Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik / History Education, Universität Hamburg

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Internationale Konferenz zur Erinnerungskultur in Ghana und Deutschland im Vergleich

30. September 2012 Andreas Körber Keine Kommentare

 

Vom 20. bis 24. Sep­tem­ber 2012 fand in Ham­burg die vom Arbeits­be­reich Geschichts­di­dak­tik der Uni­ver­si­tät Ham­burg gemein­sa­me mit dem Stu­di­en­zen­trum der KZ-Gedenk­stät­te Neu­en­gam­me und der Mis­si­ons­aka­de­mie an der Uni­ver­si­tät Ham­burg ver­an­stal­te­te inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz “Struc­tures and Pro­ces­ses of Com­me­mo­ra­ting Cruel­ties in Aca­de­me and Histo­ry Tea­ching: The com­me­mo­ra­ti­on of the Trans­at­lan­tic Slave Trade and of the Natio­nal Socia­list Cri­mes in Com­pa­ri­son” statt.

Die Kon­fe­renz hat­te zum Ziel, Struk­tu­ren und For­men des öffent­li­chen Erin­nerns in Deutsch­land an die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­chen in Deutsch­land und Euro­pa und die­je­ni­gen der öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on der Geschich­te des Trans­at­lan­ti­schen Skla­ven­han­dels (wie auch der ein­hei­mi­schen Skla­ve­rei) in Gha­na sowie die gegen­wär­ti­ge Rol­le die­ser The­men in schu­li­schem und uni­ver­si­tä­rem Geschichts­ler­nen zu ver­glei­chen und auf die didak­ti­schen Poten­tia­le gera­de auch des Ver­gleichs hin aus­zu­lo­ten. Dabei wur­de auch die Bedeu­tung von Reli­gi­on und reli­giö­sem Den­ken sowohl für die Skla­ve­rei, den Skla­ven­han­del und ihre Über­win­dung als auch für his­to­ri­sches Den­ken und Erin­nern sowie Ler­nen an die­sem Gegen­stand thematisiert.

Die The­ma­tik der Tagung ent­sprach einer gemein­sa­men Idee von Prof. Dr. Kofi Dark­wah von der Uni­ver­si­ty od Edu­ca­ti­on in Win­ne­ba/​Ghana und Prof. Dr. Andre­as Kör­ber. Sie wur­de in enger Zusam­men­ar­beit mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen meh­re­rer Uni­ver­si­tä­ten in Gha­na von Jan Brei­ten­stein, Dok­to­rand der Geschichts­di­dak­tik an der Uni­ver­si­tät Ham­burg, vor­be­rei­tet und organisiert.

Refe­ren­ten der Tagung waren:

  • Dr. Kofi Baku (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon; Head of Histo­ry Depart­ment): “Memo­ry and Memo­ri­a­li­sing Slavery and Slave Trade in Gha­na: Who­se memo­ry, Which memo­ri­als and for What Purpose?”
  • Prof. Dr. Andre­as Kör­ber (Ham­burg Uni­ver­si­ty):  “His­to­ri­cal Remem­be­ring and Lear­ning at Memo­ri­als in Ger­ma­ny” and a Cam­pus-Tour on “Decen­tra­li­zed Remem­be­ring of the Cri­mes of Natio­nal Socialism”
  • Prof. Dr. Eliza­beth Amo­ah (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon;): “Reli­gi­on and Slavery in Ghana”
  • Prof. Dr. Wer­ner Kahl (Aca­de­my of Mis­si­on, Ham­burg): “Theo­lo­gy after Ausch­witz: Whe­re is god? — Expe­ri­en­ces and reflec­tions of Afri­can migrant pas­tors in Neuengamme.”
  • Dr. Ako­sua Per­bi (Uni­ver­si­ty of Gha­na, Legon;): “Slavery in Gha­na: The Unf­or­got­ten Past”
  • Ulri­ke Jen­sen and Mar­co Küh­nert (Neu­en­gam­me Con­cen­tra­ti­on Camp Memo­ri­al): Gui­ded Tour
  • Dr. Oli­ver von Wro­chem (Neu­en­gam­me Con­cen­tra­ti­on Camp Memo­ri­al Stru­dy cent­re): “Neu­en­gam­me as a Memo­ri­al and Place for His­to­ri­cal Learning”
  • Nicho­las Ivor (Head of the Gha­na Muse­ums and Monu­ments Boards (GMMB) for the Cen­tral and Wes­tern Regi­ons): “Cape Coast Cast­le as a Memo­ri­al and Place for His­to­ri­cal Learning”
  • HMJo­ki­nen (Ham­burg): “Wands­bek World White Revi­si­ted” (com­me­mo­ra­ti­ve performance)
  • Prof. Dr. Klaus Weber (Euro­pa-Uni­ver­si­tät Via­dri­na, Frankfurt/​Oder): “The­re were many Schim­mel­manns: Hamburg’s and Cen­tral Europe’s Links with the Atlan­tic Slave Trade and Plan­ta­ti­on Eco­no­mies, 16th to the 19th Centuries”
  • Jan Brei­ten­stein (Ham­burg Uni­ver­si­ty): “Per­for­ma­ti­ve Com­me­mo­ra­ting and Fluid­Re­mem­be­ring of the Trans­at­lan­tic Slave Trade: Impul­se or Frame­work for (pro­cess-ori­en­ted) His­to­ri­cal Learning?”
  • Dr. Yaw Ofu­su-Kusi (Uni­ver­si­ty of Edu­ca­ti­on, Win­ne­ba/​Ghana): “Vio­la­ti­ons of Child­hood through Ens­lavement of Child­ren in West Afri­ca: Past, Pre­sent and the Future.”
  • Prof. Dr. (em.) Bodo von Bor­ries (Uni­ver­si­tät Ham­burg): „Trans­at­lan­tic Slave Trade“ and „German/​ Euro­pean Holo­caust“ as Mas­ter Nar­ra­ti­ves – Edu­ca­ti­on in bet­ween Com­me­mo­ra­ti­on of Geno­ci­des and Neces­si­ty of Human Rights.”
  • Dr. Felix Duo­du (Uni­ver­si­ty of Edu­ca­ti­on, Win­ne­ba/​Ghana): “The rele­van­ce of socie­tal diver­si­ty for Inter eth­nic (histo­ry) Tea­ching in Ghana.”
  • Dr. Clau­dia Lenz (The Euro­pean Wer­ge­land Cent­re, Oslo/​Norway): “Com­pe­tence ori­en­ted his­to­ri­cal lear­ning as inter­cul­tu­ral lear­ning – expe­ri­en­ces from the Teac­Mem pro­ject.”
  • Joke van der Lee­uw-Roord (Euro­clio, The Hague): “Chan­ging His­to­ri­cal Lear­ning in Schools and its impli­ca­ti­ons for Tea­ching about Slavery and Natio­nal Socialism”
  • Emma­nu­el Koom­son (Afri­can Chris­ti­an Mis­si­on A.C.M. Juni­or High School, Winneba/​Ghana): “Slave Trade and its Com­me­mo­ra­ti­on as a Topic for His­to­ri­cal Lear­ning in Ghana.”
  • Hil­de­gard Wacker (Gym­na­si­um Cor­vey­stra­ße, Ham­burg and Ham­burg Uni­ver­si­ty): “Natio­nal Socia­lism and its Com­me­mo­ra­ti­on as a Topic for His­to­ri­cal Lear­ning in Germany.”

 

Geschichtslernen an Stolpersteinen

28. Dezember 2009 Andreas Körber Keine Kommentare

Im Rah­men eines Semi­nars zu “Lern­or­ten” haben sich Arbeits­grup­pen mit den inzwi­schen in vie­len Städ­ten Deutsch­lands ver­leg­ten “Stol­per­stei­nen” des Köl­ner Künst­lers Gun­ter Dem­nig als For­men der Erin­ne­rung und Orten für bzw. Gegen­stän­den des Ler­nens beschäftigt.

Dabei ist mir auf­ge­fal­len, dass offen­kun­dig ein Grund­mus­ter der “Didak­ti­sie­rung” dar­in besteht, die Stol­per­stei­ne zum Anlass zu neh­men, die kon­kre­ten Bio­gra­phien der Opfer von Depor­ta­ti­on und Ver­nich­tung, an die sie erin­nern, zum eigent­li­chen Gegen­stand des Ler­nens zu machen. Die Beschäf­ti­gung mit den kon­kre­ten Men­schen, so die Argu­men­ta­ti­on, ermög­li­che eine ler­nen­de Refle­xi­on auf die Aus­wir­kun­gen der Poli­tik des Natio­nal­so­zia­lis­mus auf kon­kre­te Men­schen, auf die Bedin­gun­gen von Han­deln und Lei­den, und somit auch ein Ler­nen, wel­ches die eige­ne Per­son, die Ori­en­tie­rung, in den Mit­tel­punkt stel­le — weni­ger die tro­cke­nen “Fak­ten”.

Ich will die­se Form der Didak­ti­sie­rung, wel­che eine Par­al­le­le zum “bio­gra­phi­schen Arbei­ten” in der Gedenk­stät­ten­päd­ago­gik dar­stellt, nicht infra­ge stel­len, möch­te aber doch eini­ge skep­ti­sche Fra­gen und eine mög­li­che Alter­na­ti­ve skizzieren:

    • Besteht nicht bei solch einem Anlass — gera­de bei jün­ge­ren Schüler(inne)n — die Gefahr eine Über­wäl­ti­gung durch eine Opfer­ge­schich­te, wel­che den eige­nen Ver­ar­bei­tungs­ho­ri­zont übersteigt?
    • Was wäre das gewünsch­te Lern­ziel? Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern? 
      1. Wohl kaum im Sin­ne einer Pro­jek­ti­on in die Opfer hinein.
      2. auch wohl kaum im Sin­ne einer Ver­en­gung des Nach­den­kens über das Gesche­hens aus einer (an Hand von Quel­len) re-kon­stru­ier­ten oder nach­emp­fun­de­nen Opferperspektive.
        1. dass Erin­nern an Ver­gan­ge­nes in die­ser Gesell­schaft in ganz unter­schied­li­chen For­men statt findet
        2. dass das sei­nen Grund hat
        3. dass die­ses Erin­nern und sei­ne For­men kei­nes­wegs immer schon da waren und selbst­ver­ständ­lich sind, son­dern dass um sie gerun­gen wird, dar­über diskutiert,
        4. dass Erin­nern nicht ein­fach “fer­tig” ist, wenn ein Denk­mal, ein Gedenk­stein, eine Stol­per­stein liegt, son­dern dass es um ein immer neu­es Nach-Den­ken geht.

      Es ist somit m.E. mög­lich, gera­de auch im Geschichts­un­ter­richt über das Geden­ken und Erin­nern, über For­men der Ver­ge­gen­wär­ti­gung von Ver­gan­gen­heit als Teil des gegen­wär­ti­gen Umgangs der Gesell­schaft zu lernen.

Dies wür­de kaum den For­de­rung ent­spre­chen, dass Geschichts­un­ter­richt zur Ori­en­tie­rung der eige­nen Iden­ti­tät und des eige­nen Han­delns die­nen soll.

Mei­nes Erach­tens bie­ten die Stol­per­stei­ne gera­de dann einen guten Ansatz­punkt zu his­to­ri­schem Ler­nen, wenn man nicht vor­schnell ihrem Ver­weis auf die kon­kre­ten Opfer folgt, son­dern sie zunächst als das ernst und in den Blick nimmt, was sie sind: For­men der Aus­ein­an­der­set­zung der gegen­wär­ti­gen Gesell­schaft mit der Ver­gan­gen­heit, auf die sie ver­wei­sen — und mit sich selbst, als umstrit­te­ne For­men der Erin­ne­rungs­kul­tur zu einer umstrit­te­nen Vergangenheit.
Die­ser Logik zufol­ge müss­ten zunächst die Stol­per­stei­ne selbst Gegen­stand des Ler­nens wer­den — die Tat­sa­che, dass sie an bestimm­ten Orten lie­gen, dass die­ses kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich ist, dass es Men­schen gibt, die sich dafür ein­set­zen (und ihre Argu­men­te) und sol­che, die dage­gen sein — aus ver­schie­de­nen Grün­den, von pro­fa­nen, erin­ne­rungs­kul­tu­rell gedan­ken­lo­sen (etwa Furcht um die Beein­träch­ti­gung des Geschäfts vor dem ein Stein liegt) über emi­nent his­to­ri­sche (etwa Scham über das eige­ne Weg­se­hen damals, aber auch über die eige­ne erin­ne­rungs­kul­tu­rel­le Untä­tig­keit oder Zöger­lich­keit) bis hin zu poli­ti­schen (Leug­nung des Gesche­hens, Abwehr die­ser Form der ‘Schuld­prä­sen­ta­ti­on’) — aber auch zu unter­schied­li­chen erin­ne­rungs­kul­tu­rel­len Sym­bo­li­ken und Wer­tun­gen (s. Zen­tral­rat der Juden, Stadt Mün­chen, Sin­ti und Roma).
Durch die zunächst auf die Gegen­wart bli­cken­de Erschlie­ßung der Stol­per­stei­ne in ihrer Pro­gram­ma­tik und Sym­bo­lik, poli­ti­schen Bedeu­tung, den Pros und Con­tras erst wird der Blick auf die kon­kre­ten Men­schen gelenkt, derer gedacht wird. Das ist m.E. nur auf den ers­ten Blick eine “Instru­men­ta­li­sie­rung”, bei genaue­rem Hin­se­hen viel­mehr eine “Auf­wer­tung”. Die­se Men­schen wer­den dann näm­lich als Men­schen Gegen­stand his­to­ri­scher Betrach­tung und his­to­ri­schen Ler­nens, die die­ser Gesell­schaft etwas bedeu­ten (wenn auch unter­schied­li­ches), nicht als von außen (dem Leh­rer, der Initia­ti­ve, den Autoren eines Begleit­hefts) vor­ge­ge­be­ne Beispiele.
Ein sol­ches Vor­ge­hen, das von der gegen­wär­ti­gen Umstrit­ten­heit aus­geht, von der gegen­wär­ti­gen Erin­ne­rungs­kul­tur mit ihren Ver­wer­fun­gen und Debat­ten, ermög­licht es m.E. auch, das Ler­nen über den Holo­caust und die Depor­ta­tio­nen in eine län­ge­re Pro­gres­si­on zu über­füh­ren. Mit jün­ge­ren Schü­le­rin­nen und Schü­lern könn­te somit zunächst noch ohne die Gefahr der Über­for­de­rung und Über­wäl­ti­gung die Tat­sa­che the­ma­ti­siert werden,

Gefallenenehrung in Wentorf? (2)

07. November 2009 Andreas Körber 3 Kommentare

Anmer­kung 1.12.2020: Zum Ehren­mal in Wen­torf nun auch die inten­si­ve Auf­ar­bei­tung im Pro­jekt “Denk­mal gegen den Krieg” der Nord­kir­che: https://www.denk-mal-gegen-krieg.de/kriegerdenkmaeler/schleswig-holstein-v‑z#denkmal-301

Im April die­ses Jah­res berich­te­te die Ber­ge­dor­fer Zei­tung von Plä­nen der Gemein­de Wen­torf, das dor­ti­ge Krie­ger­eh­ren­mal aus den 1920er Jah­ren, das in Bezug auf den Zwei­ten Welt­krieg nur die Ergän­zung “1939−1945” trägt, um eine neue Bron­ze­ta­fel mit den Namen Wen­tor­fer Gefal­le­ner zu ergän­zen. In dem Arti­kel und in den dort zitier­ten Äuße­run­gen der Initia­to­ren wur­de dies aus­drück­lich als beab­sich­tig­te “Ehrung”  bezeich­net. Das Denk­mal fir­miert bei der Gemein­de aus­drück­lich als “Ehren­denk­mal” (etwa hier).

Zu die­sen Plä­nen habe ich sei­ner­zeit einen Brief (Wentorf_​BZ_​Gedenken_​1) an die Gemein­de Wen­torf und auch an die BZ geschrie­ben (s. Bei­trag in die­sem Blog), der auf Grund sei­ner Län­ge jedoch nicht als Leser­brief abge­druckt wurde.

Spä­ter wur­de ‑wie­der­um in der BZ- berich­tet, dass die­se Ehren­ta­fel nun am 25.10. ein­ge­weiht wer­den soll.

Aus dem Krei­se der Initia­to­ren wird behaup­tet, Kri­tik an die­sem Vor­ha­ben ver­ken­ne die Zusam­men­hän­ge; es hand­le sich nicht um ein “Hel­den­ge­den­ken”. Dem ist aber durch­aus eini­ges entgegenzuhalten:

Denkmal in Wentorf; Zustand 6/2009; Foto: Körber
Denk­mal in Wen­torf von 1925; Ent­wurf: Fried­rich Ter­no 1 ; Zustand 6/​2009; Foto: Kör­ber; Inschrift “Dem leben­den Geist unse­rer Toten”


Denkmal in Wentorf; Zustand 6/2009; Detail (Foto: A.Körber): Inschrift auf dem Schwert: "Treue bis zum Tod". Die Inschrift auf der anderen Seite des Schwerts lautet "Vaterland"
Denk­mal in Wen­torf von 1925; Ent­wurf: Fried­rich Ter­no; Zustand 6/​2009; Detail (Foto: A.Körber): Inschrift auf dem Schwert: “Treue bis zum Tod”. Die Inschrift auf der ande­ren Sei­te des Schwerts lau­tet “Vater­land”

Nicht nur ange­sichts der Tat­sa­che, dass unter den Namen, die im April als zu “ehren­de” ver­öf­fent­licht wur­den, min­des­tens einer einen SS-Unter­schar­füh­rer bezeich­net, des­sen Tod von sei­nen Eltern in der SS-Zei­tung “Das Schwar­ze Korps” in ein­deu­tig pro­pa­gan­dis­ti­scher Manier ange­zeigt wur­de, muss sich die Gemein­de Wen­torf die Fra­ge gefal­len las­sen, ob “Ehrung” hier die rich­ti­ge Kate­go­rie des Geden­kens ist, und ob also das Geden­ken in die­ser Form und an die­sem Ort ange­mes­sen sein kann.

Trauernzeige für SS-Unterscharführer Reinhold Grieger. Aus: Das Schwarze Korps, Jg. 10, Nr. 16; 20.4.1944, S. 8.
Trau­er­an­zei­ge für SS-Unter­schar­füh­rer Rein­hold Grie­ger. Aus: Das Schwar­ze Korps, Jg. 10, Nr. 16; 20.4.1944, S. 8.

 

Man gewinnt den Ein­druck, dass hier doch, nach­dem genug Zeit ins Land gegan­gen ist, dort wie­der ange­knüpft wer­den soll, wo man in den 1950er Jah­ren nicht ein­fach wei­ter zu machen wag­te (es aber wohl eigent­lich woll­te), näm­lich bei der Glo­ri­fi­zie­rung der eige­nen Gefal­le­nen ohne hin­rei­chen­de Berück­sich­ti­gung der Zusam­men­hän­ge ihres Todes.

Gegen eine Bekun­dung von Trau­er als Ver­ar­bei­tung des mensch­li­chen Ver­lus­tes kann man sinn­vol­ler­wei­se nichts oder wenig ein­wen­den. Auch ist durch­aus nach­zu­voll­zie­hen, dass für die Ange­hö­ri­gen der­je­ni­gen, die kei­ne ande­re Grab­stät­te haben, ein kon­kre­ter Ort des Erin­nerns wich­tig ist.

Eine Wür­di­gung die­ser Män­ner als Men­schen ist wohl in den aller­meis­ten Fäl­len auch durch­aus ange­bracht — aber eine öffent­li­che sym­bo­li­sche “Ehrung” an die­sem Gefal­le­nen­eh­ren­mal muss zwangs­läu­fig auch als posi­ti­ve Wer­tung der Tat­sa­che ihres Ster­bens ver­stan­den werden.

Auch wenn das nicht expli­zit als “Hel­den­ge­den­ken” gedacht ist — die Gestal­tung des gesam­ten Denk­mals spricht trotz der expres­sio­nis­ti­schen Anklän­ge die­se Spra­che. Das Schwert im Helm als Sinn­bild für die Unmensch­lich­keit von Krieg und das Mahn­mal somit als ein Frie­dens­mal anzu­se­hen,  ist untrif­tig. Viel­mehr deu­tet es auf die Gefah­ren hin, die im Krieg lau­ern und auf die Opfer, die zu brin­gen sind.

Eine Wür­di­gung der Gefal­le­nen als “Opfer” des Krie­ges, die aus dem gan­zen Denk­mal ein Mahn­mal machen wür­de, erscheint somit unglaub­wür­dig. Wer hier nicht “Hel­den­ge­den­ken” erken­nen mag oder kann, wird doch min­des­tens an ihren Tod als ein für das Vater­land “treu” gebrach­tes “Opfer” den­ken. Opfer also im Sin­ne von “sacri­fice”, von Auf­op­fe­rung den­ken kön­nen, nicht aber im Sin­ne von unschul­di­gen “vic­tims”. Und Opfer in die­sem Sin­ne gel­ten nun ein­mal für eine “gute Sache”. — Der Zwei­te Welt­krieg auf deut­scher Sei­te — eine gute Sache?

Haben wir denn nicht end­lich gelernt zu differenzieren?

Initia­to­ren und Gemein­de müs­sen sich also fra­gen las­sen, wofür die­ses “Ehren­mal” ste­hen soll, wel­che Geschich­te es erzäh­len soll, wel­chen Bezug zum erin­ner­ten Gesche­hen es aus­drü­cken soll.

Hier soll doch wohl kein neu­er Ort für Gedenk­fei­ern ent­ste­hen, wie sie gera­de auch die NPD an sol­chen Denk­mä­lern immer noch abhält?

Gera­de weil Erin­ne­rung und Geden­ken immer poli­tisch sind und ihre öffent­li­chen Sym­bo­le immer poli­tisch gele­sen wer­den, soll­te ent­we­der eine ein­deu­ti­ge und den Wer­ten der Bun­des­re­pu­blik ent­spre­chen­de Sym­bo­lik und Ter­mi­no­lo­gie gewählt wer­den — oder man soll­te das berech­tig­te Inter­es­se der Trau­er um die eige­nen Toten doch lie­ber im pri­va­ten Rah­men belassen.

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Nach­trä­ge:

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Zu Fried­rich Ter­no ist wenig bekannt. Aus eini­gen genea­lo­gi­schen Daten­ban­ken kön­nen die Lebens­da­ten ent­nom­men wer­den. Gebo­ren am 12. Juli 1881 in Schles­wig, evtl. als Sohn des dor­ti­gen Leh­rers, Gra­fi­kers und Schrif­stel­lers und Kul­tu­rad­mi­nis­tra­tors Emil Ter­no; 1909 in Ham­burg ver­hei­ra­tet; Kriegs­teil­nah­me zunächst als Gefr.; im 2. Jahr des 1. Welt­krie­ges Unter­of­fi­zier des in sei­ner Geburts­stadt sta­tio­nier­ten Infan­te­rie-Regi­ments Nr. 84 “von Man­stein”; am 20. Okto­ber 1915 wird er in Frank­reich leicht ver­wun­det. Dienst­grad bei Kriegs­en­de Leut­nant d.R.; Mit­te der 1920er Jah­re fir­miert Ter­no in Ham­burg, wohn­haft Claus-Groth-Stra­ße 59a, als “Maler und Bild­hau­er” und ist gemäß sei­nem Tele­fon­buch-Ein­trag als Schrift­füh­rer der “Offi­ziers-Ver­ei­ni­gung der ehe­ma­li­gen Man­stei­ner” in der Tra­di­ti­ons­pfle­ge aktiv. Er stirbt am 7. Sep­tem­ber 1925 mit 44 Jah­ren in Ham­burg; vgl. u.a. https://​gedbas​.genea​lo​gy​.net/​p​e​r​s​o​n​/​s​h​o​w​/​1​1​3​4​1​5​2​534; Preu­ßi­sche Armee: Armee-Ver­ord­nungs­blatt; Anhang; Ver­lust­lis­ten; Preu­ßen Nr. 358; S. 9474; vorl. zugäng­lich unter http://​des​.genea​lo​gy​.net/​s​e​a​r​c​h​/​s​h​o​w​/​2​6​9​8​120; Amt­li­ches Fern­sprech­buch für die Ober­post­di­rek­ti­on Ham­burg, 1924; Hül­se­mann (1921−1929): Geschich­te des Infan­te­rie-Regi­ments von Man­stein (Schles­wig­sches) Nr. 84 1914 – 1918 in Ein­zel­dar­stel­lun­gen von Front­kämp­fern. Ham­burg (Erin­ne­rungs­blät­ter der ehe­ma­li­gen Man­stei­ner). []
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