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Die Wie­der­lek­tü­re von Keith Jenk­ins’ Re-Thin­king Histo­ry (1991; seit 2002 bei den Rout­ledge Clas­sics) nach eini­gen Jah­ren zeigt mir (erneut), dass Geschichts­un­ter­richt und Geschichts­di­dak­tik noch immer oft­mals auf reich­lich dün­nem erkennt­nis­theo­re­ti­schem Grund gebaut sind.

Gegen­über dem “klas­si­schen” Geschichts­un­ter­richt, der dar­auf aus­ge­legt ist, den Ler­nen­den ein (wenn auch wis­sen­schaft­lich abge­si­cher­tes) Geschichts­bild als Ori­en­tie­rung anzu­bie­ten (und mit Hil­fe päd­ago­gi­scher Mit­tel und Zwän­ge es von ihnen wie­der abzu­ver­lan­gen) sind die gegen­wär­ti­gen Strö­mun­gen der Metho­den- und Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zwar als ein enor­mer Fort­schritt zu wer­ten, ins­be­son­de­re mit dem Ziel, die Ler­nen­den  zu eigen­stän­di­gem his­to­ri­schen Den­ken zu befä­hi­gen und ihnen die dafür nöti­gen Kon­zep­te und Ver­fah­ren anzu­bie­ten. Dazu gehört unter ande­ren inzwi­schen auch klas­si­scher­wei­se (bis in Unter­richts­mo­del­le hin­ein) 1 die Unter­schei­dung zwi­schen “Quel­len” und “Dar­stel­lun­gen”, die als eine erkennt­nis­theo­re­ti­sche Grund­er­kennt­nis allen Schü­lern bereits so früh wie mög­lich ermög­licht wer­den soll.

Das Pro­blem mit die­ser Unter­schei­dung besteht dar­in, dass sie in der Form, in der sie meis­tens kon­zep­tio­na­li­siert und ope­ra­tio­na­li­siert wird, das Pro­blem eher ver­stärkt als zu sei­ner Lösung bei­zu­tra­gen — und zwar vor allem dadurch, dass in den meis­ten Fäl­len so getan wird, als wäre die­se Unter­schei­dung eine, die in den Mate­ria­li­en vor­ge­ge­ben wäre. Dazu trägt auch die Mar­kie­rung von Mate­ria­li­en in Schul­bü­chern mit “Q” und “D” bei, wel­che den Schü­ler signa­li­sie­ren, um wel­che Sor­te Mate­ri­al es sich han­delt. Genau das unter­schlägt aber, dass die Eigen­schaft, “Quel­le” zu sein, den Mate­ria­li­en gera­de nicht inhä­rent ist. Sie wer­den — um im deut­schen Sprach­ge­brauch zu blei­ben (zu ande­ren Mög­lich­kei­ten s.u.) — erst durch die Fra­gen des His­to­ri­kers zu Quel­len. Theo­re­tisch ist das auch aner­kannt, aber gera­de die genann­te Schul­buch­pra­xis wird dem nicht gerecht.

Aber ist es damit getan (wie ich an ande­rer Stel­le gefor­dert habe), die­se Kann­zeich­nung auf­zu­ge­ben und dien Mate­ria­li­en unter­schieds­los mit “M” zu kenn­zeich­nen, damit die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die Fra­ge nach “Quel­le oder Dar­stel­lung” immer selbst bear­bei­ten müs­sen (sofern nicht prag­ma­ti­scher­wei­se ihnen die­se von Fall zu Fall auch von der Lehr­per­son abge­nom­men wird)? Das wäre sicher sinn­voll, löst das Pro­blam aber nur zu Hälf­te, denn das eigent­li­che Pro­blem liegt im Kon­zept der “Quel­le” selbst — es ist erkennt­nis­theo­re­tisch unzulänglich.

Nun soll an die­ser Stel­le weder die Theo­rie der Quel­le in der deut­schen Geschichts­theo­rie noch die Theo­rie und Geschich­te des Quel­len­ein­sat­zes im Geschichts­un­ter­richt als sol­che reka­pi­tu­liert wer­den. Es wird also weder um die Kon­zep­tio­na­li­ie­run­gen und Dif­fe­ren­zie­run­gen nach Ernst Bern­heim noch nach Johann Gus­tav Droy­sen gehen noch um alter­na­ti­ve Dif­fe­ren­zie­run­gen, etwa die Unter­schei­dung in Doku­men­te und Monu­men­te u.a. nach Pan­delxx. Ich möch­te viel­mehr ein kur­zes Schlag­licht wer­den auf einen Zusam­men­hang, den ich in unse­rem Kom­pe­ten­zen-Band nur unzu­läng­lich behan­delt habe.

In der eng­li­schen Geschichts­wis­sen­schaft und Geschichts­theo­rie (und dar­auf hat mich die Lek­tü­re von Keith Jenk­ins’ schma­lem aber unge­mein anre­gen­dem Band wie­der hin­ge­wie­sen) wird die glei­che Pro­ble­ma­tik (unter ande­rem) mit einer etwas ande­ren Ter­mi­no­lo­gie dis­ku­tiert. Damit mei­ne ich nicht so sehr, dass dort der Ter­mi­nus “Source” nicht wie in der deut­schen Tra­di­ti­on für “Ori­gi­nal­ma­te­ri­al” reser­viert wird, son­dern auch auf “Lite­ra­tur”  ange­wandt wird (so dass von “Pri­mär­quel­len” und “Sekun­där­quel­len” die Rede sein kann, was bei vie­len Kol­le­gen in Deutsch­land nur als Dif­fe­ren­zie­rung inner­halb der “Quel­len” als legi­tim aner­kannt wird), son­dern viel­mehr, dass eine inten­si­ve Dis­kus­si­on um das Kon­zept und den Begriff der “Evi­denz” geführt wur­de (sowohl in der Geschichts­wis­sen­schaft als auch in der Didak­tik, etwa als “second order con­cept” bei Ros Ash­by — dort in Kon­tras­tie­rung zum Kon­zept des “Zeug­nis­ses” — testimony).

Ins­be­son­de­re die von Jenk­ins  refe­rier­te und kom­men­tier­te Debat­te um Begriff und Kon­zept der “Evi­denz” zwi­schen Geoffrey Elton und Edward halltt Carr wirft ein Licht auf die Kon­zep­te, mit denen His­to­ri­ker ihr Geschäft ver­se­hen, das zu reflek­tie­ren auch für die deut­sche Geschichts­di­dak­tik sinn­voll erscheint.

“Evi­denz” als Begriff bezeich­net in die­ser Debat­te die Eigen­schaft von Über­res­ten aus der Ver­gan­gen­heit, als Beleg für oder gegen eine vor­gän­gig exis­ten­te Deu­tung (oder zumin­dest Ver­mu­tung) ver­wen­det wer­den zu kön­nen — so jeden­falls die über­le­ge­ne Posi­ti­on E.H. Carrs gegen G. Elton, wel­cher “Evi­denz” als vor­gän­gig vor dem Den­ken der His­to­ri­ker dach­te. 2 Letz­te­re Posi­ti­on ähnelt sehr den Vor­stel­lun­gen, die in Deutsch­land mit dem Kon­zept der “Quel­le” bezeich­net wer­den, näm­lich dass letzt­lich das his­to­ri­sche Wis­sen aus dem ori­gi­na­len Mate­ri­al aus der Ver­gan­gen­heit “ent­springt”.

Jenk­ins selbst prä­fe­riert augen­schein­lich über den durch die Ver­wen­dung bei durch Elton und inkon­sis­ten­ten Gebrauch welbst bei Carr pro­blem­be­haf­te­ten Begriff der “Evi­denz” den­je­ni­gen der “Spur”. Die aus der Ver­gan­gen­heit über­kom­me­nen Mate­ria­li­en sind “Spu­ren”, die auf ihre tat­säch­li­che Gewe­sen­heit hin­wei­sen, selbst aber, ohne das Zutun der His­to­ri­ker, nichts über sie aus­sa­gen. Der letz­te­re Aspekt ist dabei inso­fern wich­tig, als er dar­auf hin­weist, dass kei­ne auch noch so skru­pu­lös und metho­disch sau­ber erstell­te Aus­sa­ge die Ver­gan­gen­heit wie­der her­stel­len kann, da die­se eben nicht aus Aus­sa­gen bestand. 3

Weder der Begriff der “Evi­denz” noch der­je­ni­ge der “Quel­le” ist also der “bes­se­re”. Viel­mehr sind es gegen­wär­ti­ge, in der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­ni­ty eta­blier­te Kon­zep­te, mit denen his­to­risch Den­ken­de (vor allem His­to­ri­ker) der erkennt­nis­theo­re­ti­schen Pro­ble­me, die ihnen beim Arbei­ten mit Mate­ria­li­en begeg­nen, Herr zu wer­den trach­ten, nicht aber die­sen Mate­ria­li­en inhä­ren­te Begriffe.

Der Begriff der Quel­le erscheint dabei aber durch­aus als der pro­ble­ma­ti­sche­re, gera­de weil er letzt­lich eine Meta­pher dar­stellt: Das Bild sug­ge­riert das eigen­tä­ti­ge “Ent­sprin­gen” der (Er-)Kenntnis bzw. des Wis­sens über die Ver­gan­gen­heit aus ihnen, wie das Was­ser in einer Quel­le auch ohne Zutung des Men­schen her­vor­tritt. Die­se Vor­stel­lung ist aber (wie Jenk­ins in sei­nem ers­ten Kapi­tel ein­dring­lich dar­legt) gründ­lich irrig. His­to­ri­sches Wis­sen “an sich” gibt es nicht. Es gibt immer nur his­to­ri­sches Wis­sen für jeman­dem, aus einer bestimm­ten gegen­wär­ti­gen, sozia­len und kul­tu­rel­len (sowie poli­ti­schen etc.) Per­spek­ti­ve erstellt. Das ist übri­gens auch die Vor­be­din­gung dafür, dass his­to­ri­sches Wis­sen Ori­en­tie­rungs­kraft ent­fal­ten kann. Die von vie­len (Jenk­ins nennt sie “cer­tain­tists”) ange­streb­te “objek­ti­ve” Erkennt­nis im Sin­ne einer für alle glei­chen und ver­bind­li­chen Geschich­te dürf­te näm­lich letzt­lich die­se Ori­en­tie­rungs­kraft ver­lie­ren. Der von vie­len eben­so gefürch­te­te “Rela­ti­vis­mus” ist also gar kei­ne Gefahr von Belie­big­keit.  Im Gegen­teil: Die Erkennt­nis der Rela­ti­vi­tät his­to­ri­scher Erkennt­nis (auf Grund von Per­spek­ti­vi­tät, Par­tia­li­tät, Selek­ti­vi­tät, Viel­falt, Gebun­den­heit an den Erfahrungs‑, Konzept‑, Wert- und Sprach­ho­ri­zont des jewei­lig his­tor­sich Den­ken­den) stei­gert viel­mehr die Anfor­de­run­gen an die Qua­li­tät und die Gül­tig­keit his­to­ri­scher Aus­sa­gen. Es reicht näm­lich nicht mehr, eine mög­lichst all­ge­mein stim­mi­ge his­to­ri­sche Aus­sa­ge zu tref­fen — sie muss kon­kret ori­en­tie­ren. Aber das ist ein ande­res Thema.

Sum­mie­rend ergibt sich:

  1. Das Kon­zept der Quel­le ist pro­ble­ma­tisch, weil es als eine Meta­pher vom “Ursprung” der his­to­ri­schen Erkennt­nis den tat­säch­li­chen Ablauf his­to­ri­scher Erkennt­nis­pro­zes­se ver­stellt. Quel­len sind eben nicht  “Aus­gangs­punk­te his­to­ri­scher Erkennt­nis” 4,  son­dern gewis­ser­ma­ßen ein Aus­gangs­ma­te­ri­al unter meh­re­ren (wenn auch eines mit beson­de­rem Status).

  1. Das Kon­zept der “Evi­denz” ist dem­je­ni­gen der Quel­le deut­lich über­le­gen, weil es aner­kennt, dass die Mate­ria­li­en aus der Ver­gan­gen­heit nicht an sich, son­dern für etwas Evi­denz­cha­rak­ter besit­zen. Aller­dings muss dabei beach­tet wer­den, dass die­se Mate­ria­li­en dann nicht Evi­den­zen sind, son­dern als sol­che genutzt wer­den können.
  2. Das Kon­zept der “Spur” erscheint mir hier noch am wei­tes­ten führend.

Nun geht es in die­sem Blog ja nicht um Geschichts­theo­rie oder his­to­ri­sche Erkennt­nis­theo­rie als sol­che, son­dern um his­to­risch­des (Den­ken) Ler­nen (obwohl, wie deut­lich gewor­den sein soll­te, Letz­te­res nicht ohne eine gründ­li­che Refle­xi­on auf Ers­te­res kon­zi­piert wer­den kann).

Was also folgt aus den obi­gen Refle­xio­nen für his­to­ri­sches Ler­nen bzw. für staat­li­chen Geschichts­un­ter­richt? Muss das Kon­zept der Quel­le aus den Schul­bü­chern gestri­chen wer­den — und zwar sowohl hin­sicht­lich der Mate­ri­al­kenn­zeich­nun­gen als auch als Kon­zept aus dem Metho­den- oder Kom­pe­tenz­sei­ten? Muss er durch ande­re Kon­zep­te, etwa den der Evi­denz oder der Spur ersetzt wer­den? Geht es also dar­um, die offen­sicht­lich pro­ble­ma­ti­sche Ter­mi­no­lo­gie der Geschichts­wis­sen­schaft und der Geschichts­di­dak­tik über kurz oder lang zu emen­die­ren, zu ver­bes­sern (und dann wei­ter zu machen wie bis­her)? Ich den­ke nicht:

Gera­de weil das Den­ken in den Kon­zep­ten “Quel­le” und “Dar­stel­lung”, in der Unter­schei­dung und den damit ver­bun­de­nen erkennt­nis­theo­re­ti­schen Ideen und Über­zeu­gun­gen ver­brei­tet ist und wei­te Tei­le sowohl der fach­wis­sen­schaft­lich erstell­ten His­to­rio­gra­phie als auch der Geschichts­kul­tur davon geprägt sind, wäre es wenig hilf­reich, Schü­le­rin­nen und Schü­lern die­se Begrif­fe vor­zu­ent­hal­ten. Es muss also beim his­to­ri­schen Ler­nen dar­um gehen, nicht nur die nach eige­nen Stan­dards akzep­ta­blen, son­dern auch die weit­hin akzep­tier­ten Begrif­fe zu “leh­ren”. Es mag hier eine Abwand­lung des Beu­tels­ba­cher Kon­sen­ses gel­ten: Nicht nur muss im Unter­richt kon­tro­vers erschei­nen, was in Wis­sen­schaft und Gesell­schaft kon­tro­vers ist, son­dern auch das, was in der Gesell­schaft akzep­tiert und weit­hin ver­wen­det wird (also die “Kon­ven­tio­nen”) muss the­ma­ti­siert wer­den. (Es ist näm­lich nicht “die Ver­gan­gen­heit” der Gegen­stand des Geschichts­un­ter­richts, son­dern das his­to­ri­sche Den­ken — auch das der Gesellschaft).

Aber das reicht noch nicht: Ers­tens, weil auch die von uns jeweils akzep­tier­ten aund aner­kann­ten Kon­zep­te sich aus ande­ren Per­spek­ti­ven (oder auch nur bei wei­te­rer Refle­xi­on) als eban­falls pro­ble­ma­tisch her­aus­stel­len kön­nen. Genau genom­men gibt es  ja kei­ne “unpro­ble­ma­ti­schen” Kon­zep­te. Kon­zep­te sind immer Instru­men­te zum Beden­ken von Fra­gen zu Sach­ver­hal­ten und gehö­ren immer einer ande­ren Kate­go­rie als die mit ihnen bezeich­ne­ten Sach­ver­hal­te selbst. Inso­fern gehö­ren ihre “Leis­tun­gen” und “Gren­zen”, die Bedin­gun­gen ihrer Gel­tung oder Trif­tig­keit zu den Begrif­fen hin­zu. Es müss­te beim his­to­ri­schen Ler­nen also dar­um gehen, die ver­wen­de­ten Kon­zep­te nicht nur den Ler­nen­den “anzu­die­nen”, son­dern sie ihnen refle­xiv ver­füg­bar zu machen.

Wenn Jugend­li­che also Begrif­fe und Kon­zep­te ler­nen, dan müs­sen es jeweils meh­re­re die­ser Kon­zep­te sein, und zwar in ver­glei­chen­dem Zugriff und in Refle­xi­on ihrer jewei­li­gen Inten­sio­nen und Exten­sio­nen. Genau das ist auch das Kon­zept im Kom­pe­tenz­mo­dell “His­to­ri­sches Den­ken”: Die ein­fa­che Ver­fü­gung über das jewei­li­ge Kon­zept (etwa: anhand vor­ge­ge­be­ner Kri­te­ri­en), d.h. die Fähig­keit zur Anwen­dung des Kon­zepts und Begriffs, stellt eben “nur” (aber gleich­zei­tig: “immer­hin”) das “inter­me­diä­re” Niveau dar. Ela­bo­riert ist die Ver­fü­gung über die Kon­zep­te dann zu nen­nen, wenn eben die­se Leis­tun­gen und Gren­zen reflek­tiert wer­den kön­nen, wenn die Kon­zep­te und Begrif­fe nicht mehr nur vor­aus­ge­setzt und ange­wandt wer­den kön­nen, son­dern selbst erkennt­nis­theo­re­tisch reflek­tiert. Erst dann kann davon gespro­chen wer­den, dass der Ler­nen­de “kom­pe­tent” his­to­risch denkt.

So kann im übri­gen auch die Sack­gas­se über­wun­den wer­den, die sich aus Keith Jenk­ins rich­ti­ger Ana­ly­se erge­ben könn­te, dass es letzt­lich kei­ne ein­deu­tig und allein rich­ti­gen Wahr­heits­kri­te­ri­en gibt, son­dern dass jede kul­tu­rel­le, sozia­le, poli­ti­sche Grup­pe ihre eige­nen Kri­te­ri­en für ihre Wahr­heit auf­stellt und pflegt — wor­aus in der Tat ein Rela­ti­vis­mus­pro­blem ent­ste­hen kann: Soll Schu­le die eine oder die ande­re Vari­an­te, die eine oder die ande­re Epis­te­mo­lo­gie zur Grund­la­ge machen?

Auch hier zeigt sich in Metho­den- und Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung ein Aus­weg: Ihr zufol­ge besteht his­to­ri­sches Ler­nen nicht nur und nicht domi­nant dar­in, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine his­to­ri­sche Ori­en­tie­rung zu geben, son­dern sie zu befä­hi­gen, sich selbst eine sol­che zu erar­bei­ten und die his­to­ri­schen Ori­en­tie­run­gen der Mit­men­schen sich zu erschlie­ßen, um mit ihnen über Geschich­te und Gegen­wart zu kom­mu­ni­zie­ren. Gera­de wenn und weil Geschich­te umstrit­ten ist, darf es Schu­le weder dar­um gehen, Ergeb­nis (Geschichts­bild) und Grund­la­ge (Epis­te­mo­lo­gie) einer gesell­schaft­li­chen Grup­pe, noch eine “berei­nig­te”, ver­meint­lich neu­tra­le Vari­an­te zu ver­mit­teln — viel­mehr muss es Ziel sein, die Ler­nen­den zu befä­hi­gen, sich in die­ser Gemenge­la­ge von his­to­ri­schen Deu­tun­gen selbst­stän­dig zurechtzufinden.

Keith Jenk­ins Kri­tik an libe­ra­len Vor­stel­lun­gen der Mög­lich­keit einer all­seits gül­ti­gen Ver­si­on ist weit­hin nach­voll­zieh­bar. Aber auch die Vor­stel­lung, dass es jedem ein­zel­nen nicht nur mög­lich, son­dern jeder auch zustän­dig dafür ist, selbst­stän­dig zu den­ken, beruht auf libe­ra­len Grund­sät­zen. In die­sem Sin­ne ist mei­ne didak­ti­sche Schluss­fol­ge­rung u.a. aus Keith Jenk­ins’ Rela­ti­vis­mus deut­lich weni­ger kri­tisch gegen­über “libe­ra­len” Vorstellungen.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Dar­un­ter auch ein eige­nes, zum May­flower-Com­pact[]
  2. []
  3. Dies ist ein Argu­ment von David Lowen­thal aus The Past is a For­eign Coun­try. Vgl. dazu wie­der­um Jenk­ins, S. 14.[]
  4. So Arnold, Klaus: Quel­len, in: Jor­dan, Ste­fan: Lexi­kon Geschichts­wis­sen­schaft. Hun­dert Grund­be­grif­fe. Stutt­gart 2002, S. 251 – 255, hier S. 251[]
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