Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik / History Education, Universität Hamburg

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Neuerscheinung

13. April 2021 Andreas Körber Keine Kommentare

Kör­ber, Andre­as (2021): «Inwie­fern?» Plä­doy­er für eine Kul­tur der dif­fe­ren­zie­ren­den Th ema­ti­sie­rung von «Fak­ten». In: Kon­rad J. Kuhn, Mar­tin Nit­sche, Julia Thyroff und Moni­ka Wal­dis (Hg.): Zwi­schen­Wel­ten. Grenz­gän­ge zwi­schen Geschichts- und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten, Geschichts­di­dak­tik und Poli­ti­scher Bil­dung. Müns­ter: Wax­mann (ISBN 978 – 3‑8309 – 4337‑2)</a>, S. 283 – 292.

“Fakten” vs. “Fiktionen” — die falsche Alternative. Zur Problematik eines Grundkonzepts der Geschichtswissenschaft und des Geschichtslernens. Erweiterte Fassung

23. November 2019 Andreas Körber Keine Kommentare

 

“Histo­ry is the fic­tion we invent
to per­sua­de our­sel­ves that
events are kno­wa­ble and
life has order and direc­tion” 1

Die Fra­ge nach den “Fak­ten” 2 lässt Geschichts­wis­sen­schaft, Geschichts­di­dak­tik und den Geschichts­un­ter­richt nicht los. Vor ein paar Jah­ren war sie — auch und gera­de im Umfeld des Ham­bur­ger His­to­ri­ker­ta­ges — Gegen­stand einer öffent­li­chen Kon­tro­ver­se um den Geschichts­un­ter­richt gewe­sen, zu wel­cher ich auch hier im Blog Stel­lung bezo­gen habe. 3 Zuletzt ist sie — den Berich­ten eini­ger Teilnehmer*innen auf Twit­ter zufol­ge — auf dem gera­de noch lau­fen­den “his­to­camp 2019″ in Ber­lin erneut aufgeworfen.

In der Ent­ge­gen­set­zung zu “Fik­tio­nen” schließ­lich war sie auch The­ma des von mir betreu­ten Hef­tes 2018 der Zeit­schrift für Geschichts­di­dak­tik. Weil ich es dort in mei­ner Ein­lei­tung nicht in die­ser Form und Deut­lich­keit geschrie­ben habe, möch­te ich hier in aller Kür­ze dafür argu­men­tie­ren, dass sowohl das Kon­zept der “Fak­ten” als auch die Ent­ge­gen­set­zung zu “Fik­tio­nen” Teil des Pro­blems, nicht aber Teil der Lösung dar­stel­len (das Wie­der­gän­ger­tum die­ser Fra­ge deu­tet bereits auf die Pro­ble­ma­tik hin). Wor­in also besteht das Problem?

In dem über die­sem Bei­trag als Mot­to zitier­ten Satz steckt viel Wahr­heit — eben­so in Bezug auf die Funk­ti­on von Geschich­te (Ori­en­tie­rung), wie auf den Wunsch, die Din­ge (Ereig­nis­se) ein­fach “wis­sen” und eben­so “ver­mit­teln” zu können.

Genau die­ses letz­te­re Bedürf­nis bedient die Vor­stel­lung von “Fak­ten” als gege­be­ne und letzt­lich nur zur Kennt­nis zu neh­men­de Ein­hei­ten, die vor aller Anstren­gung höh­re­rer his­to­ri­scher Denk­pro­zes­se zunächst ein­mal ein­fach zur Kennt­nis zu neh­men und die­sen Denk­pro­zes­sen zugrun­de zu legen sind. Auch wenn sich das Kon­zept his­to­ri­schen Wis­sens — ent­ge­gen man­cher Vor­stel­lung in der brei­te­ren Öffent­lich­keit — nicht dar­auf redu­zie­ren lässt (pro­ze­du­ra­les Wis­sen um Ver­fah­ren der Erkennt­nis­ge­win­nung, Kon­zept- und auch meta­ko­gni­ti­ves Wis­sen sind weit­hin aner­kannt), so gehört die Vor­stel­lung des “Wis­sens” von Fak­ten als der Grund­la­ge, des Aus­gangs­ma­te­ri­als his­to­ri­schen Den­kens und der Gewin­nung his­to­ri­scher Ein­sich­ten doch noch oft dazu. Der in der ein­gangs zitier­ten Kon­tro­ver­se zitier­te Arti­kel “Schü­ler müs­sen Fak­ten ler­nen” des Ber­li­ner Kol­le­gen Tho­mas Sand­küh­ler ist nur ein Beispiel.

Die Vor­stel­lung, dass die Ver­fü­gung über sol­ches Wis­sen eine eher nie­de­re Stu­fe his­to­ri­scher Lern­tä­tig­keit ist, liegt auch der weit ver­brei­te­ten Lern­ziel­ta­xo­no­mie nach Ben­ja­min Bloom zugrun­de — zumin­dest ihrer Model­lie­rung der kogni­ti­ven Dimen­si­on. Die­se unter­schei­det in auf­stei­gen­der Fol­ge im Bild einer Pyra­mi­de “Wis­sen” (“know­ledge”), “Ver­ständ­nis” (“Com­pre­hen­si­on”), “Anwen­dung” (“Appli­ca­ti­on”), “Ana­ly­se” (“Ana­ly­sis”), “Syn­the­se” (“Syn­the­sis”) und “Bewer­tung” (“Eva­lua­ti­on”). Ähn­lich — und viel­leicht noch schär­fer — for­mu­liert es die revi­dier­te Fas­sung nach Lorin Ander­son und David Kra­thwol, in wel­cher die Nomen durch Ope­ra­tio­nen anzei­gen­de Ver­ben ersetzt sind und die Rei­hen­fol­ge leicht ver­tauscht sowie die letz­te Stu­fe ver­än­dert ist: “Remem­ber”, “Under­stand”, “App­ly”, “Ana­ly­ze”, “Eva­lua­te” und “Crea­te”.

Die die­ser Abstu­fung zugrun­de lie­gen­de Vor­stel­lung der Pro­gres­si­on von Ler­nen ist — zumin­dest für die Domä­ne und Dis­zi­plin Geschich­te — hoch pro­ble­ma­tisch: Dass his­to­ri­sches Wis­sen nicht Grund­la­ge und Aus­gangs­punkt his­to­ri­schen Den­kens sein kann, son­dern als des­sen Ergeb­nis anzu­se­hen ist, hat jüngst der US-ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ker und Geschichts­di­dak­ti­ker Sam Wine­burg pos­tu­liert. Er for­dert, die Taxo­no­mie nach Bloom gewis­ser­ma­ßen um 180° zu dre­hen, um sie gewis­ser­ma­ßen vom Kopf auf die Füße zu stel­len. 4 Im Hin­ter­grund die­ser Posi­ti­on steht Wine­burgs bekann­te Posi­ti­on, der­zu­fol­ge his­to­ri­sches Den­ken nichts dem Men­schen ange­bo­re­nes ist — ein “unna­tür­li­cher Akt”. Ohne einen durch­aus als anstren­gend gedach­ten Lern­pro­zess wür­den wir alle näm­lich Phä­no­me­ne der Ver­gan­gen­heit mit Hil­fe der uns aus unse­rer heu­ti­gen Lebens­welt ver­trau­ten Kon­zep­te, Vor­stel­lun­gen und Kri­te­ri­en betrach­ten — also “prä­sen­tis­tisch”. Wir müs­sen nicht nur abs­trakt ler­nen, dass die Ver­gan­gen­heit anders war, dass Men­schen ande­re (und kei­nes­wegs min­der­wer­ti­ge) Per­spek­ti­ven, Ver­ste­hens­ho­ri­zon­te und Welt­sich­ten hat­ten, son­dern wir müs­sen es uns (Wine­burg zufol­ge) in der Aus­ein­an­der­set­zung mit Fra­gen an die Ver­gan­gen­heit und Mate­ria­li­en aus der Ver­gan­gen­heit müh­sam antrai­nie­ren, die­se Anders­ar­tig­keit zu unter­stel­len und zu erken­nen. Das betrifft gera­de auch die Iden­ti­fi­ka­ti­on des­sen, was der Fall war. “Wis­sen” über Ver­gan­ge­nes hin­sicht­lich sei­ner Tat­säch­lich­keit ist so das obers­te Ergeb­nis his­to­ri­schen Den­kens — kei­nes­wegs aber eine ein­fach zu set­zen­de Vor­aus­set­zung. 5 Dies passt im Übri­gen durch­aus auch zu einer Aus­sa­ge des deut­schen Kol­le­gen Karl-Ernst Jeis­mann, dem­zu­fol­ge Wert­ur­tei­le (“Eva­lua­ti­on”) kei­nes­wegs am Ende, son­dern am Anfang vie­ler his­to­ri­scher Denk­pro­zes­se ste­hen — zumin­dest in der Form von Rele­vanz-Ent­schei­dun­gen, wel­che die Beschäf­ti­gung mit Ver­gan­ge­nem und sei­ner Bedeu­tung erst in Gang set­zen. 6

Ich selbst hal­te Wine­burgs Kri­tik an der Taxo­no­mie von Bloom bzw. Anderson/​Krathwol für berech­tigt, sei­ne Lösung ihre Dre­hung um 180° jedoch für kei­ne Lösung, denn sie über­sieht, dass “Wis­sen” bzw. “Erin­nern” — wie die meis­ten Fähig­kei­ten und Tätig­kei­ten — nie nur in einer Qua­li­täts- bzw. Ela­bo­ra­ti­ons­stu­fe vor­lie­gen. Es wäre eben­so falsch, Wis­sen nur am Ende lan­ger Lern­pro­zes­se zu ver­or­ten. Das gilt glei­cher­ma­ßen für die Ope­ra­tio­nen der Anwen­dung, Syn­the­se, Bewer­tung — und natür­lich auch für das Ver­ständ­nis. Für alle die­se Ope­ra­tio­nen gilt doch, dass sie sowohl in ein­fa­chen all­täg­li­chen Aus­prä­gun­gen For­men wie auch in hoch ela­bo­rier­ten Unter­su­chun­gen von Fach­leu­ten und For­schern nicht nur vor­kom­men, son­dern expli­zit adres­siert werden.
Die Taxo­no­mien müs­sen viel­mehr (wenn man schon Wine­burgs bild­li­cher Lösung folgt) nicht um 180° gedreht wer­den, son­dern um 90°, wie auch ihre Pyra­mi­den­form auf­ge­löst wer­den müss. Dies ergä­be meh­re­re “Säu­len” für die ein­zel­nen Fähig­kei­ten und Ope­ra­tio­nen, die jeweils für sich “gestuft” wer­den kön­nen. “Ler­nen” ist dann nicht zu begrei­fe als der Fort­schritt von jeweils einer zur nächs­ten Ope­ra­ti­on, nach­dem die jeweils ers­te “abge­schlos­sen” wäre, son­dern ein Pro­zess der Ela­bo­ra­ti­on sowohl der ein­zel­nen Ope­ra­tio­nen bzw. Fähig­kei­ten und ihres jewei­li­gen Zusam­men­han­ges. 7

Dann aber sind “Fak­ten” weder ein­fach Vor­aus­set­zun­gen noch allein abschlie­ßen­des Ziel his­to­ri­scher Denk- und Lern­pro­zes­se. Sie sind viel­mehr jeweils auf unter­schied­li­chem Niveau der Abs­trak­ti­on und Refle­xi­on erfol­gen­de men­ta­le Zusam­men­fas­sun­gen von Facet­ten ver­gan­ge­nen Lebens, Han­delns, Lei­dens und Seins zum Zwe­cke ihrer Benen­nung und Kom­mu­ni­ka­ti­on sowie ihrem Ein­be­zug in wei­te­re Argu­men­ta­tio­nen. Sie sind weder Vor­aus­set­zung noch Ergeb­nis, son­dern (his­to­risch) den­kend und urtei­lend gewon­ne­ne Kom­ple­xe aus Kennt­nis­sen, Unter­schei­dun­gen und Bedeu­tungs­zu­wei­sun­gen — und als sol­che sind sie sowohl Ergeb­nis wie Vor­aus­set­zung his­to­ri­schen Den­kens. Damit aber sind sie nicht ein­fach “gege­ben”, son­dern bedür­fen immer wie­der der Refle­xi­on und Ver­stän­di­gung. Das ist ins­be­son­de­re des­halb so, weil die Abgren­zung sol­cher “Facet­ten” des Ver­gan­ge­nes von ande­ren kei­nes­wegs vor­ge­ge­ben ist, denn die “Unter­schei­dung von Din­gen, wie sie waren, und von Din­gen, wie wir sie sehen”, ist mit Peter von Moos “von vorn­her­ein ‘eine lee­re Ges­te’, weil wir aus­schließ­lich einer durch Inter­pre­ta­ti­on gefil­ter­ten und zu inter­pre­tie­ren­den Aus­wahl sprach­lich ver­faß­ter Denk­wür­dig­kei­ten (bzw. ‘Fak­ten’) aus Myria­den von Ereig­nis­sen gegen­über­ste­hen.” 8. Was als “Fakt” iso­liert wer­den kann, ist nicht nur eine Fra­ge der Genau­ig­keit his­to­ri­schen Arbei­tens, son­dern auch eine der Per­spek­ti­ve, des Fra­ge­ste­lung, des Inter­es­ses, der durch den je eige­nen Wahr­neh­mungs- und Auf­fas­sungs­ho­ri­zont gepräg­ten Unter­schei­dungs­fä­hig­keit (gewis­ser­ma­ßen der “Bril­le”).

Folgt dar­aus nun doch ein Rela­ti­vis­mus? Kei­nes­wegs, — oder doch höchs­tens hin­sicht­lich des zuletzt ange­spro­che­nen Aspekts der Abgren­zung und Iden­ti­fi­ka­ti­on der “Fak­ten”, nicht aber hin­sicht­lich ihrer Tat­säch­lich­keit. Wer den Begriff der “Fak­ten” ablehnt, behaup­tet kei­nes­wegs Belie­big­keit und redet auch kei­nes­wegs not­wen­dig der (frei­en) Fik­ti­on das Wort, auch wenn alle Benen­nun­gen von Fak­ten und Ereig­nis­sen auf­grund der Par­ti­ku­la­ri­tät der Über­lie­fe­rung, der Selek­ti­vi­tät und der Per­spek­ti­vi­ti­tät immer auch kon­jekt­u­ra­le Antei­le anhaf­ten. Das Pro­blem mit den “Fak­ten” besteht nicht in ihrer Fak­ti­zi­tät, son­dern in ihrem vor­aus­ge­setz­ten und bei­be­hal­te­nen Cha­rak­ter als vor­ge­ge­be­ne Ein­hei­ten, die man als sol­che wis­sen und ken­nen kann, ohne die Per­spek­ti­vi­tät und das Inter­es­se, das zu ihrer Unter­schei­dung geführt hat zu berück­sich­ti­gen. “Ausch­witz” (um ein sehr deut­li­ches Bei­spiel zu neh­men) ist kein “Fak­tum”. Die­ser Satz bestrei­tet nicht, dass es Auschwtz gege­ben hat, er erkennt aber an, dass (1.) der Begriff “Ausch­witz” mehr bezeich­net als eine neu­tra­le, ein­deu­tig abgrenz­ba­re und auch nicht wei­ter zer­leg­ba­re Ein­heit des Ver­gan­ge­ne, die erst im Nach­hin­ein Bezug zu und Bedeu­tung für ande­re gewinnt. Nein, das was wir mit “Ausch­witz” bezeich­nen, ist für die Men­schen, die dort gelit­ten haben und ermor­det wur­den, für die eben­so lei­den­den Über­le­ben­den udn ihre Nach­kom­men, aber eben auch für die Täter und deren Nach­kom­men, und schließ­lich für uns Heu­ti­ge jeweils etwas gra­du­ell ande­res. Es gibt nicht ein Ausch­witz, es gab und es gibt vie­le. Das aber heißt nicht, dass sie nichts mit­ein­an­der zu tun hät­ten, dass sie getrennt von­ein­an­der exis­tier­ten, oder gar, dass es sich bei Ausch­witz “nur” um Kon­struk­tio­nen handelte.

Wor­um es hier geht, ist aber nicht, ob “Ausch­witz” “ein Fak­tum” ist, son­dern um die Fak­ti­zi­tät der jeweils mit dem Ter­mi­nus “Ausch­witz” kon­kret bezeich­ne­ten Ereig­nis­se und Erfah­run­gen. Die­se ist (in den aller­meis­ten Fäl­len) über­aus gut belegt. Das Gegen­teil des Spre­chens vom “Fak­tum Ausch­witz” ist somit nicht die Behaup­tung sei­ne Fik­tio­na­li­tät. Nicht “Fakt” oder “Fik­ti­on” ist die kor­rek­te Oppo­si­ti­on, son­dern “vor­aus­ge­setz­tes Fak­tum” oder “den­kend gewon­ne­ne Ein­sicht in das Ver­gan­ge­ne und sei­ne Fak­ti­zi­tät”. Bei­des näm­lich, sowohl die jeweils kon­kre­te Abgren­zung und Zusam­men­fas­sung wie auch ihre Eigen­schaft der “Fak­ti­zi­tät” näm­lich sind im Modus des his­to­ri­schen Den­kens zu gewin­nen, sind Ergeb­nis­se sol­cher Denk­pro­zes­se. Anders wären “Fake News” und Lügen nicht zu iden­ti­fi­zie­ren und zu schei­den. Den “Erin­ne­run­gen” des “Ben­ja­min Wil­ko­mir­ski” (eigent­lich Bru­no Dös­se­ker) und dem dar­in figu­rie­ren­den (nur außer­halb des Buches “iden­ti­fi­zier­ten”) “Ausch­witz” etwa konn­te und muss­te die Fak­ti­zi­tät abge­spro­chen wer­den, ohne dass dies auch auf Ausch­witz ins­ge­samt zutrifft.

Dass sowohl die Iden­ti­fi­ka­ti­on und Abgren­zung der jewei­li­gen Ge- oder Bege­ben­heit als auch ihre Fak­ti­zi­tät Ergeb­nis­se von Denk­pro­zes­sen sind, hin­dert nicht, sie in der Kom­mu­ni­ka­ti­on über Ver­gan­gen­heit und Geschich­te auch als Fak­ten anzu­spre­chen. Sol­che “Fak­ten” als “als sol­che” ler­nen zu las­sen und sie Schüler*innen als Vor­aus­set­zung von Deu­tung und Inter­pre­ta­ti­on zu “ver­mit­teln”, unter­gräbt den Auf­bau der Kom­pe­ten­zen, die nötig sind, in der viel­fäl­ti­gen und pro­ble­ma­ti­schen Geschichts­kul­tur kri­tisch den­kend bestehen zu können.

Nicht nur Ord­nung und Sinn (“order and direc­tion”), son­dern auch die “Wiss­bar­keit” von Bege­ben­hei­ten (und, ergän­ze: Gege­ben­hei­ten) 9 sind also Ergeb­nis, nicht aber Vor­aus­set­zung his­to­ri­schen Den­kens — und soll­ten auch als sol­che in his­to­ri­schen Lern­pro­zes­sen figu­rie­ren. Und wäre es nicht der leicht iro­nisch-fata­lis­ti­sche Ton von Cal­vins Weis­heit (die ihm im Comic dazu dient, eine “revi­sio­nis­ti­sche” Bio­gra­phie sei­ner selbst schrei­ben zu wol­len), wäre vie­les an dem Zitat durch­aus ernst­haft beden­kens­wert. Man müss­te aller­dings die Ter­mi­ni “Fik­ti­on” und “erfin­den” erset­zen nicht durch ihre Gegen­tei­le (“Fak­ten” und “her­aus­fin­den”), son­dern durch “Erzäh­lun­gen” und “erstel­len” — oder eben “kon­stru­ie­ren”. “Geschich­te sind die­je­ni­gen Erzäh­lun­gen, die wir kon­stru­ie­ren, um uns zu über­zeu­gen, dass wir etwas [ergän­ze: über Ver­gan­ge­nes] wis­sen, das uns in unse­rem Leben Ord­nung und Ori­en­tie­rung bietet.”

Das ist es, was damit gemeint ist, His­to­ri­sches Den­ken sei “Kon­tin­genz­be­wäl­ti­gung”. Der Begriff der “Kon­tin­genz” bezeich­net hier näm­lich weit mehr als “Zufall”. Er ver­weist auf die Unge­wiss­heit, die ent­steht zwi­schen den bei­den Über­zeu­gun­gen (a) alles in der Welt und im Leben sei ein­deu­tig vor­her­be­stimmt, und (b) es gäbe über­haupt kei­ne Zusam­men­hän­ge zwi­schen Ein­zel­hei­ten des Lebens — weder inner­halb einer Zeit noch über Zei­ten hinweg.
Ers­te­re Über­zeu­gung wür­de his­to­ri­sches Den­ken unnö­tig machen, weil wir selbst uns als völ­lig deter­mi­niert und somit ohne jeg­li­che Ent­schei­dungs­mög­lich­keit, ohne jeg­li­che Frei­heit von Auf­merk­sam­keit, Wahr­neh­mung, Urteil und Ent­schei­dung begrei­fen müss­ten. “Ori­en­tie­rung” wäre nicht nur nutz­los — wir kämen gar nicht erst auf die Idee, nach ihr zu suchen. Die letz­te­re Posi­ti­on wie­der­um (völ­li­ge Zufäl­lig­keit) müss­te uns in eine abso­lu­te Apo­rie füh­ren, denn wir könn­ten streng genom­men gar nichts mit irgend­ei­nem Grad an Sicher­heit erwar­ten. Dass ein wie auch immer gear­te­ter Zusam­men­hang zwi­schen den Phä­no­me­nen, Gege­ben­hei­ten und Bege­ben­hei­ten im Leben auch über die Zei­ten hin­weg besteht, ist somit wesent­li­ches Ele­ment der Kon­tin­genz (con-tin­ge­re, lat.: berüh­ren, über­tra­gen), aber eben auch, dass die­ser Zusam­men­hang nicht ein­fach gege­ben und erkenn­bar ist, son­dern umfas­sen­de (wenn auch nicht unend­li­che) Frei­heits­gra­de bereit hält. Es ist die­ser Bereich der Kon­tin­genz zwi­schen vor­aus­ge­setz­ter, nicht aber frag­los und ein­deu­tig bestimm­ba­rer Bedeu­tung von Ver­gan­ge­nem für das Gegen­wär­ti­ge und Zukünf­ti­ge, für unse­re Erwar­tun­gen und Plä­ne, der His­to­ri­sches Den­ken nötig macht — und mit ihm ein “Wis­sen” um Ver­gan­ge­nes, das aber nicht ein­fach gege­ben ist. Wis­sen von “Fak­ten” ist eben­so his­to­risch den­kend zu erschlie­ßen, in Form von Schluss­fol­ge­run­gen über die Fak­ti­zi­tät von Ein­zel­hei­ten näm­lich, wie sol­ches über syn­chro­ne und dia­chro­ne Zusam­men­hän­ge und schließ­lich auch wie Schluss­fol­ge­run­gen und Wer­tun­gen über Bedeut­sam­keit und Bedeu­tun­gen für unse­re eige­ne und aller Gegen­wart und Zukunft.

Was bedeu­tet dies nun für Geschichts­un­ter­richt? Folgt dar­aus, dass in Unter­richts­ein­hei­ten und ‑stun­den kei­ne “Fak­ten” mehr erschei­nen dür­fen, dass es nicht mehr zuläs­sig oder akzep­ta­bel ist, Gege­ben­hei­ten (Struk­tu­ren) und Bege­ben­hei­ten (Ereig­nis­se, Ereig­nis­ab­fol­gen, Hand­lun­gen etc.) nicht mehr in Form von Leh­rer­vor­trä­gen, Zeit­leis­ten und Tabel­len, Autoren­tex­ten etc. Schü­lern zur Ver­fü­gung zu stel­len, als Mate­ri­al für die Bear­bei­tung? Mit­nich­ten! Der­ar­ti­ge Refe­ren­zen sind ja nicht nur Instru­men­te schu­li­schen Ler­nens, son­dern Teil der gesell­schaft­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on über Geschich­te. Und je nach kon­kre­ter Fra­ge­stel­lung und Auf­ga­be bleibt es nicht nur hilf­reich, son­dern auch nötig, sie Schüler*innen zur Ver­fü­gung zu stel­len oder aber sie selbst von ihnen her­aus­ar­bei­ten zu las­sen. Das aber bedeu­tet nicht, dass sie nicht selbst im Lau­fe der Arbeit mit ihnen in den Fokus reflek­tie­ren­den, etwa dif­fe­ren­zie­ren­den und bewer­ten­den Den­kens gera­ten dürf­ten und müs­sen. Im Gegen­teil gehört es gera­de­zu zur Auf­ga­be his­to­ri­schen Ler­nens, in den Mate­ria­li­en (ins­be­son­de­re per­spek­ti­visch unter­schied­li­chen Quel­len und Dar­stel­lun­gen) begeg­nen­de Set­zun­gen und Behaup­tun­gen nicht nur zu berück­sich­ti­gen, son­dern auch zu prü­fen und ggf. selbst neu, dif­fe­ren­ziert zu for­mu­lie­ren oder auch abzulehnen.

Ein wei­te­res kommt hin­zu: Das Begrei­fen von “Fak­ten” (wenn man den Ter­mi­nus nicht völ­lig ver­ab­schie­den will) als nicht gege­be­ne, son­dern als im Rah­men eines Denk‑, For­schungs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se jeweils “vor­läu­fig” gefass­te Ver­wei­se auf Facet­ten des His­to­ri­schen ermög­licht es nicht nur, sie zu dif­fe­ren­zie­ren und zu zu inter­pre­tie­ren, son­dern auch kul­tu­rell und sprach­lich unter­schied­li­che For­men nicht nur ihrer Bezeich­nung und Inter­pre­ta­ti­on, son­dern auch der Abgren­zung dif­fe­ren­zi­ell zu ver­glei­chen. Das ermög­licht die expli­zi­te The­ma­ti­sie­rung und Refle­xi­on so unter­schied­li­cher Bezeich­nun­gen wie “Sie­ben­jäh­ri­ger Krieg”, “French and Indi­an War”, “3. Schle­si­scher Krieg”, “Gre­at War for the Empire”, “Guer­re de la Con­quête” und “Drit­ter Kar­na­ti­scher Krieg” als Bezeich­nun­gen sowohl für jeweils unter­schied­li­che, aber auch (mehr oder weni­ger) zusam­men­hän­gen­de Ereig­nis­se und — mehr noch — der sol­chen Bezeich­nun­gen inne­woh­nen­den poli­ti­schen, kul­tu­rel­len und zeit­li­chen Per­spek­ti­ven (eini­ge die­ser Bezeich­nun­gen sind ja erst im Rück­blick zu prä­gen gewe­sen). Eben­so wird es mög­lich, Bezeich­nun­gen in Ein­fa­cher und Leich­ter Spra­che hin­sicht­lich ihrer Leis­tun­gen (für die Erschlie­ßung der Sach­ver­hal­te und die Betei­li­gung an den Lern­pro­zes­sen und Deu­tun­gen) und Gren­zen bzw. der Bedar­fe an wei­te­ren Erläu­te­run­gen udn Ergän­zun­gen expli­zit besprechen.

Die Kon­se­quenz aus der Pro­ble­ma­ti­sie­rung des Kon­zepts “Fak­ten” auf­grund der damit ver­bun­de­nen mög­li­chen Kon­no­ta­ti­on (v.a. bei Ler­nen­den) des gewis­ser­ma­ßen dem His­to­ri­schen Den­ken und Ler­nen vor­ge­la­ger­ten und ihm dadurch auch par­ti­ell ent­zo­ge­nen Sta­tus, und aus der Fokus­sie­rung auf “Fak­ti­zi­tät” als der eigent­lich gemein­ten und rele­van­ten Eigen­schaft, heißt also nicht Rela­ti­vis­mus, son­dern die jeder­zeit nöti­ge Ermög­li­chung der The­ma­ti­sie­rung und Refle­xi­on sowohl der Kon­sti­tu­ti­on der ein­zel­nen “Fak­ten” als auch ihrer Qua­li­fi­ka­ti­on als “fak­tisch”. Für letz­te­re Ope­ra­tio­nen steht mit dem Kon­zept der Trif­tig­kei­ten bzw. Plau­si­bi­li­tä­ten, v.a. in empi­ri­scher Hin­sicht 10 ein Instru­men­ta­ri­um bereit, das es — in ele­men­ta­ri­sier­ter, bzw. genau­er: gra­du­ier­ter Form — auch Schüler*innen ermög­licht, zu eige­nen Sach­ur­tei­len über die Fak­ti­zi­tät behaup­te­ter Ereig­nis­se zu kom­men. Damit schließ­lich eröff­net die Fokus­sie­rung auf Fak­ti­zi­tät statt auf “Fak­ten” auch die Kon­struk­ti­on einer Lern­pro­gres­si­on in der Erfas­sung und Refle­xi­on die­ser Dimen­sio­nen his­to­ri­schen Den­kens und his­to­ri­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on gewis­ser­ma­ßen “schritt­wei­se” gelehrt und gelernt wer­den kann.

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Wat­ter­son, Bill (2010): “Cal­vin and Hob­bes” 19.7.1993; In: ders.: The com­ple­te Cal­vin and Hob­bes. Book 3. Kan­sas City: Andrews McMeel., S. 210 []
  2. Ich habe den Titel des Bei­trags noch ein­mal geän­dert. “Alter­na­ti­ve” scheint doch pas­sen­der als “Oppo­si­ti­on”.  A.K. 26.11.2019[]
  3. Vgl. Geschich­te – Kom­pe­ten­zen und/​oder Fak­ten? Zu eini­gen aktu­el­len Zei­tungs­ar­ti­keln und zur Fra­ge der Chro­no­lo­gie und Fort­gang der “Debat­te” um die Fak­ten in der Geschichts­di­dak­tik []
  4. Wine­burg, Samu­el S. (2018): Why learn histo­ry (when it’s alre­a­dy on your pho­ne). Chi­ca­go: Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go Press, S 81ff. []
  5. Wine­burg, Sam (1999): His­to­ri­cal Thin­king and Other Unna­tu­ral Acts. In: The Phi Del­ta Kap­pan 80 (7), S. 488 – 499. und Wine­burg, Sam (2001): His­to­ri­cal thin­king and other unna­tu­ral acts. Char­ting the future of tea­ching the past. Phil­adel­phia: Temp­le Uni­ver­si­ty Press (Cri­ti­cal per­spec­ti­ves on the past) []
  6. Jeis­mann, Karl-Ernst (2000): ‘Geschichts­be­wusst­sein’ als zen­tra­le Kate­go­rie der Didak­tik des Geschichts­un­ter­richts. In: Karl-Ernst Jeis­mann: Geschich­te und Bil­dung. Bei­trä­ge zur Geschichts­di­dak­tik und zur his­to­ri­schen Bil­dungs­for­schung. Hg. v. Karl-Ernst Jeis­mann und Wolf­gang Jacob­mey­er. Pader­born: Schö­ningh, S. 46 – 72, S. 66. []
  7. Vgl. auch Kör­ber, Andre­as (2012): Gra­du­ie­rung his­to­ri­scher Kom­pe­ten­zen. In: Miche­le Bar­ri­cel­li und Mar­tin Lücke (Hg.): Hand­buch Pra­xis des Geschichts­un­ter­richts. His­to­ri­sches Ler­nen in der Schu­le, Bd. 1. Schwalbach/​Ts.: Wochen­schau Ver­lag (Wochen­schau Geschich­te), S. 236 – 254. []
  8. Moos, Peter von (1999): Gefah­ren des Mit­tel­al­ter­be­griffs. Dia­gnos­ti­sche und prä­ven­ti­ve Aspek­te. In: Joa­chim Heinz­le (Hg.): Moder­nes Mit­tel­al­ter. Neue Bil­der einer popu­lä­ren Epo­che. 1. Aufl. Frank­furt am Main, Leip­zig: Insel-Ver­lag (Insel-Taschen­buch, 2513), S. 31 – 63, hier S. 54 []
  9. “Gege­ben­heit” meint hier eben nicht, dass etwas aus der Ver­gan­gen­heit uns ein­deu­tig erkenn­bar mit­ge­ge­ben sei, son­dern die von han­deln­den und lei­den­den Men­schen jeweils zu ihrer Zeit vor­ge­fun­de­nen Bedin­gun­gen, hier also Struk­tu­ren des Ver­gan­ge­nen. []
  10. Rüsen, Jörn (2013): His­to­rik. Theo­rie der Geschichts­wis­sen­schaft. Köln: Böhlau, S. 57ff []
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Fortgang der “Debatte” um die Fakten in der Geschichtsdidaktik

06. November 2016 Andreas Körber 3 Kommentare

Die Debat­te um “Fak­ten” in der Geschichts­di­dak­tik (vgl.
Geschich­te – Kom­pe­ten­zen und/​oder Fak­ten? Zu eini­gen aktu­el­len Zei­tungs­ar­ti­keln und zur Fra­ge der Chro­no­lo­gie) geht weiter.

Tho­mas Sand­küh­ler ver­weist nun auf Face­book auf einen (inzwi­schen auch online ver­füg­ba­ren) Arti­kel in der ZEIT vom 3.11.2016: Bucher, Eva: “Der Unter­gang der Fak­ten”. In DIE ZEIT Nr. 46/​2016 (3.11.2016), und beklagt, auch in der Geschichts­di­dak­tik ste­he “das Gefühl wie­der in hohem Kurs, woge­gen “Fak­ten” als über­leb­ter Posi­ti­vis­mus abge­tan” wür­den (https://​www​.face​book​.com/​t​h​o​m​a​s​.​s​a​n​d​k​u​h​l​e​r​.​5​/​p​o​s​t​s​/​7​0​5​0​0​9​5​5​2​9​9​6​862).

Mei­ne Ant­wort dar­auf lautet:
“Fak­ten als über­leb­ter Posi­ti­vis­mus in der Geschichts­di­dak­tik? Nein, die Ver­mitt­lung von von “Fak­ten” als gesi­cher­te, von den Schü­lern nicht kri­tisch zu beden­ken­de Aus­sa­gen und Zusam­men­hän­ge, vor allem als Vor­aus­set­zung, nicht aber als Gegen­stand eige­nen kri­ti­schen his­to­ri­schen Den­kens: Das wäre (und manch­mal ist) über­hol­ter Positivismus.
Dass die Dia­gno­se des “Post­fak­ti­schen” und die tat­säch­li­che Ableh­nung von “Fak­ten” zuguns­ten unbe­grün­de­ter gefühl­ter Über­zeu­gun­gen sei­tens bestimm­ter inter­es­sier­ter wie leicht­gläu­bi­ger Grup­pen aber kei­nes­wegs erzwingt, das För­dern kri­ti­schen Den­kens erneut abzu­leh­nen, hat vor eini­gen Wochen z.B. Phil­ipp Sara­sin in Geschich­te der Gegen­wart gezeigt: http://geschichtedergegenwart.ch/fakten-was-wir-in-der…/.
Geschichts­di­dak­tik als “Teil des Post­fak­ti­schen” ist eine gro­be Ver­ken­nung des Anlie­gens, näm­lich die Ler­nen­den zu befä­hi­gen und zu ermu­ti­gen (auch: zu ermu­ti­gen), selbst und selbst­stän­dig kri­tisch das zu prü­fen, was ihnen prä­sen­tiert wird. Da kann es nicht um die Behaup­tung eines “Fakten”-Status gehen, wo doch hin­rei­chend bekannt ist, dass Fak­ten ohne Inter­pre­ta­ti­on, ohne Ver­wen­dung gegen­wär­ti­ger Begrif­fe, gibt. Die Reak­ti­on der Geschichts­di­dak­tik darf gera­de kein Rekurs auf die Ver­mitt­lung von Fak­ten sein, son­dern die Befä­hi­gung zur kri­ti­schen Prü­fung aller Fak­ten­be­haup­tun­gen — unter Anwen­dung durch­aus “har­ter” Kri­te­ri­en von Plau­si­bi­li­tät. Nur damit kann man den Behaup­tun­gen des Post­fak­ti­schen wir­kungs­voll ent­ge­gen­tre­ten.” (https://​www​.face​book​.com/​a​n​k​o​e​r​b​e​r​/​a​l​l​a​c​t​i​v​i​t​y​?​p​r​i​v​a​c​y​_​s​o​u​r​c​e​=​a​c​t​i​v​i​t​y​_​l​o​g​_​t​o​p​_​m​enu#)

 

Geschichte — Kompetenzen und/​oder Fakten? Zu einigen aktuellen Zeitungsartikeln und zur Frage der Chronologie

06. September 2016 Andreas Körber 6 Kommentare

In den letz­ten Wochen und Mona­ten the­ma­ti­sier­ten – wie zuvor auch schon – anläss­lich von Novel­lie­run­gen der Lehr­plä­ne für das Fach Geschich­te in eini­gen deut­schen Bun­des­län­dern, Arti­kel in ver­schie­de­nen über­re­gio­na­len Tages- und Wochen­zei­tun­gen einen fach­di­dak­ti­schen wie poli­ti­schen Streit über Funk­ti­on, Ziel und Prag­ma­tik die­ses Faches. Ein wesent­li­cher Streit­punkt in die­ser Debat­te ist der Stel­len­wert von „Fak­ten“ im Geschichts­un­ter­richt. Damit erweist sie sich als die Fort­set­zung eines Dau­er­bren­ners, der in viel­fa­cher Form geführt wird, wobei sich als Grund­li­nie her­aus­ar­bei­ten lässt, dass die Ver­fech­ter eines „fak­ten­ori­en­tier­ten“ Unter­richts jeweils gegen unter­schied­li­che moder­ne Kon­zep­tio­nen und Inno­va­tio­nen des Geschichts­un­ter­richts ste­hen. Ihre Argu­men­te blei­ben dabei weit­ge­hend kon­stant (und unplausibel).

Die gegen­wär­ti­ge Run­de der Debat­te wie sie hier auf­ge­grif­fen wird, soll auf Sei­ten der „Fakten“-Verfechter anhand von drei Prot­ago­nis­ten dar­ge­stellt wer­den, näm­lich einem Jour­na­lis­ten (Tho­mas Vitzt­hum, Poli­tik­re­dak­teur bei DIE WELT), einem Leh­rer­ver­bands­funk­tio­när (Hans-Peter Mei­din­ger, Bun­des­vor­sit­zen­der des Phi­lo­lo­gen­ver­ban­des) und einem His­to­ri­ker und Geschichts­di­dak­ti­ker (Tho­mas Sand­küh­ler von der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Ber­lin). Der Zusam­men­hang stellt sich zum einen dadurch her, dass Vitzt­hum in zwei Arti­keln des letz­ten Jah­res1 (neben ande­ren wie etwa Klaus Schroe­der) sowohl Sand­küh­ler als auch Mei­din­ger als Gewährs­leu­te sei­ner Kri­tik an ver­meint­lich nega­ti­ven Ent­wick­lun­gen in Bezug auf den Geschichts­un­ter­richt zitiert, zum ande­ren dadurch, dass Sand­küh­ler selbst in einem „Gast­bei­trag“ in DIE ZEIT kri­tisch auf einen Arti­kel repli­ziert hat, wel­cher in Ableh­nung der „Fakten“-Orientierung die im neu­en Lehr­plan von Sach­sen-Anhalt geplan­ten Ände­run­gen des Geschichts­un­ter­richts vor­stellt und dabei sowohl einen der Mit­au­toren (Dirck Hein­ecke) wie auch Sand­küh­lers Ber­li­ner Kol­le­gen (von der Frei­en Uni­ver­si­tät) Mar­tin Lücke zu Wort kom­men lässt.2

Was ist dran an die­sen Kri­ti­ken – und was ist von ihnen zu halten?

Sandkühlers Kritik an Louisa Reichstetters Artikel

Begin­nen wir mit Sand­küh­lers Kri­tik am ZEIT-Arti­kel von Loui­sa Reich­stet­ter: Loui­sa Reich­stet­ter berich­tet in ihrem stre­cken­wei­se iro­nisch-salopp geschrie­be­nen Arti­kel über die Reform­be­stre­bun­gen in Sach­sen-Anhalt zunächst über eine Unter­richts­stun­de. Da ver­set­zen sich Schü­le­rin­nen und Schü­ler in die Rol­le his­to­ri­scher Akteu­re (Rosa Luxem­burg und Phil­ipp Schei­de­mann) in einem aller­dings fik­tio­nal aktua­li­sier­ten Set­ting, näm­lich einer Talk­show mit Publi­kums­be­fra­gung. Wer sich Geschichts­un­ter­richt nur als Aktua­li­sie­rung (auch im Detail) ver­bürg­ter Ereig­nis­se vor­stel­len kann, dem dürf­te die­ses Insze­nie­rung in der Tat wie eine Bedro­hung vor­kom­men. Ver­steht man Unter­richt aber (auch) als Raum, in wel­chem Her­aus­for­de­run­gen eige­nen Den­kens insze­niert wer­den, in wel­chem Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht nur wie­der­ge­ben oder (ggf. per­spek­ti­visch) vari­ie­ren, was sie aus Quel­len und mög­lichst „neu­tra­len“ Dar­stel­lun­gen (dazu s.u.) über­nom­men haben, son­dern in wel­chen sie selbst den­ken, inter­pre­tie­ren und urtei­len müs­sen, der wird sol­chen Arran­ge­ments deut­lich posi­ti­ver gegen­über stehen.

Aller­dings beruht Sand­küh­lers Kri­tik am Arti­kel Reich­stet­ters auf durch­aus frag­wür­di­ger Lek­tü­re und Zitier­wei­se. Er schreibt etwa gleich im drit­ten Absatz:

„‘Ein­füh­lung‘ in Epo­chen, lesen wir, sei sol­chem ‚Fak­ten­wis­sen‘ vor­zu­zie­hen. ‚Ein­füh­lung‘ ist jedoch eine Kunst aus der Mot­ten­kis­te des 19. Jahr­hun­derts, als die Ver­tre­ter des His­to­ris­mus mein­ten, die Dif­fe­renz zwi­schen Ges­tern und Heu­te durch eben­die­se Eigen­schaft über­win­den zu kön­nen.“3

Bei letz­te­rem ist Sand­küh­ler durch­aus und unum­wun­den zuzu­stim­men. „Ein­füh­lung“ in Epo­chen ist Unsinn. Nicht nur, dass ers­tens die his­to­ris­ti­sche Metho­de der Ein­füh­lung aus heu­ti­ger erkennt­nis­theo­re­ti­scher Sicht nicht halt­bar ist, zwei­tens selbst Leo­pold von Ran­ke als der wohl bekann­tes­te Advo­kat des Ide­als, sich selbst gleich­sam aus­zu­lö­schen, die Unmög­lich­keit die­ses Unter­fan­gens (das gleich­wohl sein Ide­al blieb) ein­sah, bezog sie immer auf Per­so­nen, nicht aber auf Abs­trak­ta wie Insti­tu­tio­nen und Epo­chen, denn die zugrun­de­lie­gen­de Ver­ste­hens­leh­re pos­tu­liert die Gleich­heit mensch­li­chen Füh­lens und Wol­lens über die Zei­ten hin­weg : Jeg­li­cher Ver­such der „Ein­füh­lung“ setz­te die inten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit den Lebens- und Lei­dens­be­din­gun­gen sowie mehr noch den ihnen zuge­hö­ri­gen Äuße­run­gen in Form von Doku­men­ten vor­aus (was Droy­sen spä­ter als „for­schend zu ver­ste­hen“ umschrieb). Die aber ist gera­de in einem Geschichts­un­ter­richt auf der Basis mög­lichst objek­ti­ver, geklär­ter Infor­ma­tio­nen nicht mög­lich. Ein­füh­lung (in wen oder was auch immer) auf der Basis von 1 ½ Sei­ten Dar­stel­lungs­text und drei bis vier Quel­len­aus­zü­gen in gegen­wär­ti­ger Spra­che wäre auch bei Gel­tung der his­to­ris­ti­schen Theo­rie Unsinn. Das aber ist gar nicht das Pro­blem. Es besteht viel­mehr dar­in, dass eine Ein­füh­lung in Epo­chen im Text von Reich­stet­ter gar nicht gefor­dert oder über eine ent­spre­chen­de For­de­rung berich­tet wird. Eine For­mu­lie­rung die­ser Art fin­det sich ledig­lich (in der gedruck­ten Fas­sung) links neben der beglei­ten­den Illus­tra­ti­on in Form der Fra­ge „Muss man in Geschich­te Fak­ten wis­sen? Oder geht es dar­um, sich in Epo­chen ein­zu­füh­len?“4 und wird im Text weder zustim­mend noch ableh­nend, ja nicht ein­mal erwä­gend auf­ge­grif­fen. Es scheint sich um eine eher pro­vo­ka­tiv gemein­te redak­tio­nel­le Auf­lo­cke­rung zu handeln.

Im Text wer­den als inno­va­ti­ve Ansät­ze viel­mehr durch­aus anspruchs­vol­le Vor­stel­lun­gen von Zie­len his­to­ri­schen Ler­nens zitiert und (über­wie­gend) mit dem Kon­zept der „Kom­pe­ten­zen“ ver­bun­den. Das umfasst in der gegen­wär­ti­gen plu­ra­len Mei­nungs- und Aus­hand­lungs­ge­sell­schaft drin­gend Benö­tig­tes. Geschichts­un­ter­richt soll demnach

„in Jugend­li­chen vor allem ein kri­ti­sches Geschichts­be­wusst­sein wecken, ihnen einen Sinn ver­mit­teln für die Inter­pre­ta­ti­on von Zei­ten und Fak­ten, für das Poli­ti­sche, für Iden­ti­tä­ten und Gerech­tig­keit. Im bes­ten Fal­le ent­wi­ckeln Schü­ler dann die Fähig­keit, nicht nur selbst zu for­mu­lie­ren und zusam­men­zu­fas­sen, son­dern bestehen­de Nar­ra­ti­ve und ver­meint­li­che Fak­ten zu hin­ter­fra­gen. Im aller­bes­ten Fal­le wer­den aus ihnen auf die­se Wei­se kri­ti­sche Köp­fe, die die Ursa­chen der kom­ple­xen poli­ti­schen Sach­ver­hal­te ihrer Gegen­wart dis­ku­tie­ren und sich nicht von bil­li­gen Paro­len begeis­tern las­sen. So gese­hen ist Geschich­te eines der wich­tigs­ten Fächer im Kanon überhaupt. “

Soweit Sand­küh­lers Kri­tik sich also nicht auf die durch­aus pro­ble­ma­ti­schen Ten­den­zen der Ver­kür­zung des zu the­ma­ti­sie­ren­den Zeit­ho­ri­zon­tes bezieht, die im Arti­kel auch als Mei­din­gers Kri­tik­punk­te zitiert wer­den (wenn auch kei­nes­wegs zustim­mend), fehlt ihr die Grund­la­ge. Bleibt aller­dings der zwei­te Punkt, der Stel­len­wert von „Fak­ten­wis­sen“.

So kri­ti­siert Sand­küh­ler an der von Reich­stet­ter geschil­der­ten Sze­ne, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler bräuch­ten zuvor erwor­be­nes Wis­sen, um Luxem­burg und Schei­de­mann dar­stel­len zu kön­nen. Woher er aller­dings die Infor­ma­ti­on nimmt, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der geschil­der­ten Sze­ne dies nicht zuvor getan haben, bleibt sein Geheim­nis. Immer­hin ist von „Papie­ren“ die Rede, von denen die Dar­stel­len­den ihren „Text“ able­sen. Die Dar­stel­lung ist ja offen­kun­dig (soweit aus der äußerst kur­zen Schil­de­rung abzu­le­sen) auch gar nicht das Zen­trum der Stun­de. Ob Luxem­burg und Schei­de­mann über­haupt in einer sol­chen Kon­stel­la­ti­on hät­ten dis­ku­tie­ren kön­nen, wo doch der eine „am 9. Novem­ber 1918 die Repu­blik aus­rief“ die ande­re „am 15. Janu­ar 1919 ermor­det wur­de“, wie ihm wich­tig erscheint; ist für die Stun­de wohl eher zweit­ran­gig. Es geht dem Leh­rer um die Erar­bei­tung der unter­schied­li­chen zeit­ge­nös­si­schen Vor­stel­lun­gen von Repu­blik, wel­che ins­be­son­de­re die ande­ren Mit­glie­der der Klas­sen aus den gespiel­ten Argu­men­ta­tio­nen her­aus­ar­bei­ten sol­len. Inwie­fern dies den „his­to­ri­schen Per­so­nen“ weni­ger „gerecht“ wer­den kann als etwa eine qua­si objek­ti­ve Dar­stel­lung die­ser poli­ti­schen Vor­stel­lun­gen in einem tro­cke­nen Autoren­text in einem Schul­buch, ist doch durch­aus fraglich.

Es geht aber wohl weni­ger um akti­ve, täti­ge und ein­fach rezi­pie­ren­de Schü­le­rin­nen und Schü­ler als um die Zie­le und Gelin­gens­be­din­gun­gen his­to­ri­scher Bil­dung und his­to­ri­schen Ler­nens. Was also ist der Kern von Geschichts­un­ter­richt? Die Ver- oder bes­ser Über­mitt­lung eines fest­ste­hen­den, als „geklärt“ gel­ten­den Kanons an Wis­sen und Deu­tun­gen – oder die Befä­hi­gung zu eige­nem kri­ti­schen Den­ken?5

Vitzthum, Meidinger, Sandkühler und die „Fakten“

Grund­li­nie der Argu­men­ta­tio­nen Vitzth­ums, Mei­din­gers und Sand­küh­lers in allen hier betrach­te­ten Arti­keln ist die Beto­nung der Bedeu­tung im Geschichts­un­ter­richt zu ver­mit­teln­der „Fak­ten“ und des chro­no­lo­gi­schen Auf­baus des Geschichts­un­ter­richts andererseits.

Begon­nen sei mit dem jüngs­ten der vier aus­ge­wähl­ten Arti­kel, in wel­chem Vitzt­hum gegen den neu­en Geschichts­lehr­plan von Sach­sen-Anhalt und das dort fokus­sier­te Kon­zept „nar­ra­ti­ver Kom­pe­tenz“ pole­mi­siert. Kern der Pole­mik ist die von Vitzt­hum zitier­te Kom­pe­tenz­de­fi­ni­ti­on, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sol­len „auf der Grund­la­ge der Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gen eine bio­gra­phi­sche oder the­ma­ti­sche Dar­stel­lung ver­fas­sen“ sowie „auf der Grund­la­ge der Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gen die Per­spek­ti­vi­tät auf den Pro­zess der Ver­ei­ni­gung bei­der deut­scher Staa­ten her­aus­ar­bei­ten“ kön­nen.6

Bevor sei­ne Dia­gno­se, dar­in kom­me ein „Miss­trau­en gegen­über einer all­ge­mein­gül­ti­gen his­to­ri­schen Erzäh­lung“ zum Aus­druck ana­ly­siert wer­den soll und die fol­gen­de Ent­ge­gen­set­zung von Kom­pe­ten­zen und Wis­sen und der Kri­tik, letz­te­re sei­en wich­ti­ger als Wis­sen, sei die kon­kre­te Kom­men­tie­rung der bei­den Zita­te genau­er betrach­tet. Vitzt­hum schreibt:

„Klingt nach Kul­tus­bü­ro­kra­ten­deutsch, ist aber gleich­wohl auf­schluss­reich. Offen­sicht­lich hat man sich in Sach­sen-Anhalt ent­schie­den, das für die Lebens­welt der Jugend­li­chen noch immer zen­tra­le Ereig­nis der Wie­der­ver­ei­ni­gung vor­nehm­lich durch die Erzäh­lun­gen jener zu beleuch­ten, die es erlebt haben.

Klar, eine sol­che Her­an­ge­hens­wei­se hat etwas für sich. Sie wirkt authen­tisch, leben­dig, unmit­tel­bar. Aber sie ist auch in höchs­tem Maße sub­jek­tiv, gefärbt durch rein per­sön­li­che Erfah­run­gen. Zudem sind Zeit­zeu­gen oft nicht die­je­ni­gen, die Geschich­te gemacht, son­dern jene, die sie erlebt haben oder gar erle­ben mussten.“

Hier­an ist (min­des­tens) zwei­er­lei zu bemer­ken. Da ist zunächst der letz­te Satz, der die Vali­di­tät der Zeit­zeu­gen­er­zäh­lun­gen als Infor­ma­ti­ons­quel­le für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in Zwei­fel zieht, weil die­se „in höchs­tem Maße sub­jek­tiv“ sei­en, „gefärbt durch rein per­sön­li­che Erfah­run­gen“. Dass die­se Eigen­schaf­ten kei­nes­wegs nur Zeit­zeu­gen­er­zäh­lun­gen zuer­kannt wer­den müs­sen, son­dern einem Groß­teil auch von tra­di­tio­nel­len schrift­li­chen Quel­len, etwa Brie­fen, Tage­buch­auf­zeich­nun­gen usw., ist nur das eine. Offen­kun­dig will Vitzt­hum die­se aber auch gar nicht den Quel­len gegen­über stel­len, son­dern den Dar­stel­lun­gen, die somit im Umkehr­schluss als „objek­tiv“ und nicht gefärbt aus­ge­ge­ben wer­den. Dass auch dies nur in begrenz­tem Maße zutrifft, dass viel­mehr Per­spek­ti­vi­tät und Deu­tungs­cha­rak­ter auch die­sen zukommt, ist eine Ein­sicht, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler gar nicht früh genug gewin­nen kön­nen. Die Geschichts­di­dak­tik hat dar­aus auch schon vor lan­ger Zeit die For­de­rung abge­lei­tet, nicht nur mit Blick auf die Quel­len, son­dern auch die Dar­stel­lun­gen habe das Prin­zip der Mul­ti­per­spek­ti­vi­tät zu gel­ten, das in Bezug auf letz­te­re als „Kon­tro­ver­si­tät“ bezeich­net wird. Bei­de, die For­de­rung nach der Nut­zung von Quel­len aus meh­re­ren rele­vant am jeweils dama­li­gen Gesche­hen betei­lig­ten oder sich auf es bezie­hen­den, wie auch nach ihrer Beleuch­tung nicht nur aus einer, son­dern meh­re­ren zurück­bli­cken­den Per­spek­ti­ven, ist dabei die Kon­se­quenz aus der Ein­sicht, dass eine „objek­ti­ve“, nicht in irgend­ei­ner Wei­se gefärb­te „pure“ Prä­sen­ta­ti­on gar nicht denk­bar ist, sowie (und das ist fast noch wich­ti­ger), dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen müs­sen, die Unter­schied­lich­keit von Sicht­wei­sen auf Ver­gan­gen­heit und Geschich­te, die ihnen zugrun­de­lie­gen­den Per­spek­ti­ven, die Bedeu­tung der­sel­ben für Inter­pre­ta­tio­nen und Wer­tun­gen zu erken­nen und damit umzu­ge­hen. Ein Unter­richt, der Per­spek­ti­vi­tät leug­net, sie hin­ter „objek­ti­ver“ Dar­stel­lung zu ver­ste­cken sucht, ver­hin­dert gera­de­zu die Ent­wick­lung der Befä­hi­gung zu ver­ant­wort­li­chem und (quel­len- wie darstellungs-)kritischem his­to­ri­schem Denken.

Es kommt aber noch mehr dazu. Vitzth­ums Wie­der­ga­be der Zie­le ist nicht wirk­lich red­lich und erweist sich selbst als eben­so per­spek­ti­visch, inter­es­sen­ge­lei­tet. Im Lehr­plan wird näm­lich kei­nes­wegs gefor­dert, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler allein „auf der Grund­la­ge der Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gen eine bio­gra­phi­sche oder the­ma­ti­sche Dar­stel­lung ver­fas­sen“. Die­se Kom­pe­tenz­for­mu­lie­rung steht viel­mehr im engen Zusam­men­hang mit der­je­ni­gen, „auf der Grund­la­ge der Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gen die sub­jek­ti­ve Sicht auf den Pro­zess der Ver­ei­ni­gung bei­der deut­scher Staa­ten her­aus­ar­bei­ten“ und auch (über die Zeit­zeu­gen­the­ma­ti­sie­rung hin­aus­füh­rend) „die aktu­el­le öffent­li­che Wider­spie­ge­lung der deutsch-deut­schen Geschich­te unter­su­chen und pro­ble­ma­ti­sie­ren (z. B. öffent­li­che Debat­te, Muse­um)“ zu kön­nen.7

Hier wird deut­lich, dass der Lehr­plan die Zeit­zeu­gen­er­zäh­lun­gen gera­de nicht als die allei­ni­ge und zen­tra­le Infor­ma­ti­ons- und Deu­tungs­quel­le vor­se­hen, der die Schü­le­rin­nen und Schü­ler qua­si aus­ge­lie­fert wären, son­dern sie eben­so als Gegen­stand der Ana­ly­se und Refle­xi­on vor­schrei­ben. Ob die­se schie­fe Dar­stel­lung dar­an liegt, dass Vitzt­hum sich (aus eige­ner Erfah­rung?) einen Geschichts­un­ter­richt nicht vor­stel­len kann oder will, in wel­chem die Schü­le­rin­nen und Schü­ler den ihnen prä­sen­tier­ten Mate­ria­li­en gegen­über nicht nur eine rezi­pie­ren­de Hal­tung ein­neh­men, son­dern ler­nen (und sich trau­en), die­se auch auf ihre jewei­li­gen Perspektive(n) und die dar­in zum Aus­druck kom­men­den Inter­es­sen, Deu­tun­gen und Wer­tun­gen her­aus­zu­ar­bei­ten (ohne sie damit not­wen­di­ger­wei­se zu dele­gi­ti­mie­ren), wird nicht deut­lich – wohl aber, dass der Lehr­plan deut­lich stär­ker zur Befä­hi­gung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler zum eigen­stän­di­gen Den­ken anlei­tet – Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung eben. Die­ser gegen­über aber kommt in Vitzth­ums Text ein „all­ge­mei­nes Miss­trau­en“ zum Aus­druck, vor allem dar­in, dass er sich his­to­ri­sches Den­ken und Geschichts­be­wusst­sein nicht als gleich­wer­ti­ge Dimen­si­on his­to­ri­schen Ler­nens begrei­fen kann oder will, son­dern als ver­meint­lich fest­ste­hen­dem Wis­sen unterzuordnen.

Damit steht er nicht allein, wie in sei­nem abschlie­ßen­den Zitat aus der Replik Tho­mas Sand­küh­lers auf Reich­stet­ter deut­lich wird:

„Der Ber­li­ner Geschichts­di­dak­ti­ker Tho­mas Sand­küh­ler ver­tei­digt in der ‚Zeit‘ das Fak­ten­wis­sen. ‚Ohne Inhal­te kann man aber kei­ne Kom­pe­ten­zen erwer­ben‘, schreibt er. Er sieht die Gefahr, dass die Refor­men genau das nicht bewir­ken, was sie ver­spre­chen: Mehr Men­schen mit Geschichts­be­wusst­sein her­vor­zu­brin­gen. ‚His­to­ri­sche Bil­dung wird immer mehr zum Pri­vi­leg gebil­de­ter Schich­ten, die ihren eige­nen Wer­tehim­mel reproduzieren.‘“

Über den letz­te­ren Gedan­ken, dass die Ori­en­tie­rung von Geschichts­un­ter­richt bestimm­te „Schich­ten“ der Bevöl­ke­rung pri­vi­le­giert, lässt sich tat­säch­lich pro­duk­tiv nach­den­ken. Ob aller­dings die Vor­ga­be eines Kanons von „Wis­sen“, der aus einer bür­ger­li­chen Per­spek­ti­ve tra­di­tio­nal fort­ge­schrie­ben wur­de und als „objek­tiv“ gilt, nicht eben die­sen Effekt haben muss, näm­lich die Per­spek­ti­ven, die Inter­es­sen, die Fra­gen und Deu­tun­gen vie­ler Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die nicht bereits einen sol­chen Hin­ter­grund haben (und viel­leicht auch ihre) sowie die von ihnen aus ihren sozia­len und kul­tu­rel­len (und wei­te­ren) Bezugs­rah­men mit­ge­brach­ten und auch in ihnen wich­ti­gen Per­spek­ti­ven aus­zu­blen­den, gering­zu­ach­ten und sie auf ande­re Wei­se zu benach­tei­li­gen, muss eben­so gefragt wer­den. Das Fol­gen­de kann und soll die­se Fra­ge nicht klä­ren, wohl aber dazu beitragen:

Fakten, Wissen und Kompetenzen: Eine Frage der Hierarchie?

Zur Fra­ge der „Fak­ten“: Mei­din­ger und Sand­küh­ler beto­nen, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler sol­che „ver­mit­telt“ bekom­men müss­ten, weil ihnen sonst eine Grund­ori­en­tie­rung eben­so fehl­te wie die Grund­la­ge für eige­ne his­to­ri­sche Denk­leis­tun­gen. Hier­zu ist zu bemer­ken, dass die über­wie­gen­de Zahl der His­to­ri­ker wie auch ins­be­son­de­re die Geschichts­theo­rie inzwi­schen sehr deut­lich her­aus­ge­ar­bei­tet hat und akzep­tiert, dass es „Fak­ten“ im Sin­ne unab­hän­gi­ger Aus­sa­gen in der Dis­zi­plin Geschich­te nicht geben kann. Dies basiert auf der grund­le­gen­den Ein­sicht, dass unter­schie­den wer­den muss zwi­schen der „Ver­gan­gen­heit“ als der grund­le­gen­den Ein­gen­schaft aller gewe­se­nen Ge- und Bege­ben­hei­ten und im Über­tra­ge­nen Sin­ne auch ihrer Gesamt­heit einer­seits und „Geschich­te“ ander­seits als der­je­ni­gen Form, in wel­cher in jeder Gegen­wart auf Ver­gan­ge­nes und Ver­gan­gen­heit Bezug genom­men wer­den kann. Letz­te­re ist immer (unter ande­rem) selek­tiv, par­ti­ku­lar und vor allem sprach­lich kon­stru­iert. Was immer über Ver­gan­ge­nes aus­ge­sagt wer­den kann, ist zutiefst geprägt von heu­ti­gen Denk­wei­sen und Begrif­fen sowie vom Wis­sen um die spä­te­ren Entwicklungen.

Selbst dort, wo Historiker:innen im Sin­ne der Ethik des deut­schen His­to­ris­mus (der geschichts­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­theo­rie und Schu­le des spä­ten 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts) ver­su­chen, die­se ihre eige­nen Prä­gun­gen zu über­win­den und das Ver­gan­ge­ne „aus sich her­aus“ zu ver­ste­hen, kön­nen sie die­se Per­spek­ti­ve nicht able­gen, die im Übri­gen nicht nur eine zeit­lich-retro­spek­ti­ve ist, son­dern auch sozia­le, kul­tu­rel­le, poli­ti­sche und ande­re Ele­men­te ent­hält. Die Vor­stel­lung unab­hän­gi­ger, gesi­cher­ter „Fak­ten“ als Gegen­stand des Geschichts­un­ter­richts ver­kennt, dass alle For­mu­lie­run­gen sol­cher Fak­ten jeweils bestimm­ten Per­spek­ti­ven, Erkennt­nis­in­ter­es­sen und Wer­te­sys­te­men und aus ihnen her­aus for­mu­lier­ten Erkennt­nis­in­ter­es­sen sind.8

Die­se Ein­sicht erfor­dert als Kon­se­quenz kei­nes­wegs – wie zuwei­len ande­ren didak­ti­schen Kon­zep­ten vor­ge­wor­fen – eine Ver­nach­läs­si­gung von Wis­sen und Kennt­nis­sen, wohl aber das Prin­zip, Wis­sen und Erkennt­nis­se nur so zu ver­mit­teln, dass ihre Per­spek­ti­vi­tät, ihre Zeit­ge­bun­den­heit und damit auch ihr erkennt­nis­theo­re­ti­scher Sta­tus nicht ver­deckt wer­den. Das aber geschieht, wenn die Ver­mitt­lung und Kennt­nis von „Fak­ten“ als Vor­aus­set­zung und Grund­la­ge gefor­dert wird und die­je­ni­ge der fach­spe­zi­fi­schen Metho­den sowie Ope­ra­tio­nen des gegen­warts­be­zo­ge­nen Ori­en­tie­rens ihn unter- oder nach­ge­ord­net wer­den. Alle Pos­tu­la­te „erst die Fak­ten – dann das Den­ken“ ver­de­cken die grund­le­gen­de Eigen­schaft allen Wis­sens, per­spek­ti­ven- und erkennt­nis­ab­hän­gig zu sein.

Wenn aber ver­meint­lich “objek­ti­ve Fak­ten” die „Inhal­te“ (bes­ser: Gegen­stän­de) des Geschichts­un­ter­richts dar­stel­len, wer­den die Ler­nen­den nur als Rezi­pi­en­ten ver­meint­lich fest­ste­hen­den Wis­sens ange­se­hen und ange­spro­chen, eines Wis­sens, das nicht nur ihren eige­nen kul­tu­rel­len, sozia­len und ande­ren Posi­tio­nen und Per­spek­ti­ven ent­frem­det ist, son­dern auch denen der viel­fäl­ti­gen Akteu­re der Vergangenheit.

Wor­auf es dem­ge­gen­über aber ankä­me, ist, die Ler­nen­den als den­ken­de Sub­jek­te anzu­se­hen und anzu­spre­chen, um sie zu befä­hi­gen, nicht nur Wis­sen zu erwer­ben, son­dern die dar­in jeweils erkenn­ba­ren Per­spek­ti­ven und Deu­tun­gen eben­so zu erken­nen, wie ihre eige­nen, auf die Bedeu­tung die­ser Per­spek­ti­vi­tät zu reflek­tie­ren und schließ­lich die dazu erfor­der­li­chen Fähig­kei­ten zu verbessern.

Die theo­re­ti­sche Ein­sicht in die Per­spek­ti­vi­tät his­to­ri­schen Wis­sens und his­to­ri­scher Ein­sich­ten in Ver­bin­dung mit der Erkennt­nis der Viel­falt der Per­spek­ti­ven soll­te es somit eigent­lich ver­bie­ten soll­te, ein für alle ver­bind­li­ches „Fakten“-Wissen vor­zu­ge­ben. Dar­an ändern auch etwa­ige Ziel­set­zun­gen nichts, durch eine sol­che ver­bind­li­che, gemein­sa­me Fak­ten­grund­la­ge und Geschich­te den sozia­len Zusam­men­halt zu för­dern oder über­haupt erst her­zu­stel­len, oder auch den Schü­le­rin­nen und Schü­lern wenigs­tens die „bes­te“ jeweils „ver­füg­ba­re“ Geschich­te (Seix­as) zu präsentieren.

Glei­ches gilt im Übri­gen für die Metho­den­ori­en­tie­rung, sofern sie Arbeits­wei­sen wie etwa die Quel­len­ori­en­tie­rung und die Inter­pre­ta­ti­on als Gegen­stän­de von Geschichts­un­ter­richt nur mit ihrer Her­kunft aus der aka­de­mi­schen Geschichts­wis­sen­schaft begrün­det. Auch dies trennt die Ein­sich­ten in die Kon­struk­ti­ons­be­din­gun­gen his­to­ri­schen Wis­sens von den Pro­duk­ten. Das wird ins­be­son­de­re dort augen­fäl­lig, wenn – wie etwa im Ent­wurf des Geschichts­leh­rer­ver­ban­des für „Bil­dungs­stan­dards“ von 2006 und 2010/​11 vor­ge­schla­gen wird, die zu ver­mit­teln­den „Medi­en- und Metho­den­kom­pe­tenz“ an ande­ren Inhal­ten und Wis­sens­be­stän­den zu the­ma­ti­sie­ren als die „inhalt­li­che Ori­en­tie­rungs­kom­pe­tenz“. Letz­te­re soll offen­kun­dig als nicht zu hin­ter­fra­gen­des Grund­ge­rüst bestehen bleiben.

In Vitzth­ums älte­rem Arti­kel – in wel­chem einer­seits durch­aus eini­ge sehr beden­kens­wer­te Fehl­ent­wick­lun­gen benannt wer­den, wie etwa die wei­te­re Reduk­ti­on des Faches Geschich­te im Umfang, ande­rer­seits aber auch völ­lig kri­tik­los auf metho­disch äußerst frag­wür­di­ger Basis for­mu­lier­te und Kennt­nis­se mit Deu­tun­gen unzu­läs­sig ver­men­gen­de Kri­tik von Klaus Schroe­der am Ergeb­nis von Schul­un­ter­richt nach­ge­be­tet wird – wird ent­spre­chend Hans-Peter Mei­din­ger mit der For­mu­lie­rung zitiert, „Inhal­te“ wür­den „ver­han­del­bar“, weil sie „nur einem Zweck“ dien­ten, näm­lich der „Kom­pe­tenz­ver­mitt­lung“.9

Das ist eine böse Kari­ka­tur der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Sie über­trägt offen­kun­dig ahnungs­los an der all­ge­mei­nen Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung des Bil­dungs­we­sens nach PISA geäu­ßer­te Kri­tik einer Reduk­ti­on der Bil­dung auf „Mess­ba­res“ auf das Fach Geschich­te. Es ist hier nicht der Ort, dar­über zu befin­den, ob sol­che Kri­tik mit Bezug auf ande­re Schul­fä­cher berech­tigt ist oder nicht. Im Bereich der Geschichts­di­dak­tik gibt es kein mir bekann­tes Kom­pe­tenz­mo­dell, wel­ches eine ein­fa­che „Output“-Orientierung im Sin­ne eines Trai­nings inhalts­un­ab­hän­gi­ger Fer­tig­kei­ten for­dern oder beför­dern wür­de.10 Die aller­meis­ten von ihnen model­lie­ren anspruchs­vol­le For­men der Aus­ein­an­der­set­zung mit his­to­ri­schen Inhal­ten, kei­nes ver­langt eine Zurück­stel­lung von Inhal­ten zuguns­ten von Kom­pe­ten­zen – auch nicht das von mir mit ver­ant­wor­te­te Kom­pe­tenz­mo­dell „his­to­ri­sches Den­ken“, wel­ches wohl am deut­lichs­ten die Beson­der­heit der Kompetenz(en) als auf unter­schied­li­che Gegen­stän­de zum Zwe­cke der Ori­en­tie­rung anzu­wen­den­de Kom­ple­xe aus Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten und Wis­sen her­aus­stellt.11

Fach­lich wie geschichts­di­dak­tisch vali­der wie auch päd­ago­gisch ehr­li­cher als die von Vitzt­hum im Anschluss an Mei­din­ger prä­sen­tier­te Ent­ge­gen­set­zung von „Wis­sen“ und „Kom­pe­ten­zen“ sind sol­che Kon­zep­tio­nen, in denen Wis­sen in Form von Kennt­nis­sen von Ein­zel­hei­ten und Zusam­men­hän­gen kei­nes­wegs aus­ge­spart und ver­nach­läs­sigt wer­den, aber weder prio­ri­tär gegen­über noch sepa­riert von Fähig­kei­ten his­to­ri­schen Den­kens geför­dert wer­den, und zwar sol­chen, wel­che den Schü­le­rin­nen nicht nur den Nach­voll­zug der Erkennt­nis­se von His­to­ri­kern ermög­li­chen, son­dern eben­so und beson­ders, ihre eige­nen Per­spek­ti­ven auf die Ver­gan­gen­heit und die Bedeu­tung der­sel­ben für sie und ihre Lebens­welt zu reflek­tie­ren. Das wäre im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung, näm­lich die Beför­de­rung der Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten und auch der Bereit­schaft der Schü­le­rin­nen und Schü­ler, selbst­stän­dig his­to­risch zu den­ken, und dabei Wis­sen und Ein­sich­ten zu erwer­ben sowie wei­ter auf- und umzu­bau­en nicht als ver­meint­lich fest­ste­hen­de „Fak­ten“, son­dern als immer wie­der zu beden­ken­de Inter­pre­ta­tio­nen. Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Unter­richt ist dann alles ande­re als „Stri­cken ohne Wol­le“, aber eben auch (um im Bild zu blei­ben) kei­ne rei­ne Pull­over­kun­de, son­dern Befähigung.

Die Illusion des chronologisch zu erwerbenden Chronologiegerüsts

Als letz­ter Aspekt der genann­ten Zei­tungs­bei­trä­ge und der Dis­kus­si­on über den Geschichts­un­ter­richt ist die in den letz­ten Jah­ren mehr­fach in der Bericht­erstat­tung vor­ge­brach­te Argu­men­ta­ti­on zu prü­fen, Schü­le­rin­nen und Schü­ler benö­tig­ten als Grund­ge­rüst des his­to­ri­schen Den­kens die Chro­no­lo­gie. Sie schient nicht nur in Mei­din­gers und Vitzth­ums Argu­men­ta­ti­on sowie in Sand­küh­lers Fra­ge an Reich­stet­ter durch, ob mit dem von ihr abge­lehn­ten „alten chro­no­lo­gi­schen Durch­gang“ „etwa“ das Fak­ten­wis­sen gemeint sei, war aber auch im Umfeld der öffent­li­chen und poli­ti­schen Dis­kus­si­on um die neu­en Fach­anfor­de­run­gen für den Geschichts­un­ter­richt in Schles­wig-Hol­stein wie um die neu­en Bil­dungs­plä­ne in Ber­lin und Bran­den­burg deut­lich zu hören.12 Der dor­ti­ge Lan­de­vor­sit­zen­de des Phi­lo­lo­gen­ver­ban­des, Hel­mut Sieg­mon, wird – neben dem Fach­vor­sit­zen­den eines Kie­ler Gym­na­si­ums – dazu von Franz Jung in einem Bericht über die Anhö­run­gen mit den Wor­ten zitiert, wol­le man „his­to­ri­sche Ent­wick­lun­gen begrei­fen, brau­che man die Kau­sal­ket­te der zeit­li­chen Abläu­fe.“13

An der Fest­stel­lung, die Chro­no­lo­gie sei nun ein­mal die Kern­di­men­si­on des Faches Geschich­te, sei­ner Bezugs­dis­zi­plin, der Geschichts­wis­sen­schaft, oder bes­ser: der Domä­ne des his­to­ri­schen Den­kens, ist über­haupt nichts aus­zu­set­zen – im Gegen­teil. Die den­ken­de, inter­pre­tie­ren­de und ori­en­tie­ren­de Ver­ar­bei­tung zeit­be­zo­ge­ner Infor­ma­tio­nen über Zei­ten, die nicht nur im Rah­men der eige­nen Bio­gra­phie zu ver­or­ten sind, son­dern weit dar­über hin­aus in der Ver­gan­gen­heit wei­sen, ist in der Tat das Pro­pri­um des Faches und die von kei­nem ande­ren Fach, kei­ner ande­ren Dis­zi­plin und Domä­ne als Kern­be­reich the­ma­ti­sier­te Fähig­keit. Dar­aus aber zu fol­gern, dass es sinn­voll ist, die­se zeit­be­zo­ge­nen Infor­ma­tio­nen den Ler­nen­den auch in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge zu prä­sen­tie­ren, ist durch­aus gro­tesk. Das „chro­no­lo­gi­sche Prin­zip“ ist daher in den letz­ten Jahr­zehn­ten auch zuneh­mend in die Kri­tik gera­ten.14

Dafür ist zum Teil ver­ant­wort­lich, dass es (nicht zu Unrecht) mit dem oben kri­ti­sier­ten Kon­zept von Geschichts­un­ter­richt ver­bun­den wird,15 den Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine fest­ste­hen­de Nar­ra­ti­on, einen Bestand an Wis­sen und Deu­tun­gen zur Über­nah­me vor­zu­ge­ben. Der­zeit ist die­se Struk­tur in den Schul­bü­chern nur noch in durch metho­den- und kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Ein­schü­be unter­bro­che­ner Form prä­sent, was wohl auf sei­ne letzt­lich unge­bro­che­ne Prä­senz in den Bil­dungs- und Lehr­plä­nen zurück­zu­füh­ren ist. Gera­de die­se Dop­pel­struk­tur, wie auch die Tat­sa­che, dass die ver­blei­ben­den chro­no­lo­gi­schen Kapi­tel kei­nes­wegs (mehr?) eine (gar lücken­los) zusam­men­hän­gen­de Geschich­te prä­sen­tie­ren, son­dern jeweils in sich zusam­men­hän­gen­den The­men­kom­ple­xen glei­chen mit mehr oder weni­ger gro­ßen Lücken dazwi­schen, die zudem in zeit­li­cher, räum­li­cher Hin­sicht sowie zwi­schen Sek­to­ren der Geschich­te (Poli­tik, Kul­tur, Wirt­schaft, Ideen­ge­schich­te, All­tags­ge­schich­te usw.) eini­ger­ma­ßen groß­zü­gig sprin­gen und wech­seln, zeigt die Absur­di­tät beson­ders deutlich.

Gat­tungs­ge­schicht­lich scheint die chro­no­lo­gi­sche Kon­zep­ti­on des Geschichts­un­ter­richts auf die Figur der Erzäh­lung der „eige­nen“ Geschich­te eines Vol­kes, einer sozia­len Grup­pe zurück­zu­ge­hen, mit denen die alten den jun­gen Mit­glie­dern eine zeit­lich ori­en­tier­te und ori­en­tie­ren­de Vor­stel­lung gemein­sa­mer Her­kunft und der Ent­ste­hung und Ent­wick­lung der Gemein­schaft gaben. In fami­liä­ren Zusam­men­hän­gen gibt es sol­ches als Erzäh­lung durch die Groß­el­tern gegen­über den Enkeln wohl auch heu­te noch. Aber abge­se­hen davon, dass es sich dabei um jeweils klei­ne Grup­pen han­delt, haben die­se Erzäh­lun­gen zwar zumeist chro­no­lo­gi­sche Struk­tur, wer­den aber kaum über meh­re­re Jah­re hin­weg ver­teilt erzählt, son­dern viel­mehr in vie­len kür­ze­ren „Por­tio­nen“, die jeweils the­ma­tisch ange­legt sind sowie sich in ihrer Form und den Anfor­de­run­gen, die sie an die Zuhö­rer stel­len, an jene anpas­sen. Kaum ein Opa wird sei­nem Enkel zuerst von den ältes­ten Zei­ten erzäh­len und alle Fra­gen zum Heu­te auf einen Jah­re spä­ter statt­fin­den­den Ter­min ver­trös­ten, oder bei Fra­gen nach einem Vor­her dar­auf ver­wei­sen, dass das schon frü­her „dran“ gewe­sen wäre.

Bestehen schon hin­sicht­lich der Funk­ti­on von Geschich­te als Erzähl­ver­an­stal­tung in klei­nen, über­schau­ba­ren Ein­hei­ten schwe­re Beden­ken an der Sinn­haf­tig­keit einer Par­al­le­li­sie­rung von Lern- und Erzähl­zeit in Form des chro­no­lo­gi­schen Prin­zips, so ist die Über­tra­gung die­ses Ver­fah­rens auf gro­ße Ziel­grup­pen (die jun­ge Gene­ra­ti­on), gro­ße sozia­le For­men (Klas­sen­ver­bän­de) und vor allem auch gro­ße zu the­ma­ti­sie­ren­de Zeit­räu­me erst recht pro­ble­ma­tisch. Das Erzäh­len der Geschich­te einer (moder­nen) Nati­on oder einer post-tra­di­tio­na­len,16 plu­ra­len Gesell­schaft erfor­dert grund­sätz­lich den Gebrauch von abs­trak­ten Begrif­fen nicht nur für Akteu­re (Staat, Volk, Nati­on) und Kon­zep­te (Herr­schaft, Krieg, Demo­kra­tie), son­dern auch für die Bezeich­nung von Zeit. Sol­che Begrif­fe aber und beson­ders auch das Kon­zept eines durch sie erschlos­se­nen linea­ren Zusam­men­hangs (der moder­nen Natio­nal­ge­schich­ten zu Grun­de liegt) kön­nen nicht vor­aus­ge­setzt, son­dern müs­sen selbst nach und nach, schritt­wei­se, erwor­ben wer­den – und das nicht als ver­meint­lich gege­be­ne Grö­ßen, son­dern als zwar nicht unsin­ni­ge, aber doch kon­tin­gen­te, kon­ven­tio­nel­le Kon­zep­te und Begriffe.

Wenn man nun moder­ne und/​oder post-tra­di­tio­na­le Geschichte(n) in die­sem Sin­ne über meh­re­re Jah­re hin­weg chro­no­lo­gisch erzählt (was in die­ser ein­fa­chen Form wohl nie­mand mehr tut) oder „erar­bei­ten lässt“ mit Hil­fe von Quel­len und ande­ren Mate­ria­li­en, dann ver­deckt man viel­mehr durch das Vor­aus­set­zen der Chro­no­lo­gie und durch ihre Ver­tei­lung über den gesam­ten Erzähl- oder Lern­zeit­raum ihre eige­ne Qua­li­tät und ihre Stel­lung das das zen­tra­le Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zip. Es ist gar nicht so sehr die Unfair­nis, von Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu erwar­ten, dass sie eine Zeit­vor­stel­lung rein addi­tiv mit „Inhalt“ fül­len und dabei „schon gehab­tes“ über Jah­re hin­weg behal­ten und prä­sent haben („das hat­tet ihr schon“) sowie Gegen­warts­be­zü­ge und Vor­grif­fe abzu­tun („das kommt spä­ter“) als viel­mehr die Nicht-Expli­zie­rung der die Chro­no­lo­gie kon­sti­tu­ie­ren­den und struk­tu­rie­ren­den Prinzipien.

Chro­no­lo­gie ist also zu wich­tig, als dass man sie als impli­zi­tes Prin­zip nut­zen dürf­te. Das gilt ins­be­son­de­re des­halb, weil unser heu­ti­ges Chro­no­lo­gie­kon­zept ja kei­nes­wegs ein­fach ist. Die Unter­tei­lung der Zeit nicht nur mit­tels nume­ri­scher Ska­len (Jah­re), die auf­grund der Unter­tei­lung in „v.Chr.“ und „n. Chr.“ (bzw. „u.Z.“) und der damit ver­bun­de­nen nega­ti­ven Zah­len schon kei­nes­wegs ein­fach ist (von unter­schied­li­chen Null­punk­ten in Her­kunfts- und Reli­gi­ons­kul­tu­ren man­cher Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie abwei­chen­den Bezeich­nun­gen der Jahr­hun­der­te ganz abge­se­hen), reicht ja für ein chro­no­lo­gi­sches „Grund­ge­rüst“ kei­nes­wegs aus. Hin­zu kom­men eine Rei­he durch­aus unter­schied­li­cher (und kei­nes­wegs ein­deu­ti­ger) Peri­odi­sie­run­gen wis­sen­schaft­li­cher („Vor­ge­schich­te“, „Früh­ge­schich­te“, „Antike“/“Altertum“, „Mit­tel­al­ter“, „Frü­he Neu­zeit“, „Vor­mo­der­ne“, „Neu­zeit“, „Moder­ne“, , „Zeit­ge­schich­te“, „Gegen­wart“,) mit ihren kei­nes­wegs ein­deu­ti­gen Abgren­zun­gen und kul­tu­rel­len Kon­no­ta­tio­nen (man den­ke an Peter von Moos‘ „Gefah­ren des Mit­tel­al­ter­be­griffs“, aber auch die unter­schied­li­chen Bestim­mun­gen der „Zeit­ge­schich­te“), sowie nicht-sys­te­ma­ti­scher Bezeich­nun­gen („Römer­zeit“, „Zwi­schen­kriegs­zeit“, „Nach­kriegs­zeit“). Dass uns wie die­se zu nicht „wis­sen­schaft­li­chen“, kul­tu­rell aber bedeut­sa­men Zeit­be­zeich­nun­gen ste­hen („vor dem Krieg“, „1968“, „zur Zeit des Pro­phe­ten“, „als Uroma geflo­hen ist“) , wel­chen Logi­ken sie jeweils fol­gen, usw., ist nicht wirk­lich en pas­sant zu erwer­ben, wenn sie jeweils „chro­no­lo­gisch dran“ sind. Das Argu­ment, dass fast alle die­se Bezeich­nun­gen den Schü­le­rin­nen und Schü­lern im All­tag wie in den Medi­en immer schon begeg­net sind, bevor letz­te­res der Fall ist, braucht wohl gar nicht mehr erwähnt zu werden.

Chro­no­lo­gie als Kon­zept und als sta­bi­les Gerüst erwirbt man wohl am bes­ten nicht dadurch, dass im Zuge einer ansons­ten (weit­ge­hend) unver­än­der­ten der Prä­sen­ta­ti­on von kon­ven­tio­nel­ler nar­ra­ti­ver Deu­tung (im Autoren­text), der Ein­übung in zen­tra­le Begrif­fe und der exem­pla­ri­schen Inter­pre­ta­ti­on von Quel­len sowie der immer wie­der ein­mal statt­fin­den­den Dis­kus­si­on offe­ner Fra­gen inner­halb die­ser Kom­ple­xe die „Daten“ und „Fak­ten“ nach­ein­an­der auf­ge­nom­men und anein­an­der gehängt werden.

Hin­zu kommt, dass das impli­zi­te Vor­aus­set­zen der chro­no­lo­gi­schen Abfol­ge nicht nur gera­de nicht in der Sache selbst gege­be­nen und daher selbst­ver­ständ­li­chen, son­dern fach­lich wie kul­tu­rell in durch­aus unter­schied­li­chen For­men und unter­schied­li­cher Qua­li­tät ent­wi­ckel­ten Kon­zep­te zeit­li­cher Ord­nung gera­de­zu aus der Auf­merk­sam­keit der Schü­le­rin­nen und Schü­ler her­aus­nimmt – es sug­ge­riert auch, dass in der chro­no­lo­gi­schen Abfol­ge eine Not­wen­dig­keit lie­ge. Wenn schon der Vor­sit­zen­de des schles­wig-hol­stei­ni­schen Phi­lo­lo­gen­ver­ban­des die chro­no­lo­gi­sche Anord­nung der Ereig­nis­sen umstands­los und ein­zig als „Kau­sal­ket­te“ anspricht und somit ent­we­der (wohl mehr nolens als volens) ein „post hoc ergo prop­ter hoc“ unter­stellt, wenn nicht gar eine mate­ria­le Geschichts­phi­lo­so­phie, dann wird die­ser Ein­druck bei Schü­le­rin­nen und Schü­lern wohl noch deut­li­cher ent­ste­hen. Als gäbe es nicht auch eine gan­ze Rei­he ande­rer For­men zeit­li­cher Zusam­men­hän­ge, die es zu beden­ken und zu prü­fen gäbe als nur kau­sa­le.17

Viel plau­si­bler ist dage­gen ein Erwerb eines Grund­be­stan­des an „Fak­ten“ (hier: von Kennt­nis­sen über Ver­gan­ge­nes) und auch einer vali­den, nicht-tri­via­len und vor allem belast­ba­ren Vor­stel­lung eines zeit­li­chen Grund­ge­rüsts als zuneh­men­de Aus­dif­fe­ren­zie­rung über eine Abfol­ge meh­re­rer the­ma­ti­scher Ein­hei­ten hin­weg, die jeweils zwar nicht das gan­ze “Uni­ver­sum des His­to­ri­schen” umfas­sen, wohl aber wesent­li­che Abschnit­te des­sel­ben. Bei Anfän­gern (wohl den jün­ge­ren Schü­lern) wären somit eher gro­be, dafür aber kei­nes­wegs ein­ge­schränk­te Ein­tei­lun­gen von Zeit. Im Schul­al­ter dürf­te das wohl nicht erst bei einer dicho­to­men Unter­schei­dung von „heu­te“ und „frü­her“ anfan­gen, wohl aber muss auch die­se mög­lich sein. Mehr­fa­che fol­gen­de Aus­dif­fe­ren­zie­run­gen des tem­po­ra­len Gerüsts und immer wie­der statt­fin­den­de Ver­glei­che der chro­no­lo­gi­schen Kon­zep­te und Ter­mi­no­lo­gie unter­ein­an­der ermög­li­chen dann den kumu­la­ti­ven (nicht addi­ti­ven) Auf­bau eines fle­xi­blen, ope­ra­blen Kon­zepts von Zeit. Das ist mög­lich, indem Geschichts­un­ter­richt nicht mehr chro­no­lo­gisch vor­geht, son­dern in Form einer Anein­an­der­rei­hung von soge­nann­ten „Längs­schnit­ten“, die sich jeweils the­ma­tisch unter­schei­den, aber auch dar­in, dass quer zu ihnen (über sie hin­weg) der Grad der Dif­fe­ren­zie­rung von chro­no­lo­gi­scher und „sach­be­zo­ge­ner“ Ter­mi­no­lo­gie, der Anspruch an die Ver­fü­gung über Kon­zep­te, Fähig­kei­ten und Metho­den­be­herr­schung sowie schließ­lich an Refle­xi­vi­tät schritt­wei­se erhöht wird.18

Chro­no­lo­gi­sche Rück- und Vor­auf­be­zü­ge erfor­dern dann kei­nes­wegs Erin­ne­rungs- und War­tel­eis­tun­gen über meh­re­re Jah­re, viel­mehr kön­nen (und müs­sen) die Schü­le­rin­nen und Schü­ler jeweils Bezug auf die vor­he­ri­gen, die „gan­ze“ Zeit­ska­la umfas­sen­den Kennt­nis­se zurück­grei­fen. Die Lern­pro­gres­si­on des Geschichts­un­ter­richts liegt dann nicht mehr ent­lang, son­dern quer zur Chro­no­lo­gie. Auch das wird einem Geschichts­ler­nen gerecht, das sich als Befä­hi­gung zum Den­ken, nicht als Vor­ga­be und Rezep­ti­on einer kon­ven­tio­nel­len Deu­tung versteht.

Gera­de wer der Mei­nung ist, dass die Chro­no­lo­gie das unver­zicht­ba­re Grund­ge­rüst ist, müss­te sich im Inter­es­se eines sys­te­ma­ti­schen Auf­baus belast­ba­rer Chro­no­lo­gie­kon­zep­te vom her­kömm­li­chen chro­no­lo­gi­schen Unter­richt verabschieden.

Zitier­te Lite­ra­tur

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Vitzt­hum, Tho­mas (2016): Wenn im Geschichts­un­ter­richt Jah­res­zah­len egal sind. In: DIE WELT [online], 22.08.2016. Online ver­füg­bar unter http://​www​.welt​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​d​e​u​t​s​c​h​l​a​n​d​/​a​r​t​i​c​l​e​1​5​7​8​0​7​7​7​4​/​W​e​n​n​-​i​m​-​G​e​s​c​h​i​c​h​t​s​u​n​t​e​r​r​i​c​h​t​-​J​a​h​r​e​s​z​a​h​l​e​n​-​e​g​a​l​-​s​i​n​d​.​h​tml.

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Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Vitzt­hum 2015; Vitzt­hum 2016. []
  2. Sand­küh­ler 2016 als Replik auf Reich­stet­ter 2016. []
  3. Sand­küh­ler 2016. []
  4. Reich­stet­ter 2016. []
  5. Es han­delt sich natür­lich nicht um ein­fa­che Alter­na­ti­ven. Man kann sie auch als Kom­po­nen­ten begrei­fen, aus denen in unter­schied­li­chen Zusam­men­set­zun­gen jeder (?) Geschichts­un­ter­richt zusam­men­ge­setzt ist. Aller­dings ist dann frag­lich, ob es nicht noch ande­re sol­che Kom­pe­ten­zen gibt, und ob sol­che Zusam­men­set­zun­gen nicht inne­re Wider­sprü­che auf­wei­sen (kön­nen). Die Fra­ge reicht etwa bis hin­ein in die Ter­mi­no­lo­gie, ob man von „Struk­tu­rie­rungs­kon­zep­ten“ oder „Dar­stel­lungs­kon­zep­ten“ spre­chen soll (vgl. den m.E. fal­schen Ter­mi­no­lo­gie­wech­sel von Bar­ri­cel­li 2007; zu Bar­ri­cel­li 2012; sowie Pan­del 2006). []
  6. Vitzt­hum 2016. Zita­te aus: Both et al. 2016, S. 13. []
  7. Both et al. 2016, S. 13. []
  8. Vgl. „Gera­de […] Ran­ke war bewußt, daß es sich bei den soge­nann­ten Fak­ten um Kon­struk­te han­del­te“. Süss­mann 2000, 30, FN 28. []
  9. Vitzt­hum 2015. []
  10. Bar­ri­cel­li et al. 2012. Kör­ber 2018; dem­nächst auch Kör­ber 2021a. []
  11. Kör­ber et al. 2007; dar­in Bor­ries 2007 zum Ver­hält­nis von (nicht so bezeich­ne­tem) „Fakten“-Wissen und Kom­pe­ten­zen; vgl. auch Düvel und Kör­ber 2012. []
  12. Jung 2015. Vgl. die Bei­trä­ge in Demo­kra­ti­sche Geschich­te 26 (2016): Schwa­be 2016, Stel­lo 2016, Pohl 2016, Dan­ker 2016. []
  13. Jung 2015. []
  14. Kör­ber 2004, Völ­kel 2011, Dan­ker 2016. []
  15. Vgl. kri­tisch: „chro­no­lo­gi­scher Durch­gang und Kanon lie­gen dicht bei­ein­an­der.“ Dan­ker 2016, S. 306. []
  16. Gir­mes 1997. []
  17. Dem wider­spricht nicht, dass „Cau­se and Con­se­quence“ eines der sechs zen­tra­len Kon­zep­te his­to­ri­schen Den­kens bei Peter Seix­as bezeich­net (Seix­as und Mor­ton 2013, S. 102) – im Gegen­teil! Auch Kau­sa­li­tät darf nicht unter­stellt, son­dern muss als Denk­form expli­ziert, reflek­tiert und auch geübt wer­den. []
  18. Vgl. hier­zu jetzt Kör­ber 2021b []
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