ber 2000).

3Demantowsky, Mar­ko (2000): Das Geschichts­be­wußt­sein in der SBZ und DDR. His­to­risch-didak­ti­sches Den­ken und sein geis­ti­ges Bezugs­feld unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung der Sowjet­päd­ago­gik (1946−1973). Biblio­gra­phie und Bestands­ver­zeich­nis. Ber­lin (Bestands­ver­zeich­nis­se zur Bil­dungs­ge­schich­te, Bd. 9). Deman­tow­sky, Mar­ko (2003): Die Geschichts­me­tho­dik in der SBZ und DDR – ihre kon­zep­tu­el­le, insti­tu­tio­nel­le und per­so­nel­le Kon­sti­tu­ie­rung als aka­de­mi­sche Dis­zi­plin 1945 – 1970. Idstein (Schrif­ten zur Geschichts­di­dak­tik, Bd. 15);

4Handro, Saskia (2002): Geschichts­un­ter­richt und his­to­risch-poli­ti­sche Sozia­li­sa­ti­on in der SBZ und DDR (1945−1961). Eine Stu­die zur Regi­on Sach­sen-Anhalt. Weinheim/​Basel (Schrif­ten zur Geschichts­di­dak­tik; 13).

5Karlsson (2011), p. 132 citing Nietz­sche, Fried­rich (1983): „On the Uses and Dis­ad­van­ta­ges of Histo­ry for Life.“ In: Nietz­sche, Fried­rich: Untime­ly Medi­ta­ti­ons. Cam­bridge: Cam­bridge, UP, pp. 57 – 124.

6Reference to the FUER pro­ject and the dis­cus­sion about whe­ther his­to­ri­cal con­scious­ness were not reflec­ti­ve by default or by defi­ni­ti­on (Pan­del, Schö­ne­mann) in Ger­ma­ny? Sup­port for Karlsson’s position.

7On this, see Kör­ber, Andre­as (2011): “Ger­man Histo­ry Didac­tics: From His­to­ri­cal Con­scious­ness to His­to­ri­cal Com­pe­ten­ci­es – and bey­ond?” In: His­to­risch den­ken ler­nen. http://​his​to​risch​den​ken​ler​nen​.user​blogs​.uni​-ham​burg​.de/​2​0​1​1​/​1​2​/​1​1​/​1​3​48/, p. 13f.

8This aspect is of cour­se not only rele­vant for histo­ry. In tea­ching con­texts, it has been for­mu­la­ted with refe­rence to social stu­dies as the first aspect of the „Beu­tels­ba­cher Kon­sens“ – the „Über­wäl­ti­gungs­ver­bot“.

9Oelkers? Gir­mes.

 

Rezension zu Werner Heil (2010): Kompetenzorientierter Geschichtsunterricht. Stuttgart: Kohlhammer (Geschichte im Unterricht; Bd. 1)

13. Juli 2010 Andreas Körber Ein Kommentar

Anzu­zei­gen ist ein zugleich wich­ti­ges und pro­ble­ma­ti­sches Buch zur aktu­el­len Debat­te um Kom­pe­ten­zen in der Geschichts­di­dak­tik und ihrer Umset­zung für den Geschichts­un­ter­richt. Wer­ner Heil, Gym­na­si­al­leh­rer, Fach­se­mi­nar­lei­ter und Lehr­be­auf­trag­ter für Geschichts­di­dak­tik in Stutt­gart hat mit dem ers­ten Band der neu­en Rei­he “Geschich­te im Unter­richt” ein Werk vor­ge­legt, das in sei­nem ers­ten Teil Wesent­li­ches zur Klä­rung der gegen­wär­ti­gen Arbei­ten zur Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung des Geschichts­un­ter­richts leis­tet – hof­fent­lich gera­de auch für die Rezi­pi­en­ten die­ser Anstren­gun­gen, die Geschichts­leh­rer. Die­ser ers­te Teil besticht durch die Klar­heit, mit der der Gedan­ke der Kom­pe­tenz­för­de­rung ernst genom­men und zur Grund­la­ge einer gleich­zei­tig wert­schät­zen­den wie auch urteils­freu­di­gen Ana­ly­se einer Rei­he von Lehr­plä­nen wie drei­er der bis­her vor­ge­leg­ten Kom­pe­tenz­mo­del­le (FUER, Pan­del und Sauer/​VGD 1; lei­der fehlt Gaut­schi) gemacht wird. Heil gelingt es, Unter­schie­de und Gemein­sam­kei­ten der Kom­pe­tenz­mo­del­le sowohl im Kon­struk­ti­ven wie auch in dar­un­ter lie­gen­den Prä­mis­sen und Vor­ver­ständ­nis­sen deut­lich her­aus­zu­ar­bei­ten. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist die Deut­lich­keit, in wel­cher er die Spe­zi­fi­tät kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Ler­nens gegen­über ande­ren Lern­kon­zep­ten, gera­de auch gegen­über der Lern­ziel­ori­en­tie­rung, her­aus­stellt. Heil nimmt den Cha­rak­ter von Kom­pe­ten­zen, all­ge­mei­ne, auf eine Rei­he unter­schied­li­cher Phä­no­me­ne, Ereig­nis­se, Pro­ble­me bzw. Fra­ge­stel­lun­gen anwend­bar zu sein, beson­ders ernst und kann auf die­se Wei­se sehr deut­lich zwi­schen einer ech­ten Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung und einem in Kom­pe­tenz­for­mu­lie­run­gen ver­pack­ten her­kömm­li­chen Geschichts­un­ter­richt unter­schei­den. Auch ist her­vor­zu­he­ben, dass der Blick “von außen” (sofern man das bei einem Autoren sagen kann, der im glei­chen Buch ein eige­nes Modell vor­legt) auf die drei ana­ly­sier­ten Model­le dazu führt, dass deren Unter­schei­dun­gen, aber auch Gemein­sam­kei­ten in einer etwas ande­ren Per­spek­ti­ve sicht­bar wer­den, als in der bis­he­ri­gen Debat­te erkenn­bar wur­de. Dass eini­ge der dabei vor­ge­nom­me­nen sach­li­chen und wer­ten­den Urtei­le wie auch ein­zel­ne Zuord­nun­gen nicht ohne Wider­spruch der Autoren der ana­ly­sier­ten Model­le und der rest­li­chen Zunft blei­ben dürf­ten, tut dem kei­nen Abbruch.

Der zwei­te Teil des Buches besteht in der Kon­struk­ti­on eines eige­nen Kom­pe­tenz­struk­tur­mo­dells samt eini­ger Bei­spie­le sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung für den Unter­richt. Die­ses wei­te­re Kom­pe­tenz­mo­dell ist deut­lich prag­ma­tisch und hand­hab­bar – es führt aber in einer ganz ande­ren Hin­sicht von der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung fort, wie zumin­dest ich (als Mit­au­tor des FUER-Modells) sie ver­ste­he, und wie sie m.E. auch aus der Weinert‘schen Kom­pe­tenz­de­fi­ni­ti­on (auf die auch Heil sich bezieht) folgt. Ursa­che die­ser Ver­feh­lung der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ist nicht – wie etwa von Heil den “Bil­dungs­stan­dards” des VGD beschei­nigt – ein Rück­fall in einen “lern­ziel­ori­en­tier­ten” Unter­richt klas­si­scher Prä­gung, wel­cher an kon­kre­te Phä­no­me­ne gebun­de­ne Per­for­man­zen for­dert (und damit ein ganz kon­kre­tes Geschichts­bild vor­schreibt), nicht aber trans­fera­ble Kom­pe­ten­zen för­dert, son­dern die Tat­sa­che, dass Heil auf der Grund­la­ge einer anders gela­ger­ten Geschichts­be­griff ver­wen­det, der nicht zen­tral nar­ra­tiv ist, son­dern zugleich radi­ka­ler und weni­ger kon­se­quent kon­struk­ti­vis­tisch als der­je­ni­ge, den er (zu Recht) bei der FUER-Grup­pe und Pan­del dia­gnos­ti­ziert, und dass er auf die­ser Basis letzt­lich sei­nem eige­nen Kom­pe­tenz­mo­dell doch wie­der ein spe­zi­fi­sches “Geschichts­bild” zu Grun­de legt, des­sen Über­nah­me kom­pe­tenz­haft model­liert wird. Auch Heils Kom­pe­tenz­mo­dell engt – ganz ent­ge­gen sei­ner im ers­ten Teil erkenn­ba­ren Inten­ti­on – die Mög­lich­kei­ten des his­to­ri­schen Den­kens der Schü­le­rin­nen und Schü­ler inhalt­lich ein. Die­ses Urteil bedarf der Erläuterung:

Wer­ner Heil steht auf der Basis einer wis­sen­schafts- und erkennt­nis­theo­re­ti­schen Posi­ti­on, die er bereits in sei­ner Dis­ser­ta­ti­on 2 und einem spä­te­ren schma­len Werk 3 aus­ge­führt hat, der nar­ra­ti­vis­ti­schen Geschichts­theo­rie, die (nicht nur durch Rüsen, wie Heil behaup­tet, son­dern bereits zuvor von Dan­to und Baum­gart­ner ent­wi­ckelt) die deut­sche Geschichts­di­dak­tik seit nun­mehr fast 30 Jah­ren prägt, kri­tisch (wenn auch nicht gänz­lich ableh­nend) gegen­über. Sie geht ihm zum einen nicht weit genug in ihrem Kon­struk­ti­vis­mus, der vor allem auf den his­to­ri­schen (“nar­ra­ti­ven”) Sinn gerich­tet ist. Heil betont zu Recht, dass nicht nur nar­ra­ti­ver Sinn “kon­stru­iert” wer­den muss, son­dern Wirk­lich­keit insgesamt.

Dass nicht nur Sinn kon­stru­iert wer­den muss, son­dern Wirk­lich­keit ins­ge­samt nicht ohne Kon­struk­ti­ons­leis­tung wahr­nehm­bar und denk- sowie kom­mu­ni­zier­bar ist, wird auch von der nar­ra­ti­vis­ti­schen Theo­rie nicht bestrit­ten. Ihr geht es jedoch dar­um, dass die spe­zi­fi­sche Funk­ti­on his­to­ri­schen Den­kens die sinn­haf­te Ver­bin­dung von Infor­ma­tio­nen (“Ver­gan­gen­heits­par­ti­keln” in der FUER-Ter­mi­no­lo­gie) aus bzw. über min­des­tens zwei Zeit­punk­te ist, die aus die­sen erst “Geschich­te” macht.

Weder der Nar­ra­ti­vis­mus noch Heil gehen davon aus, dass die Kon­struk­ti­ons­leis­tun­gen des Gehirns auf der Sub­jekt (Rea­li­en-) noch der Objekt­sei­te völ­lig fik­tiv sind. Weder das den­ken­de Gehirn bzw. der his­to­risch den­ken­de Mensch noch die frü­he­re Wirk­lich­keit sind rei­ne Erfin­dun­gen. Ein sol­ches Ver­ständ­nis wür­de dazu füh­ren, dass der Ori­en­tie­rungs­an­spruch von kon­stru­ier­ten Geschich­ten nicht auf­recht­zu­er­hal­ten wäre. Sie wären von Lite­ra­tur und auch rei­nen Spin­ne­rei­en nicht mehr zu unter­schei­den. Geschichts­den­ken, das eine lebens­welt­li­che Ori­en­tie­rungs­funk­ti­on erfül­len soll (das wird von Heil geteilt) muss also davon aus­ge­hen, dass das Refe­renz­ob­jekt der Ver­gan­gen­heit exis­tiert. Der Unter­schied zwi­schen der nar­ra­ti­vis­ti­schen Theo­rie und Heils Erkennt­nis­theo­rie besteht nun dar­in, dass ers­te­re deut­lich zwi­schen “Ver­gan­gen­heit” und “Geschich­te” unter­schei­det. Ihr zufol­ge wird erst durch das Erzäh­len, durch die kon­struk­ti­ve Ver­bin­dung von Infor­ma­tio­nen über min­des­tens zwei Zeit­punk­te (wobei die Art und Wei­se, wie die­se Zeit­punk­te gedacht bzw. begriff­lich gefasst wer­den, wie­der­um nicht vor­ge­ge­ben, son­dern kon­struk­tiv erstellt ist) macht sie zur “Geschich­te”. Daher gibt es nicht eine Geschich­te – nicht ein­mal als Kol­lek­tiv­sin­gu­lar, schon gar nicht außer­halb der den­ken­den Sub­jek­te. Wie immer die Zustän­de der Vergangenheit(en) auf­ein­an­der gefolgt sind – jeg­li­che Ver­bin­dung zwi­schen ihnen ist nur denk­bar durch Rück­griff auf vor­gän­gi­ge, nicht in der ver­gan­ge­nen Wirk­lich­keit (allein) zu ver­an­kern­den Kon­zep­ten von Zeit­ver­läu­fen, sei­en es Kausal‑, Final‑, Bei­spiel-Aus­nah­me- oder auch nur rein tem­po­ra­le Bezie­hun­gen (davor-danach, zeit­gleich etc.). Bei Heil hin­ge­gen gibt es die Geschich­te auch vor dem Den­ken. Sie exis­tiert und wirkt. Die Not­wen­dig­keit einer Tren­nung von “Ver­gan­gen­heit” und “Geschich­te”, wie in der eng­li­schen Geschichts­theo­rie etwa so deut­lich von Keith Jenk­ins her­aus­ge­ar­bei­tet wur­de, exis­tiert für ihn nicht. Letzt­lich bezieht sich der Kon­struk­ti­ons­cha­rak­ter ledig­lich auf “unser Wis­sen von ihr”. Dies ist ein Wider­spruch in der Erkenntnistheorie.

Die­se anders gela­ger­te Epis­te­mo­lo­gie des his­to­ri­schen wäre weni­ger pro­ble­ma­tisch, wenn sie sich nicht an zen­tra­ler Stel­le in kon­kre­ten Set­zun­gen nie­der­schla­gen würde.

Zunächst noch zu einer Stär­ke von Heils Radi­ka­li­tät, den Kon­strukt­cha­rak­ter für die Wirk­lich­keit ins­ge­samt, nicht nur für den “Sinn” ein­zu­for­dern: Wie schon in “Der stil­le Ruf des Horus­fal­ken” radi­ka­li­siert Heil mit die­sem Kon­zept die Denk­mög­lich­keit anders­ar­ti­ger Lebens­wel­ten. Fremd­ver­ste­hen ist ihm zufol­ge (zu Recht) nur dann mög­lich, wenn wir nicht unse­re Wirk­lich­keit und ihre Kon­zep­te an die uns in zufäl­li­gen Über­res­ten und Tra­di­tio­nen begeg­nen­den ver­gan­ge­nen Lebens­wel­ten her­an­tra­gen und mit ihnen die­sen einen Sinn abzu­ge­win­nen suchen, son­dern wenn wir aner­ken­nen (und das ist mehr als ertra­gen), dass Men­schen in ande­re Zei­ten die Welt ganz anders wahr­ge­nom­men haben – eben bis hin zur Art und Wei­se, wie sie “Wirk­lich­keit” kon­stru­ie­ren (S. 66). Die­sen Gedan­ken radi­ka­li­siert Heil in einem Modell, dem zufol­ge Men­schen zu unter­schied­li­chen Zei­ten in unter­schied­li­cher Form ihre Wirk­lich­keit. Ent­schei­dend ist für ihn dabei das wech­seln­de Ver­hält­nis zwi­schen “Sin­nes-” und “Begriffs­er­le­ben”. Ers­te­res sei für die Neu­zeit und Gegen­wart domi­nant, letz­te­res für die Vor- und Früh­ge­schich­te, Anti­ke und Mit­tel­al­ter sei­en durch ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis bei­der gekennzeichnet.

Hin­sicht­lich des Anspruchs, eine radi­kal ande­re Wirk­lich­keit (zeit­lich, aber viel­leicht auch kul­tu­rell) ande­rer Men­schen ernst zu neh­men und anzu­er­ken­nen, ist das wei­ter­füh­rend. Indem Heil die­ses Modell aber zur Grund­la­ge sei­ner Geschichts­theo­rie macht, wird es pro­ble­ma­tisch. Letzt­lich ist näm­lich auch sei­ne gro­be Geschich­te der “Ent­wick­lung des Erkennt­nis­ver­mö­gens” der Mensch­heit genau das – eine Geschich­te, die mit Hil­fe gegen­wär­ti­ger Kon­zep­te und Kate­go­rien erstellt ist, und die Ori­en­tie­rung in der Viel­falt der Vergangenheit(en) geben soll. Dass in der Vor- und Früh­ge­schich­te die Men­schen stär­ker “geis­tig-begriff­lich” erlebt haben, ist eine Hypo­the­se, eine Kon­struk­ti­on – aber selbst noch kei­ne Wirk­lich­keit. Ob und inwie­fern die Kon­zep­te (Begrif­fe) “Geist” und “Begriff” ihrem Den­ken gerecht wer­den, kann eben nicht ohne Rück­griff auf eine nar­ra­ti­ve Fas­sung geklärt wer­den, weil wir die­se Men­schen nicht selbst syn­chron befra­gen kön­nen. Das Kon­zept, mit dem Heil (in Der stil­le Ruf des Horus­fal­ken) die Wirk­lich­keit der Kon­stru­ie­ren­den (Gehir­ne) his­to­risch klä­ren will, ist eben selbst wie­der Pro­dukt eines sol­chen (ela­bo­riert) his­to­ri­schen Den­ken­den Gehirns.

Wir kom­men letzt­lich nicht aus der Situa­ti­on her­aus, dass wir über Ver­gan­ge­nes nur etwas aus­sa­gen kön­nen, wenn es die Form einer Nar­ra­ti­on annimmt – das ist genau die Posi­ti­on, die Heil ver­wirft. Selbst die For­mu­lie­rung von der “Ent­wick­lung der Erkennt­nis­fä­hig­keit des Men­schen” ist bereits eine sol­che Pro­to-Nar­ra­ti­on, die ohne­dies nicht auto­ma­tisch trif­tig ist. Vor der (his­to­ri­schen – auch dies eine nar­ra­ti­ve Erklä­rung!) Ent­wick­lung des Kon­zepts der gene­ti­schen Ver­än­de­rung wäre die­se Auf­fas­sung undenk­bar gewe­sen. Und selbst heut­zu­ta­ge ist nicht zwei­fels­frei geklärt, inwie­fern die Sin­nes-Aus­stat­tung des Men­schen und sei­ne kör­per­li­chen Funk­tio­nen über­haupt “varia­bel” sind.

So weit das erkennt­nis­theo­re­ti­sche Pro­blem. Zum Pro­blem der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung wird es dort, wo Heil in sei­nem Struk­tur­git­ter­an­satz “Domä­nen” der Geschich­te struk­tu­riert und mit den Kom­pe­ten­zen ver­schränkt (S. 71ff):

Unter “Domä­nen” ver­steht Heil wesent­li­che Sub­struk­tu­ren der Gesamt­do­mä­ne “Geschich­te”. Er nennt deren neun: “Herr­schaft”, “Gesell­schaft”, “Recht”, “Wirt­schaft”, “Krieg”, “Selbst­ver­ständ­nis”, “Reli­gi­on”, “Wis­sen­schaft”, “Wirk­lich­keit”. Wegen der übli­chen Ver­wen­dung des Begriffs “Domä­ne” in der kogni­ti­ven Psy­cho­lo­gie für brei­te­te Berei­che (etwa “Geschich­te” ins­ge­samt) wäre hier wohl bes­ser von “Sek­to­ren” die Rede. Das ist aber nicht schlimm. Auch sei zuge­stan­den, dass hier eine begrenz­te und zudem (ein­ge­stan­de­ner­ma­ßen) euro­zen­tri­sche Ein­tei­lung vor­liegt, über die gestrit­ten wer­den kann und wohl auch muss (inwie­fern etwa “Geschlecht”, “Umwelt”, “Lebens­form” mit Fami­lie etc. ergänzt wer­den kön­nen oder müs­sen, sei hier noch anheim­ge­stellt). Eben­falls sinn­vol­ler­wei­se defi­niert Heil für die “Ori­en­tie­rungs­kom­pe­tenz” jeden die­ser Berei­che einen Satz typo­lo­gisch-kate­go­ria­ler Begrif­fe, die die Domä­ne erschlie­ßen. Für “Herr­schaft” etwa sind die­se “Theo­kra­tie”, “Aris­to­kra­tie” und “Demo­kra­tie”, für “Gesell­schaft”: “kol­lek­ti­ve Gesell­schaft”, “Stän­de­ge­sell­schaft”, “bür­ger­li­che Gesell­schaft”, für “Reli­gi­on”: “Poly­the­is­mus”, “Mono­the­is­mus” und “Reli­gi­ons­frei­heit, Athe­is­mus” usw. Das lässt sich sicher­lich ergän­zen und dif­fe­ren­zie­ren, ist so jeden­falls nicht unsinnig.

Pro­ble­ma­tisch wird nun die Kon­struk­ti­on der “Kom­pe­ten­zen”: Heil ord­net die­se Begrif­fe näm­lich im Sin­ne einer Chro­no­lo­gie an. Ein Struk­tur­git­ter zeigt zudem die Zusam­men­hän­ge zwi­schen ihnen an (Demo­kra­tie gehe mit Indi­vi­dua­lis­mus ein­her und Rechts­gleich­heit). Damit sind sicher­lich wesent­li­che Ein­sich­ten in Zusam­men­hän­ge for­mu­liert. Die­se zu erwer­ben, kann in der Tat als Lern­fort­schritt ange­se­hen wer­den. Was das Modell dann aber nicht leis­tet, ist die Befä­hi­gung zur Refle­xi­on die­ser Kon­struk­ti­on selbst (denn um eine sol­che han­delt es sich).

Letzt­lich gibt das Modell einen all­ge­mei­nen Fort­schritts­ge­dan­ken vor, den his­to­risch kom­pe­ten­te Men­schen ken­nen soll­ten, den sie aber auch infra­ge­stel­len und reflek­tie­ren kön­nen müs­sen. Anders gesagt: Wer heut­zu­ta­ge nicht akzep­tiert, dass “Religionsfreiheit/​Atheismus” eine höhe­re, weil fort­ge­schrit­te­ne­re Stu­fe der Geschichts­ent­wick­lung dar­stellt als “Mono­the­is­mus” und gar “Poly­the­is­mus”, wird mit Hil­fe die­ses Modells nicht als kom­pe­tent ange­se­hen wer­den kön­nen. Dass zur Markt­wirt­schaft nicht “Mono­the­is­mus” son­dern “Religionsfreiheit/​Atheismus” passt, lässt sich argu­men­tie­ren – aber auch umge­kehrt (wei­te Tei­le der CDU könn­ten die­sem Modell zufol­ge nicht his­to­risch kom­pe­tent sein).

Das Pro­blem die­ses Modells ist es, dass es Kom­pe­tenz und Über­nah­me einer ganz kon­kre­ten Geschichts­auf­fas­sung mit einem west­lich-moder­nen Fort­schritts­kon­zept kop­pelt. Quer­lie­gen­des Geschichts­den­ken dürf­te dem­nach gera­de nicht kom­pe­tent sein.

Damit sei nicht gesagt, dass das Struk­tur­git­ter unsin­nig ist – im Gegen­teil. Schüler(innen), die im Geschichts­un­ter­richt anhand kon­kre­ter his­to­ri­scher Phä­no­me­ne, Ereig­nis­se, Struk­tu­ren, ler­nen, mit Hil­fe die­ses Struk­tur­git­ters ande­re his­to­ri­sche Phä­no­me­ne selbst­stän­dig zu beur­tei­len, und nicht so sehr die im Unter­richt the­ma­ti­sier­ten (“durch­ge­nom­me­nen”) Ein­zel­hei­ten selbst memo­rie­ren und deren Addi­ti­on für “Geschichts­be­wusst­sein” hal­ten, sind in einem ganz spe­zi­fi­schen Sin­ne kom­pe­tent. Wer so gelernt hat, ist sicher­lich in der Lage selbst­stän­dig zu den­ken. Das Pro­blem dabei ist, dass das Koor­di­na­ten­sys­tem die­ses Den­kens, das Struk­tur­git­ter (wel­ches Heil selbst als modell­haft, nicht als Abbild von Wirk­lich­keit ver­stan­den wil­len will), sys­te­ma­tisch in den Hori­zont der Refle­xi­on ein­be­zo­gen wird. Die Kom­pe­tenz, die Heil mit die­sem Modell för­dert, ist somit nicht die­je­ni­ge des his­to­ri­schen Den­kens, son­dern die­je­ni­ge, auf der Basis eines spe­zi­fisch euro­pä­isch-moder­nen Geschichts­bil­des und Fort­schritts­kon­zepts letzt­lich belie­bi­ge his­to­ri­sche Phä­no­me­ne in eben die­ses Kon­zept ein­zu­ord­nen. Es ist die Kom­pe­tenz, Geschich­te “west­lich” zu denken.

Das ist nicht ohne Iro­nie, weil es ja gera­de Heil ist, der im “Stil­len Ruf des Horus­fal­ken” und dar­auf basie­rend auch hier wie­der, die radi­ka­le Bereit­schaft zum his­to­ri­schen Per­spek­ti­ven­wech­sel ein­for­dert (und ansatz­wei­se model­liert), indem er völ­lig ande­re Wirk­lich­keits­mo­del­le aner­kennt. Die­se Bereit­schaft zur Aner­ken­nung ande­rer Kon­struk­tio­nen müss­te dann aber auch für die Kon­struk­ti­on der Zusam­men­hän­ge zwi­schen (immer­hin mit dem eige­nen Instru­men­ta­ri­um an Metho­den, Kri­te­ri­en, Kon­zep­ten und Kate­go­rien) fest­ge­stell­ten und bezeich­ne­ten Phä­no­me­nen gel­ten. Die­se Inkon­se­quenz ist im Übri­gen durch­aus erklär­bar: Der bewun­derns­wer­ten Bereit­schaft, radi­ka­le ande­re Wirk­lich­keits­kon­zep­te anzu­er­ken­nen und gel­ten zu las­sen, steht die erkennt­nis­theo­re­ti­sche Pro­ble­ma­tik gegen­über (nicht: ent­ge­gen), dass wir auch die­se letzt­lich immer mit unse­ren Begrif­fen und Kon­zep­ten model­lie­ren müs­sen. Die im Stil­len Ruf des Horus­fal­ken pos­tu­lier­ten ande­ren Wirk­lich­keits­vor­stel­lun­gen sind eben nicht die­je­ni­gen der Ver­gan­gen­hei­ten, mit der sich die Geschichts­wis­sen­schaft jeweils beschäf­tigt, son­dern ihre eige­nen Re-Kon­struk­tio­nen. Heil gerät hier an die Gren­ze des Fremd­ver­ste­hens – oder genau­er: an die Gren­ze zwi­schen der Mög­lich­keit, Frem­des anzu­er­ken­nen (reco­gni­ti­on) und der Unmög­lich­keit, es in und aus sich selbst her­aus zu ver­ste­hen. Auch das radi­kal Frem­de muss letzt­lich aus der eige­nen Per­spek­ti­ve her­aus model­liert wer­den. 4

Indem Heil nun die­se For­de­rung nach Aner­ken­nung frem­der Wirk­lich­keits­kon­struk­tio­nen (sei­ne detail­rei­chen Bei­spie­le im Kom­pe­tenz­mo­dell sind aber sol­che syn­chro­ner Art, näm­lich des gegen­wär­ti­gen Japan) in ein Kom­pe­tenz­mo­dell ein­baut, des­sen Zusam­men­hangs­kon­struk­tio­nen (S. 73) selbst nicht der­art radi­kal als eigen­per­spek­ti­vi­sches Kon­strukt reflek­tiert wer­den, gerät es in die Gefahr der Indok­tri­na­ti­on. Kon­kret: Ist es wirk­lich Aus­druck his­to­ri­scher Kom­pe­tenz, die gött­li­che Stel­lung des Ten­no in der japa­ni­schen Kul­tur als Aus­druck eines “Aus-der-Zeit-Seins” die­ser japa­ni­schen Kul­tur zu wer­ten, die Mög­lich­keit von “Theo­kra­tie” und Markt­wirt­schaft auf­grund der unter­schied­li­chen Posi­tio­nie­run­gen im Struk­tur­git­ter zu ver­nei­nen. Ihre Koexis­tenz im Japan der Vor­kriegs­zeit wäre somit typo­lo­gisch unver­träg­lich. Erkennt Heil das im Fall Japans impli­zit noch mit Ver­weis auf die kul­tu­rell ande­re Wirk­lich­keits­kon­struk­ti­on der Japa­ner an, gerät das Modell gera­de im Fall Euro­pas an sei­ne Gren­zen: Eben­so wie für Japan pas­se Theo­kra­tie auf­grund des ande­ren Wirk­lich­keits­ver­ständ­nis­ses für die Alten Hoch­kul­tu­ren “in die Zeit”, dem Abso­lu­tis­mus und des Dik­ta­tu­ren des 20. Jahr­hun­derts müs­se auf­grund ihres Sys­tem­bru­ches jedoch die “Daseins­be­rech­ti­gung” abge­spro­chen wer­den (92). Damit ist in der Tat eine Urteils­fä­hig­keit erreicht: Schüler(innen), die gelernt haben, das Struk­tur­git­ter Heils anzu­wen­den, kön­nen “erken­nen, wann Phä­no­me­ne typisch oder unty­pisch auf­tre­ten” und bei “Unlo­gik” eine “poli­ti­sche und sozia­le Unver­träg­lich­keit” dia­gnos­ti­zie­ren, die zu “Wider­spruch und stand” her­aus­for­de­re. Aber zu was für Urtei­len wer­den Schüler(innen) so befä­higt? His­to­ri­sche Phä­no­me­ne wer­den somit zwar weder allein nach gegen­wär­ti­gen Moral­stan­dards, in ver­kürz­tem His­to­ris­mus nur in ihrem eige­nen Hori­zont beur­teilt – inso­fern ver­meint­lich ein Gewinn. Aber eben nur ver­meint­lich: Urteils­ba­sis ist auch hier die gegen­wär­ti­ge Sys­tem­lo­gik moder­nen euro­päi­schen Den­kens à la Wer­ner Heil: Was sys­tem­treu ist, ist gut (gewe­sen), was sys­tem­fremd, schlecht. Des­po­tie und Tyran­nis in der Anti­ke sind dem­nach anders zu beur­tei­len als Dik­ta­tur in der Neu­zeit. Einer­seits stimmt das ja auch. Gegen­wär­ti­ge Nor­men gel­ten für Ver­gan­ge­nes nicht unum­schränkt. Aber ist des­halb alles Ver­gan­ge­ne “gut”, wenn es “sys­tem­ge­recht” war und alles Gegen­wär­ti­ge nur dann “schlecht” oder “böse”, wenn es “unty­pisch” ist? Mir scheint, hier wird die Eigen­heit des his­to­ri­schen Den­kens gera­de­zu auf­ge­ho­ben: Wer so urtei­len lernt, steht gar nicht mehr vor dem Pro­blem des his­to­ri­schen Ver­ste­hens und Urtei­lens: Was typo­lo­gisch zu ver­ste­hen ist, ist auch so zu beur­tei­len. Heißt das, dass der Natio­nal­so­zia­lis­mus und der Faschis­mus, aber auch der Sta­li­nis­mus nur des­halb kei­ne Daseins­be­rech­ti­gung hat­ten, weil sie zu spät kamen, weil sie in ihrer Zeit unty­pisch waren? Nicht auch des­we­gen, weil sie einem Men­schen­bild wider­spra­chen (und in ihren Exis­tenz­ni­schen) wider­spre­chen, das wir nicht ohne Grund als uni­ver­sell den­ken. Heil gibt hier ohne Not das Regu­la­tiv der Idee der Mensch­heit und der uni­ver­sa­len Nor­men auf.

Hier zeigt sich das gan­ze Pro­blem: Heil zufol­ge besteht his­to­ri­sches Urtei­len eben nicht dar­in, die Zeit­qua­li­tät in ihrer Span­nung zwi­schen zeit­ge­nös­si­schem und heu­ti­gem zu reflek­tie­ren und den­kend immer neu zu ver­bin­den zu einem eige­nen Urtei­le. Viel­mehr besteht das Urtei­len bei Heil in der Appli­ka­ti­on eines selbst als zeit­über­grei­fend gedach­ten Sche­mas. Pas­send oder nicht? Wei­ter geht das his­to­ri­sche Den­ken und Urtei­len dort nicht.

Inter­es­sant an Heils Modell ist aller­dings, dass es selbst als Bei­spiel für die Logik des kon­kur­rie­ren­den (und von ihm par­ti­ell sehr posi­tiv bespro­che­nen) FUER-Modell fun­gie­ren kann: Das Struk­tur­git­ter Heils kann gedacht wer­den als eine kom­ple­xe Form gegen­wär­ti­ger gesell­schaft­li­cher Kon­ven­tio­nen, sol­cher näm­lich, die das euro­pä­isch-west­lich-moder­ne Selbst­ver­ständ­nis und sei­nes Geschichts­bil­des struk­tu­rell fas­sen. Im Struk­tur­git­ter drü­cken sich in kate­go­ria­ler Wei­se wesent­li­che Cha­rak­te­ris­ti­ka des sozia­len, poli­ti­schen und (in der Zusam­men­schau der Spal­ten einer Zei­le 5) his­to­ri­schen Selbst­ver­ständ­nis­ses heu­ti­ger west­li­cher Gesell­schaf­ten. Über die­se Kon­zep­te und Kate­go­rien zu ver­fü­gen und mit ihnen umge­hen zu ler­nen, ist somit in der Tat wesent­li­ches Ziel his­to­ri­schen Ler­nens, und die Fähig­keit, mit Hil­fe die­ses Git­ters wie sei­ner Bestand­tei­le danach zu fra­gen, inwie­fern Phä­no­me­ne typisch oder unty­pisch sind, ist durch­aus Aus­weis einer gewis­sen Kom­pe­tenz – aber (bei aller Kom­ple­xi­tät) allen­falls auf dem inter­me­diä­ren Niveau: Wer hier ste­hen bleibt, lernt eben nichts ande­res, als ande­re Kul­tu­ren und Zei­ten im Ver­hält­nis zu unse­rem west­li­chen Ver­ständ­nis ein­zu­ord­nen, und das die­ser Per­spek­ti­ve struk­tu­rell “fremd” Erschei­nen­de zu ver­ur­tei­len. Allen­falls (auch das wäre ein Aus­weis die­ses mitt­le­ren Niveaus) könn­te man unter Anwen­dung die­ses Modells sei­ner Irri­ta­ti­on Aus­druck ver­lei­hen, eige­ne Fra­gen stellen.

Nötig wäre aber gera­de hier die Ela­bo­ra­ti­on des Umgangs mit die­sem (und ande­ren, kon­kur­rie­ren­den) Struk­tur­git­tern – die Refle­xi­on ihrer Modell­haf­tig­keit, ihrer Per­spek­ti­ve, ihrer Her­kunft aus sys­tem­lo­gi­schem Den­ken usw. Wer his­to­risch ela­bo­riert kom­pe­tent sein will, dem scha­det die Ver­fü­gung über alle Kon­zep­te Heils gar nichts – im Gegen­teil, aber sich allein auf sie zu ver­las­sen, sie nur anzu­wen­den, bedeu­te­te doch, nicht wirk­lich selbst auf ela­bo­rier­tem Niveau urteils­fä­hig zu sein.

Unter Ein­bau des Gra­du­ie­rungs­kon­zepts der FUER-Grup­pe erhält Heils Struk­tur­git­ter­mo­dell Kom­pe­tenz­cha­rak­ter: erst dann näm­lich geht es um die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft sowie die Zustän­dig­keit des Ler­nen­den, sein his­to­ri­sches Den­ken selbst-refle­xiv zu vollziehen.

Fazit

Alles in allem ist Heils Buch äußerst zwei­ge­teilt zu beur­tei­len: Sel­ten hat jemand in der bis­he­ri­gen Debat­te den Grund­ge­dan­ken der Kom­pe­tenz­för­de­rung und der Stan­dards im Posi­ti­ven wie in ihrer Pro­ble­ma­tik so ernst genom­men und so klar for­mu­liert. Dafür gebührt Wer­ner Heil gro­ße Aner­ken­nung. Sei­ne Aus­füh­rung zur Unter­schei­dung von Per­for­manz und Kom­pe­tenz gehö­ren in jedes Semi­nar über Kompetenzorientierung.

Heils eige­nes Modell kon­ter­ka­riert dies jedoch genau an der Stel­le, wo er ver­sucht, mit Hil­fe eines Struk­tur­git­ters des Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Basis für wirk­lich trans­fer­fä­hi­ge Fähig­kei­ten zu legen. Indem er die­ses Git­ter abso­lut setzt und es nicht selbst sys­te­ma­tisch mit sei­ner Kon­struk­ti­ons­lo­gik, sei­ner Per­spek­ti­ve, sei­nen Prä­mis­sen und den Fol­gen für his­to­ri­sches Den­ken und Urtei­len zu Gegen­stand der Refle­xi­on macht, läuft er Gefahr, sei­ner­seits indok­tri­nie­rend zu wir­ken, wenn auch auf deut­lich höhe­rem, weil struk­tu­rel­lem, Niveau als etwa die Bil­dungs­stan­dards des VGD.

==Anmer­kung: Vor Umstel­lung der Blog­farm war der Bei­trag erreich­bar unter der URL: http://​koer​ber2005​.erzwiss​.uni​-ham​burg​.de/​w​o​r​d​p​r​e​s​s​-​m​u​/​h​i​s​t​o​r​i​s​c​h​d​e​n​k​e​n​l​e​r​n​e​n​/​t​a​g​/​g​e​n​e​t​i​s​c​h​e​-​s​i​n​n​b​i​l​d​u​n​g​/​#​p​a​n​d​e​l​2​002

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Ver­band der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands.[]
  2. Wer­ner Heil (1988): Das Pro­blem der Erklä­rung in der Geschichts­wis­sen­schaft. Ein Bei­trag zum Selbst­ver­ständ­nis und zur Objek­ti­vi­tät der Geschichts­wis­sen­schaft, Frankfurt/​M.: R. G. Fischer.[]
  3. Heil, Wer­ner (1999): Der stil­le Ruf des Horus­fal­ken. Ist die Geschichts­wis­sen­schaft unhis­to­risch? Mar­bach: Buch­ver­lag Irm­gard Keil.[]
  4. An eini­gen Stel­len erkennt Heil dies durch­aus in sei­ner Rezi­pro­zi­tät an. Vgl. S. 79.[]
  5. Heil bezeich­net lei­der alle Zei­len auch als Spal­ten. Das ver­wirrt etwas[]
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Kompetenzorientiertes Geschichtslernen in Hamburg und Niedersachsen? Zwei Wege der Richtlinien-„Innovation“. (2008)

02. Juli 2010 Andreas Körber 2 Kommentare

Der hier doku­men­tier­te Bei­trag war vor­ge­se­hen (und ange­nom­men) für die letz­te Aus­ga­be der Zeit­schrift des Ham­bur­ger Lan­des­ver­ban­des des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands “Geschich­te und Poli­tik in der Schu­le” (2008; Red. Hel­ge Schrö­der) nach deren Auf­ge­hen in der neu­en Bun­des­ver­bands­zeit­schrift “Geschich­te für heu­te”. Wie dem  neu­es­ten Heft der Letz­te­ren zu ent­neh­men ist, wird die­ses Abschluss­heft von “Geschich­te und Poli­tik in der Schu­le” (GPS) nun doch nicht mehr erscheinen.
Daher ver­öf­fent­li­che ich den Bei­trag nun hier. Er bezieht sich auf das Kern­cur­ri­cu­lum Geschich­te (Sek I) in Nie­der­sach­sen und die Ent­wür­fe für die Rah­men­plä­ne Geschich­te in Ham­burg, die wegen der Schul­re­form gar nicht in Kraft getre­ten sind. Die neue­re Gene­ra­ti­on der Bil­dungs- und Rah­men­plä­ne (2009÷2010) befin­det sich inzwi­schen in ver­bind­li­cher Erpro­bung und lau­fen­der Über­ar­bei­tung. Sie sind zu fin­den unter
http://​www​.li​-ham​burg​.de/​p​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​/​p​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​.​B​i​l​d​/​i​n​d​e​x​.​h​tml


PDF-Fas­sung: 2008_​NDS_​HH_​Richtlinieninnovationen_​13

Andre­as Körber
Kom­pe­tenz­ori­en­tier­tes Geschichts­ler­nen in Ham­burg und Nie­der­sach­sen? Zwei Wege der Richtlinien-„Innovation“.

Einleitung

„Kom­pe­ten­zen“ sind das Zau­ber­wort der gegen­wär­ti­gen päd­ago­gi­schen Sai­son. Im Rah­men der Dis­kus­si­on um die PISA-Ergeb­nis­se und der dabei gefor­der­ten Umori­en­tie­rung der Bil­dungs­steue­rung auf das Errei­chen eines fest­ge­leg­ten out­co­me wird die­ser nicht mehr in Inhalts­ka­ta­lo­gen gefasst, son­dern in der For­mu­lie­rung der zu errei­chen­den Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler (sowie die zu ihrer Anwen­dung nöti­gen Ein­stel­lun­gen, also Bereitschaften).
Für eini­ge Fächer sind amt­li­che Bil­dungs­stan­dards for­mu­liert wor­den, die zur Zeit für empi­ri­sche assess­ments ope­ra­tio­na­li­siert wer­den, für ande­re lie­gen mehr oder weni­ger offi­zi­el­le Ent­wür­fe vor, für wie­der­um ande­re – dar­un­ter die Geschich­te – haben Prak­ti­ker und Didak­ti­ker eigen­stän­dig der­ar­ti­ge Kon­zep­te vor­ge­legt. Auch wenn es gute Grün­de gibt, nicht den vier­ten (Nor­mie­rung von Auf­ga­ben) und drit­ten Schritt (näm­lich die Fest­le­gung von zu errei­chen­den Stan­dards) vor dem zwei­ten (Defi­ni­ti­on mög­li­cher Kom­pe­tenz­ni­veaus) und dem ers­ten (Defi­ni­ti­on von Kom­pe­tenz­be­rei­chen) zu tun, und somit min­des­tens zur Zeit für das Fach Geschich­te die Devi­se lau­ten soll­te „Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ja, Stan­dar­di­sie­rung nein“, 1 kann die in der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung lie­gen­de Inno­va­ti­on des Geschichts­ler­nens nicht ohne Ein­gang in prä­skrip­ti­ve Tex­te amt­li­cher Natur vor sich gehen. Richt­li­ni­en ver­schie­de­ner Reich­wei­te und Text­form (Lehr­plä­ne, Rah­men- und Bil­dungs­plä­ne, Kern­cur­ri­cu­la u.a.) ent­hal­ten so bereits seit meh­re­ren Jah­ren auch Hin­wei­se auf im jewei­li­gen Unter­richt zu errei­chen­de „Kom­pe­ten­zen“. Seit etwa 2004 (Baden-Würt­tem­berg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ber­lin) fin­den sich auch mehr oder weni­ger expli­zi­te und aus­ge­ar­bei­te­te modell­haf­te Vor­stel­lun­gen von Kom­pe­ten­zen in die­sen Tex­ten. 2
In Nie­der­sach­sen und Ham­burg ist (bzw. wäre) es eine neue Gene­ra­ti­on amt­li­cher Vor­ga­ben für den Geschichts­un­ter­richt (gewe­sen), die die Inno­va­ti­on in die Schu­len tra­gen soll(te). 3 In bei­den Län­dern neh­men die neu­en Vor­ga­ben für den Geschichts­un­ter­richt sowohl auf for­ma­ler wie auch auf inhalt­li­cher Ebe­ne wesent­li­che Ele­men­te der Debat­te auf – wenn auch in sehr unter­schied­li­cher Wei­se. Die neu­en Ham­bur­ger Richt­li­ni­en 4 schrei­ben die schon seit der letz­ten Gene­ra­ti­on (2004) gül­ti­ge Ent­schei­dung fort, nicht mehr eng­ma­schi­ge Lehr‑, son­dern mit mehr Frei­raum für „auto­no­me“ Ent­schei­dun­gen der Schu­len bzw. Fach­kon­fe­ren­zen aus­ge­stat­te­te „Rah­men­plä­ne“ zu erlas­sen, in Nie­der­sach­sen ent­steht zur Zeit ein Kern­cur­ri­cu­lum. 5 In bei­den Bun­des­län­dern wird also der Anspruch erho­ben, wesent­li­che For­de­run­gen der aktu­el­len Debat­te um Kom­pe­ten­zen und Bil­dungs­stan­dards in den Richt­li­ni­en umzusetzen.
Der fol­gen­de Bei­trag ist eine ers­te Ana­ly­se bei­der Tex­te, basie­rend auf Ent­wurfs- und Vor­fas­sun­gen, wel­che im Inter­net ver­füg­bar gemacht wur­den. Auch die dar­in erkenn­ba­re Pro­zess­lo­gik ist eine Neue­rung: Amt­li­che Richt­li­ni­en ent­ste­hen aktu­ell offen­kun­dig weder in vom zustän­di­gen Minis­te­ri­um ernann­ten, dann aber weit­ge­hend frei bera­te den Gre­mi­en („Lehr­plan­kom­mis­si­on“) noch in dem in Ham­burg zuletzt prak­ti­zier­ten Ver­fah­ren, einen ein­zel­nen „Redak­teur“ mit der Erar­bei­tung zu beauf­tra­gen und Exper­ti­se infor­mell einzuholen.
Hin­sicht­lich der Ver­ant­wort­lich­kei­ten und Auf­ga­ben­ver­tei­lun­gen unter­schei­det sich das aktu­el­le Ham­bur­ger Ver­fah­ren offen­kun­dig gar nicht so sehr vom vor­an­ge­hen­den, es wird aber durch die suk­zes­si­ve Publi­ka­ti­on von Ent­wurfs­fas­sun­gen (zuletzt seit Mai im Abstand weni­ger Wochen) deut­lich trans­pa­ren­ter, inso­fern früh­zei­tig Stel­lung­nah­men auch einem offe­nen Kreis mög­lich sind.
In Nie­der­sach­sen hin­ge­gen hat offen­kun­dig ein Groß­teil der Vor­ar­beit im Rah­men des dor­ti­gen Geschichts­leh­rer­ver­band statt­ge­fun­den, so dass erst ein bereits weit­ge­hend kon­so­li­dier­ter Ent­wurf öffent­lich zugäng­lich wur­de, der dann mit nur weni­gen Ände­run­gen zur „Anhö­rungs­fas­sung“ des Minis­te­ri­ums gemacht wur­de. 6
Im Fol­gen­den sol­len die bei­den Ent­wür­fe wegen der noch auf­zu­zei­gen­den auch struk­tu­rel­len Unte schied­lich­keit nicht in einem kate­go­ria­len Ver­gleich, son­dern zunächst getrenn­ter von­ein­an­der dar­auf­hin unter­sucht und beur­teilt wer­den, wel­ches Kon­zept von Geschichts­ler­nen ihnen zu Grun­de gelegt, durch sie für den schu­li­schen Unter­richt in die­sem Fach vor­ge­schrie­ben wird, und auf wel­che Wei­se sie auf die gegen­wär­ti­ge Debat­te um Kom­pe­ten­zen und Bil­dungs­stan­dards in der Geschichts­di­dak­tik zurückgreifen.

Das niedersächsische Kerncurriculum

Das Grundkonzept

Der Begriff „Kern­cur­ri­cu­lum“ als Bezeich­nung für das nie­der­säch­si­sche Doku­ment ist falsch oder zumin­dest schief. In der Debat­te um Kom­pe­ten­zen und Bil­dungs­stan­dards hat sich spä­tes­tens seit der Ver­wen­dung durch die Kli­e­me-Exper­ti­se (2003) 7 die Unter­schei­dung von „con­tent-“, „oppor­tu­ni­ty-to-learn-“ und „per­for­mance-stan­dards“ durch­ge­setzt, deren letz­te­re die von Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu bestimm­ten Zeit­punk­ten ihrer Lern­bio­gra­phie erwar­te­ten Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten und Bereit­schaf­ten beschrei­ben. Hier­mit ist ein Umschwen­ken auf das „out­co­me“ von Unter­richt ver­bun­den, der jedoch ohne eine Fest­le­gung von zu the­ma­ti­sie­ren­den Inhal­ten (Gegen­stän­den) nicht aus­kommt. Die­se sind Gegen­stand von Cur­ri­cu­la. Eine der­ar­ti­ge Fest­le­gung ist zu den „con­tent-stan­dards“ zu rech­nen. Kern-Cur­ri­cu­la sind dem­zu­fol­ge Fest­schrei­bun­gen der wesent­li­chen input-Vor­ga­ben für Unter­richt, an denen die in Kom­pe­tenz­mo­del­len aus­dif­fe­ren­zier­ten Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten zu erwer­ben sind. Indem der vor­lie­gen­de Text jedoch selbst einer Kom­pe­tenz­mo­dell-Struk­tu­rie­rung folgt (näm­lich der­je­ni­gen von Micha­el Sau­er bzw. des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des) und zumin­dest vor­gibt, Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten zu beschrei­ben, durch­bricht er die­se Logik. Die Sprach­form der Unter­richts­zie­le ist die­je­ni­ge von per­for­mance-stan­dards, wel­che von Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu beherr­schen­de Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten for­mu­lie­ren. Die­se aller­dings ent­pup­pen sich – ganz ähn­lich den Bil­dungs­stan­dards des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des von 2006 – inhalt­lich als nur müh­sam kaschier­te Deu­tungs- und Wer­tungs­vor­ga­ben. Karl-Hein­rich Pohl hat sie jüngst gar völ­lig zu Recht und mit plau­si­blen geschichts­di­dak­ti­schen Argu­men­ten als Ver­such einer „Indok­tri­na­ti­on“ gewer­tet. 8 Auf­schluss­reich ist die Reak­ti­on des Vor­sit­zen­den des Nie­der­säch­si­schen Lan­des­ver­ban­des des VGD und Lei­ter der für das hier zu bespre­chen­de Kern­cur­ri­cu­lum ver­ant­wort­li­chen Arbeits­grup­pe, Mar­tin Stup­pe­rich. Sei­ne im glei­chen Heft von GWU ver­öf­fent­lich­te Replik auf Pohl 9 ent­hält nicht nur mit feh­ler­haf­ten Zita­ten ‚beleg­te‘ fal­sche Vor­wür­fe an Pohl, son­dern an zen­tra­ler Stel­le auch eine For­mu­lie­rung, die ein Miss­ver­ständ­nis des Kon­zept der „Bil­dungs­stan­dards“ beim VGD offenbart:

  • Der ers­te Fehl­vor­wurf betrifft die Aus­sa­ge, Pohl ver­su­che „durch zahl­rei­che Bei­spie­le zu bele­gen, dass der Ver­zicht auf Bil­dungs­stan­dards begrün­det sei, da zuerst in Fach­wis­sen­schaft und Fach­di­dak­tik eine Über­ein­stim­mung dar­über bestehen müs­se, was gelernt wer­den soll.“ (S. 654). Gera­de dies ist bei Pohl aber nicht zu fin­den. Eine annä­hernd dem­entspre­chen­de Pas­sa­ge (Pohl, S. 648) ist deut­lich eine Wie­der­ga­be von Argu­men­ten aus der Dis­kus­si­on, nicht Pohls eige­nes Urteil. Gera­de aber auch im durch „zahl­rei­che Bei­spie­le“ (Stup­pe­rich) gekenn­zeich­ne­ten zwei­ten Teil von Pohls Arti­kel wird deut­lich, dass er gera­de nicht einen vor­gän­gi­gen For­schungs- und Didak­tik-Kon­sens als Vor­aus­set­zung für die Stan­dard­ent­wick­lung anmahnt, son­dern im Gegen­teil die auch nach und neben For­schungs­dis­kus­si­on blei­ben­de Inter­pre­ta­ti­ons­of­fen­heit von Geschich­te betont (Pohl, S. 650 oben), und von die­ser Posi­ti­on aus nicht ein etwa zu wenig kon­so­li­dier­tes, son­dern gera­de­zu über­mä­ßig mono­li­thi­sches Geschichts­bild in den „Bil­dungs­stan­dards“ kritisiert.
  • Ein zwei­ter Fall betrifft die Aus­sa­ge Stup­pe­richs, Pohl räu­me ein, „dass mit ‚10jährigen‘ kein Unter­richt auf der Basis eines offe­nen Geschichts­bil­des mög­lich sei.“ (Stup­pe­rich, S. 657). Abge­se­hen davon, dass dies impli­zier­te, vor jeg­li­cher Befä­hi­gung zum eige­nen Den­ken müss­te erst ein­mal ein geschlos­se­nes Geschichts­bild ver­mit­telt wer­den – bei Pohl fin­det sich die­se Aus­sa­ge kei­nes­wegs in der zitier­ten Aus­schließ­lich­keit („kein“), son­dern nur stark abge­schwächt („in begrenz­tem Maße“; Pohl, S. 650). In Anm. 12 for­dert er denn auch, dass auch unter die­ser Bedin­gung Lern­zie­le dem offe­nen Geschichts­bild nicht wider­spre­chen dür­fen. Das ist etwas ganz ande­res als von Stup­pe­rich unterstellt.
  • Drit­tens argu­men­tiert unter­stellt Stup­pe­rich, Pohl wol­le Geschichts­un­ter­richt „pri­mär auf dem offen­bar sub­jek­ti­ven Schü­ler­inter­es­se auf­bau­en“. Die­se deut­lich als Vor­wurf for­mu­lier­te Aus­sa­ge sagt wohl mehr über das Miss­trau­en Stup­pe­richs gegen­über Schü­ler­ori­en­tie­rung im all­ge­mei­nen und einem an der Per­spek­ti­ve (nicht: der „Lust“) der Schü­ler anset­zen­den Ler­nen aus als über irgend­ei­ne Ableh­nung Pohls gegen­über allen Set­zun­gen, for­dert die­ser doch deut­lich „zur Kri­tik­fä­hig­keit füh­ren­de[.] Kom­pe­ten­zen“ ein (S. 650).

Beson­ders auf­schluss­reich ist nun der unmit­tel­bar fol­gen­de Vor­wurf Stup­pe­richs, die Geg­ner der­ar­ti­ger Fest­le­gun­gen hät­ten „Funk­ti­on und Grund­cha­rak­ter von Bil­dungs­stan­dards nicht verstanden“
(S. 658). Die gesam­te Argu­men­ta­ti­on Stup­pe­richs zeigt jedoch, dass es die Autoren und Befür­wor­ter die­ser Bil­dungs­stan­dards sind, die einem Irr­tum auf­sit­zen – und einem gefähr­li­chen poli­ti­schen Kon­zept zudem. „Bil­dungs­stan­dards“ im Sin­ne der seit PISA geführ­ten und von der Kli­e­me-Kom­mis­si­on ange­sto­ße­nen Debat­te sind näm­lich nicht vor­nehm­lich inhalt­li­che Fest­le­gun­gen von zu ler­nen­dem Wis­sen und Deu­tun­gen der Art, wie es hier im Bereich der „Sach­kom­pe­tenz“ aus­ge­brei­tet wird, son­dern Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten (sowie die Bereit­schaft, sie anzu­wen­den), die an immer neu­en (und somit ande­ren als die im Unter­richt gelern­ten) Pro­ble­me anzu­wen­den sind, die näm­lich bewerk­stel­li­gen, dass der Trä­ger die­ser Kom­pe­tenz neue Pro­blem­stel­lun­gen eigen­stän­dig bewäl­ti­gen kann. 10 Das ist etwas, was hier nicht ein­ge­löst wird. In den „Bil­dungs­stan­dards“ des VGD geht es viel­mehr gera­de um fest­ge­leg­te „Bil­dungs­in­hal­te“. Man kann der­ar­ti­ges fest­le­gen wol­len, soll­te es dann aber nicht „Bil­dungs­stan­dards“ nen­ne, son­dern eher schon „Kern­cur­ri­cu­lum“ – aber selbst dann soll­ten nur die Gegen­stän­de, nicht deren Deu­tun­gen auto­ri­ta­tiv vor­ge­ge­ben wer­den. Die poli­ti­sche Per­spek­ti­ve des Unter­fan­gens, die Stup­pe­rich eben­falls deut­lich her­vor­hebt, 11 näm­lich die Angst, ohne Bil­dungs­stan­dards das eige­ne Fach abzu­wer­ten, ist ein denk­bar schlech­ter Rat­ge­ber, wenn er dazu Anlass gibt, im Ver­such, Anschluss zu fin­den die neu­en Kon­zep­te und Instru­men­te nur ober­fläch­lich anzu­wen­den und dabei gleich­zei­tig die eta­blier­ten didak­ti­schen Kon­zep­tio­nen von Deu­tungs­of­fen­heit, Den­ken statt Pau­ken, Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät und Kon­tro­ver­si­tät über Bord zu wer­fen. Voll­ends zur Kari­ka­tur ihres eige­nen (fal­schen) Anspruchs wer­den die­se Bil­dungs­stan­dards dort, wo Stup­pe­rich Pohls Kri­tik, sie ver­hin­der­ten durch ihre Fest­le­gung von Deu­tun­gen gera­de­zu offe­ne Lern­for­men und eigen­stän­di­ges Den­ken wie auch die Behand­lung inzwi­schen fach­wis­sen­schaft­lich eta­blier­ter neue­rer The­men (Gen­der), nur dadurch begeg­nen kann, dass er auf die Frei­heit des Leh­rers unter- und neben den in den Stan­dards nie­der­ge­leg­ten The­men ver­weist. Wenn „Bil­dungs­stan­dards“ die „grund­le­gen­den Hand­lungs­an­for­de­run­gen“ nie­der­le­gen sol­len, dann dür­fen sie das, was wirk­lich „gut und teu­er“ ist (näm­lich die Befä­hi­gung zum eigen­stän­di­gen Den­ken) gera­de nicht der Ent­schei­dung des ein­zel­nen Leh­rers, sei­nen Inter­es­sen, sei­ner Moti­va­ti­on und sei­ner Aus­bil­dung oder der Fach­kon­fe­renz über­las­sen – schon gar nicht, wenn zen­tra­le Prü­fun­gen den sub­jek­tiv emp­fun­de­nen Spiel­raum gegen­über den Vor­stel­lun­gen der Stan­dard-Macher deut­lich ein­schrän­ken. Bil­dungs­stan­dards im Fach Geschich­te wären sinn­voll, wenn sie gera­de kei­ne inhalt­li­chen Deu­tungs­vor­ga­ben fest­schrie­ben, son­dern die Ziel­di­men­sio­nen der his­to­ri­schen Kom­pe­tenz­ent­wick­lung defi­nier­ten, die dann durch die Leh­rer an varia­bel (und schü­ler­ori­en­tiert) zu defi­nie­ren­den The­men zu för­dern sind. Das aber ist hier nicht ver­stan­den worden.
Sowohl die dama­li­gen Bil­dungs­stan­dards als auch die­ses „Kern­cur­ri­cu­lum“ stel­len somit im wesent­li­chen die glei­che Text­form dar, wel­che Ele­men­te von input- und out­co­me-Fest­le­gun­gen nicht sinn­voll mit­ein­an­der ver­knüpft, son­dern fatal mit­ein­an­der ver­mengt. Weder die 2006 vor­ge­nom­me­ne Titu­lie­rung die­ser Text­sor­te als „Bil­dungs­stan­dards“ noch die heu­ti­ge nie­der­säch­si­sche als „Kern­cur­ri­cu­lum“ macht die Sache klarer.
Eine sinn­vol­le Ver­knüp­fung von con­tent-stan­dards (in einem ech­ten „Kern­cur­ri­cu­lum“) und per­for­mance-stan­dards (auf der Basis eines Kom­pe­tenz­mo­dells) 12 müss­te getrennt von­ein­an­der Gegen­stän­de und The­men ange­ben und die jeweils an ihnen zu ent­wi­ckeln­den bzw. zu för­dern­den Kom­pe­ten­zen mit einem bestimm­ten Niveau aus­wei­sen, nicht aber die rei­ne Fähig­keit zur Wie­der­ga­be oder nur Nen­nung bestimm­ter Deu­tun­gen als eine Per­for­manz ausweisen.
Grund­sätz­lich fällt auf, dass vie­le der Vor­ga­ben des nie­der­säch­si­schen „Kern­cur­ri­cu­lums“ bis in die ein­zel­nen For­mu­lie­run­gen hin­ein mit den „Bil­dungs­stan­dards“ des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des von 2006 über­ein­stim­men – was ange­sichts der füh­ren­den Rol­le des nie­der­säch­si­schen Lan­des­ver­ban­des bei deren Erar­bei­tung nicht ver­wun­der­lich ist. Im sog. „Kern­cur­ri­cu­lum“ wer­den zwar die Kom­pe­tenz­be­zeich­nun­gen gegen­über den „Bil­dungs­stan­dards 2006” etwas abge­wan­delt und auch eine Unter­tei­lung in „inhalts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen“ und „pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen“ ein­ge­führt – wesent­li­che Grund­struk­tu­ren aber wer­den bei­be­hal­ten. Das gilt ins­be­son­de­re für die zen­tra­le Rol­le der „inhalts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen“, die den ande­ren bei­den auch vor­an­ge­stellt sind. Zwar fehlt die Unter­tei­lung in „Gegen­stands­be­zo­ge­ne Sach­kom­pe­tenz“ und „Ori­en­tie­rung in der Geschich­te“, wie sie Micha­el Sau­er und die „Bil­dungs­stan­dards“ 2006 noch vor­ge­nom­men haben, jedoch macht das kon­kre­te Deu­tungs­wis­sen auch hier den Groß­teil der kon­kre­ten Anfor­de­run­gen aus (9 Sei­ten gegen­über 5 Sei­ten für die bei­den ande­ren Kom­pe­tenz­be­rei­che zusam­men). Die für die Neu­be­ar­bei­tung der „Bil­dungs­stan­dards“ vor­ge­se­he­ne Ver­schie­bung des Kom­pe­tenz­be­reichs „Sach­kom­pe­tenz“ hin­ter die ande­ren bei­den, die die Arbeits­grup­pe „Bil­dungs­stan­dards“ des VGD emp­fiehlt, ist hier jeden­falls noch nicht umge­setzt. 13 Ins­ge­samt erscheint das Kern­cur­ri­cu­lum somit als eine ers­te mehr oder weni­ger direk­te Umset­zung der „Bil­dungs­stan­dards“.
An eini­gen aus­ge­wähl­ten Bei­spie­len soll im Fol­gen­den dis­ku­tiert wer­den, inwie­fern die­se Umset­zung gelun­gen ist und wel­che Qua­li­tät der Unter­richts­steue­rung mit Hil­fe die­ses Kern­cur­ri­cu­lums attes­tiert wer­den kann.

Das Konzept der inhaltsbezogenen Kompetenzen

Die „inhalts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen“ des Kern­cur­ri­cu­lums 2008 decken sich in wei­ten Tei­len kon­zep­tio­nell mit dem Kom­pe­tenz­be­reich „inhalts­be­zo­ge­ne Sach­kom­pe­tenz“ von Micha­el Sau­er und des VGD 2006. Auch hier geht es um eine weit­ge­hend chro­no­lo­gisch ange­leg­te Lis­te von vor­ge­ge­be­nen Wis­sens- und Deu­tungs­be­stän­den, zu denen den Schü­le­rin­nen und Schü­lern weit­ge­hend repro­duk­ti­ve „Fähig­kei­ten“ abver­langt wer­den, wie „beschrei­ben“ und „erläu­tern“. Auch hier fin­det sich das bereits aus dem VGD-Ent­wurf der „Bil­dungs­stan­dards“ bekann­te Mus­ter, dass Sach­ur­tei­le vor­ge­ge­ben wer­den, etwa wenn ein his­to­ri­sches Phä­no­men „als etwas“ beschrie­ben und erläu­tert wer­den soll. Auf­trä­ge, der­ar­ti­ge Sach­ur­tei­le oder gar Wert­ur­tei­le zu prü­fen, zu dis­ku­tie­ren, oder ähn­li­ches, fin­den sich hin­ge­gen kaum. Ein paar Bei­spie­le sei­en genau­er besprochen.

1. Zeitrechnung (5÷6)

Für die Klas­sen­stu­fe 5/​6 ist das The­men­feld „Zeit- und Iden­ti­täts­er­fah­run­gen in Gegen­wart und Ver­gan­gen­heit“ als Ein­stieg in den Geschichts­un­ter­richt vor­ge­se­hen. Das ist inso­fern sinn­voll, als hier mit „Kalen­der“ und „Zeit­strahl“ und der Ein­ord­nung der eige­nen Bio­gra­phie in das his­to­ri­sche Umfeld Grund­la­gen für die wei­te­re Arbeit gelegt wer­den. Im Anhang des Ent­wurfs des VGD-NDS 14 wird das The­ma fol­gen­der­ma­ßen kon­kre­ti­siert (Tab. 1):

Fach­wis­sen Zuord­nung Kom­pe­ten­zen – Stunden Stun­den­zahl
Die Schü­le­rin­nen und Schüler …
  • beschrei­ben, wie Zeit erlebt, gemes­sen, ein­ge­teilt und gedeu­tet wird.
1. Zeit­rech­nung und Zeitleiste2. Zeit­rech­nung und Zeitleiste 2
  • ord­nen sich in ihr his­to­ri­sches Umfeld ein
    (Her­kunft, Ort, Region).
1. eige­ne Biografie/​Familie, Geschich­te des
Ortes, der Region2. eige­ne Biografie/​Familie, Geschich­te des
Ortes, der Region
2

Tab. 1: Kon­kre­ti­sie­rung zum The­ma Zeit­rech­nung. Aus: VGD-NDS (2007); Anhang

Abge­se­hen davon, dass doch wie­der Fähig­kei­ten mit „Fach­wis­sen“ kurz­ge­schlos­sen wer­den, wird deut­lich, dass es hier nicht dar­um geht, die Kom­pe­ten­zen zu beför­dern. Weder im Kern­cur­ri­cu­lum noch im kon­kre­ti­sie­ren­den Anhang fin­det sich näm­lich an irgend­ei­ner Stel­le ein Wie­der­auf­grei­fen die­ser The­men. Kalen­der und Zeit­rech­nung wer­den also dem­nach nur hier expli­zit the­ma­ti­siert. Das muss wohl so aus­ge­legt wer­den, dass es ledig­lich dar­um geht, den Schü­le­rin­nen und Schü­ler die übli­chen kalen­da­ri­schen Zeit­rech­nungs­sys­te­me vor­zu­stel­len. Von einer Per­spek­ti­ve zuneh­men­der Ver­fü­gung dar­über kann kei­ne Rede sein. Weder wird in davon gespro­chen, dass die hier erwor­be­nen Kennt­nis­se spä­ter kon­kre­ti­siert und dif­fe­ren­ziert wür­den – etwa dadurch, dass man zu Beginn mit gro­ben Zeit­ein­tei­lungs­sys­te­men beginnt und sol­chen, die unmit­tel­ba­rer All­tags­er­fah­rung ent­stam­men (Tag, Jahr, …) und spä­ter zu kom­ple­xe­ren, kul­tu­rell und zeit­lich dif­fe­ren­zier­ten Sys­te­men über­geht und zu Peri­odi­sie­rungs­fra­gen –, noch ist in irgend­ei­ner Wei­se aus­ge­führt, wie die Schü­ler die­ses Wis­sen im Wei­te­ren anwen­den sol­len. Auch die Deu­tung von Zeit, ist hier unzu­rei­chend angesprochen.
Das glei­che gilt – wohl gar ver­stärkt – für den zwei­ten Aspekt. Dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler sich „in ihr his­to­ri­sches Umfeld ein­ord­nen“, gehört zur his­to­ri­schem Kom­pe­tenz ins­ge­samt. Wenn Geschich­te ein Denk­fach ist und das Ziel des his­to­ri­schen Den­kens die Ori­en­tie­rung, dann ist die­se Ein­ord­nung des eige­nen (indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven) Selbst in das „his­to­ri­sche Umfeld“ das Grund­an­lie­gen des gan­zen Geschichts­un­ter­richts und lässt sich nicht dar­auf redu­zie­ren, dass man die eige­ne Her­kunft, den Ort und die Regi­on benennt. Die­se drei genann­ten Aspek­te des Selbst sind ja ihrer­seits his­to­risch, inso­fern sie einer Deu­tung unter­lie­gen. Wenn etwa zwei Schü­ler in der 5./6. Klas­se benen­nen und in der Klas­se kund­tun, dass ihre Fami­li­en aus ganz ver­schie­de­nen „Regio­nen“ kom­men (sei es „Braun­schweig“ gegen­über „Hadeln“ oder sei es „Han­no­ver“ gegen­über „Mani­la“), dann sagt das noch gar nichts über das „his­to­ri­sche Umfeld“ aus. Die Fähig­keit, sich ein­zu­ord­nen, erfor­dert dann den gan­zen noch kom­men­den Geschichtsunterricht.
Die­se Fähig­keit am Beginn des Geschichts­un­ter­richts zu iso­lie­ren, und nicht als stän­dig mit­lau­fen­de und hin­sicht­lich ihrer Kom­ple­xi­tät und ihres Refle­xi­ons­gra­des aus­zu­bau­en­de aus­zu­wei­sen, zeugt davon, dass es hier gar nicht um die Fähig­keit geht, son­dern höchs­tens dar­um, Zusam­men­ge­hö­rig­keit und Unter­schie­de zu mar­kie­ren und vorzugeben.

2. Mittelalter

Als zwei­tes sei ein Bei­spiel für die Klas­sen­stu­fe 7/​8 her­an­ge­zo­gen. Die Sach­kom­pe­tenz-Vor­ga­ben ver­lan­gen unter ande­rem, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die Fähig­keit erwer­ben, die „Begeg­nung des Chris­ten­tums mit ande­ren Reli­gio­nen im Mit­tel­al­ter“ zu „beschrei­ben“. Die­se Anfor­de­rung wird im wei­te­ren nicht dif­fe­ren­ziert oder kon­kre­ti­siert, son­dern ledig­lich mit ande­ren „pro­zess­be­zo­ge­nen“ Kom­pe­ten­zen „ver­bun­den“, wie im Anhang vor­ge­schla­gen (vgl. 6).

Kir­che und Gesell­schaft im Hoch- und
Spätmittelalter
Fach­wis­sen Schwer­punk­te Deu­tung und Refle­xi­on ­/​ Beur­tei­lung und
Bewertung
Erkennt­nis­ge­win­nung durch Methoden Kom­mu­ni­ka­ti­on
Die Begeg­nung des Chris­ten­tums mit anderen
Reli­gio­nen im Mittelalter
  • Dia­spo­ra und jüdi­sche Kul­tur in Europa
  • Grund­la­gen des Islam (mög­li­che Kooperation
  • mit dem Fach Religion)
  • Expan­si­on des Islam
  • Isla­mi­sche Kultur
  • Kreuz­zü­ge
  • ver­pflich­tend: Fremd­ver­ste­hen: reli­giö­se Wert­vor­stel­lun­gen als Basis des Handelns
  • Ver­pflich­tend: Kartenarbeit
  • mög­lich: Recher­che und Aus­wer­tung im
    Gespräch
  • mög­lich: Über­nah­me verschiedener
    Per­spek­ti­ven, z.B. in einer Debatte
Daten Flucht Moham­meds von Mek­ka nach Medina
Begrif­fe Juden­tum, Islam, Kreuzzüge
Namen Moham­med

Tab. 2: Bei­spiel für die Zuord­nung von inhalts­be­zo­ge­nen zu fach­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen in einem schul­in­ter­nem Fach­cur­ri­cu­lum. Aus: Kern­cur­ri­cu­lum für das Fach Geschich­te für das Gym­na­si­um Schul­jahr­gän­ge 5 –10 Nie­der­sach­sen, Stand: Novem­ber 2007; Anhang 3, S. 32. Iden­tisch im Anhang zu: VGD-NDS (2007): „Kern­cur­ri­cu­lum-Ent­wurf“.
Was es aller­dings kon­kret erfor­dert, „die“ „Begeg­nung“ des Chris­ten­tums mit ande­ren Reli­gio­nen zu „beschrei­ben“, bleibt unge­klärt. Reicht es aus, gleich­zei­ti­ge Anwe­sen­heit von Men­schen ver­schie­de­ner Reli­gi­on an einem Ort zu nen­nen? Wohl kaum! Reicht es aus, an Hand der Kar­te (immer­hin ver­pflich­ten­des Metho­den­the­ma) dar­zu­le­gen, dass die Ter­ri­to­ri­en ver­schie­de­ner Reli­gio­nen (gibt es so etwas?) anein­an­der sto­ßen, und dass sie sich im Ver­gleich zwei­er Kar­ten ver­än­dern? Wel­che Begrif­fe sol­len die Schü­le­rin­nen und Schü­ler für die­ses „Beschrei­ben“ der „Begeg­nung“ ver­wen­den kön­nen? Nir­gend­wo wird gefor­dert, die Kate­go­rie der „Begeg­nung“ (die wohl der kleins­te und neu­trals­te Nen­ner sein soll zwi­schen „Kul­tur­kon­flikt“, „Krieg“, und frucht­ba­rem „Kul­tur­kon­takt“) dif­fe­ren­zie­ren zu kön­nen, also Begrif­fe für ver­schie­de­ne Arten von „Begeg­nung“ zu haben (etwa fried­li­ches Zusam­men­le­ben, fried­li­ches Neben­ein­an­der-Her-Leben; All­tags­kon­flik­te, auf Grund von Vor­ur­tei­len unfried­li­ches Zusam­men­le­ben; Umschlag von fried­li­chem Neben­ein­an­der-Her-Leben in offe­nen Kon­flikt; gleich­be­rech­tig­tes und nicht-gleich­be­rech­tig­tes Zusam­men­le­ben; Krieg, „Hei­li­ger Krieg“ usw.). Dies zeigt, dass es hier gera­de nicht um die Fähig­keit der Schü­le­rin­nen und Schü­ler geht.

Zeit Epo­chen Epo­chen­kenn­zei­chen Mar­kan­te Beispiele 
Frü­hes Mittelalter

Seit dem 8./9.

Jahr­hun­dert

Zeit der Franken Fran­ken­reich Expan­si­on (Sach­sen)

Chris­tia­ni­sie­rung

Bin­dung an Rom

Karl der Gro­ße (Rei­ter­sta­tu­et­te) Aache­ner Dom

Pfal­zen

Quel­le: Ein­hards Vita Caroli

Kai­ser­krö­nung in Rom um 800

Seit dem 10. Jahrhundert Zeit der Ottonen Rei­se­kö­nig­tum

Haus­macht

Lehns­we­sen

Ein­bin­dung der Bischöfe

Mag­de­bur­ger Dom (Reli­efs)

Bischö­fe als Herr­scher (Bild)

Seit dem 11. Jahrhundert Zeit der Rit­ter, Bauern

und Mön­che

Feudalstruktur:Grundherrschaft

Klos­ter­we­sen

Abbil­dung Burg

Abbil­dung Dorf

Abbil­dung Frondienst

St. Gal­le­ner Klosterplan

Hohes Mit­tel­al­terSeit dem 11./12. Jahrhundert Hohe Zeit der Kir­che und der Religionen Kai­ser und Papst­Chris­ten und Juden

Chris­ten­tum und Islam

Kreuz­zü­ge

Bild Canos­sa 1077Bild Kon­stan­ti­ni­sche Schenkung,

Reli­ef Kir­che und Synagoge

Bild: Rit­ter und Mos­lem beim

Schach­spiel

Seit dem 12. Jahrhundert Auf­stieg der Städte Kauf­leu­te

Fern­han­del

Rats­ver­fas­sung

Zünf­te

Städ­te­bün­de

Stadt­recht

Bre­mer Rat­haus und Roland

Kno­chen­hau­er- Amts­haus in

Hil­des­heim

Spät­mit­tel­al­ter

Seit dem 12. – 14.Jahrhundert Auf­stieg derLandesherren Gol­de­ne Bul­le­Geist­li­che und welt­li­che Fürsten

Reichs­ta­ge

Auf­stieg der Natio­nen im Wes­ten Europas

Hun­dert­jäh­ri­ger Krieg

Hein­rich der LöweQuel­le: Gol­de­ne Bulle

Bild: Kur­fürs­ten­ro­be

Johan­na von Orleans

Seit dem 14./15.Jahrhundert Zeit des Bewusst­wer­dens des Einzelmenschen
(Ita­li­en)
Bil­den­de Kunst: der ein­zel­ne Mensch im Mittelpunkt

Bau­kunst: Perspektive

Lite­ra­tur

Dan­te

Boc­c­ac­cio

Dom zu Florenz

Six­ti­ni­sche Kapelle

Über­gang zur Neuzeit

Seit dem 15./16.

Jahr­hun­dert

Zeit der Entdecker,Erfinder und

For­scher

Buch­druck (Guten­berg)

Leo­nar­do da Vinci

Ame­ri­ka

See­weg nach Indien

Bild: Kolum­bus lan­det auf­San Salvador

Tab. 3: “Epo­chen­sche­ma”. Aus: NDS (2008), S. 37.

Das zeigt auch das im Anhang vor­ge­schla­ge­ne „Epo­chen­sche­ma zum Mit­tel­al­ter“ (vgl. Tab. 3). Man erkennt deut­lich, dass hier nicht Pro­blem­stel­lun­gen im Vor­der­grund ste­hen, zu deren Bear­bei­tung Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten nötig wäre, die wie­der­um in der unter­richt­li­chen Behand­lung die­ser Pro­ble­me zu erwer­ben bzw. aus­zu­bau­en wären, son­dern dass es um die Abhand­lung fest­ste­hen­der und fer­tig inter­pre­tier­ter Gegen­stän­de geht. Am deut­lichs­ten wird dies in der For­mu­lie­rung „Zeit des Bewusst­wer­dens des Ein­zel­men­schen (Ita­li­en)“ in der Spal­te „Epo­chen“.
Zunächst: Dies ist gera­de kei­ne Epo­chen-Bezeich­nung, son­dern eine Cha­rak­te­ris­tik, denn es beinhal­tet eine Deu­tung, die ihrer­seits hoch­gra­dig pro­ble­ma­tisch ist: Das 14./15. Jh. ist – wenn über­haupt – nicht nur die Zeit die­ser „Bewusst­wer­dung“, son­dern besitzt auch ganz ande­re Cha­rak­te­ris­ti­ka. Den Schü­ler gera­de die­se eine Signa­tur der Zeit vor­zu­set­zen, bedeu­tet eine dras­ti­sche Ein­schrän­kung der Chan­cen auf Per­spek­ti­ven­viel­falt und Mul­ti­di­men­sio­na­li­tät, die nach RÜSEN zu den wesent­li­chen Qua­li­täts­kri­te­ri­en des Geschichts­un­ter­richts gehö­ren. 15 Um nicht falsch ver­stan­den zu wer­den: Zukünf­ti­ge Mit­glie­der unse­rer moder­nen Gesell­schaft soll­ten durch­aus (neben eini­gen ande­ren) auch die­se Deu­tung ken­nen und somit im Unter­richt erwer­ben. Aber ange­sichts der zuneh­men­den Hete­ro­ge­ni­tät und der beschleu­nig­ten Ver­än­de­rung unse­rer Gegen­wart und dar­aus resul­tie­rend unse­rer Fra­gen an die Ver­gan­gen­heit, soll­te die­se Deu­tung nicht als unbe­frag­ba­re Tat­sa­che „ver­mit­telt“ wer­den, son­dern als das, was sie ist, näm­lich eine Deu­tung, deren Sinn­ge­halt, und Be-Deu­tung, deren Trif­tig­keit und deren Ori­en­tie­rungs­po­ten­ti­al, dis­ku­tiert und in Fra­ge gestellt wer­den können.
Nun muss beach­tet wer­den, dass der Text und auch die­se Tabel­le sich ja gar nicht für die Hand der Schü­le­rin­nen und Schü­ler gedacht ist, son­dern sich an Lehr­per­so­nen rich­tet. Auch unter die­ser Per­spek­ti­ve bleibt sie jedoch pro­ble­ma­tisch und offen­bart gar erst ihren Cha­rak­ter: Vie­le kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge, die jeweils ihre Berech­ti­gung haben, wer­den in für sich genom­men pro­ble­ma­ti­schen Stich­wor­ten ledig­lich auf­ge­führt. Dass die Autoren mei­nen, dar­auf ver­trau­en zu kön­nen, dass jede Leh­re­rin und jeder Leh­rer unter „Auf­stieg“ der Städ­te kor­rek­ter „Zeit viel­fa­cher Stadt­grün­dun­gen und der Ver­brei­tung urba­ner Lebens­wei­se“ ver­steht, ver­deut­licht, dass die­se Art von Auf­zäh­lung ledig­lich kon­ven­tio­nel­les Wis­sen ver­bind­lich fest­schrei­ben soll. Dif­fe­ren­zie­run­gen und Pro­ble­ma­ti­sie­run­gen sei es der ange­führ­ten „Epo­chen­kenn­zei­chen“ (Hat Guten­berg wirk­lich „den Buch­druck“ erfun­den? Wel­che Bedeu­tung hat sei­ne Erfin­dung? Inwie­fern ist die Exis­tenz von Kauf­leu­ten für das Hohe Mit­tel­al­ter spe­zi­fisch? Waren vor dem 14./15. Jahr­hun­dert alle Men­schen bewusst­los?) oder auch der ein­ge­führ­ten Begrif­fe („Auf­stieg“, „Hohe Zeit“) sind offen­kun­dig gar nicht gewünscht. Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung kann man das nicht nen­nen. Und Ori­en­tie­rung „in der Geschich­te“ wohl auch nicht, denn die „Epo­che“ wird gera­de in einem der­ar­ti­gen Rah­men auf spe­zi­fi­sche zeit­ge­nös­si­sche Cha­rak­te­ris­ti­ka (über die gera­de auch im Unter­richt nach­zu­den­ken wäre) redu­ziert. Unser heu­ti­ges (in sich unein­deu­ti­ges und plu­ra­les) Ver­hält­nis zu die­ser Epo­che wird nir­gends the­ma­ti­siert. Ob das (hohe) Mit­tel­al­ter uns als „fer­ner Spie­gel“ erscheint (Tuch­man) oder als das „nächs­te ande­re“, ob wir in ihm eine nur mehr dun­kel-exo­ti­sche Epo­che sehen, oder einen roman­ti­sche Gegen­ent­wurf zur Gegen­wart, wel­che wirk­li­chen oder ver­meint­li­chen Cha­rak­te­ris­ti­ka des Mit­tel­al­ters heu­te in Medi­en und Lebens­welt noch oder wie­der prä­sent sind, war­um wir uns also für die­se Zeit inter­es­sie­ren, und was unse­re Beschäf­ti­gung mit ihr uns als Gesell­schaft und den Schü­le­rin­nen und Schü­lern als deren zukünf­ti­gen Mit­glie­der geben kann, wird nicht ein­ge­for­dert. Ein so kon­zi­pier­ter Unter­richt för­dert nicht ein­mal „Ori­en­tie­rung“ – geschwei­ge denn Ori­en­tie­rungs­kom­pe­tenz. 16

3. Absolutismus

In den „Bil­dungs­stan­dards 2006” hieß es zum ers­ten The­ma im Bereich „Abso­lu­tis­mus“: 17
Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler können

    • den Abso­lu­tis­mus als neu­es Herr­schafts­sys­tem am Bei­spiel Frank­reichs erläu­tern, d.h. kon­kret: Sie können 
      • die neue Rol­le des Hofes als Zen­trum der Macht­aus­übung und Reprä­sen­ta­ti­on (Barock, Roko­ko) darstellen,
      • den Drang der Mon­ar­chen nach Anhe­bung des Steu­er­ertra­ges als die trei­ben­de Kraft in den wirt­schaft­li-chen Sys­te­men der abso­lu­tis­tisch gepräg­ten Staa­ten (Mer­kan­ti­lis­mus) benennen
      • die Stei­ge­rung der mili­tä­ri­schen Macht gegen­über kon­kur­rie­ren­den Mon­ar­chien (ste­hen­des Heer) als außen­po­li­ti­sche Ziel­set­zung der abso­lu­ten Mon­ar­chen beschreiben,
      • Wir­kun­gen des Abso­lu­tis­mus als Trieb­fe­dern frei­heit­li­cher Bestre­bun­gen der Neu­zeit her­aus­stel­len (Kri­tik an den Stän­de­pri­vi­le­gi­en, Rol­le der Generalstände),
      • Expan­si­ons­be­stre­bun­gen euro­päi­scher Staa­ten „in Über­see“ (Kolo­ni­al­rei­che) beschreiben.

Die­se Form der „Standard“-Formulierung war (und ist) in gleich mehr­fa­cher Hin­sicht pro­ble­ma­tisch. So ent­spricht es nicht der bereits im glei­chen Text vom VGD aner­kann­ten Qua­li­fi­zie­rung des Faches Geschich­te als „Denk­fach“, 18 dem ein „pro­blem­lö­sen­der“ Unter­richts­stil gemäß sei, 19 von den Schü­lern nur zu ver­lan­gen, ein Phä­no­men als fest­ste­hen­de Ursa­che eines ande­ren zu „benen­nen“, vor­ge­ge­be­ne Zusam­men­hän­ge zu „beschrei­ben“ oder gar Sach- und Wert­ur­tei­le nur wie­der­zu­ge­ben und zu „erläu­tern“. 20 Es bleibt abzu­war­ten, ob die­ses Bekennt­nis zu pro­blem­lö­sen­dem, d.h. ergeb­nis­of­fe­nem, Den­ken in der Neu­fas­sung der Bil­dungs­stan­dards eine Rück­wir­kung auf die inhalt­li­che Aus­fül­lung der „Sach­kom­pe­tenz“ hat. Im zum Teil aus der glei­chen Arbeits­grup­pe stam­men­den „Kern­cur­ri­cu­lum“ heißt es zum glei­chen The­men­be­reich: Die Schü­le­rin­nen und Schüler
„erläu­tern den Begriff des Abso­lu­tis­mus als Bezeich­nung eines neu­en Herr­schafts­sys­tems am Bei­spiel Frank­reichs.“ 21
Auch hier sol­len die Schü­le­rin­nen also „erläu­tern“. Aber aus dem Erläu­tern „des Abso­lu­tis­mus“ ist die Erläu­te­rung des Begriffs „Abso­lu­tis­mus“ gewor­den. Die­ser steht nicht mehr not­wen­dig für eine fest­ste­hen­de Sache, die ein­fach erklärt wer­den kann, son­dern für ein Werk­zeug des poli­ti­schen Den­kens, das auf ein bestimm­tes his­to­ri­sches Phä­no­men bzw. einen Satz von Ver­gan­gen­heits­par­ti­keln und die Zusam­men­hän­ge zwi­schen ihnen so ange­wandt wer­den kann, dass nicht nur erwähnt wird, was qua­si fest­ste­hend dazu­ge­hört, son­dern dass sei­ne Exten­si­on und Inten­si­on the­ma­ti­siert wer­den kann. 22 Die For­mu­lie­rung ermög­licht eine expli­zi­te The­ma­ti­sie­rung der Bedeu­tung und Schwie­rig­keit von Begrif­fen beim his­to­ri­schen Den­ken, ins­be­son­de­re auch der Tat­sa­che, dass unse­re heu­ti­gen Begrif­fe weder die Sache selbst bezeich­nen noch oft dem Denk­ho­ri­zont der von ihnen bezeich­ne­ten Zeit ent­stam­men, son­dern zumeist spä­te­re, per­spek­ti­vi­sche und als sol­che umstrit­te­ne Bezeich­nun­gen dar­stel­len. Das wird beson­ders deut­lich, wenn die Fest­le­gun­gen zum nächs­ten Kom­plex mit ein­be­zo­gen wer­den: Sowohl der Ent­wurf von 2007 als auch die „Anhör­fas­sung“ des Kern­cur­ri­cu­lums for­dern hier, dass die Schü­ler „den preu­ßi­schen Staat als Bei­spiel des Abso­lu­tis­mus in Deutsch­land cha­rak­te­ri­sie­ren“ kön­nen sol­len. 23 Die­se For­mu­lie­rung ist deut­lich pro­ble­ma­ti­scher. Sie ver­langt näm­lich nur, eine vor­ge­ge­be­ne Cha­rak­te­ri­sie­rung zu erläu­tern. Dass und inwie­fern der Begriff „Abso­lu­tis­mus“ zur Cha­rak­te­ri­sie­rung der preu­ßi­schen Herr­schaft geeig­net ist, ist aber durch­aus umstrit­ten, 24 so dass sei­ne unbe­frag­te Anwen­dung in den Schul­bü­chern zwar tra­di­tio­nal erklär­bar ist, ihre Fest­schrei­bung in Lehr- und Rah­men­plä­nen aber zum einen als „Ver­stoß“ gegen das Kon­tro­ver­si­täts­ge­bot (nicht nur des Beu­tels­ba­cher Kon­sen­ses) zu bewer­ten ist, son­dern vor allem auch als Ver­feh­lung gegen die Auf­ga­be, die Schü­ler zur selbst­stän­di­gen, den­ken­den Teil­ha­be am Geschichts­den­ken der Gesell­schaft. Die Vor­stel­lung, dass es aus­reicht (oder gar von Nut­zen ist), die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein für alle Mal mit gül­ti­gen Begrif­fen aus­zu­stat­ten, pro­vo­ziert (ich über­trei­be nur wenig) Kom­men­ta­re des Typs („typi­sche Wis­sen­schaft – alle Jah­re den­ken sie sich was neu­es aus. Gilt denn gar nichts mehr?“) Wenn Schu­le die Mit­glie­der der Gesell­schaft dar­auf vor­be­rei­ten soll, dass Wis­sen nicht sta­tisch ist, son­dern immer neu aus­ge­han­delt wer­den muss, dann dür­fen Begrif­fe und Kon­zep­te nicht sta­tisch sein. Ist also die ers­te Fokus­sie­rung auf den Begriff Abso­lu­tis­mus in die­sem Sin­ne des Auf­baus einer Begriffs­kom­pe­tenz sinn­voll aus­leg­bar, so wird die­ser Plus­punkt des Kern­cur­ri­cu­lums in der zwei­ten Ver­wen­dung ver­schenkt. Gegen­über der alten For­mu­lie­rung in den VGD-Bil­dungs­stan­dards von 2006 ist es aber deut­lich harm­lo­ser. Dort hieß es näm­lich noch:

  • anhand eines lan­des­ge­schicht­li­chen Bei­spiels die Form des Abso­lu­tis­mus in deut­schen Teil­staa­ten erläu­tern, d.h. kon­kret: Sie können 
    • die Ele­men­te eines abso­lu­tis­ti­schen Staa­tes am Bei­spiel Bran­den­burg-Preu­ßens zur Zeit des gro­ßen Kur­fürs­ten oder ande­rer deut­scher Ter­ri­to­ri­en nennen,
    • das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Ein­woh­ner­zahl und Hee­res­stär­ke zur Zeit des Sol­da­ten­kö­nigs und danach als gro­ße wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Her­aus­for­de­rung für den preu­ßi­schen Staat werten,
    • den Auf­stieg Preu­ßens zu einer der bedeu­tends­ten euro­päi­schen Mäch­te als Kon­se­quenz der strik­ten Aus­rich­tung aller mate­ri­el­len und ideel­len Wer­te Preu­ßens auf das Mili­tär­we­sen erläu­tern. 25

Hier wird sehr deut­lich, dass der Abso­lu­tis­mus als ein qua­si natur­wüch­si­ger Staats-Typ ange­se­hen wird mit einer fest­ste­hen­den Zahl von „Ele­men­ten“, nicht aber als ein Kon­zept mit einer (varia­blen und der Dis­kus­si­on zugäng­li­chen) Zahl von Merk­ma­len, deren Pas­sung auf kon­kre­te Phä­no­me­ne geprüft und dis­ku­tiert wer­den kann. Die­se Übung aber, näm­lich das Erler­nen von Begrif­fen als Denk­zeu­gen und das bewusst zurück­bli­cken­de, klas­si­fi­zie­ren­de Tref­fen von Aus­sa­gen in Form von begründ- (und kri­ti­sier­ba­ren) Sach-Urtei­len, ist eine Übung in his­to­ri­schem Den­ken, die den Schü­le­rin­nen und Schü­lern auch im Bewäh­rungs­feld „Leben“ wei­ter­hilft, in dem Men­schen Begrif­fe ernst­haft wie pole­misch oder iro­nisch (oder aber um neue Aspek­te zur Spra­che zu brin­gen), Begrif­fe unter­schied­lich ver­wen­den – und nicht nur in der Schu­le, wenn es gilt, Tests und Exami­na zu bestehen.
Zum zwei­ten wird deut­lich, dass von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern Sach­ur­tei­le vor­ge­ge­ben wer­den, wo es doch gäl­te, die­se zu dis­ku­tie­ren und zu prü­fen, und zwar so, dass auch gegen­tei­li­ge Ergeb­nis­se prin­zi­pi­ell mög­lich sein müs­sen. Was etwa, wenn ein Schü­ler ande­re Grün­de als eine ziel­ge­rich­te­te mili­ta­ris­ti­sche Poli­tik für den „Auf­stieg“ Preu­ßens anführt und plau­si­bel begründet?
So führt etwa die auch Schü­le­rin­nen und Schü­lern noch heu­te zugäng­li­che Online-Ver­si­on der Aus­stel­lung „Bil­der und Zeig­nis­se der Deut­schen Geschich­te“ des Deut­schen His­to­ri­schen Muse­ums neben die­ser „eigen­tüm­li­chen Gesell­schafts­ord­nung“ auch äuße­re poli­ti­sche (Schwä­che Polens und Schwe­dens) und geis­ti­ge („kal­vi­nis­tisch-pie­tis­ti­sche Pflicht-Ethik“) an 26 – müs­sen die­se nun von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern ver­neint oder als nach­ran­gig dekla­riert wer­den? Aber viel­leicht stel­len sich die Bil­dungs­stan­dards des VGD hier auch nur des­we­gen als pro­ble­ma­ti­scher dar, weil sie kon­kre­ter aus­füh­ren, was im Ein­zel­nen gemeint ist, woge­gen das „Kern­cur­ri­cu­lum“ weit­ge­hend unbe­stimmt bleibt und die kon­kre­te Umset­zung (also die eigent­li­che Steue­rungs­ebe­ne) der (hof­fent­lich) kom­pe­ten­ten Umset­zung in den Fach­kon­fe­ren­zen und durch die ein­zel­nen Lehr­kräf­te überlässt.

4. Die „prozessbezogenen Kompetenzen“

Die pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen sind gegen­über dem Ent­wurf der „Bil­dungs­stan­dards“ 2006 durch­aus ver­än­dert. 27 Am deut­lichs­ten sticht her­vor, dass nun nicht mehr so deut­lich in meh­re­ren Berei­chen bereits von den jun­gen Schü­le­rin­nen die glei­che Kompetenz(stufe) erwar­tet wird, wie von den älte­ren. Dage­gen fin­den sich nun­mehr meh­re­re Kom­pe­ten­zen, die erst für die Klas­sen­stu­fe 9/​10 neu hin­zu kom­men. Auch hier kann somit von in vie­len Berei­chen von einem kumu­la­ti­ven Ler­nen, wie es die Kom­pe­tenz­theo­rie for­dert, nicht die Rede sein. Bei ande­ren (weni­gen Fäl­len) hin­ge­gen ist eine sol­che kumu­la­ti­ve Pro­gres­si­on im Prin­zip erkenn­bar, hier folgt sie aller­dings kei­ner Ver­än­de­rung der von den Schü­lern zu erwar­ten­den Ope­ra­ti­on, son­dern besteht ledig­lich in abneh­men­der Anlei­tung. Zuwei­len wird für die höhe­ren Klas­sen die Kom­ple­xi­tät dadurch gestei­gert, dass zu einer Ope­ra­ti­on eine wei­te­re hin­zu­tritt. 28 Bei­des ist inso­fern unbe­frie­di­gend, als die abneh­men­de Anlei­tung durch­aus nicht eine zuneh­men­de eige­ne Refle­xi­on ein­for­dern muss, son­dern auch Aus­weis einer hin­rei­chen­den Kon­di­tio­nie­rung auf eine vor­ge­ge­be­ne Rou­ti­ne bedeu­ten kann, und zum ande­ren die bei­den für die höhe­re Klas­sen­stu­fe kom­bi­nier­ten Ope­ra­tio­nen (im zitier­ten Bei­spiel: Sach- und Wert­ur­teil) jeweils für sich selbst einer Pro­gres­si­on zugäng­lich sein müss­ten. Es ist nicht ein­zu­se­hen, dass jün­ge­ren Schü­lern das Wer­ten nicht eben­falls zuge­stan­den wird (sie tun es sowie­so, also müss­te es auch the­ma­ti­siert und geübt wer­den kön­nen), und dass von älte­ren Schü­lern nicht auch ein qua­li­ta­tiv höher­wer­ti­ges Unter­su­chen gefor­dert wer­den soll.
Bei den unter „Erkennt­nis­ge­win­nung durch Metho­den“ auf­ge­führ­ten Kom­pe­ten­zen ist zunächst fest­zu­stel­len, dass ihr Bewäh­rungs­feld wie­der­um nicht das Leben, son­dern der Geschichts­un­ter­richt ist. Deut­lich wird dies etwa an der For­mu­lie­rung, dass es neben der grund­sätz­li­chen Unter­schei­dung von Quel­le und Dar­stel­lung gel­te, „die vie­len Arten von Quel­len, die im Geschichts­un­ter­richt rele­vant sind, nach ihrem Quel­len- bzw. Aus­sa­ge­wert zu unter­schei­den und zu bewer­ten. Schließ­lich ver­langt jede Gat­tung von Quel­le oder Dar­stel­lung ein­schließ­lich der ver­wen­de­ten Medi­en spe­zi­fi­sche Metho­den zu ihrer Deu­tung und Erschlie­ßung.“ 29 Non vitae, sed scholae …
Die Tabel­le der für die­sen Kom­pe­tenz­be­reich vor­ge­se­he­nen Kom­pe­tenz­ni­veaus 30 zeigt deut­lich, dass auch hier kei­ne Stei­ge­rung der Fähig­kei­ten im Sin­ne eines kumu­la­ti­ven Ler­nens vorliegt.
Hier geht es zumeist um eine Ände­rung der an einer Grund­er­kennt­nis zu voll­zie­hen­den Denk­tä­tig­keit. Für die jün­ge­ren Schü­ler ist etwa die Unter­schei­dung zwi­schen his­to­ri­schen und „zeit­ge­nös­si­schen (heu­ti­gen)“ Bil­dern gefor­dert, die älte­ren sol­len die­sen Unter­schied dann zudem „deu­ten“. Was genau dar­un­ter ver­stan­den wird, und inwie­fern eine Unter­schei­dung für die Jün­ge­ren ohne eine Form der Deu­tung mög­lich ist, bleibt offen.
An einem wei­te­ren Bei­spiel wird zudem deut­lich, dass die zu den ein­zel­nen Kom­pe­tenz­be­rei­chen gefor­der­ten Kom­pe­ten­zen nicht zusam­men­pas­sen. Für das Mit­tel­al­ter wur­de bereits das The­ma „Begeg­nung der Reli­gio­nen“ bespro­chen, das de Anhang zufol­ge mit Kar­ten­ar­beit zu ver­bin­den ist. Hier ist wohl an Kar­ten des Ver­brei­tung der Reli­gio­nen und zu den Kreuz­zü­gen gedacht. Das ganz soll in der Klas­sen­stu­fe 7/​8 statt­fin­den. Was die dort als ver­pflich­tend vor­ge­ge­be­ne Kar­ten­ar­beit erge­ben soll, wird jedoch frag­wür­dig, wenn die zu for­dern­den Niveaus für das Ende von Klas­se 8 hin­zu­ge­zo­gen wer­den. Dort heißt es für Klas­se 6: „beschrei­ben Legen­de, The­ma­tik und Inhalt einer Geschichts­kar­te“, und für Klas­se 8 zusätz­lich: „unter­schei­den zwi­schen his­to­ri­schen Kar­ten und Geschichts­kar­ten“. Erst für das Ende von Klas­se 10 wird gefor­dert, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler „die the­ma­ti­sche Dar­stel­lung auf Kar­ten“ „inter­pre­tie­ren und beur­tei­len“ sol­len. Nun muss kon­ze­diert wer­den, dass das gefor­der­te Niveau kei­ne Ober­gren­ze für die im Unter­richt zu behan­deln­den Inhal­te dar­stellt. Wenn aber die­ses Kern­cur­ri­cu­lum in irgend­ei­ner Wei­se unter­richts­lei­ten­den Cha­rak­ter haben soll, dann bleibt unver­ständ­lich, dass es für Klas­se 7/​8 genug sein soll, die Äußer­lich­kei­ten der Kar­te zu „beschrei­ben“ und das The­ma zu benen­nen (ein The­ma zu „beschrei­ben“ ohne zu inter­pre­tie­ren erscheint schwie­rig) und zudem alte und retro­spek­ti­ve Kar­ten zu unter­schei­den. Wenn zu die­sem The­ma Kar­ten genutzt wer­den sol­len, dann kommt man nicht um eine Inter­pre­ta­ti­on des Dar­ge­stell­ten her­um. Dies müss­te „gestuft“ (bes­ser: nach Niveaus unter­schie­den) wer­den. Es ging also dar­um, von den jun­gen Schü­lern zunächst „ein­fa­che“ For­men der Lek­tü­re einer Kar­te zu ver­lan­gen, die eben­so Infor­ma­ti­ons­ent­nah­me wie Beur­tei­lung umfas­sen, und von den älte­ren eben­so alle die­se Ope­ra­tio­nen, aber auf höhe­rem Niveau.
Die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kom­pe­ten­zen schließ­lich erschei­nen sinn­voll, set­zen ihrer­seits aber so viel Refle­xi­on und Metho­de vor­aus, dass eine eige­ne Aus­wei­sung wenig sinn­voll erscheint.

A. Fazit

Ganz ähn­lich wie es schon im Ent­wurf der „Bil­dungs­stan­dards Geschich­te“ des VGD der Fall war, 31 auf denen die­ser Kern­cur­ri­cu­lums-Ent­wurf basiert, sol­len die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in Nie­der­sach­sen in Zukunft nur die Fähig­keit erwer­ben, vor­ge­ge­be­ne Deu­tun­gen wie­der­zu­ge­ben und nach­zu­be­ten. Das Prü­fen und Durch­den­ken von Deu­tun­gen ist offen­kun­dig vor­ge­se­hen. An kei­ner Stel­le wird gefor­dert, dass die metho­di­schen und die Refle­xi­ons-Kom­pe­ten­zen auf die im Kom­pe­tenz­be­reich „Sach­kom­pe­tenz“ vor-gege­be­nen Deu­tun­gen ange­wandt wer­den sol­len, etwa um die­se zu prü­fen. Das gilt etwa für die Anfor­de­rung, das Deut­sche Reich 1870/​71 als „Ver­wirk­li­chung des Ein­heits­ge­dan­kens ‘von oben’“ „dar­zu­stel­len“, 32 nicht etwa durch Rück­griff auf die Ideen von 1815ff zu erör­tern, dis­ku­tie­ren, und prü­fen, inwie­fern wirk­lich von einer „Ver­wirk­li­chung des Ein­heits­ge­dan­kens“ gespro­chen wer­den kann. Der­ar­ti­ge Bei­spie­le fin­den sich zuhauf.
Das „Kern­cur­ri­cu­lum Geschich­te“ ist somit der Ver­such, die vom Geschichts­leh­rer­ver­ban­des (gera­de auch sei­nem nie­der­säch­si­schen Lan­des­ver­band) im Ent­wurf der „Bil­dungs­stan­dards“ skiz­zier­te Ent­wick­lung des Geschichts­un­ter­richts zu einer Ver­an­stal­tung, in wel­cher wie­der kon­kre­te Deu­tun­gen und Urtei­le vor­ge­ge­ben wer­den, in amt­li­chen Richt­li­ni­en fest­zu­schrei­ben. Es geht um einen Geschichts­un­ter­richt, in wel­chem außer­eu­ro­päi­sche und neue­re The­men (Geschlechter‑, Frau­en- und Umwelt­ge­schich­te) wie auch Per­spek­ti­ven aus ande­ren Kul­tu­ren und von Ler­nen­den mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund kei­nen Platz haben, und in dem die­se Ori­en­tie­rung auf die Stif­tung von Sinn (nicht aber der Befä­hi­gung der Ler­nen­den zur Sinn­bil­dung) hin­ter einer nur vor­der­grün­di­gen Denk- und Metho­den­ori­en­tie­rung ver­bor­gen wird. Dies wider­spricht deut­lich sowohl der Idee der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung als auch den Anfor­de­run­gen an ein Geschichts­ler­nen in einer post­tra­di­tio­na­len 33 und plu­ra­len, demo­kra­ti­schen Gesellschaft.

Der Hamburger Rahmenplanentwurf

In den letz­ten Mona­ten hat die neue Ham­bur­gi­sche Lehr­plan­ge­ne­ra­ti­on Gestalt ange­nom­men. Ohne gro­ßes Auf­se­hen wur­den seit Beginn des Jah­res „Arbeits­fas­sun­gen“ der neu­en „Rah­men­plä­ne“ für die Grund­schu­le, die Sekun­dar­stu­fe I und die Gym­na­sia­le Ober­stu­fe auf der Web-Prä­senz des Lan­des­in­sti­tuts für Leh­rer­bil­dung und Schul­ent­wick­lung zugäng­lich gemacht. Seit dem 13. Mai liegt nun auch der Plan für den Geschichts­un­ter­richt in der Sekun­dar­stu­fe I des neu­en, 8‑stufigen Gym­na­si­ums in mehr­fach fort­ge­schrie­be­nen Arbeits­fas­sun­gen vor. 34 Auch wenn die­ser Richt­li­ni­en­ent­wurf auf Grund der fort­ge­führ­ten Ham­bur­ger Schul­struk­tur­de­bat­te und der ins Haus ste­hen­den Ver­än­de­run­gen zum zwei­glied­ri­gen Schul­sys­tem nicht in Kraft getre­ten ist, ist sein Ver­gleich mit dem nie­der­säch­si­schen Kon­zept doch beson­ders inter­es­sant, weil er aus­weis­lich des Kapi­tels 2 den Geschichts­un­ter­richt am Ham­bur­ger Gym­na­si­um aus­drück­lich auf „Kom­pe­tenz­er­werb“ ver­pflich­tet, und damit expli­zit Anschluss sucht an die aktu­el­le Debat­te in der Geschichts­di­dak­tik um Kom­pe­ten­zen und Bil­dungs­stan­dards, die seit etwa 2 Jah­ren in vol­lem Gan­ge ist, aber noch zu kei­nem ein­heit­li­chen Ergeb­nis geführt hat.
Vor dem Hin­ter­grund der durch­aus kon­tro­ver­sen Dis­kus­sio­nen zwi­schen meh­re­ren Ver­tre­tern der aka­de­mi­schen Geschichts­di­dak­tik 35 (gera­de auch aus Ham­burg) 36 und dem Geschichts­leh­rer­ver­band 37 ist es von beson­de­rem Inter­es­se, wel­chen der im Rah­men die­ser Debat­te oder auch in Rah­men­plä­nen ande­rer Län­der vor­ge­schla­ge­nen Kom­pe­tenz­kon­zep­te der Plan folgt, bzw. wie er sich in die­se Dis­kus­si­on ein­ord­net, und auf wel­che Wei­se die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung für die Pra­xis umge­setzt wer­den soll. Es geht dabei vor allem um die Fra­ge, ob der Rah­men­plan die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung des Geschichts­un­ter­richts als didak­ti­sches Leit­prin­zip für den Unter­richt ernst nimmt und wirk­lich kon­kre­te Schrit­te in die­se Rich­tung geht, oder ob die Begrif­fe der Kom­pe­tenz­de­bat­te lee­re Ter­mi­ni blei­ben und einen inhalts­ori­en­tier­ten oder gar bestimm­te Deu­tun­gen vor­ge­ben­den Unter­richt modern ver­brä­men. Neben der Fra­ge nach dem Ver­ständ­nis von „Kom­pe­ten­zen“ (und ggf. auch Stan­dards) und einer Ana­ly­se der Ope­ra­tio­na­li­sie­rung die­ses Ansat­zes soll auch nach den „Anfor­de­run­gen und Inhal­ten des Faches Geschich­te“ (Kap.3) und ihrer Struk­tu­rie­rung sowie nach den „Grund­sät­zen der Leis­tungs­be­wer­tung“ (Kap. 4) gefragt werden.
Soviel sei vor­weg­ge­nom­men: Auch in die­sem Rah­men­plan ist ein Gefäl­le in der Kon­sis­tenz und Qua­li­tät der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zwi­schen den Prä­li­mi­na­ri­en und den kon­kre­ten Vor­ga­ben zu erken­nen, er besitzt aber eine ganz ande­re Struk­tur. Sind sonst die ein­lei­ten­den Aus­füh­run­gen und die Vor­ga­ben zu Grund­sät­zen der Unter­richts­ge­stal­tung deut­lich all­ge­mei­ne­rer Natur als die Aus­sa­gen zu Inhal­ten und Zie­len ein­zel­ner Schul­jah­re, so ist das Ver­hält­nis zwi­schen den bei­den in die­sem Ent­wurf (zumin­dest im gegen­wär­ti­gen Erar­bei­tungs­sta­di­um) genau umge­kehrt. Das bedeu­tet zum einen eine erfreu­li­che Abkehr von bis­lang oft­mals übli­cher Über-Kon­kre­ti­sie­rung der Ein­zel­vor­ga­ben, die vor­ab gefor­der­te Prin­zi­pi­en der Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät, Kon­tro­ver­si­tät und Deu­tungs­of­fen­heit des Unter­richts gera­de­zu kon­ter­ka­rier­ten. Es bedeu­tet vor allem auch, dass Ham­burg für die Mit­tel­stu­fe die durch die Bil­dungs­stan­dards des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des vor­ge­präg­te Ent­wick­lung des Geschichts­un­ter­richts in eine wie­der kon­kre­te Deu­tun­gen und Urtei­le vor­ge­ben­de, Sinn stif­ten­de und gar indok­tri­nie­ren­de Ver­an­stal­tung (im Gegen­satz etwa zu Nie­der­sach­sen) 38 nicht mitmacht.

Das Konzept der „Kompetenzorientierung“ im Hamburger Rahmenplan (Kap. 2)

Die ein­lei­ten­den Kapi­tel von Rah­men­plä­nen sind bereits tra­di­tio­nel­ler­wei­se die­je­ni­gen Berei­che, in denen staat­li­che Richt­li­ni­en moder­nen Kon­zep­ten der Geschichts­di­dak­tik am wei­tes­ten Rech­nung tra­gen. Dies ist inso­fern nicht ver­wun­der­lich, als hier noch ohne kon­kre­te Stoff- und Umfangs­ent­schei­dun­gen in zusam­men­hän­gen­der Form Grund­satz­über­le­gun­gen ange­stellt wer­den kön­nen. In eini­gen Fäl­len hat das zu einer deut­li­chen Kluft zwi­schen die­sen Prä­am­beln mit wohl­fei­ler aber unver­bind­li­cher moder­ner „Lehr­plan­ly­rik“ und deut­lich tra­di­tio­nel­ler aus­ge­rich­te­ten Stoff­ver­tei­lungs­plä­nen mit eher gerin­gen Antei­len moder­ner didak­ti­scher Vor­ga­ben geführt. Dies war auch die Struk­tur im zur Zeit gül­ti­gen Ham­bur­ger Rah­men­plan für die Sekun­dar­stu­fe I, wel­cher neben eini­gen all­ge­mei­nen Aus­sa­gen einen tra­di­tio­nel­len, auf natio­na­le deut­sche Geschich­te zen­trier­ten und „moder­ne“ The­men wie Geschlechter‑, Umwelt- und Men­ta­li­täts­ge­schich­te, aber auch Pro­blem­ori­en­tie­rung weit­ge­hend aus­blen­den­den Stoff­ver­tei­lungs­plan vor­schreibt. 39
Um so wich­ti­ger wird es sein, die im Kap. 2.1 des Rah­men­plans nie­der­ge­leg­ten Über­le­gun­gen zum „Bei­trag des Faches Geschich­te zur Bil­dung“ nicht nur für sich allein zu unter­su­chen und zu beur­tei­len, son­dern sie im Zusam­men­hang sowohl mit den „Didak­ti­schen Grund­sät­zen“ (2.2) und den „Anfor­de­run­gen und Inhal­te“ (Kap. 3) zu betrachten.
Die Über­le­gun­gen zum Bil­dungs­bei­trag des Faches Geschich­te for­mu­lie­ren in erfreu­li­cher Deut­lich­keit und mit zum Teil wei­ter­füh­ren­den prä­gnan­ten For­mu­lie­run­gen das Grund­kon­zept eines Geschichts­un­ter­richts, der weder totes Zahlen‑, Daten- und Fak­ten­wis­sen noch vor­ge­ge­be­ne tra­di­tio­nel­le Deu­tun­gen „ver­mit­telt“, son­dern die Ler­nen­den zu eigen­stän­di­gem his­to­ri­schem Den­ken in ihrer gegen­wär­ti­gen Lebens­welt und zur Teil­ha­be an ihrer Geschichts­kul­tur befä­hi­gen soll. Dass die Autoren hier­für an das Kon­zept des „reflek­tier­ten Geschichts­be­wusst­seins“ anknüp­fen und die­ses als „his­to­risch reflek­tier­tes Gegen­warts­ver­ständ­nis“ defi­niert, wel­ches „Selbst- und Fremd­ver­ste­hen, per­sön­li­che und kol­lek­ti­ve Ori­en­tie­rung, poli­ti­sche Hand­lungs­fä­hig­keit und Tole­ranz“ ermög­licht, ist dabei nur ein posi­ti­ver Punkt.

Das Kompetenzmodell

Dem in der deut­schen Kom­pe­tenz­de­bat­te ver­wen­de­te Kom­pe­tenz­be­griff von Wei­nert zufol­ge sind Kom­pe­ten­zen Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten und Bereit­schaf­ten (= moti­va­tio­na­le und voli­tio­na­le sowie sozia­le Bereit­schaf­ten) zur Anwen­dung die­ser Fähig­kei­ten bei der Bewäl­ti­gung immer neu­er Pro­blem­la­gen. 40 „Wis­sen“ ist dem­zu­fol­ge eine Kom­po­nen­te von Kom­pe­ten­zen, nicht aber selbst eine Kom­pe­tenz. Allen­falls das Ver­fü­gen über bestimm­te Wis­sens­be­stän­de, d.h. die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft, das Wis­sen zu erwer­ben, es wie­der­zu­ge­ben bzw. anzu­wen­den, es zu erwei­tern und umzu­bau­en und zu reflek­tie­ren, kann als (Teil-)kompetenz ange­se­hen werden.
Vor die­sem Hin­ter­grund ist es posi­tiv zu wer­den, dass das „Kom­pe­tenz­mo­dell“ des neu­en Ham­bur­ger Rah­men­plans nicht ein­fach eine Kom­pe­tenz­be­reich „Wis­sen“ (über Ver­gan­ge­nes“) oder „Sach­kom­pe­tenz“ aus­weist, der iso­lier­te Namen, Daten und Fak­ten oder auch fer­ti­ge, nicht wei­ter zu befra­gen­de Deu­tun­gen „ent­hält“, son­dern dass Kom­pe­ten­zen hier tat­säch­lich als Fähig­kei­ten­kom­ple­xe ver­stan­den werden.

Die Kompetenzbereiche

Der Rah­men­plan ent­wirft dabei ein durch­aus eigen­stän­di­ges Kom­pe­tenz­mo­dell mit drei Kompetenzbereichen:
„Unter Ori­en­tie­rungs­kom­pe­tenz wird die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft ver­stan­den, sich sowohl inner­halb der Geschich­te und ihrer Wis­sens- und Fra­ge­be­stän­de zu ori­en­tie­ren als auch Ori­en­tie­rung aus der Geschich­te zu gewin­nen.“ Sie zer­fällt in die­sem Modell also in zwei Kom­pe­tenz­be­rei­che, die grund­le­gend unter­schied­li­cher Natur sind:

  • Unter „Ori­en­tie­rung in der Geschich­te“ wird dabei die Nut­zung der (hier nur klas­si­schen) Peri­odi­sie­rung und Sek­to­ren („Berei­che“) der Geschichts­wis­sen­schaft als „gedank­li­che Ord­nungs­mus­ter“, die Fähig­keit, epo­chen­spe­zi­fi­sche Bezeich­nun­gen für Ereig­nis­se und Struk­tu­ren zu benut­zen und die Fähig­keit, einen „ent­wick­lungs- und ent­ste­hungs­ge­schicht­li­chen Zusam­men­hang zwi­schen Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart zu erläu­tern“. Damit sind drei grund­le­gend unter­schied­li­che Funk­ti­on in einem Teil­be­reich einer Kom­pe­tenz zusam­men­ge­fasst. Die Nut­zung von Struk­tu­rie­rungs­kon­zep­ten als „gedank­li­che Ord­nungs­mus­ter“ fällt noch am ehes­ten in den Bereich des­sen, was man als „Ori­en­tie­rung in Geschich­te“ bezeich­nen kann, inso­fern es um die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft geht, über das „Gegen­stands­feld“ der Geschich­te so dass man jeder weiß bzw. erar­bei­tet und erkun­den kann, in wel­chen diachronen/​zeitlichen und synchronen/​systematischen Teil­be­reich ein The­ma oder Ereig­nis jeweils gehört. Es geht also dar­um, den Über­blick und den Zusam­men­hang des Fel­des zu bewah­ren. Der Begriff „Ori­en­tie­rung“ ist dann für die­se Fähig­keit ange­bracht, wenn damit bezeich­net wer­den soll, dass die­ses Wis­sen bzw. die­se Fähig­keit Kon­se­quen­zen für die fol­gen­den Denk- und Arbeits­schrit­te hat. Bes­ser wäre es daher, beim hier vor­lie­gen­den Kon­zept, von „Über­blick“ und „Struk­tur­wis­sen“ zu spre­chen. 41
  • Ori­en­tie­rung durch Geschich­te als der zwei­te Teil die­ses Kom­pe­tenz­be­reichs greift das geschichts­theo­re­tisch weit­aus bedeut­sa­me­re Ver­ständ­nis von „Ori­en­tie­rung“ auf, das auch in der seit nun­mehr 25 Jah­ren geschichts­di­dak­tisch zen­tra­len Geschichts­theo­rie nach RÜSEN 42 aus­ge­ar­bei­tet wird. Die­ser Begriff meint, dass his­to­ri­sches Wis­sen nicht für sich allein, qua­si zweck­frei erwor­ben oder auch nur gedacht wer­den kann, son­dern dass vali­de For­men erst dort annimmt, wo sei­ne Ermitt­lung und Aneig­nung gegen­wär­ti­gen Ori­en­tie­rungs­be­dürf­nis­sen ent­springt und das his­to­ri­sche Den­ken und Wis­sen auf die­se Bedürf­nis­se ant­wor­tet. 43

Der zwei­te Kom­pe­tenz­be­reich heißt in die­sem Modell „Metho­den­kom­pe­tenz“. Ober­fläch­lich betrach­tet, d.h. an Hand der Beti­telung zwei­er sei­ner Kern­kom­pe­ten­zen mit „His­to­ri­sche Lese­kom­pe­tenz“ und „his­to­ri­sche Dar­stel­lungs­kom­pe­tenz“ zu urtei­len, ent­spricht das Modell zwar nicht in deren Benen­nung, aber in der Sache dem gleich beti­tel­ten Kom­pe­tenz­be­reich des Kom­pe­tenz-Struk­tur­mo­dells „His­to­ri­sches Den­ken“ der FUER-Arbeits­grup­pe 44 an Hand der Grund­ope­ra­tio­nen des his­to­ri­schen Den­kens, näm­lich der syn­the­ti­schen Re-Kon­struk­ti­on nar­ra­ti­ver Aus­sa­gen einer- und der ana­ly­ti­schen De-Kon­struk­ti­on ande­rer­seits. Aller­dings ist das Prin­zip nicht durch­ge­hal­ten. Gleich die ers­ten Fähig­keits­be­schrei­bung der „His­to­ri­schen Lese­kom­pe­tenz“ for­dert, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler „aus Ein­zel­da­ten Aus­sa­gen ablei­ten bzw. die­se an Bei­spie­len kon­kre­ti­sie­ren“ kön­nen sol­len, also eine syn­the­ti­sche Leis­tung, denn aus Ein­zel­da­ten kön­nen Aus­sa­gen nur durch kon­struk­ti­ve Zusam­men­füh­rung „abge­lei­tet“ wer­den, und auch die Kon­kre­ti­sie­rung an Hand von Bei­spie­len erfor­dert die syn­the­ti­sche Leis­tung, die Par­al­le­li­tät ver­schie­de­ner Fäl­le, bzw. die Iso­la­ti­on wei­te­rer Fäl­le aus einem Gesamt­zu­sam­men­hang selbst den­kend her­zu­stel­len. Es han­delt sich hier­bei um die Ope­ra­ti­on der Her­stel­lung eines his­to­ri­schen Zusam­men­han­ges. Auch die zwei­te Fähig­keits­an­for­de­rung ver­mengt mit „dekon­stru­ie­ren“ und „rekon­stru­ie­ren“ bei­de Ope­ra­tio­nen. Inwie­fern „re-kon­stru­ie­ren“ aber unter „Lesen“ fal­len soll, bleibt dabei uner­find­lich. Die­se Ope­ra­ti­on gehört eher zu dem in der zwei­ten, mit „Dar­stel­lung“ beti­tel­ten Kom­pe­tenz­be­reich. Der drit­te Kern­kom­pe­tenz, die mit „Wis­sens­ma­nage­ment“ beti­telt ist, und „recher­chie­ren“, „ver­glei­chen“ und „struk­tu­rie­ren“ umfas­sen soll, ist noch zu wenig dar­auf­hin fokus­siert, was an die­sen Ope­ra­tio­nen spe­zi­fisch his­to­risch sein soll.

Es fällt über­haupt auf, dass nur die ers­te der Kern­kom­pe­ten­zen das Attri­but “his­to­risch“ trägt. Wenn damit aus­ge­sagt sein soll, dass die ande­ren bei­den (Dar­stel­lung und Wis­sens­ma­nage­ment) nur eine fach­spe­zi­fi­sche Anwen­dung all­ge­mei­ner, d.h. fach­über­grei­fen­der Kom­pe­ten­zen sein sol­le, dann ist nicht nach­zu­voll­zie­hen, dass das nar­ra­ti­ve Ele­ment der Dar­stel­lungs­kom­pe­tenz gera­de in die­sem fachun­spe­zi­fi­schen zwei­ten Teil­be­reich unter­ge­bracht ist. Nar­ra­ti­vi­tät als das zen­tra­le Prin­zip des his­to­ri­schen Den­kens bezeich­net etwa ande­res als nur eine adres­sa­ten­ge­rech­te Gestal­tung eines Sach­ver­hal­tes. Die nar­ra­ti­ve, d.h. Zeit­ver­hält­nis­se sprach­lich aus­drü­cken­de Gestal­tung ist es, was eine sinn­vol­le his­to­ri­sche Dar­stel­lung aus­macht. Sie kon­sti­tu­iert die Re-Kon­struk­ti­on. Es ist daher sehr zu emp­feh­len, min­des­tens auch die zwei­te Kern­kom­pe­tenz mit dem Attri­but „his­to­risch“ zu ver­se­hen, und sowohl die ers­te Anfor­de­rung als auch den begriff „Re-Kon­struk­ti­on“ in die­ser unterzubringen.

Der drit­te Kom­pe­tenz­be­reich die­ses Modells lau­tet „Urteils­kom­pe­tenz“. Der Rah­men­plan folgt damit einer in bereits eini­gen ande­ren Lehr­plä­nen sowie in der Geschichts- und Poli­tik­di­dak­tik übli­chen Anfor­de­rungs­mo­dell. Die­ser Kom­pe­tenz­be­reich umfasst gemäß dem Ham­bur­ger Rah­men­plan die Kern­kom­pe­ten­zen „Sach­ur­tei­le“ und „Wert­ur­tei­le“ (hier lei­der inkon­se­quen­ter­wei­se ohne „Kom­pe­tenz“ for­mu­liert) und greift somit die älte­re, in der Geschichts- und Poli­tik­di­dak­tik inzwi­schen ein­ge­bür­ger­te Unter­schei­dung auf, die Karl-Ernst Jeis­mann ein­ge­führt hat. 45 Aller­dings besteht bei der Bestim­mung des his­to­ri­schen Urtei­lens als eines eigen­stän­di­gen Kom­pe­tenz­be­reichs die Pro­ble­ma­tik, dass his­to­ri­sche Urtei­le anders als in nar­ra­ti­ver Form nicht zu haben sind. Ent­we­der geht es dar­um, bestehen­de his­to­ri­sche Aus­sa­gen als sol­che zu beur­tei­len – dann fällt die Urteils­kom­pe­tenz weit­ge­hend mit der De-Kon­struk­ti­ons­kom­pe­tenz zusam­men, näm­lich mit der Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft, vor­lie­gen­de his­to­ri­sche (also nar­ra­ti­ve) Aus­sa­gen auf ihre Kon­struk­ti­ons­prin­zi­pi­en hin zu ana­ly­sie­ren (Sach­ur­teil) und hin­sicht­lich ihrer Trif­tig­keit zu bewer­ten (Wert­ur­teil). Geht es hin­ge­gen dar­um, selbst ein Sach- und ein Wert­ur­teil über einen his­to­ri­schen Zusam­men­hang zu fäl­len, dann kann ein sol­ches Urteil nur in Form einer empi­risch und nar­ra­tiv sowie nor­ma­tiv trif­ti­gen his­to­ri­schen Aus­sa­ge erfol­gen, womit die Urteils­kom­pe­tenz wei­te­ste­ge­hend mit der Re-Kon­struk­ti­ons­kom­pe­tenz zusam­men­fällt. Das wird auch an den kon­kre­ten Anfor­de­run­gen deut­lich, die der Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurf unter die­sem Kom­pe­tenz­be­reich sub­sum­miert: Unter „Sach­ur­tei­le“ wird gefor­dert, „his­to­ri­sche Ereig­nis­se und Pro­zes­se im Hin­blick auf Anläs­se, Ursa­chen und Fol­gen beur­tei­len“, „Hand­lun­gen his­to­ri­scher Akteu­re im Rah­men der Maß­stä­be ihrer Zeit deu­ten“, „Hypo­the­sen über Phä­no­me­ne der Ver­gan­gen­heit über­prü­fen und kon­tra­fak­tisch argu­men­tie­ren“. Abge­se­hen davon, dass die letz­te Anfor­de­rung, das kon­tra­fak­ti­sche Argu­men­tie­ren, min­des­tens einen eige­nen Spie­gel­strich benö­tigt, weil es eine Anfor­de­rung ganz eige­ner Art dar­stellt, kann gesagt wer­den, dass alle die­se Anfor­de­run­gen nur durch die Her­stel­lung eige­ner Nar­ra­tio­nen bzw. die Ana­ly­se bestehen­der (hier bei Hypo­the­sen) zu erfül­len sind. Die­se Nar­ra­tio­nen betref­fen dann Zusam­men­hän­ge dia­chro­ner (etwa Ursa­che-Wir­kung) wie auch syn­chro­ner Art (etwa zeit­ge­bun­de­ne Hand­lungs­lo­gi­ken und Hand­lun­gen zusam­men­den­ken). Ähn­lich gilt für die gefor­der­ten Wer­tungs­pro­zes­se, dass sie nur durch einen zeit­lich den­ken­den Zusam­men­hang zur eige­nen Zeit und zum eige­nen, heu­ti­gen Wert­ho­ri­zont, also durch Her­stel­lung eines Gegen­warts­be­zu­ges, denk­bar sind. Die Iso­lie­rung der Urteils­kom­pe­tenz von den Metho­den­kom­pe­ten­zen, in denen die Nar­ra­ti­vi­tät gefor­dert ist, stellt also einen Kate­go­rien­feh­ler dar.
Ins­ge­samt ergibt sich eine erfreu­lich kon­se­quen­te Ori­en­tie­rung der Ziel­vor­ga­ben für Geschichts­un­ter­richt an den von Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu erwer­ben­den bzw. aus­zu­bau­en­den und zu ver­fei­nern­den, auf ande­re lebens­welt­lich begeg­nen­de Gegen­stän­de über­trag­ba­re Fähig­kei­ten. Die­se Kom­pe­ten­zen zie­len sinn­vol­ler­wei­se auf das Bewäh­rungs­feld „Leben“ und „All­tag“ und nicht – wie etwa vie­le der in den Bil­dungs­stan­dards Geschich­te des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des auf­ge­führ­ten – wie­der­um nur auf das Bewäh­rungs­feld Schule.

Grundsätze der Leistungsbewertung

Bil­dungs­zie­le und Grund­sät­ze der Leis­tungs­be­wer­tung müs­sen in allen didak­ti­schen Kon­zep­ten in einem ver­nünf­ti­gen Ver­hält­nis zuein­an­der ste­hen. Das bedeu­tet nicht, dass der Leis­tungs­be­ur­tei­lung einer­seits ein­zig und allein die als Bil­dungs­zie­le ange­führ­ten Merk­ma­le zu Grun­de gelegt wer­den dür­fen, noch dass die gan­ze Brei­te der Zie­le der Beur­tei­lung unter­wor­fen wer­den müs­sen, viel­leicht auch gar nicht dür­fen. Letz­te­res wird vor allem dort deut­lich, wo ein bestimm­tes Ver­hal­ten ange­strebt wird, sei­ne Über­prü­fung aber inner­halb des Sys­tems Schu­le nicht mög­lich ist, oder aber nicht ohne Ver­ge­wal­ti­gung der Frei­heit des Schü­lers mög­lich wäre, und wo das Urteil über das Kön­nen hin­aus die Per­sön­lich­keit des Ler­nen­den betref­fen wür­de. Ein Bei­spiel dafür betrifft die Ziel­di­men­sio­nen poli­ti­sche Bil­dung. Dass alle Schü­le­rin­nen und Schü­ler min­des­tens „urteils­fä­hi­ge Zuschau­er“, nach Mög­lich­keit aber „inter­ven­ti­ons­fä­hig“ und im Ide­al­fall „Aktiv­bür­ger“ wer­den sol­le, darf als Ziel auch in Richt­li­ni­en fest­ge­schrie­ben wer­den, ent­zieht sich aber letzt­lich einer Über­prü­fung. Anders­her­um ist es durch­aus legi­tim, auch sol­che Aspek­te in die Beur­tei­lung ein­zu­be­zie­hen, die nicht als Zie­le fir­mie­ren. Dies betrifft etwa die jewei­li­ge Aus­gangs­la­ge einer Lern­ent­wick­lung und die ein­ge­setz­te Lern­ener­gie. Nur im Ver­hält­nis zu ihnen lässt sich ein bestimm­ter Wissens‑, Kön­nens- oder eben Kom­pe­tenz­stand als „Leis­tung“ begrei­fen. Leis­tungs­be­wer­tung, wie sie im Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurf heißt, besteht aus einer Kom­bi­na­ti­on von päd­ago­gi­schem (nicht his­to­ri­schem) Sach- und Wert­ur­teil: Auf eine sach­be­zo­ge­ne Fest­stel­lung folgt eine norm­be­zo­ge­ne Wertung.
Rah­men­plä­ne müs­sen Anga­ben dar­über ent­hal­ten, unter wel­chen Umstän­den eine Per­for­manz eines Schü­lers (sei es im Unter­richt oder in einem Pro­dukt) als Aus­weis eines für die Zuer­ken­nung einer bestimm­ten Leis­tung hin­rei­chen­des Kom­pe­tenz­ni­veaus gel­ten kann. Nun ist die Erar­bei­tung von trag­ba­ren und pra­xis­fä­hi­gen Kri­te­ri­en für die Unter­schei­dung von Kom­pe­tenz­ni­veaus, die ihrer­seits als Kri­te­ri­en für eine Kom­pe­tenz­dia­gnos­tik, und dar­auf auf­bau­end für eine ergeb­nis­ori­en­tier­te Leis­tungs­be­wer­tung die­nen könn­ten, in der gesam­ten Debat­te um Kom­pe­ten­zen unter­ent­wi­ckelt. Ledig­lich unser FUER-Kom­pe­tenz­mo­dell „His­to­ri­sches Den­ken“ weist hier­für ein Kon­zept aus. 46 Richt­li­ni­en für die Sekun­dar­stu­fe I soll­ten in die­sem Sin­ne Anga­ben dar­über enthalten,

  • in wel­cher Hin­sicht und zu wel­chen Zei­ten die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in wel­chen Kom­pe­tenz­be­rei­chen das inter­me­diä­re Niveau erreicht haben soll­ten, d.h. wel­che kon­ven­tio­nel­len Begrif­fe und Ver­fah­ren sie der­art ver­fü­gen sol­len, dass sie 
    • sie erläu­tern kön­nen, und
    • sie beim eige­nen his­to­ri­schen Den­ken (nicht nur bei der Abar­bei­tung klein­schrit­ti­ger Auf­ga­ben) sinn­voll und kor­rekt nutzen,
  • in wel­chen Kom­pe­tenz­be­rei­chen bzw. Kern- oder Teil­kom­pe­ten­zen und inwie­weit die Schü­le­rin­nen und Schü­ler zum Ende der Sekun­dar­stu­fe I das inter­me­diä­re Niveau bereits in Rich­tung auf ein ela­bo­rier­tes, refle­xi­ves Niveau über­schrit­ten haben soll­ten, etwa indem sie 
    • kon­ven­tio­nel­le Begrif­fe nicht nur erläu­tern und anwen­den, son­dern reflek­tie­ren und dis­ku­tie­ren können,
    • eigen­stän­dig über die Sinn­haf­tig­keit eines Ver­fah­rens über eine kom­ple­xe­re eige­ne Auf­ga­be und über etwa­ige Varia­tio­nen der­sel­ben nach­den­ken und ent­schei­den, und die­se begrün­den kön­nen. 47

Der­ar­ti­ge Fest­le­gun­gen zu bestimm­ten Zei­ten im Rah­men eines geplan­ten Bil­dungs­gan­ges zu errei­chen­der Kom­pe­tenz­ni­veaus haben den Cha­rak­ter von Bil­dungs­stan­dards. Sie kön­nen nicht von der Didak­tik gesetzt wer­den, weil sie zum einen die Berück­sich­ti­gung nicht oder nicht kurz­fris­tig zu ändern­der anthro­po­lo­gi­scher und sozia­ler sowie die staat­li­che Siche­rung insti­tu­tio­nel­ler Rah­men­be­din­gun­gen („oppor­tu­ni­ty-to-learn-stan­dards“) erfor­dern. Sie kön­nen aber auch nicht ohne eine didak­tisch sinn­vol­le Grund­la­ge im Sin­ne von (mög­lichst empi­risch vali­dier­ten) Kom­pe­tenz­mo­del­len erfolgen.
Ein der­ar­ti­ges Kon­zept ist zunächst nur zur Kom­pe­tenz­dia­gnos­tik geeig­net, d.h. zur Fest­stel­lung vor­lie­gen­der Kom­pe­tenz­ni­veaus im Sin­ne eines Sach­ur­teils. Grund­sät­ze für die Leis­tungs­be­wer­tung müs­sen dar­über hin­aus Anga­ben dazu machen, ob bzw. inwie­fern der Bewer­tung ledig­lich das am Ende eines Lern­zeit­raums bzw. zu einem bestimm­ten Prü­fungs­zeit­raum dia­gnos­ti­zier­te Kom­pe­tenz­ni­veau zu Grun­de gelegt wer­den soll (kri­te­ri­en­ori­en­tier­te Beur­tei­lung), inwie­weit die Ver­än­de­rung der Kom­pe­tenz­ni­veaus (Zuwachs oder viel­leicht auch Regres­si­on) sowie das Ver­hält­nis bei­der sowie zur jeweils ein­ge­setz­te Ener­gie („Fleiß“, Anstren­gung, ein­ge­setz­ter Auf­wand) mit ein­be­zo­gen wer­den sol­len (indi­vi­du­ums­be­zo­ge­ne Beur­tei­lung), und in wel­cher Wei­se nicht kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Kri­te­ri­en wie die unter­richt­li­che Betei­li­gung am Lern­pro­zess usw. ein­be­zo­gen wer­den sollen.
Der Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurf unter­schei­det zwi­schen „pro­zess­ori­en­tier­ter“ und „ergeb­nis­ori­en­tier­ter“ Leis­tungs­be­wer­tung (S. 15). Ers­te­re bezieht sich vor­nehm­lich auf Ver­hal­tens­wei­sen inner­halb des Unter­richts und umfasst etwa die „situa­ti­ons­ge­rech­te Ein­hal­tung der Gesprächs­re­geln“ und „Initia­ti­ven und Impul­se“ für das gemein­sa­me Vor­ge­hen bei Grup­pen­ar­bei­ten, aber auch die Zeit­pla­nung und „Arbeits­öko­no­mie“, letz­te­re auf die Ergeb­nis­se eines Lern­pro­zes­ses, etwa im Rah­men von Pro­duk­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Hier wer­den Rea­der, Aus­stel­lungs­bei­trä­ge, Prä­sen­ta­tio­nen, aber auch pro­zess­be­glei­tend ent­ste­hen­de Pro­duk­te wie Lern­ta­ge­bü­cher und Arbeits­pro­zess­be­rich­te erwähnt, wie auch schrift­li­che Lern­erfolgs­kon­trol­len. Die kon­kre­ten Anga­ben zu Bewer­tungs­kri­te­ri­en im Rah­men­plan­ent­wurf lie­gen quer zur genann­ten Unter­schei­dung und sind an den jewei­li­gen Situa­tio­nen bzw. Pro­duk­ten ori­en­tiert. Das ist im Sin­ne der Prak­ti­ka­bi­li­tät zu begrü­ßen, bringt aber das Pro­blem mit sich, dass die Tren­nung zwi­schen Sach-(Diagnostik) und Wert­ur­teil nicht immer deut­lich wird. Die meis­ten Kri­te­ri­en sind denn auch eher Nen­nun­gen von Gesichts­punk­ten, die kei­ner­lei Hin­weis dar­auf geben, wann und inwie­fern (oder auch: mit wel­cher Gewich­tung) ein „Kri­te­ri­um“ von Bedeu­tung ist. Wich­ti­ger aller­dings ist, dass die über­wie­gen­de Anzahl der „Kri­te­ri­en“ über­haupt nicht fach­spe­zi­fisch sind, son­dern all­ge­mein, und dass die bei den Zie­len genann­ten fach­spe­zi­fi­schen Kom­pe­ten­zen hier über­haupt kei­ne Rol­le mehr spie­len. Dass die „Ein­hal­tung von Gesprächs­re­geln“, die „Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung für den eige­nen Lern­pro­zess“ und die „Kri­ti­sche Bewer­tung und Ein­ord­nung“ eige­ner Arbeits­er­geb­nis­se in die Geschichts­no­te ein­flie­ßen kön­nen und sol­len, ist ja durch­aus ein­zu­se­hen, aber dass bei letz­te­ren über­haupt nicht ange­ge­ben wird, in wel­cher Hin­sicht eine sol­che kri­ti­sche Bewer­tung zur Ver­bes­se­rung der Geschichts­no­te bei­tra­gen kann (sicher­lich nicht, wenn sie nur lau­tet: „Wir haben zu spät ange­fan­gen“, son­dern wenn dazu his­to­ri­sche Kri­te­ri­en und Kon­zep­te genutzt wer­den), und dass die weni­gen Punk­te, die als Ein­falls­to­re für fach­li­che Kri­te­ri­en gel­ten kön­nen, näm­lich „sach­li­che, begriff­li­che und sprach­li­che Kor­rekt­heit“ sowie (mit Ein­schrän­kun­gen) „Reich­hal­tig­keit und Voll­stän­dig­keit“ gera­de nicht als Kri­te­ri­um her­hal­ten kön­nen, weil sie kei­ner­lei Maß ange­ben, ist zu kri­ti­sie­ren. Hier wird näm­lich deut­lich, dass in der durch die­sen Rah­men­plan­ent­wurf ange­lei­te­ten Unter­richt letzt­lich die pro­zess­ori­en­tier­ten und all­ge­mein­di­dak­ti­schen Bewer­tungs­kri­te­ri­en weit­aus über­wie­gen, der fach­spe­zi­fi­schen Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung hin­ge­gen weit­ge­hend feh­len. Es ist daher auch nicht wei­ter mög­lich, aus den Grund­sät­zen für die Leis­tungs­be­ur­tei­lung wei­te­re Hin­wei­se auf das Kon­zept der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung abzuleiten.

Gelungene Umsetzung der Ansprüche im Stoffverteilungsplan?

Ein halb­wegs gelun­ge­nes Kom­pe­tenz­mo­dell und eine (hier lei­der nicht gege­be­ne) Aus­rich­tung der Beur­tei­lungs­grund­sät­ze auf Kom­pe­ten­zen rei­chen aber nicht aus, um von einer sinn­vol­len Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zu spre­chen. Auch kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Richt­li­ni­en müs­sen Aus­sa­gen über die unter­richt­lich zu behan­deln­den Gegen­stän­de und die For­men ihrer The­ma­ti­sie­rung machen, d.h., sie müs­sen Ele­men­te eines Kern­cur­ri­cu­lums ent­hal­ten. Es ist also auch das Kapi­tel 3.2 „Inhal­te“ des Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurfs unter die Lupe zu neh­men. Zunächst ist hier fest­zu­stel­len, dass die inhalt­li­chen Fest­le­gun­gen in die­sem Rah­men­plan­ent­wurf gegen­über dem vor­an­ge­hen­den hin­sicht­lich des Umfangs deut­lich zurück­ge­nom­men wor­den sind. Für die Klas­sen­stu­fen 6, 7/​8 und 9/​10 fin­det sich gera­de ein­mal eine A4-Sei­te in tabel­la­ri­scher Form. Sowohl die Kom­pe­tenz­theo­rie als auch das den Ham­bur­ger Bil­dungs­plä­nen (eigent­lich 48 schon der letz­ten Gene­ra­ti­on) zu Grun­de lie­gen­de Kon­zept der Schul­au­to­no­mie basie­ren auf dem Gedan­ken, dass es mög­lich sein muss, an Schu­len in unter­schied­li­chen sozia­len und kul­tu­rel­len Umfel­dern an Hand unter­schied­li­cher und somit schü­ler­ori­en­tiert vor Ort fest­zu­le­gen­der Gegen­stän­de die glei­chen Zie­le zu errei­chen. Die­se kön­nen dann nicht mehr im Sin­ne der Beherr­schung eines Kanons vor­ge­ge­be­ner Inputs, son­dern müs­sen als gegen­stands­über­grei­fend gül­ti­ge Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten for­mu­liert wer­den – eben als „Kom­pe­ten­zen“. Nicht der Umfang der inhalt­li­chen Vor­ga­ben ist daher das zen­tra­le Beur­tei­lungs­kri­te­ri­um, son­dern die Art der ver­blei­ben­den input-Vor­ga­ben und ihre Pas­sung zu den vor­ab for­mu­lier­ten Kompetenzen.
Im Vor­wort zu den tabel­la­ri­schen Auf­stel­lun­gen für die Klas­sen­stu­fen wird das Grund­kon­zept der Inhalts­fest­le­gun­gen erläu­tert. Dem­nach soll der Unter­richt Leit­fra­gen fol­gen. Damit ist grund­sätz­lich eine begrü­ßens­wer­te Vor­ent­schei­dung getrof­fen, näm­lich die Abkehr von einem Geschichts­un­ter­richts­kon­zept, dem­zu­fol­ge im Unter­richt ein­fach fer­ti­ges Wis­sen an die Schü­le­rin­nen und Schü­ler zu über­mit­teln sei. 49 Viel­mehr bezeugt die­ses Leit­fra­gen­kon­zept offen­kun­dig den Anspruch, den Unter­richt in eine Bewe­gung der gemein­sa­men Behand­lung von als offen zu behan­deln­den Pro­ble­men an, wie aus der – lei­der im päd­ago­gi­schen Indi­ka­tiv for­mu­lier­ten – Hoff­nung deut­lich wird, die­se Leit­fra­gen reg­ten die Schü­le­rin­nen und Schü­ler zum Kom­pe­tenz­er­werb an, da die­se Kom­pe­ten­zen nötig sei­en, um die Fra­gen „durch­aus auch kon­tro­vers[.]“ zu beant­wor­ten. 50
Die Vor­stel­lung, Leit­fra­gen garan­tier­ten schon eine plu­ra­le Unter­richts­kon­zep­ti­on ist jedoch irrig, wie das Bei­spiel des zwei­ten Ban­des des deutsch-fran­zö­si­schen Schul­ge­schichts­bu­ches Historie/​Geschichte zeigt, 51 in wel­chem jedes Kapi­tel mit zwei und jede Lek­ti­on in die­sem Kapi­tel mit einer Leit­fra­ge ein­ge­lei­tet wird, die oft­mals so for­mu­liert sind, dass sie gera­de nicht auf einen offe­nen Lösungs­raum, son­dern eine offen­kun­dig vor­ge­ge­be­ne „rich­ti­ge“ Lösung ver­wei­sen. 52 Es kommt also auf den Cha­rak­ter der Leit­fra­gen, wenn es dar­um geht, mit ihrer Hil­fe nicht nur – wie in Ham­burg eben­falls erwünscht – eine „Ein­gren­zung der ver­bind­li­chen Inhal­te“ und damit einen „ers­ten Ansatz zur […] The­ma­ti­sie­rung der Inhal­te“ und „die Brei­te und Tie­fe“ der Bear­bei­tung der Inhal­te durch die Schü­le­rin­nen und Schü­ler zu bie­ten, son­dern tat­säch­lich zu eigen­stän­di­ger und Kom­pe­tenz för­dern­der, weil for­dern­der Bear­bei­tung anzu­re­gen. 53
Posi­tiv her­vor­zu­he­ben ist eben­so das Bestre­ben, den Inhal­ten mit Hil­fe der Leit­fra­gen einen nicht allein natio­na­len, „son­dern euro­päi­schen Hori­zont“ zu geben. War­um die­ser nicht an wesent­li­chen Stel­len auch ein glo­ba­ler oder uni­ver­sa­ler sein soll, oder bes­ser: auch ande­re Per­spek­ti­ven, etwa von Ler­nen­den mit nicht-euro­päi­schem „Migra­ti­ons­hin­ter­grund“ gera­de­zu ein­lädt, bleibt aller­dings offen. Gera­de weil Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung auch eine Maß­nah­me ist, Geschichts­un­ter­richt als staat­li­che Ver­an­stal­tung auf die Rah­men­be­din­gun­gen und Erfor­der­nis­sen post­tra­di­tio­na­ler (GIRMES) 54 und hete­ro­ge­ner Gesell­schaf­ten aus­zu­rich­ten, oder genau­er: Zwe­cke und Zie­le staat­li­chen Geschichts­un­ter­richts von den genann­ten gegen­wär­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen her zu kon­zi­pie­ren, 55 ist eine Ein­schrän­kung des Gesichts­krei­ses der his­to­ri­schen Bil­dung auf Euro­pa und somit die Gefahr eines Ersat­zes des frü­he­ren „nati­on building“-Beitrages des Geschichts­un­ter­richts durch einen „Europe-Building“-Beitrag nicht ange­mes­sen. 56

Tabellarischer Aufbau

Zunächst ist kurz der tabel­la­ri­sche Auf­bau der Inhalts­vor­ga­ben zu skiz­zie­ren. Die Tabel­le ist in einen obe­ren und einen unte­ren Teil unter­teilt, die jeweils in drei gemein­sa­me Spal­ten unter­teilt sind. Die lin­ke Spal­te (lei­der nicht farb­lich her­vor­ge­ho­ben) hat den Cha­rak­ter einer Kopf­spal­te. Sie gibt den Anga­ben in der mitt­le­ren und der rech­ten Spal­te Über­schrif­ten, eben­so wie das lin­ke Feld der obers­ten Zei­le die im unte­ren Teil in die­ser Spal­te ste­hen­den Leit­fra­gen dem Bereich „Ver­gan­gen­heit und Geschich­te“ zuord­net. Die drei Zei­len des obe­ren Teils ent­hal­ten die Vor­ga­ben für die drei Kom­pe­tenz­be­rei­che „Ori­en­tie­rung“, „Metho­de“ und „Urteil“. Nur die Bestim­mun­gen für den ers­ten Kom­pe­tenz­be­reich „Urteil“ sind dabei noch ein­mal unter­teilt in einen Bereich der für alle drei Klas­sen­stu­fen gemein­sam „Ver­gan­gen­heit und Geschich­te“ beti­telt ist, und einen (in der Mit­te), der jeweils chro­no­lo­gisch unter­schied­lich, weit aus­grei­fen­den Zeit­räu­men gewid­met ist, wel­che der klas­si­schen, seit Cel­la­ri­us übli­chen und auch die heu­ti­ge Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on in Deutsch­land weit­aus prä­gen­den Epo­chen­ein­tei­lung der Geschichts­wis­sen­schaft nicht fol­gen, ihr aber auch nicht wider­spre­chen: „Vor- und Früh­ge­schich­te und Alter­tum“ (Klas­se 6), „Mit­tel­al­ter und Beginn der moder­nen Welt“ (7÷8) sowie „19. und 20. Jahr­hun­dert“ (9÷10). In die­ser Spal­te sind kei­ne wei­te­ren Kon­kre­ti­sie­run­gen gemacht. Sie dient offen­kun­dig als Über­schrift für die grö­ße­ren Berei­che des unte­ren Teils der Tabel­le, in wel­cher der jewei­li­gen Epo­che und dem Bereich „Ver­gan­gen­heit und Geschich­te“ zuge­ord­net kon­kre­te­re Leit­fra­gen zuge­ord­net sind – im lin­ken (inhalt­li­chen) Bereich wie­der­um für alle drei Klas­sen­stu­fen gemein­sam unter­teilt in die Berei­che „Gesell­schaft und Kul­tur“, „Poli­tik“ und „Wirt­schaft“. Die Stel­lung von „Wirt­schaft und Kul­tur“ vor „Poli­tik“ kann als ein Signal für eine zuneh­mend kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Aus­rich­tung des Geschichts­un­ter­richts ange­se­hen wer­den, und wäre im Sin­ne einer Über­win­dung der her­kömm­li­chen Domi­nanz der Poli­tik­ge­schich­te durch­aus zu begrü­ßen. Dass aller­dings wei­te­re Sek­to­ren bzw. Dimen­sio­nen his­to­ri­scher Erfah­rung feh­len, wie etwa Men­ta­li­täts­ge­schich­te, Umwelt- und Geschlech­ter­ge­schich­te, ist wie­der­um pro­ble­ma­tisch. Die für die­sen Kom­pe­tenz­be­reich „Ori­en­tie­rung“ in der unte­ren Hälf­te der Tabel­len vor­ge­ge­be­nen Leit­fra­gen sind im nächs­ten Kapi­tel ein­ge­hen­der zu unter­su­chen. Zuvor sol­len aber kurz die Vor­ga­ben für die bei­den ande­ren Kom­pe­tenz­be­rei­che (Metho­de und Urteil) skiz­ziert wer­den. Sie sind nicht wei­ter unter­teilt. Für jede Klas­sen­stu­fe wer­den hier meh­re­re stich­wort­ar­tig auf­ge­lis­te­te Kom­ple­xe zur Behand­lung vor­ge­schrie­ben. Für die Metho­den­kom­pe­tenz sind dies: 57

Kl.5/6

Kl. 7/​8

Kl. 9/​10

[1.] Quel­len- und Textgattungen [1.] ver­schie­de­ne Gen­res von Dar­stel­lun­gen und
Quellen
[1.] Infor­ma­ti­ons­ent­nah­me [2.] Recher­che [3.] fach­wis­sen­schaft­li­che Texte
[2.] Zeit­leis­te
[3.] Bil­der­schlie­ßung [4.] Bild­ana­ly­se
[4.] Text­quel­le (gelei­tet) [3.] Qel­len­ar­beit [4.] his­to­ri­sche Unter­su­chung (selbst­stän­dig)
[5.] ein­fa­che Narration [6.] Exemplifizierung/​Generalisierung [5.] kate­go­ria­ler Vergleich
[6.] Ori­en­tie­rung an Lernorten
[5.] Kar­te und Schaubild
[2.] Stand­ort­ge­bun­den­heit
[6.] Prä­sen­ta­ti­on

Tab. 4: Vor­ga­ben für den Kom­pe­tenz­be­rei­che “Metho­de”

Aus Tab. 4 geht her­vor, dass unter „Metho­den“ hier offen­kun­dig zum einen geschichts­wis­sen­schaft­li­che Arbeits­tech­ni­ken in ele­men­ta­ri­sier­ter Form gemeint sind, die aber kei­nes­wegs in einer auf das Bewäh­rungs­feld Schu­le ver­eng­ten Form for­mu­liert sind, son­dern in einer Art und Wei­se, die ein auf spä­te­re eigen­stän­di­ge Nut­zung im Bewäh­rungs­feld „Leben“ zumin­dest ermög­licht. Der Stich­wort­cha­rak­ter der Anga­ben und die feh­len­de Exem­pli­fi­zie­rung machen wei­ter­ge­hen­de Inter­pre­ta­tio­nen schwie­rig. Die tabel­la­ri­sche Zusam­men­stel­lung ver­deut­licht aber auch, dass für ein­zel­ne der Metho­den bereits so etwas wie ein Ansatz einer Lern­pro­gres­si­on 58 vor­ge­se­hen ist, die zwar nicht einem aus­ge­ar­bei­te­ten Kon­zept von Kom­pe­tenz­ni­veau-Unter­schei­dun­gen folgt, aber zum einen in der Erhö­hung der Selbst­stän­dig­keit im Voll­zug der Ope­ra­tio­nen (etwa: vom ein­fa­chen infor­ma­ti­ons­ent­neh­men­den Lesen über gelei­te­te Text­quel­len­in­ter­pre­ta­ti­on hin zu selbst­stän­di­ger „his­to­ri­scher Unter­su­chung“), zum ande­ren in der Erhö­hung der Dif­fe­ren­ziert­heit („Quel­len- und Text­gat­tun­gen“, dann „Gen­res“ und „fach­wis­sen­schaft­li­che Tex­te“) besteht. Für die För­de­rung der Urteils-Kom­pe­tenz wer­den eben­so stich­wort­ar­ti­ge Vor­ga­ben gemacht (vgl. Tab. 5).

Kl. 5/​6

Kl. 7/​8

Kl. 9/​10

[1.] Fra­gen [1.] Hypo­the­sen
[2.] Per­spek­tiv­wech­sel [2.] Wer­te und Interessen [2.] welt­an­schau­li­cher Gehalt
[3.] kontroverse/​perspektivische Positionen
[3.] Beschrei­bung und Deu­tung (ein­fach) [3.] Ver­gleich von Deutungen [4.] Ver­gleich von Wertungen
[4.] Wert­ur­teil (ein­fach) [5.] Beur­tei­lung ver­schie­de­ner Wertungen [5.] eige­ne Werturteile
[4.] Hand­lungs­spiel­räu­me
[1.] Begriffs­ana­ly­se
[6.] Stel­len­wert der Geschichte

Tab. 5: Vor­ga­ben für den Kom­pe­tenz­be­reich ‘Urteil’
Auch hier zeigt die tabel­la­ri­sche Zusam­men­stel­lung, dass – wie oben schon aus­ge­führt – die unter „Urteils­kom­pe­tenz“ fal­len­den Anfor­de­run­gen, bzw. Lern­ge­gen­stän­de durch­aus re- und de-kon­struk­ti­ve Ope­ra­tio­nen ver­men­gen. Gleich­zei­tig ist auch hier der Wil­le erkenn­bar, eine gere­gel­te Lern­pro­gres­si­on zu beschrei­ben, indem etwa „Beschrei­bung und Deu­tung (ein­fach)“ und Wert­ur­teil (ein­fach)“ für die Anfän­ger vor­ge­ge­ben wird, danach Aspek­te und Kom­ple­xi­tä­ten gestei­gert wer­den. Aller­dings erweist sich die­se Vor­stel­lung inso­fern als pro­ble­ma­tisch, als kei­ner­lei Hin­wei­se gege­ben wer­den, was den ein Wert­ur­teil „ein­fach“ macht, wann ein Per­spek­tiv­wech­sel in einer Art und Wei­se vor­liegt, die für die 6. Klas­se aus­reicht. Hier wären drin­gend Kon­kre­ti­sie­run­gen und Klä­run­gen wünschenswert.
Her­vor­zu­he­ben ist für die Berei­che „Metho­den­kom­pe­tenz“ und „Urteils­kom­pe­tenz“, dass hier – im Gegen­satz zur vor­her­ge­hen­den Ham­bur­ger Rah­men­plan­ge­ne­ra­ti­on – Metho­den nicht als Unter­richts­me­tho­den für die Hand des Leh­rers auf­ge­führt sind – gewis­ser­ma­ßen als Hin­wei­se zur Gestal­tung eines Unter­richts, in des­sen Zen­trum letzt­lich doch die „Ver­mitt­lung“ der „Inhal­te“ steht, son­dern dass sie selbst als Gegen­stän­de und letzt­lich Zie­le des Unter­richts fir­mie­ren, und dass sie dabei ihren Cha­rak­ter ver­än­dern zu Denk- und Arbeits­me­tho­den für die Hand der Schü­ler. Hier deu­tet sich an, dass der Gegen­stand des Geschichts­un­ter­richts nicht mehr „die Ver­gan­gen­heit“ oder die ver­meint­lich objek­tiv erkenn­ba­re und erkann­te Geschich­te sein soll, son­dern das his­to­ri­sche Den­ken als letzt­lich jedem Men­schen zur Ver­fü­gung ste­hen­de Domä­ne der Erschlie­ßung der zeit­li­chen Ver­än­der­lich­keit von Welt.

Das Leitfragenkonzept: Eine problematische Umsetzung von Geschichte als Denkfach

Her­aus­ste­chen­des Merk­mal der „Inhalts“-Tabellen des neu­en Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurfs sind die jeweils im unte­ren Teil der Tabel­len auf­ge­lis­te­ten Leit­fra­gen zu vier Berei­chen: „Gesell­schaft und Kul­tur“, „Poli­tik“, Wirt­schaft“ sowie (in der rech­ten Spal­te“ „Ver­gan­gen­heit und Geschich­te“. Die weit­aus meis­ten die­ser Fra­gen könn­ten auch in vie­len Schul­bü­chern als Leit‑, aber auch als Wie­der­ho­lungs- und Kon­troll­fra­gen erschei­nen. Bei­spie­le hier­für sind:

      • „War­um bau­ten die Ägyp­ter Pyra­mi­den?“ (Kl. 6)
      • „Wie konn­te Rom vom Dort zur Welt­macht auf­stei­gen?“ (Kl. 6)
      • „Wie leb­ten und arbei­te­ten die Men­schen im Mit­tel­al­ter auf dem Land und in der Stadt?“ (Kl. 7/​8)
      • „Wodurch brach um 1500 eine neue Zeit an?“ (Kl. 7/​8)
      • „Wor­in unter­schied sich der abso­lu­tis­ti­sche Staat von dem des Mit­tel­al­ters?“ (Kl. 7/​8)
      • „War­um fas­zi­nier­te der Natio­nal­so­zia­lis­mus so vie­le Men­schen in Deutsch­land?“ (Kl 9/​10)
      • „War­um wur­de im 19. Jahr­hun­dert die eige­ne Nati­on so wich­tig?“ (Kl 9/​10)

Eine ein­zi­ge Fra­ge besitzt einen grund­sätz­lich ande­ren Charakter:

      • „War das Mit­tel­al­ter ‘fins­ter’?“ (Kl. 7/​8)

Alle die­se Fra­gen sind in mehr­fa­cher Hin­sicht pro­ble­ma­tisch. Der ihnen zu Grun­de lie­gen­de Ansatz, durch die For­mu­lie­rung einer Fra­ge statt einer Aus­sa­ge eine Ant­wor­ten suchen­de und beur­tei­len­de Denk- (und in höhe­ren Klas­sen: For­schungs-) Bewe­gung in Gang zu set­zen, ist zunächst ein­mal als posi­tiv anzu­er­ken­nen. Lei­der hal­ten die kon­kre­ten For­mu­lie­run­gen die­ser Inten­ti­on nicht stand:
Zunächst ist der „W‑Fragen“-Charakter ein Pro­blem. Die­se Art der For­mu­lie­rung von Pro­blem­stel­lun­gen offen­bart – ganz im Gegen­satz zur vor­ab geäu­ßer­ten Inten­ti­on – gera­de nicht die „Brei­te und Tie­fe, in der die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die […] The­men bear­bei­ten“ sol­len. 59 Viel­mehr ermög­li­chen gera­de W‑Fragen oft­mals Kür­zest-Ant­wor­ten. Das Extrem­bei­spiel hier­für ist die in ande­rer Hin­sicht inter­es­san­tes­te Leit­fra­ge, näm­lich die­je­ni­ge nach der Deu­tung des Mit­tel­al­ters. Auf die For­mu­lie­rung „War das Mit­tel­al­ter ‘fins­ter’?“ Lässt sich for­mal hin­rei­chend mit „nein“ oder einem „ja, nachts“ ant­wor­ten. Das ist aber nicht gemeint. Eben­so ermög­licht die Fra­ge­stel­lung durch­aus das, was mit ihr inten­diert ist, näm­lich eine ein­ge­hen­de Beschäf­ti­gung mit Mit­tel­al­ter-Deu­tun­gen und Kon­zep­ten, mit neu­zeit­li­chen Abgren­zun­gen gegen­über die­ser mitt­le­ren Zeit, mit roman­tisch-posi­ti­ven Ver­klä­run­gen wie mit auf­klä­re­ri­scher oder im enge­ren Sin­ne moder­ner Über­heb­lich­keit, 60 mit den „Gefah­ren des Mit­tel­al­ter­be­griffs“ 61 und mit ande­ren heu­ti­gen Deu­tun­gen die­ser Zeit 62 – aber sie erfor­dert es nicht. Leh­re­rin­nen und Leh­rer, die ein mehr oder weni­ger roman­ti­sches Mit­tel­al­ter­bild haben, kön­nen unter die­ser Fra­ge­stel­lung eben­so ihre Ver­klä­rung ver­brei­ten, d.h. auf ein „ja“ hin unter­rich­ten, wie Moder­nis­ten und Fort­schritts­be­geis­ter­te das Mit­tel­al­ter als zwar nicht „fins­ter“ im Wort­sin­ne, aber doch rück­stän­dig dar­stel­len kön­nen. Eine The­ma­ti­sie­rung meh­re­rer ver­schie­de­ner Mit­tel­al­ter-Deu­tun­gen (mög­lichst weit über die Dicho­to­mie hin­aus), ihrer Ursa­chen, Deu­tungs­mus­ter, ihrer Attrak­ti­vi­tät und ihrer Funk­tio­nen für die heu­ti­ge Welt, wird hier gera­de nicht gefor­dert. Genau dies aber wäre zu for­dern: Wer „Kom­pe­ten­zen“ för­dern will, die sich in der Lebens­welt bewäh­ren, muss auch die Fähig­keit för­dern, mit den in der Geschichts­kul­tur viru­len­ten Deu­tun­gen ver­gan­ge­ner Zei­ten und ihrer gegen­wär­ti­gen Bedeu­tung umzu­ge­hen, d.h. sie zu ken­nen, sie zu „durch­schau­en“, sie für die eige­ne Ori­en­tie­rung nut­zen zu kön­nen. Die Leit­fra­ge darf also nicht lau­ten: „War das Mit­tel­al­ter ‘fins­ter’?“ son­dern müss­ten min­des­tens die Form annehmen:
„War­um galt und gilt das ‘Mit­tel­al­ter’ eini­gen Men­schen als ‘fins­ter’ und ande­ren nicht, für wen gilt das – und was bedeu­tet dies für uns?“
Bes­ser noch wäre es aber wohl, das Leit­fra­gen­kon­zept auf die­ser Ebe­ne auf­zu­ge­ben, und deut­li­cher vor­zu­ge­ben, was in wel­cher Hin­sicht the­ma­ti­siert wer­den soll. Wer Lehr­plä­ne macht, muss ihrer Text­gat­tung und Funk­ti­on gerecht wer­den. Sie die­nen nicht allein der Denkan­re­gung (wenn sie die­se Funk­ti­on auch haben, ist es gut), son­dern haben die bei­den ele­men­ta­re und zuein­an­der in einem gewis­sen Span­nungs­ver­hält­nis ste­hen­den Auf­ga­ben der Inno­va­ti­on und der Stan­dar­di­sie­rung der unter­richt­li­chen Inhal­te 63 (cur­ri­cu­la­rer Aspekt) und der Ein­for­de­rung unter­richt­li­cher Qua­li­tät. Bil­dungs- und Rah­men­plä­ne sind ver­wal­tungs­tech­nisch Vor­schrif­ten, sie soll­ten daher auch die­sen Cha­rak­ter haben (sowohl um ihre Funk­ti­on zu erfül­len, aber auch um kei­ner Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on Vor­schub zu leisten).
Das bedeu­tet ja nicht, dass das, was in sol­chen Bil­dungs- und Rahen­plä­nen ver­bind­lich oder fakul­ta­tiv vor­ge­schrie­ben wird, nicht modern und kom­pe­tenz­ori­en­tiert sein kann oder soll­te. Viel­mehr soll­te, wenn ein kom­pe­tenz­ori­en­tier­tes Ziel­sys­tem auf­ge­baut ist, auch die Input-Sei­te so for­mu­liert wer­den, dass sie die­ses befördert.
Dem­nach wäre das eben dis­ku­tier­te Bei­spiel in etwa so zu formulieren:
‘Mittelalter’-Bilder und ‘Mittelalter’-Deutungen in Geschichts­wis­sen­schaft und Öffent­lich­keit (Geschichts­kul­tur). Meh­re­re his­to­ri­sche posi­tiv (Roman­tik, Reichs­idee) wie nega­tiv kon­no­tier­te ‘Mittelalter’-Konzepte (Auf­klä­rung, Moder­ne) sowie gegen­wär­ti­ge Bezug­nah­men auf das ‘Mit­tel­al­ter’ in Ent­ste­hung, Deu­tungs-Cha­rak­ter und Ori­en­tie­rungs­wert. Ent­ste­hung und Ent­wick­lung des ‘Mittelalter’-Begriffs samt sei­ner Pro­ble­ma­tik und Leis­tung; Ver­gleich mit ande­ren Epo­chen-Defi­ni­tio­nen in ande­ren Kul­tu­ren. Befra­gung fami­liä­ren und Unter­su­chung media­len Umfelds nach ‘Mittelalter’-Begriffen und Wer­tun­gen; Unter­su­chung älte­rer und aktu­el­ler Schul­bü­cher. usw.
Die Mit­tel­al­ter-Fra­ge war aber zunächst nur als ein Bei­spiel für eine grund­sätz­li­che­re Pro­ble­ma­tik der W‑Fra­gen-Cha­rak­te­ris­tik ange­spro­chen wor­den. Nicht nur sie, son­dern auch ande­re der Leit­fra­gen bezeich­nen gera­de nicht den Umfang der Bear­bei­tung. So kann etwa auch die Fra­ge „Wel­che Vor­tei­le erga­ben sich für die Men­schen aus der Sess­haf­tig­keit“ (Kl. 6) letzt­lich hin­rei­chend mit einer Auf­zäh­lung ohne jeg­li­che Begrün­dung bear­bei­tet wer­den. Damit aber ist das Anreiz­pul­ver die­ser Leit­fra­gen­struk­tur voll­stän­dig ver­schos­sen. Einer kom­pe­tenz­för­de­rung ist sie dann nicht mehr dien­lich. Der eigent­li­che Clou läge doch dar­in, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht nur ler­nen, auf der Basis eige­ner Phan­ta­sie (für die­se Zeit haben wir kei­ne schrift­li­chen Quel­len, die uns eine zeit­ge­nös­si­sche Sicht gäben) oder Schluss­kraft (etwa aus archäo­lo­gi­schen Befun­den) „Vor- und Nach­tei­le“ zu fin­den, son­dern dass sie die die­ser Fra­ge­stel­lung inne­woh­nen­de Deu­tung selbst reflek­tie­ren ler­nen (dazu unten). Das glei­che gilt für alle Leit­fra­gen, die mit „wel­che“ begin­nen, aber auch für die Fra­gen nach dem „wie“ eines his­to­ri­schen Zustan­des, nach „wor­an“ und „wor­in“.
Das drit­te Pro­blem die­ser Fra­ge­form ist, dass sie den Schü­le­rin­nen und Schü­lern nicht ein offe­nes, unge­klär­tes Pro­blem vor­stel­len, das „durch­aus auch kon­tro­ver­se Beant­wor­tung“ ver­trägt, son­dern dass sie (zu Recht oder Unrecht) den Ein­druck erwe­cken, dass es bereits eine hin­rei­chen­de und rich­ti­ge Lösung gibt, die nur zu fin­den und mög­lichst umfas­send und wohl auch ele­gant zu for­mu­lie­ren sei. Gera­de die „War­um“ und die „Worin“-Fragen, aber auch die nach „dem“ Leben der rei­chen und armen Römer, nach den Auf­ga­ben des Pha­rao etc. sug­ge­rie­ren einen geschlos­se­nen Lösungs­raum. Sie prä­sen­tie­ren den Schü­le­rin­nen und Schü­lern gera­de nicht ein Pro­blem, sie sind ihrer Form nach kei­ne „ech­ten“ Fragen.
In Schul­bü­chern mag dies nach der Prä­sen­ta­ti­on und Bear­bei­tung von Mate­ria­li­en noch zuläs­sig und prag­ma­tisch sein im Sin­ne einer Selbst­kon­trol­le. Auch dann leis­te­te es einem objek­ti­vis­ti­schen Geschichts­ver­ständ­nis Vor­schub und kei­ner Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung, hier aber, als Vor­ga­be für die Gestal­tung des Geschichts­un­ter­richt in den Richt­li­ni­en, ist es gera­de­zu fatal für eine Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Sinn­vol­ler wäre auch hier wie­der die Aner­ken­nung des prä­skrip­ti­ven Cha­rak­ters von Richt­li­ni­en und die Aus­for­mu­lie­rung der Vor­ga­be der­art, dass sie die Lehr­kräf­te ver­pflich­tet, die ihnen bereits hin­läng­lich bekann­ten Zusam­men­hän­ge, auf die die­se Leit­fra­gen zie­len, in Erkennt­nis- und For­schungs­pro­ble­me zurück zuver­wan­deln. Ganz ähn­lich, wie es in den Zei­ten der heut­zu­ta­ge berüch­tig­ten Leh­rer­er­zäh­lung als Königs­me­tho­de des Geschichts­un­ter­richts zum Stan­dard­re­per­toire des Geschichts­leh­rers gehör­te, struk­tur­ge­schicht­li­che „Durch­brü­che“ der geschicht­li­chen Ent­wick­lung durch novel­len­för­mi­ge Gestal­tung mit Dra­ma­ti­sie­rung, Kos­tü­mie­rung, Loka­li­sie­rung und Moti­vie­rung in das den Schü­le­rin­nen und Schü­lern span­nend vor­führ­ba­re Werk eines (zumeist) weit­sich­tig (manch­mal auch tra­gisch) han­deln­den Men­schen „zurück­zu­ver­wan­deln“, so muss es zum Hand­werks­zeug eines kom­pe­tenz­ori­en­tiert unter­rich­ten­den Leh­rers gehö­ren, his­to­ri­sche Erkennt­nis­se so in Erkennt­nis­pro­ble­me zurück­zu­ver­wan­deln, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sie nicht ein­fach im Sin­ne ent­de­cken­den Ler­nens gelei­tet „nach­ent­de­cken“ (ohne eine Alter­na­ti­ve zur „rich­ti­gen“ Erkennt­nis zu haben), son­dern dass sie gleich­zei­tig ihr eige­nes Den­ken, sei­ne Ope­ra­tio­nen und Denk- und Werk­zeu­ge wahr­neh­men und reflek­tie­ren ler­nen. Die­se Anfor­de­rung an den Unter­richt aber müss­te in den Rah­men­plä­nen auf­ge­lis­tet sein.
Dass oben in der Skiz­ze einer Alter­na­tiv-For­mu­lie­rung zur Mit­tel­al­ter-For­mu­lie­rung das Wort „Mit­tel­al­ter“ in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt ist (wie im Ori­gi­nal nur das ‘fins­ter’) ver­weist schließ­lich auf ein vier­tes, bereits ange­klun­ge­nes Pro­blem aller die­ser der Leit­fra­gen: Indem sie ein „Pro­blem“ (das oft­mals kei­nes ist) zur Dis­kus­si­on bzw, unter­richt­li­chen Unter­su­chung stel­len wol­len, set­zen sie ande­re, eben­so dis­kus­si­ons­wür­di­ge Hypo­the­sen und Zusam­men­hän­ge vor­aus, ent­zie­hen die­se aller­dings weit­ge­hend der Dis­kus­si­on (hier ist der admi­nis­tra­tiv-vor­ge­ben­de Cha­rak­ter der Text­gat­tung in ande­rer Hin­sicht zu beden­ken). Beim eben dis­ku­tier­ten Bei­spiel ist es die Exis­tenz des Mit­tel­al­ters. Es mag das abge­dro­schens­te Bei­spiel für die Not­wen­dig­keit einer refle­xi­ven Ver­fü­gung über his­to­ri­sche Begrif­fe sein – das Aus­maß der Kon­stru­iert­heit und der durch­aus nicht in der Sache, son­dern im Kon­strukt lie­gen­den Kon­no­ta­tio­nen ist nur weni­gen bewusst.
Gera­de für die post­tra­di­tio­na­le und hete­ro­ge­ne Gesell­schaft aber gilt, dass die Exis­tenz eines „Mit­tel­al­ters“ nicht ein­fach als gege­ben ange­se­hen wer­den darf, denn sei­ne Defi­ni­ti­on ver­dankt sich zutiefst euro­päi­scher Geis­tes­hal­tung und ‑geschich­te (und auch inner­halb Euro­pas höchst unein­heit­lich). 64 Das glei­che gilt aber auch für eine gan­ze Rei­he der übri­gen Leitfragen:
Ist es gerecht­fer­tigt zu sagen, dass „um 1500” wirk­lich „eine neue Zeit“ anbrach (Kl. 7/​8)? Konn­te man das damals mer­ken – oder stellt sich die­se „neue Zeit“ nicht erst in der Retro­spek­ti­ve, und das heißt: unter den Gesichts­punk­ten die­ser spä­te­ren Zeit als „neu“ heraus?
Hat­te die „Demo­kra­tie in Athen gegen­über einer Mon­ar­chie wie z.B. in Ägyp­ten“ wirk­lich „Vor­tei­le“? Zunächst: Geht es hier um ein Sach­ur­teil aus zeit­ge­nös­si­scher Per­spek­ti­ve („inwie­fern war die athe­ni­sche Demo­kra­tie der ägyp­ti­schen Mon­ar­chie über­le­gen“) oder um eine Wert­ur­teil, in das zeit­ge­nös­si­sche (evtl.: Fle­xi­bi­li­tät, Zufrie­den­heit der „Bür­ger“ gegen­über „Unter­ta­nen“) und aktu­el­le Hal­tun­gen (Frei­heit, Mit­be­stim­mung) ein­ge­hen sol­len? Aber stimmt die ent­hal­te­ne Aus­sa­ge denn über­haupt, dass die Demo­kra­tie (nur die in Athen – oder die Demo­kra­tie über­haupt?) „Vor­tei­le“ hat­te gegen­über jeder Mon­ar­chie (immer­hin ist hier „wie z.B.“ for­mu­liert)? Für wen waren es denn Vor­tei­le? Bedarf es zur Bear­bei­tung die­ser Fra­ge nicht einer ein­ge­hen­den Defi­ni­ti­on von Demo­kra­tie (samt den Unter­schie­den zwi­schen Anti­ker und moder­ner Demo­kra­tie), einer Refle­xi­on dar­auf, wes­sen Vor­tei­le eigent­lich gemeint sein könn­ten etc.

Fazit

Ins­ge­samt kann dem Ham­bur­ger Rah­men­plan­ent­wurf also beschei­nigt wer­den, dass er sei­nen eige­nen hohen Anspruch der Kom­pe­tenz­för­de­rung und pro­blem­ori­en­tie­rung durch zu gro­ße Offen­heit und somit Unver­bind­lich­keit der vor­ge­schrie­be­nen Leit­fra­gen hin­sicht­lich der Bear­bei­tungs­for­men und Ver­ar­bei­tungs­tie­fe einer­seits und die in ihnen oft ver­steckt vor­ge­ge­be­nen Deu­tun­gen ande­rer­seits nicht ein­löst. Hier ist drin­gend zu raten, inhalt­lich-deu­tend offe­ner, hin­sicht­lich der Ansprü­che aber geschlos­se­ner zu for­mu­lie­ren. Ein mög­li­cher Weg besteht dar­in, die in vie­len Leit­fra­gen ent­hal­te­nen Deu­tun­gen expli­zit als The­sen und Theo­rien zu for­mu­lie­ren, mit ein­zel­nen ande­ren zu kon­tras­tie­ren, und eine expli­zi­te Aus­ein­an­der­set­zung mit ihnen zu for­dern. Dabei soll­ten aller­dings nicht kon­kre­te Deu­tun­gen zwin­gend vor­ge­ge­ben wer­den, son­dern die Aus­ein­an­der­set­zung mit jeweils kon­tras­tiv kon­kur­rie­ren­den Deu­tun­gen, Wer­tun­gen, Kon­zep­ten ein­ge­for­dert, und jeweils ein bis zwei Bei­spie­le als Anre­gung gege­ben werden.
Gefor­dert sind also zum Einen The­men-For­mu­lie­run­gen und ‑kon­kre­ti­sie­run­gen wie

      1. „Mit­tel­al­ter­deu­tun­gen im Widerstreit“ 
        • Die Schü­le­rin­nen ler­nen min­des­tens drei wesent­li­che und in der Geschichts­kul­tur anzu­tref­fen­de Deu­tun­gen „des“ Mit­tel­al­ters an Hand von Aus­zü­gen aus Dar­stel­lun­gen popu­lär­wis­sen­schaft­li­cher und wis­sen­schaft­li­cher Art ken­nen (etwa: „Das Mit­tel­al­ter als ‘dunk­le’ Epo­che“, Das roman­ti­sche Mit­tel­al­ter, das Mit­tel­al­ter als „Auf­bruch in die Moder­ne“). Hier­zu sol­len auch Schul­buch­tex­te aus ver­schie­de­nen Zei­ten bzw. ver­schie­de­ner Aus­rich­tung her­an­ge­zo­gen werden.
        • Sie erwer­ben Kon­zep­te und Begrif­fe, mit denen sie die­se Deu­tun­gen ver­glei­chen und auf die in sie ein­ge­gan­ge­nen Fra­ge­stel­lun­gen und Ori­en­tie­run­gen befra­gen können.
        • Ein Ver­gleich ver­schie­de­ner Abgren­zun­gen, Glie­de­run­gen und Defi­ni­tio­nen „des“ Mit­tel­al­ters in ver­schie­de­nen euro­päi­schen Geschichts­kul­tu­ren (D, GB, F, Nor­we­gen) soll zur Erkennt­nis des Kon­strukt­cha­rak­ters des Mit­tel­al­ter-Begriffs füh­ren und mit dem Erwerb die­ses kon­ven­tio­nel­len Epo­chen­kon­zepts auch des­sen Refle­xi­on einleiten.
        • Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler erwer­ben die Fähig­keit, mit Hil­fe sys­te­ma­ti­sier­ter Ver­fah­ren (= inter­me­diä­res Niveau) ein­zel­ne Aspek­te die­ser Deu­tun­gen an Bei­spie­len mit­tel­al­ter­li­cher Quel­len zu über­prü­fen bzw. zu diskutieren.
        • Im Zuge die­ser Aus­ein­an­der­set­zung mit Mit­tel­al­ter­bil­dern erwer­ben sie einen Über­blick über die übli­che Außen- und Bin­nen-Peri­odi­sie­rung „des“ Mit­tel­al­ters sowie über wesent­li­che Aspek­te mit­tel­al­ter­li­chen Lebens.
        • Sie erwer­ben dabei quel­len­kund­li­che Kon­zep­te („Über­rest“ /​ „Doku­ment“ /​ „Spur“ vs.„Tradition“ /​ „Monu­ment“ /​ „Kun­de“)
        • Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sol­len befä­higt wer­den, Aspek­te der popu­lä­ren Mit­tel­al­ter-Bil­der und ‑deu­tun­gen unter Rück­griff auf im Unter­richt erwor­be­ne Kennt­nis­se und Kon­zep­te an ihnen unbe­kann­ten popu­lä­ren Bezug­nah­men (etwa: Mit­tel­al­ter-Fil­me; ‑märk­te) zu unter­su­chen und zu reflektieren.
      • „Das Jahr 1500 – eine ‘Epo­chen­wen­de’?“
        1. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler erwer­ben an Hand (popu­lä­rer, schu­li­scher und wis­sen­schaft­li­cher) his­to­rio­gra­phi­scher Tex­te die Deu­tung der Zeit um 1500 als „Anbruch einer neu­en Zeit“ in ver­schie­de­ner Hin­sicht ken­nen, wie auch Argu­men­te, die die­se Deu­tung stüt­zen bzw. ihr widersprechen.

Schluss

Die Ana­ly­se der bei­den sich als inno­va­tiv ver­ste­hen­den Richt­li­ni­en­kon­zep­te hat erge­ben, dass Nie­der­sach­sen und Ham­burg unter der Fah­ne der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung deut­lich unter­schied­li­che, ja ein­an­der dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­te Wege gehen. Wäh­rend in Nie­der­sach­sen offen­kun­dig die metho­di­schen und refle­xi­ve Fähig­kei­ten rei­ne Addi­ti­ve blei­ben, deren Beför­de­rung inso­fern fol­gen­los blei­ben muss, als ihre Anwen­dung auf die vor­ge­ge­be­nen Deu­tun­gen nicht ein­mal im Ansatz vor­ge­se­hen ist, wird in Ham­burg die Pro­blem­ori­en­tie­rung der­art for­ciert, dass sie ohne der­ar­ti­ge Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten nicht denk­bar sind. Man könn­te auch for­mu­lie­ren, dass in Nie­der­sach­sen die for­ma­le und kate­go­ria­le Bil­dung Neben­zweck bleibt und mate­ria­le Bil­dung (lei­der in einem eng­füh­ren­den Sinn) im Zen­trum steht, wäh­rend Ham­burg die for­ma­le Bil­dung for­ciert, dabei aber auch die Ebe­ne der Kate­go­rien noch nicht erreicht. Hier droht in der Tat die Gefahr, dass die begrü­ßens­wer­te mate­ria­le und plu­ra­le Offen­heit zu Belie­big­keit wird. Es muss noch ein Weg gefun­den wer­den, der Hil­fe und Stren­ge in den for­ma­len und kate­go­ria­len Dimen­sio­nen mit der Deu­tungs­of­fen­heit ver­bin­det. Es ist zu hof­fen, dass dies gelingt.

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SCHILLING, LOTHAR (2005): „Tagungs­be­richt ‘L’ab­so­lu­tis­me – un con­cept irrem­pla­ça­ble? Der Abso­lu­tis­mus – ein uner­setz­li­ches For­schungs­kon­zept?’ 17.06.2005, Paris. In: H‑Soz-u-Kult, 26.08.2005” http://​hsoz​kult​.geschich​te​.hu​-ber​lin​.de/​t​a​g​u​n​g​s​b​e​r​i​c​h​te/ id=859 (gele­sen 7.7.2008).
SCHÖNEMANN, BERND; VOIT, HARTMUT (Hrsg.; 2007): Euro­pa in his­to­risch-didak­ti­schen Per­spek­ti­ven. 1. Aufl.; Idstein: Schulz-Kirch­ner (Schrif­ten zur Geschichts­di­dak­tik; 22).
SCHÖNER, ALEXANDER (2007): “Kom­pe­tenz­be­reich His­to­ri­sche Sach­kom­pe­ten­zen.” In: KÖRBER, ANDREAS; SCHREIBER, WALTRAUD; SCHÖNER, ALEXANDER (Hrsg.; 2007): Kom­pe­ten­zen His­to­ri­schen Den­kens. Ein Struk­tur­mo­dell als Bei­trag zur Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung in der Geschichts­di­dak­tik. 1. Aufl. Neu­ried: ars una (Kom­pe­ten­zen: Grund­la­gen – Ent­wick­lung – För­de­rung; 2), S. 265 – 314.
SCHREIBER, WALTRAUD; KÖRBER, ANDREAS; BORRIES, BODO VON; KRAMMER, REINHARD; LEUTNER-RAMME, SIBYLLA; MEBUS, SYLVIA; SCHÖNER, ALEXANDER; ZIEGLER, BÉATRICE (2006): His­to­ri­sches Den­ken. Ein Kom­pe­tenz-Struk­tur­mo­dell. Neu­ried: ars una (Kom­pe­ten­zen: Grund­la­gen – Ent­wick­lung – För­de­rung; 1).
STUPPERICH, MARTIN (2006): “Die Arbeit der Standards-Kommission(en) des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands (VGD).” In: Infor­ma­tio­nen für den Geschichts- und Gemein­schafts­kun­de­leh­rer; 72.
STUPPERICH, MARTIN (2008): „Der Modell­ent­wurf Bil­dungs­stan­dards des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands. Eine Ant­wort auf die The­sen von Karl Hein­rich Pohl.“ In: Geschich­te in Wis­sen­schaft und Unter­richt 59,11 (2008), S. 653 – 661.
VERBAND DER GESCHICHTSLEHRER DEUTSCHLAND; LV NIEDERSACHSEN (2007): Kern­cur­ri­cu­lum für das Gym­na­si­um. „Arbeits­fas­sung Novem­ber 2007”. (http://www.vgd-nds.de/docs/KCEntwurf_Geschichte_November2[1].pdf (gele­sen 7.7.2008).
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VERBAND DER GESCHICHTSLEHRER DEUTSCHLANDS; AG BILDUNGSSTANDARDS (5÷2008): „The­sen für die Son­der­ver­an­stal­tung des VGD auf dem His­to­ri­ker­tag in Dres­den.“ (http://​www​.vgd​-nds​.de/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​p​i​d​=​2​&​i​d​=​1​205; gele­sen 7. Juli 2008).

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Hin­weis: Vor Umstel­lung der Blog­farm war der Bei­trag erreich­bar unter der URL: http://​koer​ber2005​.erzwiss​.uni​-ham​burg​.de/​w​o​r​d​p​r​e​s​s​-​m​u​/​h​i​s​t​o​r​i​s​c​h​d​e​n​k​e​n​l​e​r​n​e​n​/​f​i​l​e​s​/​2​0​1​0​/​0​7​/​2​0​0​8​_​N​D​S​_​H​H​_​R​i​c​h​t​l​i​n​i​e​n​i​n​n​o​v​a​t​i​o​n​e​n​_​1​3​1​.​pdf

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Vgl. KÖRBER, ANDREAS; BORRIES, BODO VON (2008): “All­ge­mei­ne und domä­nen­spe­zi­fi­sche Kom­pe­ten­zen und Stan­dards – eine neue Run­de von Kon­flikt und Koope­ra­ti­on zwi­schen all­ge­mei­ner und Fach­di­dak­tik – am Bei­spiel „His­to­ri­sches Den­ken“.” In: HELLEKAMPS, STEPHANIE; PRENZEL, MANFRED; MEYER, MEINERT A. (Hrsg.; 2008): Alte oder neue Didak­tik? Opla­den: VS Ver­lag für Sozi­alw. (Zeit­schrift für Erzie­hungs­wis­sen­schaft. Son­der­heft 9), S. 293 – 311; KÖRBER, ANDREAS (2007): “Die Dimen­sio­nen des Kom­pe­tenz­mo­dells ”His­to­ri­sches Den­ken”.” In: KÖRBER, ANDREAS; SCHREIBER, WALTRAUD; SCHÖNER, ALEXANDER (Hrsg.; 2007): Kom­pe­ten­zen His­to­ri­schen Den­kens. Ein Struk­tur­mo­dell als Bei­trag zur Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung in der Geschichts­di­dak­tik. Neu­ried: ars una (Kom­pe­ten­zen: Grund­la­gen – Ent­wick­lung – För­de­rung; 2), S. 89 – 154; KÖRBER, ANDREAS (2007): “Eine Kom­pe­tenz zum ‘Durch­ar­bei­ten’ der Geschich­te? Eine Anfra­ge an Peter Schulz-Hage­leit.” In: MARTIN, JUDITH; HAMANN, CHRISTOPH (Hrsg.; 2007): Geschich­te – Frie­dens­ge­schich­te – Lebens­ge­schich­te. Fest­schrift für Peter Schulz-Hage­leit. Her­bolz­heim: Cen­tau­rus, S. 9 – 30; KÖRBER, ANDREAS (2008): “Kompetenz(en) zeit­ge­schicht­li­chen Den­kens.” In: BARRICELLI, MICHELE; HORNIG, JULIA (Hrsg.; 2008): Auf­klä­rung, Bil­dung, ”His­to­tain­ment”? – Zeit­ge­schich­te in Unter­richt und Gesell­schaft heu­te. Frank­furt am Main: Lang, Peter Frank­furt, S. 43 – 66; KÖRBER, ANDREAS (in Zusam­men­ar­beit mit BODO VON BORRIES, CHRISTINE PFLÜGER, WALTRAUD SCHREIBER und BÉATRICE ZIEGLER; 2008): “Sind Kom­pe­ten­zen his­to­ri­schen Den­kens mess­bar?”. In: FREDERKING, VOLKER (Hrsg.): Schwer mess­ba­re Kom­pe­ten­zen. Her­aus­for­de­run­gen empi­ri­scher Fach­di­dak­tik und unter­richt­li­cher Pra­xis. Balt­manns­wei­ler: Schnei­der, S. 65 – 84.[]
  2. Vgl. KÖRBER (2007): „Dimen­sio­nen“ (wie Anm. 1), S. 106ff.[]
  3. Die Ham­bur­ger Richt­li­ni­en sind auf­grund der in Vor­be­rei­tung befind­li­chen Schul­struk­tur­ver­än­de­run­gen Anfang des Schul­jah­res doch nicht in Kraft gesetzt wor­den.[]
  4. FREIE UND HANSESTADT HAMBURG; LANDESINSTITUT FÜR LEHRERBILDUNG UND SCHULENTWICKLUNG (2008): Bil­dungs­plan. Sekun­dar­stu­fe I für das Gym­na­si­um. Rah­men­plan Geschich­te. Arbeits­fas­sung v. 18.6.2008. Ham­burg: Behör­de für Bil­dung und Sport. Online: http://​www​.li​-ham​burg​.de/​f​i​x​/​f​i​l​e​s​/​d​o​c​/​G​e​s​c​h​i​c​h​t​e​_​1​8​_​0​6​_​0​8​_​R​P​_​G​y​_​S​e​k​_​I​.​pdf (gele­sen 5.8.2008; im Fol­ge den: HH (2008): „RP G Sek I“). In Ham­burg ist gleich­zei­tig der Ent­wurf für die Ober­stu­fe in Arbeit, wie auch der Ent­wurf für den Sach­un­ter­richt in der Grund­schu­le Hin­wei­se zum his­to­ri­schen Ler­nen ent­hält. Bei­de wer­den in die­ser Ana­ly­se nicht berück­sich­tigt. Sie erfor­dern eine eige­ne Unter­su­chung.[]
  5. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM (2008): Kern­cur­ri­cu­lum für das Gym­na­si­um. Schul­jahr­gän­ge 5 – 10. Anhör­fas­sung Janu­ar 2008: http://nline.nibis.de/cuvo/forum/upload/public/moderator­/A269mode — kcgeschichte_-anh-rfassung_januar2008_2-.pdf (gele­sen 7.7.2008; im Fol­gen­den: NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“). Vgl. dazu die „Arbeits­fas­sung Novem­ber 2007” des Geschichts­leh­rer ver­ban­des Nie­der­sach­sen unter: http://www.vgd-nds.de/docs/KCEntwurf_Geschichte_November2[1].pdf (gele­sen 7.7.2008; im Fol­gen­den: VGD-NDS (2007): „Kern­cur­ri­cu­lum-Ent­wurf“).[]
  6. Vgl. „Inzwi­schen ist beim MK eine Kom­mis­si­on zusam­men­ge­tre­ten, die die Bil­dungs­stan­dards Geschich­te des VGD für das Land Nie­der­sach­sen bear­bei­tet. Zahl­rei­che Fach­kon­fe­ren­zen der Nie­der­säch­si­schen Gym­na­si­en haben den bei­den Kom­mis­si­ons­mit­glie­dern des VGD (Dr. Sach­se und Dr. Stup­pe­rich) ihre pra­xis­be­zo­ge­nen Kom­men­ta­re und Wün­sche dazu ein­ge­reicht.“ (http://​www​.vgd​-nds​.de/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​p​i​d​=​2​&​i​d​=​981; 18.12.2007; gele­sen 7.7.2008).[]
  7. Kli­e­me, Eck­hard; Ave­na­ri­us, Her­mann; Blum, Wer­ner; Döbrich, Peter; Gru­ber, Hans; Pren­zel, Man­fred; Reiss, Katha­ri­na; Riquarts, Kurt; Rost, Jür­gen; Ten­orth, Heinz-elmar; Voll­mer, Hel­mut J. (2003): Zur Ent­wick­lung natio­na­ler Bil­dungs­stan­dards: eine Exper­ti­se. Bonn: BMBF ; S. 32.[]
  8. POHL, KARL HEINRICH (2008): „Bil­dungs­stan­dards im Fach Geschich­te. Kri­ti­sche Über­le­gun­gen zum Modell­ent­wurf des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands (VGD)“ In: Geschich­te in Wis­sen­schaft und Unter­richt 59,11 (2008), S. 647 – 652,bes. S. 649ff.[]
  9. STUPPERICH, MARTIN (2008): „Der Modell­ent­wurf Bil­dungs­stan­dards des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands. Eine Ant­wort auf die The­sen von Karl Hein­rich Pohl.“ In: Geschich­te in Wis­sen­schaft und Unter­richt 59,11 (2008), S. 653 – 661.[]
  10. KLIEME u.a (2003; wie Anm. 7), S. 21f: „Mit dem Begriff „Kom­pe­ten­zen“ ist aus­ge­drückt, dass die Bil­dungs­stan­dards – anders als Lehr­plä­ne und Rah­men­richt­li­ni­en – nicht auf Lis­ten von Lehr­stof­fen und Lern­in­hal­ten zurück­grei­fen, um Bil­dungs­zie­le zu kon­kre­ti­sie­ren. Es geht viel­mehr dar­um, Grund­di­men­sio­nen der Lern­ent­wick­lung in einem Gegen­stands­be­reich (einer „Domä­ne“, wie Wis­sens­psy­cho­lo­gen sagen, einem Lern­be­reich oder einem Fach) zu iden­ti­fi­zie­ren. Kom­pe­ten­zen spie­geln die grund­le­gen­den Hand­lungs­an­for­de­run­gen, denen Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Domä­ne aus­ge­setzt sind.“[]
  11. STUPPERICH 2008 (wie Anm. 9), S. 654.[]
  12. Zur Bedeu­tung und Rol­le von (Kern-)Curricula vgl. BORRIES, BODO VON (2007): “ ‘Kom­pe­tenz­mo­dell’ und ‘Kern­cur­ri­cu­lum’.” In: KÖRBER; SCHREIBER; SCHÖNER (Hrsg.; 2007, wie Anm. 1), S. 334 – 360.[]
  13. Vgl. VERBAND DER GESCHICHTSLEHRER DEUTSCHLANDS; AG BILDUNGSSTANDARDS (5÷2008): „The­sen für die Son­der­ver­an­stal­tung des VGD auf dem His­to­ri­ker­tag in Dres­den.“ (http://​www​.vgd​-nds​.de/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​p​i​d​=​2​&​i​d​=​1​205; gele­sen 7. Juli 2008) [im Fol­gen­den: VGD, AG BILDUNGSSTANDARDS (2008): The­sen]; The­se 3: „Geschich­te ist ein Denk­fach. Daher ist ein wich­ti­ger Schritt der Über­ar­bei­tung der Bil­dungs­stan­dards des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des die Ein­ord­nung des Abschnitts Sach­kom­pe­tenz hin­ter den Abschnitt Deu­tungs- und Refle­xi­ons­kom­pe­tenz. Damit wird ver­deut­licht, dass das Fach und die Zie­le des prak­ti­schen Unter­richts auf die Schu­lung des pro­blem­lö­sen­den Den­kens aus­zu­rich­ten sind.“[]
  14. Die­ser Teil des Anhangs fehlt in der Ver­öf­fent­li­chung des nds. Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums.[]
  15. Ich bezie­he mich hier auf das wohl ers­te „Kom­pe­tenz­mo­dell“ des Geschichts­di­dak­tik außer der Ope­ra­tio­nen­/­Di­men­sio­nen-Unter­schei­dung von Karl-Ernst Jeis­mann, näm­lich: RÜSEN, JÖRN (1992): “Das idea­le Schul­buch. Über­le­gun­gen zum Leit­me­di­um des Geschichts­un­ter­richts.” In: Inter­na­tio­na­le Schul­buch­for­schung 14; S. 237 – 250.[]
  16. Vgl. MOOS, PETER VON (1999): “Gefah­ren des Mit­tel­al­ter­be­griffs. Dia­gnos­ti­sche und prä­ven­ti­ve Aspek­te.” In: HEINZLE, JOACHIM (Hrsg.; 1999): Moder­nes Mit­tel­al­ter. Neue Bil­der einer popu­lä­ren Epo­che. Leip­zig: Insel-Verl. (insel taschen­buch; 2513), S. 31 – 63. OEXLE, OTTO GERHARD (1992): “Das ent­zwei­te Mit­tel­al­ter.” In: ALTHOFF, GERD (Hrsg.; 1992): Die Deut­schen und ihr Mit­tel­al­ter – The­men und Funk­tio­nen moder­ner Geschichts­bil­der vom Mit­tel­al­ter. Darm­stadt: Wiss. Buch­ges (Aus­bli­cke,) S. 7 – 28.[]
  17. VERBAND DER GESCHICHTSLEHRER DEUTSCHLANDS (2006): Bil­dungs­stan­dards Geschich­te. Rah­men­mo­dell Gym­na­si­um 5. – 10. Jahr­gang. Schwalbach/​Ts.: Wochen­schau-Ver­lag [im Fol­gen­den: VGD (2006): „Bil­dungs­stan­dards“]; S. 35.[]
  18. Vgl. VGD (2006): Bil­dungs­stan­dards (wie Anm. 17), S. 11: „Erschlie­ßung von Per­spek­ti­ven im ‘Denk­fach’ Geschich­te“.[]
  19. Vgl. VGD, AG BILDUNGSSTANDARDS (2008): The­sen (wie Anm. 13), The­se 3.[]
  20. Vgl. auch KÖRBER (2007): “Dimen­sio­nen“ (wie Anm. 1); KÖRBER (2007): “Durch­ar­bei­ten” (wie Anm. 1); KÖRBER (2008): “Kompetenz(en)” (wie Anm. 1).[]
  21. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“ (wie Anm. 5), S. 15. So auch bereits in VGD-NDS (2007): „Kern­cur­ri­cu­lum-Ent­wurf“, S. 16.[]
  22. Vgl. SCHÖNER, ALEXANDER (2007): “Kom­pe­tenz­be­reich His­to­ri­sche Sach­kom­pe­ten­zen.” In: KÖRBER; SCHREIBER; SCHÖNER (Hrsg.; 2007, wie Anm. 1), S. 265 – 314, bes. S. 273ff.[]
  23. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“ (wie Anm. 5), S. 15; VGD-NDS (2007): „Kern­cur­ri­cu­lum-Ent­wurf,“ S. 16.[]
  24. Vgl. etwa zur Debat­te um den Begriff „Abso­lu­tis­mus“: SCHILLING, LOTHAR (2005): „Tagungs­be­richt ‘L’ab­so­lu­tis­me – un con­cept irrem­pla­ça­ble? Der Abso­lu­tis­mus – ein uner­setz­li­ches For­schungs­kon­zept?’ 17.06.2005, Paris. In: H‑Soz-u-Kult, 26.08.2005” http://​hsoz​kult​.geschich​te​.hu​-ber​lin​.de/​t​a​g​u​n​g​s​b​e​r​i​c​h​t​e​/​i​d​=​859 (gele­sen 7.7.2008). Sie spie­gelt sich auch in der Umbe­nen­nung der neu­es­ten Auf­la­ge des ein­schlä­gi­gen Ban­des der OGG: DUCHHARDT, HEINZ (2007): Barock und Auf­klä­rung. Mün­chen: Olden­bourg (Olden­bourg Grund­riss der Geschich­te; 11); vgl. dazu die Rezen­si­on von MICHAEL KAISER in sehe­punk­te 7,12 (2007): http://​www​.sehe​punk​te​.de/​2​0​0​7​/​1​2​/​1​2​7​2​2​.​h​tml (gele­sen 7.7.2008) und die dort in Anm. 1 genann­te Lite­ra­tur.[]
  25. VGD (2006): Bil­dungs­stan­dards, S. 35f. [Herv. AK][]
  26. DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM (1994−1998) „Bil­der und Zeug­nis­se der Deut­schen Geschich­te“: „Raum 10: Der Auf­stieg Bran­den­burg-Preu­ßens“ http://​www​.dhm​.de/​a​u​s​s​t​e​l​l​u​n​g​e​n​/​b​i​l​d​z​e​u​g​/​1​0​.​h​tml (gele­sen 7.7.2008).[]
  27. Vgl. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“, S. 20 – 22 (Tabel­le S. 21f).[]
  28. Vgl. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“, S. 22: „Unter­su­chen unter Anlei­tung his­to­ri­sche Hand­lun­gen und Ereig­nis­se auf Anläs­se, Ursa­chen, Moti­ve und Fol­gen“ (Ende Kl. 6). Für das Ende Kl. 10 fällt das „unter Anlei­tung“ fort, dafür kommt ein „Beur­tei­len“ hin­zu.[]
  29. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“, S. 23.[]
  30. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“, S. 23f.[]
  31. Vgl. KÖRBER, ANDREAS (2007): „Durch­ar­bei­ten“ (wie Anm. 1), S. 15ff.[]
  32. NDS (2008): „Kern­cur­ri­cu­lum“, S. 17.[]
  33. Vgl. Gir­mes, Rena­te (1997): Sich zei­gen und die Welt zei­gen. Bil­dung und Erzie­hung in post­tra­di­tio­na­len Gesell­schaf­ten. Opla­den: Les­ke + Bud­rich.[]
  34. Ver­wen­det wird hier die Fas­sung v. 18. Juni 2008 (wie Anm. 4).[]
  35. Vgl. ins­be­son­de­re Pan­del, Hans-Jür­gen (2005): Geschichts­un­ter­richt nach PISA. Kom­pe­ten­zen, Bil­dungs­stan­dards und Kern­cur­ri­cu­la. Schwalbach/​Ts.: Wochen­schau-Ver­lag (Forum His­to­ri­sches Ler­nen); Sau­er, Micha­el (2002): “Metho­den­kom­pe­tenz als Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­ti­on. Eine neue Grund­le­gung des Geschichts­un­ter­richts?” In: Geschich­te, Poli­tik und ihre Didak­tik 30; 3/​4; S. 183 – 192; Gaut­schi, Peter (2006): “Kom­pe­tenz­mo­dell für den Geschichts­un­ter­richt.” In: Bon­ha­ge, Bar­ba­ra; Gaut­schi, Peter; Hodel, Jan; Spuh­ler, Gre­gor (Hrsg.; 2006): Hin­schau­en und Nachfragen:die Schweiz und die Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus im Licht aktu­el­ler Fra­gen. Zürich: Lehr­mit­tel­ver­lag des Kan­tons Zürich, S. 5 – 7; Gaut­schi, Peter (2007): “Geschichts­un­ter­richt erfor­schen – eine aktu­el­le Not­wen­dig­keit.” In: Gaut­schi, Peter; Moser, Dani­el V.; Reus­ser, Kurt; Wiher, Pit (Hrsg.; 2007): Geschichts­un­ter­richt heu­te. Eine empi­ri­sche Ana­ly­se aus­ge­wähl­ter Aspek­te. Bern: h.e.p. Ver­lag, S. 21 – 60.[]
  36. Bodo von Bor­ries und Andre­as Kör­ber im Rah­men von „FUER Geschichts­be­wusst­sein“: Schrei­ber, Wal­traud; Kör­ber, Andre­as; Bor­ries, Bodo von; Kram­mer, Rein­hard; Leut­ner-Ram­me, Sibyl­la; Mebus, Syl­via; Schö­ner, Alex­an­der; Zieg­ler, Béa­tri­ce (2006): His­to­ri­sches Den­ken. Ein Kom­pe­tenz-Struk­tur­mo­dell. Neu­ried: ars una (Kom­pe­ten­zen: Grund­la­gen – Ent­wick­lung – För­de­rung; 1); Kör­ber; Schrei­ber; Schö­ner (Hgg.; 2007, wie Anm. 1).[]
  37. VGD (2006, wie Anm. 13); eine Über­ar­bei­tung war für den His­to­ri­ker­tag im Herbst 2008 ange­kün­digt. Vgl. auch Stup­pe­rich, Mar­tin (2006): “Die Arbeit der Standards-Kommission(en) des Ver­ban­des der Geschichts­leh­rer Deutsch­lands (VGD).” In: Infor­ma­tio­nen für den Geschichts- und Gemein­schafts­kun­de­leh­rer; 72.[]
  38. Vgl. oben Kap. 1.[]
  39. Freie und Han­se­stadt Ham­burg; Behör­de für Bil­dung und Sport (2003): Bil­dungs­plan Neun­stufi­ges Gym­na­si­um. Sekun­dar­stu­fe I. Rah­men­plan Geschich­te. Ham­burg: Behör­de für Bil­dung und Sport . Vgl. dazu Bau­er, Jan; Mey­er-Ham­me, Johan­nes (2004): “Der Ham­bur­ger Rah­men­plan Geschich­te 2002 – Anre­gun­gen zu reflek­tier­tem und (selbst)reflexiven Geschichts­be­wusst­sein?” In: Handro, Saskia; Schö­ne­mann, Bernd (Hrsg.; 2004): Geschichts­di­dak­ti­sche Lehr­plan­for­schung: Metho­den – Ana­ly­sen – Per­spek­ti­ven. Müns­ter: Lit (Zeit­ge­schich­te – Zeit­ver­ständ­nis; 12), S. 103 – 118.[]
  40. Kli­e­me u.a (2003, wie Anm. 7), S. 21.[]
  41. Zum Kon­zept der „Ori­en­tie­rung“ vgl. auch Kör­ber (2007): „Dimen­sio­nen“ (wie Anm. 1), S. 112, 135f.[]
  42. Rüsen, Jörn (1983): His­to­ri­sche Ver­nunft. Grund­zü­ge einer His­to­rik I: Die Grund­la­gen der Geschichts­wis­sen­schaft. Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht (Klei­ne Van­den­hoeck-Rei­he; 1489).[]
  43. Eine moder­ni­sier­te Fas­sung des dies­be­züg­li­chen Pro­zess­mo­dells his­to­ri­schen Den­kens, das auf Jörn Rüsen zurück­geht, fin­det sich in Has­berg, Wolf­gang; Kör­ber, Andre­as (2003): “Geschichts­be­wusst­sein dyna­misch.” In: Kör­ber, Andre­as (Hrsg.; 2003): Geschich­te – Leben – Ler­nen. Bodo von Bor­ries zum 60. Geburts­tag. Schwalbach/​Ts.: Wochen­schau Ver­lag (Forum His­to­ri­sches Ler­nen), S. 179 – 203.[]
  44. Vgl. Schrei­ber u.a.(2006, wie Anm. 36); sowie Kör­ber (2007): „Dimen­sio­nen“ (wie Anm. 1).[]
  45. Vgl. Jeis­mann, Karl-Ernst (1978): “Grund­fra­gen des Geschichts­un­ter­richts.” In: Behr­mann, C. G.; Jeis­mann, Karl-Ernst; Süss­muth, Hans (Hrsg.; 1978): Geschich­te und Poli­tik. Didak­ti­sche Grund­le­gung eines koope­ra­ti­ven Unter­richts. Pader­born, S. 76 – 107; Jeis­mann, Karl-Ernst (1985): “ ‘Geschichts­be­wußt­sein’. Über­le­gun­gen zur zen­tra­len Kate­go­rie eines neu­en Ansat­zes der Geschichts­di­dak­tik.” In: DERS. (Hrsg.; 1985): Geschich­te als Hori­zont der Gegen­wart. Über den Zusam­men­hang von Vergangenheitsdeutung,Gegenwartsverständnis und Zukunfts­er­war­tung. Pader­born: Fer­di­nand Schö­ningh, S. 43 – 72. Jeis­mann, Karl-Ernst (2000): Geschich­te und Bil­dung: Bei­trä­ge zur Geschichts­di­dak­tik und zur his­to­ri­schen Bil­dungs­for­schung.: Schö­ningh. Vgl. auch Kay­ser, Jörg; Hage­mann, Ulrich (2005): Urteils­bil­dung im Geschichts- und Poli­tik­un­ter­richt. Bonn: BpB (The­men und Mate­ria­li­en).[]
  46. Kör­ber, Andre­as (2007): “Gra­du­ie­rung: Die Unter­schei­dung von Niveaus der Kom­pe­ten­zen his­to­ri­schen Den­kens.” In: Kör­ber; Schrei­ber; Schö­ner (Hrsg.; 2007, wie Anm. 1), S. 415 – 472.[]
  47. Dies kann etwa dann erfor­der­lich sein und per­for­ma­tiv zu beob­ach­ten sein, wenn Schü­le­rin­nen um Rah­men einer Pro­jekt­ar­beit ein zuvor „kli­nisch“ gelern­tes Ver­fah­ren der Quel­len­in­ter­pre­ta­ti­on sinn­voll und begrün­det abwan­deln, um mit einer für sie neu­en Quel­len­art umzu­ge­hen, wenn sie sen­si­bel Zeit­zeu­gen inter­view­en und dazu von einem vor­be­rei­te­ten Fra­ge­ras­ter abwei­chen und somit zu mehr Infor­ma­tio­nen gelan­gen, usw.[]
  48. De fac­to hat die letz­te Gene­ra­ti­on der Ham­bur­ger Rah­men­plä­ne eine Ver­dich­tung der Vor­ga­ben für die Unter­richts­ge­stal­tung gegen­über der vor­an­ge­hen­den Gene­ra­ti­on Lehr­plä­ne gebracht.[]
  49. Der oft gebrauch­te Begriff der „Ver­mitt­lung“ ist inso­fern miss­ver­ständ­lich, als er auch ein über­le­ge­nes, aber völ­lig ande­res Kon­zept bezeich­nen kann, näm­lich das einer ech­ten Mitt­lung zwi­schen den Schü­le­rin­nen und Schü­lern, ihrem Vor-Wis­sen und ihrem Vor-Ver­ständ­nis sowie ihren Erwar­tun­gen einer­seits, der Gesell­schaft mit ihren Kon­zep­ten, Sicht­wei­sen, Ver­fah­ren und Pro­ze­du­ren ande­rer­seits, sowie – ent­spre­chend dem „didak­ti­schen Drei­eck“ – den Struk­tu­ren der „Sache“, die aber ihrer­seits nur als die zum einen gesell­schaft­lich und zu ande­ren vom Ler­nen­den wahr­ge­nom­me­nen und kon­stru­ier­ten Eigen­schaf­ten die­ser Sache sein kön­nen.[]
  50. Vgl. HH (2008): „RP G Sek I“ (wie Anm. 4), S. 11.[]
  51. Hen­ri, Dani­el; Le Quintrec, Guil­laume; Geiss, Peter (2008): Histoire/​Geschichte. Bd.2: Euro­pa und die Welt vom Wie­ner Kon­gress bis 1945. Stutt­gart; Leip­zig: Klett.[]
  52. Vgl. dazu: Kör­ber, Andre­as (2008): “Das deutsch-fran­zö­si­sche Schul­ge­schichts­buch aus fach­di­dak­ti­scher Per­spek­ti­ve.” In: Defrance, Cori­ne; Mar­ko­witz, Rai­ner; Pfeil, Ulrich (Hrsg.; 2008): Dos­sier: Histoire/​Geschichte, Bd.2: Euro­pa und die Welt vom Wie­ner Kon­gress bis 1945. Braun­schweig: Georg-Eckert-Insti­tut (Online).[]
  53. HH (2008): „RP G Sek I“ (wie Anm. 3), S. 11.[]
  54. Vgl. Gir­mes (1997; wie Anm. 27).[]
  55. Vgl. Kör­ber, Andre­as (Hrsg.; 2001): Inter­kul­tu­rel­les Geschichts­ler­nen. Geschichts­un­ter­richt unter den Bedin­gun­gen von Ein­wan­de­rung und Glo­ba­li­sie­rung. Kon­zep­tio­nel­le Über­le­gun­gen und prak­ti­sche Ansät­ze. 1. Aufl.; Müns­ter: Wax­mann (Novem­ber­aka­de­mie; 2), dar­in: Kör­ber, Andre­as (2001): “Inter­kul­tu­rel­les Geschichts­ler­nen – eine Ein­füh­rung.”, S. 5 – 25; sowie zuletzt: Kör­ber, Andre­as; Mey­er-Ham­me, Johan­nes (2008): “Inter­kul­tu­rel­le his­to­ri­sche Kom­pe­tenz? Zum Ver­hält­nis von Inter­kul­tu­ra­li­tät und Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung beim Geschichts­ler­nen.” In: Bau­er, Jan-Patrick; Mey­er-Ham­me, Johan­nes; Kör­ber, Andre­as (Hrsg.; 2008): Geschichts­ler­nen – Inno­va­tio­nen und Refle­xio­nen. Geschichts­di­dak­tik im Span­nungs­feld von theo­re­ti­schen Zuspit­zun­gen, empi­ri­schen Erkun­dun­gen, nor­ma­ti­ven Über­le­gun­gen und prag­ma­ti­schen Wen­dun­gen – Fest­schrift für Bodo von Bor­ries zum 65. Geburts­tag. Ken­zin­gen: Cen­tar­u­rus Ver­lag (Rei­he Geschichts­wis­sen­schaft; 54), S. 307 – 334.[]
  56. Vgl. dazu die Bei­trä­ge in: Schö­ne­mann, Bernd; Voit, Hart­mut (Hrsg.; 2007): Euro­pa in his­to­risch-didak­ti­schen Per­spek­ti­ven. 1. Aufl.; Idstein: Schulz-Kirch­ner (Schrif­ten zur Geschichts­di­dak­tik; 22).[]
  57. Hier in eige­ner tabel­la­ri­scher Zusam­men­stel­lung, wel­che die Rei­hen­fol­ge etwas ändert, um Zusam­men­hän­ge zwi­schen den Klas­sen­stu­fen deut­li­cher her­aus­stel­len zu kön­nen. Die Num­me­rie­rung ist im Ori­gi­nal nicht vor­han­den und gibt die dor­ti­ge Rei­hen­fol­ge wie­der.[]
  58. Mit die­sem Begriff sei hier nicht die empi­risch nach­träg­li­che, son­dern die geplan­te Ver­än­de­rung von Wis­sens- und Fähig­keits­zu­stän­den im Rah­men inten­tio­na­ler Lern­pro­zes­se bezeich­net. Zum Pro­blem vgl. Kör­ber, Andre­as (2006): “Lern­pro­gres­si­on.” In: May­er, Ulrich; Pan­del, Hans-Jür­gen; Schnei­der, Ger­hard; Schö­ne­mann, Bernd (Hrsg.; 2006): Wör­ter­buch Geschichts­di­dak­tik. 1. Aufl.; Schwalbach/​Ts.: Wochen­schau Ver­lag, S. 119; sowie Kör­ber, Andre­as (2004): “His­to­ri­sches Den­ken als Ent­wick­lungs-Hil­fe und Ent­wick­lungs-Auf­ga­be. Über­le­gun­gen zum Geschichts­ler­nen im Bil­dungs­gang.” In: Traut­mann, Mat­thi­as (Hrsg.; 2004): Ent­wick­lungs­auf­ga­ben im Bil­dungs­gang. 1. Aufl.; Wies­ba­den: VS Ver­lag für Sozi­al­wis­sen­schaf­ten (Stu­di­en zur Bil­dungs­gang­for­schung; 5), S. 241 – 269.[]
  59. HH (2008): „RP G Sek I“ (wie Anm. 4), S. 11.[]
  60. Vgl. Oex­le (wie Anm. 16).[]
  61. Vgl. Moos (wie Anm. 16).[]
  62. Vgl. auch Bor­ries, Bodo von (2007): “Euro­pa als geschichts­di­dak­ti­sche Her­aus­for­de­rung.” In: Schö­ne­mann; Voit, Euro­pa (wie Anm. 56), S. 21 – 44, hier S. 28 – 32.[]
  63. Vgl. Pan­del, Hans-Jür­gen (2002): “Zur Prag­ma­tik von Richt­li­ni­en­ar­beit.” In: Freie und Han­se­stadt Ham­burg. Behör­de für Bil­dung und Sport. Amt für Schu­le (2002; Hrsg.): Geschich­te: Ein Fach in der Ent­wick­lung. Exper­ten­an­hö­rung zu den Zie­len, Grund­sät­zen und Inhal­ten des Geschichts­un­ter­richts in der Sekun­dar­stu­fe I am 16. Juli 2001. Ham­burg: Behör­de für Bil­dung und Sport (Doku­men­ta­ti­on), S. 55 – 62, hier S. 55f.[]
  64. Vgl. Oex­le (1992; wie Anm. 16), Moos (1999; wie Anm. 16), Bor­ries (2007, wie Anm. 62).[]
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Sinnbildungstypen: Analytische Nutzung und Bedarf weiterer Differenzierung

30. April 2010 Andreas Körber Keine Kommentare

Bekann­ter­ma­ßen hat die Leh­re der Sinn­bil­dungs­ty­pen nach Jörn Rüsen, bei Ernst Bern­heim bereits vor­ge­prägt, meh­re­re Erwei­te­run­gen und Ver­än­de­run­gen erfah­ren. Von Bedeu­tung sind vor allem die Alter­na­tiv­for­mu­lie­run­gen von Hans-Jür­gen-Pan­del, der mit dem zykli­schen und dem orga­ni­schen zwei wei­te­re Nar­ra­ti­ons­mo­di hin­zu­fügt und das gene­ti­sche in “gegen­warts­ge­ne­ti­sches” und “teli­sches” Erzäh­len aus­dif­fe­ren­ziert 1, sowie die Anord­nung von drei­en der vier Rüsen’schen Typen in einer Spi­ra­le (samt einer ten­ta­ti­ven Erwei­te­rung nach “unten” und “oben”) und ihrer jewei­li­gen Ergän­zung durch eige­ne Kri­tik­for­men durch Bodo von Bor­ries 1988. 2

Mit Hil­fe die­ser Sinn­bil­dungs­ty­pen las­sen sich zwar nicht alle, wohl aber wesent­li­che Grund­struk­tu­ren von his­to­ri­schen Aus­sa­gen ana­ly­sie­ren und typi­sie­ren 3

Aller­dings zeigt sich in der Pra­xis recht schnell, dass es auch For­men his­to­ri­scher Sinn­bil­dung gibt, die mit den so gege­be­nen Begrif­fen eben nicht hin­rei­chend erfasst wer­den. An einem recht aktu­el­len Bei­spiel aus der Geschichts­kul­tur sein das kurz illustriert:

Joki­nen, bil­den­de Künst­le­rin und geschichts­kul­tu­rell wie geschichts­po­li­tisch täti­ge Akti­vis­tin in Ham­burg mit deut­li­chem The­men­schwer­punkt auf der Kolo­ni­al­ge­schich­te und der­je­ni­gen der Nach­ko­lo­nia­len Zeit (vgl. ihr Pro­jekt “Park post­ko­lo­ni­al”) hat Anfang des Jah­res auf der Web­site ihres Ham­bur­ger Afri­ka-Pro­jekts einen kur­zen Arti­kel über das “kolo­nia­le Herz der ‘Hafen­Ci­ty” veröffentlicht.

In ihm stellt sie zunächst die 1903 auf der Ham­bur­ger Korn­haus­brü­cke zur Ham­bur­ger Spei­cher­stadt auf­ge­stell­ten Stand­bil­der von Chris­toph Colum­bus und Vas­co da Gama (die­je­ni­gen für Magel­lan und James Cook wur­den im Zwei­ten Welt­krieg zer­stört) 4vor und ord­net ihre Ent­ste­hung  kurz in die “Hoch­zeit der kolo­nia­len Erobe­rung des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents” ein. Daher sind die vier “Erobe­rer­sta­tu­en” für sie auch “an pro­mi­nen­ter Stel­le Sinn­bil­der die­ser ‘Pio­nier­leis­tun­gen’ euro­päi­scher Expan­si­on, in deren Kiel­was­ser sich Ham­burgs Han­dels­her­ren sahen.”

Im wei­te­ren Arti­kel ver­weist Joki­nen auf die gleich neben­an befind­li­che Bau­stel­le der Hafen­Ci­ty und refe­riert die Namen wich­ti­ger neu­er Gebäu­de, Stra­ßen und Plät­ze: dort: ‘Hum­boldt­haus’, ‘Vespuc­ci­haus’, ‘Kai­ser­kai’, ‘Mar­co-Polo-Ter­ras­sen’ und ‘Magel­lan-Ter­ras­sen’. Wei­ter geht es zum ‘Über­see­quar­tier’ mit nach Kolo­ni­al­wa­ren benann­ten Gebäu­den. Die Bezeich­nung ‘über­s­eisch’ wird (zu recht) als “tra­di­tio­nell […] beschni­gen­des Syn­onym für ‘kolo­ni­al’ cha­rak­te­ri­siert, bis der Arti­kel in die Fra­ge mün­det: “Fir­miert die ‘Hafen­Ci­ty’ jetzt als über­di­men­sio­na­ler Kolonialwarenkrämerladen?”

Das, was Joki­nen in ihrem Arti­kel refe­riert ist ein­deu­tig dem Typus der tra­di­tio­na­len Sinn­bil­dung zuzu­ord­nen — und zwar sowohl 1884ff und 2003ff: Die Vewei­se auf und Ver­ge­gen­wär­ti­gun­gen von Ver­gan­gen­heit sol­len Gel­tung auch für die Gegen­wart haben, sie sol­len gegen­wär­ti­ges Sein und Han­deln begrün­den. Das gilt gera­de auch für den zitier­ten Aus­spruch Ole von Beusts, dass im Über­see­quar­tier künf­tig das Herz der Hafen­ci­ty” schla­ge. Wenn dort heu­te Kreuz­fahrt­schif­fe anle­gen sol­len, so ist dar­in zwar durch­aus eine Ände­rung zu erken­nen, die mit gene­ti­scher Sinn­bil­dung hät­te ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen (etwa im Sin­ne einer Zivi­li­sie­rung des Aus­grei­fens in die Welt vom kolo­nia­len Aus­beu­tungs­han­del zum Devi­sen brin­gen­den Tou­ris­mus), nicht aber müs­sen (es sind auch ande­re Deu­tungs­mus­ter denk­bar). Wich­tig ist viel­mehr, dass gera­de sol­che Ver­än­de­run­gen nicht the­ma­ti­siert wur­den. Die Namens­ge­bung folgt der his­to­ri­schen Logik der zwar nicht bruch­lo­sen, aber eben­falls nicht ver­än­dern­den “Anknüp­fung”.

Dass Joki­nens Arti­kel selbst die­se tra­di­tio­na­le Sinn­bil­dung kri­ti­siert, ist unüber­sehr­bar. Die Anfüh­rungs­zei­chen bei “Pio­nier­leis­tun­gen”, der z.T. iro­ni­sche Ton (“über­di­men­sio­na­ler Kolo­ni­al­wa­ren­krä­mer­la­den”) wie auch ein­deu­ti­ge­re Aus­sa­gen (etwa über den Pro­test des Eine Welt Netz­werks gegen “die impe­ria­len Namen im Stadt­raum”) machen dies deutlich.

Ist also Joki­nens Dar­stel­lung mit Bodo von Bor­ries’ Kate­go­rie der “tra­di­ti­ons-kri­ti­schen Sinn­bil­dung” zu fassen?

Die­se steht in sei­ner Bear­bei­tung von Rüsens Sinn­bil­dungs­leh­re zwi­schen der tra­di­tio­na­len Sinn­bil­dung und der exem­pla­ri­schen und bezeich­net den­je­ni­gen Modus des his­to­ri­schen Den­kens, der die tra­di­tio­na­le Logik, d.h. die ihr inne­woh­nen­de Logik der Still­stel­lung von Zeit und des Fort­schrei­bens eines Gel­tungs­an­spruchs, kri­tisch wen­det. “Tra­di­ti­ons-kri­tisch” ist die­je­ni­ge Sinn­bil­dung, die auf­zeigt, dass es nicht (mehr) aus­reicht, auf Tra­di­tio­nen zu ver­wei­sen, um Gel­tung her­zu­stel­len, dass es viel­mehr ande­rer (kom­ple­xe­rer) For­men his­to­ri­scher Kon­ti­nui­täts­vor­stel­lun­gen bedarf, um Ori­en­tie­rung zu ermög­li­chen, Sinn zu bilden.

Ist es das, was hier bei Joki­nen geschieht?

Die letz­ten zwei Sät­ze des Arti­kels (gleich nach der Fra­ge nach dem “über­di­men­sio­nier­ten Kolo­ni­al­wa­ren­krä­mer­la­den”) geben nähe­ren Aufschluss:

“Oder kann es Ein­sicht geben, Stra­ßen, Plät­ze, Denk­mä­ler den­je­ni­gen zu wid­men, die Opfer des aus Ham­burg maß­geb­lich betrie­be­nen Kolo­nia­lis­mus wur­den” Und den­je­ni­gen, die Wider­stand leis­te­ten gegen die aus­grei­fen­de Macht?”

Wie sind die­se bei­den Sät­ze ein­zu­ord­nen? Wel­ches Licht wer­fen Sie auf die Sinn­bil­dung im Arti­kel selbst?

Ganz deut­lich wird erkenn­bar, dass Joki­nen nicht die Logik der Tra­di­ti­on kri­ti­siert, son­dern die kon­kre­te impe­ria­le Tra­di­ti­on. Sie ver­weist auch nicht auf Regel­haf­tig­kei­ten oder auf Ver­än­de­run­gen, etwa auf einen wie auch immer gear­te­ten Fort­schritt (s.o.). Nein, sie emp­fiehlt viel­mehr den Wech­sel der Tra­di­ti­on von der­je­ni­gen der Pio­nie­re zu der­je­ni­gen ihrer Opfer. Es geht also um eine “Gegen-Tra­di­ti­on”.

Inso­fern die­ses Ansin­nen eine in der Geschich­te der Geschichts- und Erin­ne­rungs­kul­tur recht jun­ge Art des Umgangs mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit mar­kiert, nament­lich die Anfor­de­rung, nicht die pro­blem­los der eige­nen “Wir-“Gruppe zuzu­rech­nen­den Hel­den dar­zu­stel­len, zu erin­nern und zu ehren, auch nicht die eige­nen Opfer der Taten ande­rer, son­dern die Opfer der eige­nen Taten unter den Ande­ren, ist es durch­aus mög­lich, eine gene­ti­sche Sinn­bil­dung dar­über zu bil­den, also etwa die­se Form geschichts­kul­tu­rel­ler Sinn­bil­dung als einen Fort­schritt der selbst-refle­xi­ven Post­mo­der­ne gegen­über der auf die För­de­rung des Eigen­grup­pen­stol­zes ange­wie­se­nen oder erpich­ten Moder­ne zu deu­ten — aber dar­um geht es hier nicht. Es ist nicht die Fra­ge, ob Joki­nens Geshichts­be­wusst­sein “fort­schritt­li­cher” ist als das der Erbau­er der Korn­haus­brü­cke, son­dern wel­che Sinn­bil­dungs­form sich in ihrem Text aus­drückt (und ob dar­aus Kon­se­quen­zen für die Theo­rie der Sinn­bil­dungs­ty­pen gezo­gen wer­den können).

Joki­nens For­de­rung nach Benen­nung von Stra­ßen, Plät­zen, Gebäu­den und nach Denk­mä­lern für die Opfer des Kolo­nia­lis­mus ist sei­ner­seits tra­di­tio­nal struk­tu­riert. Es geht ihr offen­kun­dig dar­um, eine pro­ble­ma­tisch “gewor­de­ne” (oder inzwi­schen als pro­ble­ma­tisch erkann­te) Tra­di­ti­on abzu­lö­sen und eine neue dane­ben zu stel­len, die neue Iden­ti­täts- und Ori­en­tie­rungs­an­ge­bo­te macht.

Hier nun stellt sich ein Ter­mi­no­lo­gie-Pro­blem. Joki­nens Sinn­bil­dungs­mus­ter ist offen­kun­dig “tra­di­tons-kri­tisch” — aber gera­de nicht in dem Sin­ne, wie von Bor­ries es in der Erwei­te­rung von Rüsen mein­te. Sie kri­ti­siert eine Tra­di­ti­on, nicht Tra­di­ti­on an sich. Ist also die Bezeich­nung “tra­di­ti­ons-rkti­sche Sinn­bil­dung” bei von Bor­ries gut gewählt? Gilt das glei­che für “exem­pel-kri­tisch” und “gene­se-kri­tisch”? Die Tat­sa­che, dass die­se Ter­mi­ni vom Sprach­ge­fühl her auf Sinn­bil­dun­gen pas­sen, die gar nicht die Logik des Traditionalen/​Exemplarischen/​Genetischen, son­dern “nur” jeweils kon­kre­te Traditionen/​Exempel/​Genesen kri­ti­se­ren und ande­re Bei­spie­le der­sel­ben Klas­se emp­feh­len, lässt dies verneinen.

Wir brau­chen offen­kun­dig eine wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung im Modell, die hier nur skiz­ziert wer­den kann:

  • anthro­po­lo­gisch konstant
  • kon­stanz-kri­tisch
    • tra­di­ti­ons-kri­tisch (eine bestimm­te Tra­di­ti­on kri­ti­sie­rend, aber in der Logik tra­di­tio­na­len Den­kens verbleibend)
    • tra­di­tio­na­li­täts-kri­tisch (die Logik tra­di­tio­na­ler Sinn­bil­dung kritisierend)
  • exem­pla­risch
    • exem­pel-kri­tisch (die Gel­tung und Ori­en­tie­rungs­kraft eines bestimm­ten Bei­spiels bzw. einer Rei­he von Bei­spie­len für die eige­ne Gegen­wart kri­ti­sie­rend, aber inner­halb der Logik der exem­pla­ri­schen Sinn­bil­dung ver­blei­bend, d.h. ande­re, bes­se­re Bei­spie­le und Regeln für mög­lich haltend.)
    • exem­pla­rik-kri­tisch (die Logik der exem­pla­ri­schen Sinn­bil­dung, aus ver­gan­ge­nen Bei­spie­len Regeln für die Bewäl­ti­gung von Gegen­wart und Zukunft ablei­ten zu wol­len, kritisierend)
  • gene­tisch
    • gene­se-kri­tisch (eine bestimm­te skiz­zier­te Ent­wick­lungs­rich­tung kri­ti­sie­rend, aber inner­halb der Logik gene­ti­schen Den­kens ver­blei­bend, d.h. ande­re, ver­bes­ser­te Vor­stel­lun­gen einer gerich­te­ten Ent­wick­lung für mög­lich haltend)
    • gene­tik-kri­tisch (die Logik der gene­ti­schen Sinn­bil­dung kri­ti­sie­ren, d.h. die Vor­stel­lung aus Rei­hen ver­gan­ge­ner Bei­spie­le eine für Gegen­wart und Zukunft gül­ti­ge Ent­wick­lungs-/Ver­laufs­rich­tung ablei­ten zu kön­nen, kritisierend)
Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. PANDEL, HANS-JÜRGEN (2002): “Erzäh­len und Erzähl­ak­te. Neue­re Ent­wick­lun­gen in der didak­ti­schen Erzähl­theo­rie.” IN: DEMANTOWSKY, MARCO; SCHÖNEMANN, BERND (Hrsg.; 2002): Neue­re geschichts­di­dak­ti­sche Posi­tio­nen. Bochum: Pro­jekt-Ver­lag (Dort­mun­der Arbei­ten zur Schul­ge­schich­te zur und his­to­ri­schen Didak­tik; 32), S. 39 – 56. []
  2. BORRIES, BODO VON (1988): Geschichts­ler­nen und Geschichts­be­wußt­sein. empi­ri­sche Erkun­dun­gen zu Erwerb und Gebrauch von His­to­rie.; 1. Aufl.; Stutt­gart: Klett, S. 59 – 96.[]
  3. Dabei ist natür­lich zu beach­ten, dass  kaum eine rea­le Nar­ra­ti­on jeweils nur einen die­ser Typen in Rein­form ent­hält.[]
  4. Vgl. auch die kur­ze Erläu­te­rung im “Ham­burg Web” sowie Eifin­ger, Mari­on (2007): Restau­rie­rungs-Bericht.[]
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“Quelle”? “Beweis”? “Zeugnis”? Zur (auch unterrichtlichen) Frag-Würdigkeit geschichtswissenschaftlicher Konzepte

12. März 2010 Andreas Körber Ein Kommentar

Die Wie­der­lek­tü­re von Keith Jenk­ins’ Re-Thin­king Histo­ry (1991; seit 2002 bei den Rout­ledge Clas­sics) nach eini­gen Jah­ren zeigt mir (erneut), dass Geschichts­un­ter­richt und Geschichts­di­dak­tik noch immer oft­mals auf reich­lich dün­nem erkennt­nis­theo­re­ti­schem Grund gebaut sind.

Gegen­über dem “klas­si­schen” Geschichts­un­ter­richt, der dar­auf aus­ge­legt ist, den Ler­nen­den ein (wenn auch wis­sen­schaft­lich abge­si­cher­tes) Geschichts­bild als Ori­en­tie­rung anzu­bie­ten (und mit Hil­fe päd­ago­gi­scher Mit­tel und Zwän­ge es von ihnen wie­der abzu­ver­lan­gen) sind die gegen­wär­ti­gen Strö­mun­gen der Metho­den- und Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zwar als ein enor­mer Fort­schritt zu wer­ten, ins­be­son­de­re mit dem Ziel, die Ler­nen­den  zu eigen­stän­di­gem his­to­ri­schen Den­ken zu befä­hi­gen und ihnen die dafür nöti­gen Kon­zep­te und Ver­fah­ren anzu­bie­ten. Dazu gehört unter ande­ren inzwi­schen auch klas­si­scher­wei­se (bis in Unter­richts­mo­del­le hin­ein) 1 die Unter­schei­dung zwi­schen “Quel­len” und “Dar­stel­lun­gen”, die als eine erkennt­nis­theo­re­ti­sche Grund­er­kennt­nis allen Schü­lern bereits so früh wie mög­lich ermög­licht wer­den soll.

Das Pro­blem mit die­ser Unter­schei­dung besteht dar­in, dass sie in der Form, in der sie meis­tens kon­zep­tio­na­li­siert und ope­ra­tio­na­li­siert wird, das Pro­blem eher ver­stärkt als zu sei­ner Lösung bei­zu­tra­gen — und zwar vor allem dadurch, dass in den meis­ten Fäl­len so getan wird, als wäre die­se Unter­schei­dung eine, die in den Mate­ria­li­en vor­ge­ge­ben wäre. Dazu trägt auch die Mar­kie­rung von Mate­ria­li­en in Schul­bü­chern mit “Q” und “D” bei, wel­che den Schü­ler signa­li­sie­ren, um wel­che Sor­te Mate­ri­al es sich han­delt. Genau das unter­schlägt aber, dass die Eigen­schaft, “Quel­le” zu sein, den Mate­ria­li­en gera­de nicht inhä­rent ist. Sie wer­den — um im deut­schen Sprach­ge­brauch zu blei­ben (zu ande­ren Mög­lich­kei­ten s.u.) — erst durch die Fra­gen des His­to­ri­kers zu Quel­len. Theo­re­tisch ist das auch aner­kannt, aber gera­de die genann­te Schul­buch­pra­xis wird dem nicht gerecht.

Aber ist es damit getan (wie ich an ande­rer Stel­le gefor­dert habe), die­se Kann­zeich­nung auf­zu­ge­ben und dien Mate­ria­li­en unter­schieds­los mit “M” zu kenn­zeich­nen, damit die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die Fra­ge nach “Quel­le oder Dar­stel­lung” immer selbst bear­bei­ten müs­sen (sofern nicht prag­ma­ti­scher­wei­se ihnen die­se von Fall zu Fall auch von der Lehr­per­son abge­nom­men wird)? Das wäre sicher sinn­voll, löst das Pro­blam aber nur zu Hälf­te, denn das eigent­li­che Pro­blem liegt im Kon­zept der “Quel­le” selbst — es ist erkennt­nis­theo­re­tisch unzulänglich.

Nun soll an die­ser Stel­le weder die Theo­rie der Quel­le in der deut­schen Geschichts­theo­rie noch die Theo­rie und Geschich­te des Quel­len­ein­sat­zes im Geschichts­un­ter­richt als sol­che reka­pi­tu­liert wer­den. Es wird also weder um die Kon­zep­tio­na­li­ie­run­gen und Dif­fe­ren­zie­run­gen nach Ernst Bern­heim noch nach Johann Gus­tav Droy­sen gehen noch um alter­na­ti­ve Dif­fe­ren­zie­run­gen, etwa die Unter­schei­dung in Doku­men­te und Monu­men­te u.a. nach Pan­delxx. Ich möch­te viel­mehr ein kur­zes Schlag­licht wer­den auf einen Zusam­men­hang, den ich in unse­rem Kom­pe­ten­zen-Band nur unzu­läng­lich behan­delt habe.

In der eng­li­schen Geschichts­wis­sen­schaft und Geschichts­theo­rie (und dar­auf hat mich die Lek­tü­re von Keith Jenk­ins’ schma­lem aber unge­mein anre­gen­dem Band wie­der hin­ge­wie­sen) wird die glei­che Pro­ble­ma­tik (unter ande­rem) mit einer etwas ande­ren Ter­mi­no­lo­gie dis­ku­tiert. Damit mei­ne ich nicht so sehr, dass dort der Ter­mi­nus “Source” nicht wie in der deut­schen Tra­di­ti­on für “Ori­gi­nal­ma­te­ri­al” reser­viert wird, son­dern auch auf “Lite­ra­tur”  ange­wandt wird (so dass von “Pri­mär­quel­len” und “Sekun­där­quel­len” die Rede sein kann, was bei vie­len Kol­le­gen in Deutsch­land nur als Dif­fe­ren­zie­rung inner­halb der “Quel­len” als legi­tim aner­kannt wird), son­dern viel­mehr, dass eine inten­si­ve Dis­kus­si­on um das Kon­zept und den Begriff der “Evi­denz” geführt wur­de (sowohl in der Geschichts­wis­sen­schaft als auch in der Didak­tik, etwa als “second order con­cept” bei Ros Ash­by — dort in Kon­tras­tie­rung zum Kon­zept des “Zeug­nis­ses” — testimony).

Ins­be­son­de­re die von Jenk­ins  refe­rier­te und kom­men­tier­te Debat­te um Begriff und Kon­zept der “Evi­denz” zwi­schen Geoffrey Elton und Edward halltt Carr wirft ein Licht auf die Kon­zep­te, mit denen His­to­ri­ker ihr Geschäft ver­se­hen, das zu reflek­tie­ren auch für die deut­sche Geschichts­di­dak­tik sinn­voll erscheint.

“Evi­denz” als Begriff bezeich­net in die­ser Debat­te die Eigen­schaft von Über­res­ten aus der Ver­gan­gen­heit, als Beleg für oder gegen eine vor­gän­gig exis­ten­te Deu­tung (oder zumin­dest Ver­mu­tung) ver­wen­det wer­den zu kön­nen — so jeden­falls die über­le­ge­ne Posi­ti­on E.H. Carrs gegen G. Elton, wel­cher “Evi­denz” als vor­gän­gig vor dem Den­ken der His­to­ri­ker dach­te. 2 Letz­te­re Posi­ti­on ähnelt sehr den Vor­stel­lun­gen, die in Deutsch­land mit dem Kon­zept der “Quel­le” bezeich­net wer­den, näm­lich dass letzt­lich das his­to­ri­sche Wis­sen aus dem ori­gi­na­len Mate­ri­al aus der Ver­gan­gen­heit “ent­springt”.

Jenk­ins selbst prä­fe­riert augen­schein­lich über den durch die Ver­wen­dung bei durch Elton und inkon­sis­ten­ten Gebrauch welbst bei Carr pro­blem­be­haf­te­ten Begriff der “Evi­denz” den­je­ni­gen der “Spur”. Die aus der Ver­gan­gen­heit über­kom­me­nen Mate­ria­li­en sind “Spu­ren”, die auf ihre tat­säch­li­che Gewe­sen­heit hin­wei­sen, selbst aber, ohne das Zutun der His­to­ri­ker, nichts über sie aus­sa­gen. Der letz­te­re Aspekt ist dabei inso­fern wich­tig, als er dar­auf hin­weist, dass kei­ne auch noch so skru­pu­lös und metho­disch sau­ber erstell­te Aus­sa­ge die Ver­gan­gen­heit wie­der her­stel­len kann, da die­se eben nicht aus Aus­sa­gen bestand. 3

Weder der Begriff der “Evi­denz” noch der­je­ni­ge der “Quel­le” ist also der “bes­se­re”. Viel­mehr sind es gegen­wär­ti­ge, in der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­ni­ty eta­blier­te Kon­zep­te, mit denen his­to­risch Den­ken­de (vor allem His­to­ri­ker) der erkennt­nis­theo­re­ti­schen Pro­ble­me, die ihnen beim Arbei­ten mit Mate­ria­li­en begeg­nen, Herr zu wer­den trach­ten, nicht aber die­sen Mate­ria­li­en inhä­ren­te Begriffe.

Der Begriff der Quel­le erscheint dabei aber durch­aus als der pro­ble­ma­ti­sche­re, gera­de weil er letzt­lich eine Meta­pher dar­stellt: Das Bild sug­ge­riert das eigen­tä­ti­ge “Ent­sprin­gen” der (Er-)Kenntnis bzw. des Wis­sens über die Ver­gan­gen­heit aus ihnen, wie das Was­ser in einer Quel­le auch ohne Zutung des Men­schen her­vor­tritt. Die­se Vor­stel­lung ist aber (wie Jenk­ins in sei­nem ers­ten Kapi­tel ein­dring­lich dar­legt) gründ­lich irrig. His­to­ri­sches Wis­sen “an sich” gibt es nicht. Es gibt immer nur his­to­ri­sches Wis­sen für jeman­dem, aus einer bestimm­ten gegen­wär­ti­gen, sozia­len und kul­tu­rel­len (sowie poli­ti­schen etc.) Per­spek­ti­ve erstellt. Das ist übri­gens auch die Vor­be­din­gung dafür, dass his­to­ri­sches Wis­sen Ori­en­tie­rungs­kraft ent­fal­ten kann. Die von vie­len (Jenk­ins nennt sie “cer­tain­tists”) ange­streb­te “objek­ti­ve” Erkennt­nis im Sin­ne einer für alle glei­chen und ver­bind­li­chen Geschich­te dürf­te näm­lich letzt­lich die­se Ori­en­tie­rungs­kraft ver­lie­ren. Der von vie­len eben­so gefürch­te­te “Rela­ti­vis­mus” ist also gar kei­ne Gefahr von Belie­big­keit.  Im Gegen­teil: Die Erkennt­nis der Rela­ti­vi­tät his­to­ri­scher Erkennt­nis (auf Grund von Per­spek­ti­vi­tät, Par­tia­li­tät, Selek­ti­vi­tät, Viel­falt, Gebun­den­heit an den Erfahrungs‑, Konzept‑, Wert- und Sprach­ho­ri­zont des jewei­lig his­tor­sich Den­ken­den) stei­gert viel­mehr die Anfor­de­run­gen an die Qua­li­tät und die Gül­tig­keit his­to­ri­scher Aus­sa­gen. Es reicht näm­lich nicht mehr, eine mög­lichst all­ge­mein stim­mi­ge his­to­ri­sche Aus­sa­ge zu tref­fen — sie muss kon­kret ori­en­tie­ren. Aber das ist ein ande­res Thema.

Sum­mie­rend ergibt sich:

  1. Das Kon­zept der Quel­le ist pro­ble­ma­tisch, weil es als eine Meta­pher vom “Ursprung” der his­to­ri­schen Erkennt­nis den tat­säch­li­chen Ablauf his­to­ri­scher Erkennt­nis­pro­zes­se ver­stellt. Quel­len sind eben nicht  “Aus­gangs­punk­te his­to­ri­scher Erkennt­nis” 4,  son­dern gewis­ser­ma­ßen ein Aus­gangs­ma­te­ri­al unter meh­re­ren (wenn auch eines mit beson­de­rem Status).

  1. Das Kon­zept der “Evi­denz” ist dem­je­ni­gen der Quel­le deut­lich über­le­gen, weil es aner­kennt, dass die Mate­ria­li­en aus der Ver­gan­gen­heit nicht an sich, son­dern für etwas Evi­denz­cha­rak­ter besit­zen. Aller­dings muss dabei beach­tet wer­den, dass die­se Mate­ria­li­en dann nicht Evi­den­zen sind, son­dern als sol­che genutzt wer­den können.
  2. Das Kon­zept der “Spur” erscheint mir hier noch am wei­tes­ten führend.

Nun geht es in die­sem Blog ja nicht um Geschichts­theo­rie oder his­to­ri­sche Erkennt­nis­theo­rie als sol­che, son­dern um his­to­risch­des (Den­ken) Ler­nen (obwohl, wie deut­lich gewor­den sein soll­te, Letz­te­res nicht ohne eine gründ­li­che Refle­xi­on auf Ers­te­res kon­zi­piert wer­den kann).

Was also folgt aus den obi­gen Refle­xio­nen für his­to­ri­sches Ler­nen bzw. für staat­li­chen Geschichts­un­ter­richt? Muss das Kon­zept der Quel­le aus den Schul­bü­chern gestri­chen wer­den — und zwar sowohl hin­sicht­lich der Mate­ri­al­kenn­zeich­nun­gen als auch als Kon­zept aus dem Metho­den- oder Kom­pe­tenz­sei­ten? Muss er durch ande­re Kon­zep­te, etwa den der Evi­denz oder der Spur ersetzt wer­den? Geht es also dar­um, die offen­sicht­lich pro­ble­ma­ti­sche Ter­mi­no­lo­gie der Geschichts­wis­sen­schaft und der Geschichts­di­dak­tik über kurz oder lang zu emen­die­ren, zu ver­bes­sern (und dann wei­ter zu machen wie bis­her)? Ich den­ke nicht:

Gera­de weil das Den­ken in den Kon­zep­ten “Quel­le” und “Dar­stel­lung”, in der Unter­schei­dung und den damit ver­bun­de­nen erkennt­nis­theo­re­ti­schen Ideen und Über­zeu­gun­gen ver­brei­tet ist und wei­te Tei­le sowohl der fach­wis­sen­schaft­lich erstell­ten His­to­rio­gra­phie als auch der Geschichts­kul­tur davon geprägt sind, wäre es wenig hilf­reich, Schü­le­rin­nen und Schü­lern die­se Begrif­fe vor­zu­ent­hal­ten. Es muss also beim his­to­ri­schen Ler­nen dar­um gehen, nicht nur die nach eige­nen Stan­dards akzep­ta­blen, son­dern auch die weit­hin akzep­tier­ten Begrif­fe zu “leh­ren”. Es mag hier eine Abwand­lung des Beu­tels­ba­cher Kon­sen­ses gel­ten: Nicht nur muss im Unter­richt kon­tro­vers erschei­nen, was in Wis­sen­schaft und Gesell­schaft kon­tro­vers ist, son­dern auch das, was in der Gesell­schaft akzep­tiert und weit­hin ver­wen­det wird (also die “Kon­ven­tio­nen”) muss the­ma­ti­siert wer­den. (Es ist näm­lich nicht “die Ver­gan­gen­heit” der Gegen­stand des Geschichts­un­ter­richts, son­dern das his­to­ri­sche Den­ken — auch das der Gesellschaft).

Aber das reicht noch nicht: Ers­tens, weil auch die von uns jeweils akzep­tier­ten aund aner­kann­ten Kon­zep­te sich aus ande­ren Per­spek­ti­ven (oder auch nur bei wei­te­rer Refle­xi­on) als eban­falls pro­ble­ma­tisch her­aus­stel­len kön­nen. Genau genom­men gibt es  ja kei­ne “unpro­ble­ma­ti­schen” Kon­zep­te. Kon­zep­te sind immer Instru­men­te zum Beden­ken von Fra­gen zu Sach­ver­hal­ten und gehö­ren immer einer ande­ren Kate­go­rie als die mit ihnen bezeich­ne­ten Sach­ver­hal­te selbst. Inso­fern gehö­ren ihre “Leis­tun­gen” und “Gren­zen”, die Bedin­gun­gen ihrer Gel­tung oder Trif­tig­keit zu den Begrif­fen hin­zu. Es müss­te beim his­to­ri­schen Ler­nen also dar­um gehen, die ver­wen­de­ten Kon­zep­te nicht nur den Ler­nen­den “anzu­die­nen”, son­dern sie ihnen refle­xiv ver­füg­bar zu machen.

Wenn Jugend­li­che also Begrif­fe und Kon­zep­te ler­nen, dan müs­sen es jeweils meh­re­re die­ser Kon­zep­te sein, und zwar in ver­glei­chen­dem Zugriff und in Refle­xi­on ihrer jewei­li­gen Inten­sio­nen und Exten­sio­nen. Genau das ist auch das Kon­zept im Kom­pe­tenz­mo­dell “His­to­ri­sches Den­ken”: Die ein­fa­che Ver­fü­gung über das jewei­li­ge Kon­zept (etwa: anhand vor­ge­ge­be­ner Kri­te­ri­en), d.h. die Fähig­keit zur Anwen­dung des Kon­zepts und Begriffs, stellt eben “nur” (aber gleich­zei­tig: “immer­hin”) das “inter­me­diä­re” Niveau dar. Ela­bo­riert ist die Ver­fü­gung über die Kon­zep­te dann zu nen­nen, wenn eben die­se Leis­tun­gen und Gren­zen reflek­tiert wer­den kön­nen, wenn die Kon­zep­te und Begrif­fe nicht mehr nur vor­aus­ge­setzt und ange­wandt wer­den kön­nen, son­dern selbst erkennt­nis­theo­re­tisch reflek­tiert. Erst dann kann davon gespro­chen wer­den, dass der Ler­nen­de “kom­pe­tent” his­to­risch denkt.

So kann im übri­gen auch die Sack­gas­se über­wun­den wer­den, die sich aus Keith Jenk­ins rich­ti­ger Ana­ly­se erge­ben könn­te, dass es letzt­lich kei­ne ein­deu­tig und allein rich­ti­gen Wahr­heits­kri­te­ri­en gibt, son­dern dass jede kul­tu­rel­le, sozia­le, poli­ti­sche Grup­pe ihre eige­nen Kri­te­ri­en für ihre Wahr­heit auf­stellt und pflegt — wor­aus in der Tat ein Rela­ti­vis­mus­pro­blem ent­ste­hen kann: Soll Schu­le die eine oder die ande­re Vari­an­te, die eine oder die ande­re Epis­te­mo­lo­gie zur Grund­la­ge machen?

Auch hier zeigt sich in Metho­den- und Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ein Aus­weg: Ihr zufol­ge besteht his­to­ri­sches Ler­nen nicht nur und nicht domi­nant dar­in, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine his­to­ri­sche Ori­en­tie­rung zu geben, son­dern sie zu befä­hi­gen, sich selbst eine sol­che zu erar­bei­ten und die his­to­ri­schen Ori­en­tie­run­gen der Mit­men­schen sich zu erschlie­ßen, um mit ihnen über Geschich­te und Gegen­wart zu kom­mu­ni­zie­ren. Gera­de wenn und weil Geschich­te umstrit­ten ist, darf es Schu­le weder dar­um gehen, Ergeb­nis (Geschichts­bild) und Grund­la­ge (Epis­te­mo­lo­gie) einer gesell­schaft­li­chen Grup­pe, noch eine “berei­nig­te”, ver­meint­lich neu­tra­le Vari­an­te zu ver­mit­teln — viel­mehr muss es Ziel sein, die Ler­nen­den zu befä­hi­gen, sich in die­ser Gemenge­la­ge von his­to­ri­schen Deu­tun­gen selbst­stän­dig zurechtzufinden.

Keith Jenk­ins Kri­tik an libe­ra­len Vor­stel­lun­gen der Mög­lich­keit einer all­seits gül­ti­gen Ver­si­on ist weit­hin nach­voll­zieh­bar. Aber auch die Vor­stel­lung, dass es jedem ein­zel­nen nicht nur mög­lich, son­dern jeder auch zustän­dig dafür ist, selbst­stän­dig zu den­ken, beruht auf libe­ra­len Grund­sät­zen. In die­sem Sin­ne ist mei­ne didak­ti­sche Schluss­fol­ge­rung u.a. aus Keith Jenk­ins’ Rela­ti­vis­mus deut­lich weni­ger kri­tisch gegen­über “libe­ra­len” Vorstellungen.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Dar­un­ter auch ein eige­nes, zum May­flower-Com­pact[]
  2. []
  3. Dies ist ein Argu­ment von David Lowen­thal aus The Past is a For­eign Coun­try. Vgl. dazu wie­der­um Jenk­ins, S. 14.[]
  4. So Arnold, Klaus: Quel­len, in: Jor­dan, Ste­fan: Lexi­kon Geschichts­wis­sen­schaft. Hun­dert Grund­be­grif­fe. Stutt­gart 2002, S. 251 – 255, hier S. 251[]
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Gegenstand statt Bedingung. Zur Veränderung der Themen in kompetenzorientiertem Geschichtsunterricht

01. Februar 2010 Andreas Körber Keine Kommentare

Aus­zug aus einer (guten) Haus­ar­beit zum The­ma “Lern­or­te”:

“Eine zen­tra­le Eigen­schaft, die der außer­schu­li­sche Lern­ort mit sich bringt, ist vor allem die Anschau­lich­keit, die die Ima­gi­na­ti­on beför­dert. Der ori­gi­na­le Gegen­stand hat den Vor­teil von z.B. ‘oriigi­na­ler Far­be, Form, Grö­ße und Drei­di­men­sio­na­li­tät, die kein ande­res Medi­um erset­zen kann.’ 1. Durch ihn kön­nen sich die Ler­nen­den rea­lis­ti­sche Vor­stel­lun­gen von frü­he­ren Lebens­um­stän­den und damals han­deln­den Men­schen machen. Ima­gi­na­ti­on gilt all­ge­mein als wich­ti­ger Fak­tor im Pro­zess his­to­ri­schen Lernens.”

Abge­se­hen vom etwas apo­dik­ti­schen letz­ten Satz dürf­te die­se Aus­sa­ge bei Geschichts­di­dak­ti­kern und ‑leh­rern kaum auf Kri­tik sto­ßen — schon gar nicht die zitier­te Passage.

Aller­dings wäre (nicht nur bei expli­zit kom­pe­tenz­ori­en­tier­tem Geschichts­un­ter­richt) noch ein­mal zu fragen:

  1. Ist es ein hin­rei­chen­des Ziel von Geschichts­un­ter­richt, dass sich Ler­nen­de Ver­gan­ge­nes “rea­lis­tisch” vor­stel­len kön­nen? Kul­mi­niert Geschichts­un­ter­richt in der Prä­sen­ta­ti­on und Über­nah­me von (wie auc immer medi­al gefass­ten) Bil­dern von Ver­gan­ge­nem — oder ist die­se zwar nur ein wesent­li­cher, aber als sol­cher nicht wei­ter befrag­ter Zwi­schen­schritt zu wei­te­ren Denk­auf­ga­ben (in denen dann etwa der Gegen­warts­be­zug ein­ge­löst wird)?
  2. Wel­che Rol­le spielt dabei die oben ange­spro­che­ne “Ori­gi­na­li­tät” der Far­be, Form etc., d.h. die Authen­ti­zi­tät? Ist sie eine Eigen­schaft der Gegen­stän­de, der Objek­te, der Lern­or­te vom Typ “his­to­ri­sche Stät­te”? Ist sie ihnen gege­ben und wird sie somit zur posi­ti­ven Vor-Bedin­gung his­to­ri­schen Ler­nens? Oder ist sie eher eine den Objek­ten, Räu­men (auch: Tex­ten) zuer­kann­te Eigen­schaft?

Wenn “Ori­gi­na­li­tät”, “Authen­ti­zi­tät” und “Anschau­lich­keit” in der oben ange­deu­te­ten Wei­se als gege­ben gedacht und zur Vor­be­din­gung von Geschichts­un­ter­richt gemacht wer­den, wird m.E. Wesent­li­ches ausgelassen:

  • Woher nimmt denn die Gesell­schaft oder der Leh­rer als ihr Agent im Pro­zess des his­to­ri­schen Leh­rens und Ler­nens die Gewiss­heit, dass der Gegen­stand, sei­ne Form und Far­be, sei­ne Beschaf­fen­heit etc. “orgi­nal” ist?
  • woher stammt die Aus­sa­ge, dass eine Dar­stel­lung “anschau­lich” ist in dem Sin­ne, dass sie optisch (ggf. auch anders) ein­gän­gig etwas ande­res kor­rekt darstellt?
  • Ist es auch nur ent­fernt denk­bar, dass der glei­che Gegen­stand in frü­he­ren Zei­ten unter ver­gleich­ba­rem Anspruch ganz anders prä­sen­tiert wur­de — und dass er es spä­ter wie­der anders wird?
  • Ist es auch nur ent­fernt denk­bar, dass die Zuschrei­bung von Authen­ti­zi­tät und Ori­gi­na­li­tät einer spe­zi­fisch gegen­wär­ti­gen und auch inner­halb der Gegen­wart spe­zi­fi­schen Per­spek­ti­ve (mit) ver­dankt wird?

Alle die­se Bedin­gun­gen sind streng genom­men selbst Teil des his­to­ri­schen Gegen­stan­des, der unter­richt­lich “ver­mit­telt” wer­den soll.

His­to­ri­sches Ler­nen, das sich nicht dar­auf beschrän­ken will, den Ler­nen­den Geschichts­bil­der zu ver­mit­teln, muss die Kon­sti­tu­ti­on ihrer sach­li­chen Gegen­stän­de immer (wenn auch nicht immer im glei­chem Maße) zum Teil ihres Gegen­stands­be­reichs machen.

Authen­ti­zi­tät und Ori­gi­na­li­tät dür­fen dann im Unter­richt nicht (nur) als vor­aus­ge­setz­te Bedin­gun­gen erschei­nen, die selbst nicht in den Hori­zont der Refle­xi­on der Schü­ler gera­ten, son­dern müs­sen immer auch Gegen­stand des Ler­nens sein, müs­sen befragt und dis­ku­tiert wer­den, und zwar nicht im Sin­ne einer Unter­su­chung des “ob” (oder ob nicht), son­dern eher des “inwie­fern”. Es geht also nicht dar­um, gemein­sam ein Ver­ständ­nis dar­über zu erzie­len, ob ein Gegen­stand als “ori­gi­nal” ange­se­hen wer­den kann und soll (und ob er dann als 100%ig “echt” ange­spro­chen wer­den darf), sondern

  • inwie­fern ihm die­se Eigen­schaft zuer­kannt wer­den kann und soll
  • und was das für das eige­ne Den­ken und Urtei­len bedeutet.

Erst mit die­sen Modi­fi­ka­tio­nen (die in gutem Geschichts­un­ter­richt immer auch schon eine Rol­le gespielt haben, wenn auch nicht immer sys­te­ma­tisch) ist die Kom­pe­tenz der Ler­nen­den im Zen­trum des Unter­richts. Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung bedeu­tet dann nicht, die klas­si­schen Gegen­stän­de des Geschichts­un­ter­richts gegen neu­ar­ti­ge aus­zu­tau­schen, son­dern an ihnen das his­to­ri­sche Den­ken in all sei­nen Facet­ten (auch) zum Gegen­stand zu machen. Die The­men ändern sich dann aler­dings durch­aus. Wenn unter “The­ma” die Kom­bi­na­ti­on von Gegen­stand und Inten­ti­on ver­stan­den wird, dann lässt eine Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zumin­dest sol­che The­ma­ti­sie­run­gen nicht mehr zu, in denen die Kon­sti­tu­ti­on der Gegen­stän­de als his­to­risch nicht auch Gegen­stand ist, und in denen das eige­ne Den­ken und Urtei­len  kei­ne Rol­le spielt.

Es geht dann etwa in einem Muse­um nicht (nur) dar­um, an Hand eines alten land­wirt­schaft­li­chen Geräts zu erken­nen und sich vor­zu­stel­len wie die Men­schen frü­her gear­bei­tet und gelebt haben, son­dern auch zu reflek­tie­ren, was an dem Gerät eigent­lich “alt” ist, inwie­fern es für etwas steht (und ste­hen soll), das “ver­gan­gen” ist, das im posi­ti­ven wie nega­ti­ven Sin­ne über­wun­den ist.

Es gin­ge dar­um zu klä­ren, was uns dazu bringt, einen sol­chen Gegen­stand, ein sol­ches Gerät als alt zu dekla­rie­ren (und nicht etwa nur als “abge­nutzt”). Das bedeu­tet, dass in Rela­tio­nen gespro­chen wer­den muss. Ver­glei­che mit gegen­wär­ti­gen Erfah­run­gen dür­fen dann nicht nur dazu genutzt wer­den, Alteri­tät zu beto­nen, son­dern müs­sen genutzt wer­den auch als Äuße­run­gen dazu, wel­che Eigen­schaf­ten und Dimen­sio­nen als rele­vant für Gegen­wär­ti­ges, Heu­ti­ges, Aktu­el­les gel­ten und inwie­fern die Ver­gan­gen­heit als “anders” ima­gi­niert und beur­teilt wird.

Ähn­li­ches gilt im Übri­gen für vie­le Bedin­gun­gen his­to­ri­schen Ler­nens und Den­kens — und auch von Lernzielen.

So ist das eben­falls von Ulrich May­er for­mu­lier­te Lern­ziel der “Ver­ständ­nis für die Ein­ma­lig­keit und Schutz­wür­dig­keit his­to­ri­scher Orte” doch sei­ner­seits pro­ble­ma­tisch. Ist wirk­lich gemeint, dass die Schüler(innen) ler­nen, dass his­to­ri­sche Orte grund­sätz­lich schutz­wür­dig sei­en, und grund­sätz­lich ein­ma­lig? Mir scheint, dass hier wie­der eine ver­kürz­te For­mu­lie­rung eines Lern­ziel vor­liegt, das erst in kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter For­mu­lie­rung sei­ne gan­ze Trag­wei­te aufzeigt:
“Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sol­len die Fähig­keit, Fer­tig­keit und Bereit­schaft erwer­ben und aus­bau­en, die beson­de­re Qua­li­tät eines gege­be­nen Ortes als his­to­risch ein­ma­lig und schutz­wür­dig (zuneh­mend) selbst­stän­dig ein­zu­schät­zen und zu beurteilen.”
Und auch hier dür­fen Lern­ziel und die dazu­ge­hö­ri­ge Auf­ga­ben­stel­lung nicht nur nicht auf “dass” lau­ten, son­dern nicht ein­mal auf “ob” oder “ob nicht”. Erst mit Hil­fe des Qua­li­fi­ka­tors “inwie­fern” näm­lich eröff­net eine Auf­ga­ben­stel­lung den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine Argu­men­ta­ti­ons­mög­lich­keit, die auch par­ti­el­le oder ande­re Lösun­gen (Re-Kon­struk­ti­on, Doku­men­ta­ti­on) einbezieht.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. May­er, Ulrich: His­to­ri­sche Orte als Lern­or­te. In: May­er, Ulrich, Pan­del, Hans-Jür­gen, Schnei­der, Ger­hard (2004; Hrsg.): Hand­buch Metho­den im Geschichts­un­ter­richt. Schwal­bach: Wochen­schau, S. 389 – 407, hier S. 394f [FN ange­passt][]
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