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1. Einleitung

Gedenk­stät­ten­päd­ago­gik ist eine Form his­to­ri­schen Ler­nens. Dem­entspre­chend fin­det an Gedenk­stät­ten sowohl in infor­mel­len und ’spon­ta­nen’ als auch in inten­tio­na­len, orga­ni­sier­ten Lern­pro­zes­sen his­to­ri­sches Ler­nen statt. Dabei spielt das Kon­zept der Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern, resp. zumin­dest mit deren Per­spek­ti­ve, eine bedeu­ten­de Rol­le — wenn auch eine kei­nes­wegs ein­deu­ti­ge. Eini­ge Bei­spie­le mögen ausreichen.

  • So wird etwa auf der Web­sei­te der Aus­stel­lungs-Initia­ti­ve “Mit der Reichs­bahn in den Tod” in eher bedau­ern­dem Ton festgestellt:

    “Im ’nor­ma­len’ Geschichts­un­ter­richt gelingt es kaum emo­tio­na­le Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern her­zu­stel­len, weil die Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten sel­ten durch Bio­gra­phien der Opfer per­so­na­li­siert wer­den.” 1

  • Chris­ti­an Schnei­der betont, dass die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern die Grund­la­ge der enga­gier­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und Holo­caust durch die poli­ti­sier­te aka­de­mi­sche Nach­kriegs­ge­nera­ti­on gewe­sen ist — anknüp­fend an die Posi­ti­on Max Hork­hei­mers, der den Ermor­de­ten sei­ne Stim­me gelie­hen habe. 2
  • Nor­bert Frei beton­te in glei­cher Rich­tung, dass die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern “Aus­druck einer bewuß­ten Distan­zie­rung gegen­über der Eltern­ge­nera­ti­on bedeu­te­te” und bei aller Kri­tik (etwa durch Diede­rich Diede­rich­sen) als “unan­ge­mes­se­ne Wär­me, als Ein­füh­lungs- und Ange­mes­sen­heits­be­geh­ren” den Vor­teil gehabt habe, den “Ant­ago­nis­mus zwi­schen Opfern und Tätern auf­recht­zu­er­hal­ten”. 3
  • Dem­ge­gen­über wird mehr­fach betont, 
    • dass für jun­ge Men­schen heu­te die­se Iden­ti­fi­ka­ti­on “nicht unbe­dingt das Nahe­lie­gen­de sei” 4
    • dass eine sol­che Iden­ti­fi­ka­ti­on für Jugend­li­che — zumal mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund — wenig attrak­tiv sei. 5

Von rechts­extre­mer (“revi­sio­nis­ti­scher”) Sei­te wird das (in den jeweils bespro­che­nen Mate­ria­li­en, Tex­ten o.ä. tat­säch­li­che oder ver­meint­li­che) Ziel einer Iden­ti­fi­ka­ti­on heu­ti­ger Jugend­li­cher mit den Opfern empört abge­lehnt, was als ein Indiz dafür gewer­tet wer­den kann, dass sie als durch­aus wirk­sam ein­ge­schätzt wird im Sin­ne einer men­schen­recht­lich fun­dier­ten, nicht-aggres­si­ven und nicht auf Res­sen­ti­ments beru­hen­den huma­nen Per­spek­ti­ve auf die eige­ne Ver­gan­gen­heit. 6

Es mag hilf­reich sein, die Ziel­vor­stel­lung der Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Opfer­per­spek­ti­ve unter zwei Gesichts­punk­ten nicht pri­mär gedenkstätten‑, son­dern geschichts­di­dak­ti­scher Pro­ve­ni­enz zu ana­ly­sie­ren. Der fol­gen­de Ver­such stellt dabei ledig­lich einen Dis­kus­si­ons­bei­trag dar, kein abschlie­ßen­des Ergeb­nis einer Ana­ly­se. Rück­mel­dun­gen sind daher mehr als willkommen.

2. Zum Begriff des historischen Lernens

Pro­zes­se der Geschichts­ver­mitt­lung (nicht nur) in Gedenk­stät­ten sind Sinn­bil­dungs­pro­zes­se. Inso­fern bei sol­chen Ver­an­stal­tun­gen his­to­ri­sche Nar­ra­tio­nen von Mit­ar­bei­tern, Besu­chern, Zeit­zeu­gen etc. aktua­li­siert, erzählt und mit­ein­an­der in Bezug gesetzt wer­den, so dass neue ent­ste­hen (kön­nen), besteht die­ses his­to­ri­sches Ler­nen in his­to­ri­schem Den­ken. Das bedeu­tet, dass in Anwen­dung his­to­ri­scher Kom­pe­ten­zen Ori­en­tie­run­gen und Iden­ti­tä­ten bestä­tigt oder ver­än­dert wer­den. Dies ent­spricht dem Kon­zept des his­to­ri­schen Ler­nens, das auch klas­si­schem Geschichts­un­ter­richt zu Grun­de liegt, in dem näm­lich den Ler­nen­den (trotz und bei aller Metho­den­ori­en­tie­rung) bestimm­te his­to­ri­sche Deu­tun­gen, Sach- und Wert­ur­tei­le wenn nicht ange­son­nen, so doch zur Refle­xi­on vor­ge­stellt wer­den. Es ist im Übri­gen auch in der Grund­fi­gur des Kon­zepts his­to­ri­schen Ler­nens bei Jörn Rüsen, für den his­to­ri­sches Ler­nen und his­to­ri­sches Den­ken grund­sätz­lich struk­tur­gleich sind: His­to­ri­sches Ler­nen besteht in Pro­zes­sen der Sinn­bil­dung über Zeiterfahrung.
Die­sem Kon­zept gegen­über exis­tiert aber auch ein wei­te­res Ver­ständ­nis his­to­ri­schen Ler­nens, das sich mit dem ers­ten nicht gegen­sei­tig aus­schließt, wohl aber zu die­sem “quer” liegt. His­to­ri­sches Ler­nen in die­sem Sin­ne ist die Befä­hi­gung zu eigen­stän­di­ger his­to­ri­scher Ori­en­tie­rung durch Sinn­bil­dung, nicht die­se Sinn­bil­dung selbst. His­to­risch gelernt hat dem­nach nicht nur und vor allem der­je­ni­ge, der mit einem neu­en Ver­ständ­nis einer his­to­ri­schen Zeit, eines Ereig­nis­ses, eines Zeit­al­ters oder Zusam­men­hangs aus­ge­stat­tet wird oder sich ein solch neu­es Ver­ständ­nis selbst erar­bei­tet, son­dern vor­nehm­lich der­je­ni­ge, der sei­ne kogni­ti­ve und emo­tio­na­le bzw. moti­va­tio­na­le Befä­hi­gung dazu ela­bo­riert hat. Natür­lich geht die­ses nicht ohne die Arbeit an kon­kre­ten Gegen­stän­den, The­men, Pro­ble­men und somit wird das erst­ge­nann­te Ver­ständ­nis his­to­ri­schen Ler­nens beim zwei­ten immer mit auf­zu­fin­den sein. Wich­tig ist hin­ge­gen im Sin­ne einer kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Didak­tik, dass ers­te­res Ver­ständ­nis nicht allein bleibt und so domi­nant wird, dass alle Befä­hi­gung zur Eigen­stän­dig­keit nur Gar­nie­rung wird.
Dies aber hat Kon­se­quen­zen für his­to­ri­sches Ler­nen auch an Gedenk­stät­ten. Wenn es nicht nur Iden­ti­fi­ka­tio­nen über­mit­teln soll, son­dern die Rezi­pi­en­ten auch dazu befä­hi­gen, mit neu­en Her­aus­for­de­run­gen die­ser Iden­ti­tä­ten in der nach- und außer­schu­li­schen Zukunft selbst­stän­dig und ver­stän­dig umzu­ge­hen, dann muss auch der Refle­xi­on und Ela­bo­ra­ti­on der “Denk­zeu­ge”, der Kate­go­rien und Begrif­fe sowie der Ver­fah­ren Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den. Dies hat Kon­se­quen­zen auch für den Umgang mit den Kate­go­rien “Täter” und “Opfer”.

3. Täter und Opfer als Thema und Identifikationsgegenstand in der heterogenen Gesellschaft

3.1 Zu den Begriffen “Täter” und “Opfer”

Die in der Gedenk­stät­ten­päd­ago­gik wie in der Erin­ne­rungs­kul­tur und ‑poli­tik ver­brei­tet ver­wen­de­ten Begrif­fe des “Täters” und des “Opfers” wie auch die wei­te­ren Begrif­fe der “Mit­läu­fer” und des “Hel­den” sind kei­nes­wegs “objek­ti­ve” Bezeich­nun­gen für Rol­len, wel­che Men­schen in ver­gan­ge­nen Situa­tio­nen und Hand­lungs­zu­sam­men­hän­gen ein­ge­nom­men bzw. aus­ge­füllt haben. An sich sind die­se Begrif­fe selbst nicht his­to­risch; viel­mehr han­delt es sich um sozia­le Begrif­fe, die für ver­gan­ge­ne wie gegen­wär­ti­ge und gar zukünf­ti­ge Zei­ten glei­cher­ma­ßen ver­wen­det wer­den kön­nen. Men­schen kön­nen sowohl in der Zeit ihres Erlei­dens eines Unrechts als “Opfer” (er/​sie wird Opfer einer tat eines ande­ren) bzw. wäh­rend der Zufü­gung eines Unrechts als “Täter” bezeich­net wer­den (es/​sie begeht eine Tat), wie die Erwar­tung die­se Bezeich­nun­gen für zukünf­ti­ge Situa­tio­nen und sozia­le Rol­len mög­lich macht (wenn wir so wei­ter machen, wer­den wir … zum Opfer fal­len — oder uns einer Tat schul­dig machen).
In der Geschichts- und Erin­ne­rungs­kul­tur wie in der Gedenk­stät­ten­päd­ago­gik und ver­wand­ten Dis­zi­pli­nen haben wir es aber mit einer Ver­wen­dung die­ser Begrif­fe zu tun, bei denen die Zeit­in­di­zes des Benann­ten und des Benen­nen­den in ande­rer Form aus­ein­an­der­tre­ten: Wenn wir hier jeman­den als “Opfer” bzw. als “Täter” bezeich­nen, ist es (eben­so wie bei den ver­wand­ten Bezeich­nun­gen “Held”, “Mit­läu­fer” etc.) muss weder er selbst noch sei­ne Mit­welt sei­ne Rol­le in der Zeit des Gesche­hens not­wen­dig mit die­sem Begriff bezeich­net haben. In den aller­meis­ten Fäl­len wird das der Fall gewe­sen sein, aber es ist nicht not­wen­dig. “Opfer” des Holo­caust sind gera­de auch die­je­ni­gen, die sich kei­nes­wegs “wie die Scha­fe zur Schlacht­bank” haben trei­ben las­sen, son­dern die aktiv Wider­stand geleis­tet haben, aber auch “Täter” sind kei­nes­wegs nur die­je­ni­gen, die in vol­lem Bewusst­sein und mit Absicht eine “Tat” began­gen haben. Es ist eine Eigen­schaft his­to­ri­scher Begrif­fe, dass sie Ereig­nis­se, Taten, Inten­tio­nen und Zustän­de einer Zeit mit dem Denk- und Wer­tungs­in­stru­men­ta­ri­um einer ande­ren Zeit bezeich­nen. Die Nut­zung der genann­ten Begrif­fe in der Zeit des Gesche­hens selbst lässt bei­de Zeit­ho­ri­zon­te nut zusam­men­fal­len, schon bei der Vor-Aus­sicht in die Zukunft tre­ten sie aus­ein­an­der. Rele­vant wird das Phä­no­men aber dann, wenn es um die Ver­gan­gen­heit geht.
Die­se mit Blick auf Begrif­fe for­mu­lier­te Ein­sicht ist dabei nur eine Vari­an­te einer grund­sätz­li­chen Erkennt­nis über die Natur von Geschich­te und Erin­ne­rung: Sie las­sen sich nicht anders fas­sen als in Form von je gegen­wär­ti­gen Aus­sa­gen über Ver­gan­ge­nes. 7 Sie zeigt, dass Begrif­fe im His­to­ri­schen (wie in allen ande­ren Berei­chen) nicht nur Ter­mi­ni sind, mit denen ‘objek­tiv’ gege­be­nes bezeich­net wird, son­dern dass sie Kon­zep­te sind, mit denen die Welt orga­ni­siert wird. 8
Die skiz­zier­te Ein­sicht ist ins­be­son­de­re im Blick auf die Täter rele­vant: Nicht jeder, der heu­te, in Kennt­nis sowohl des Gesamt­zu­sam­men­hangs der Ereig­nis­se als auch ihrer Ergeb­nis­se und Fol­gen, nicht zu letzt aber auch im Besitz von Infor­ma­tio­nen über Inten­tio­nen etc. (zu Recht) mit dem Begriff des “Täters” bezeich­net wird, muss sich selbst als sol­cher gese­hen haben. Selbst gut gemein­te Hand­lun­gen kön­nen für den Sta­tus des “Täters” qua­li­fi­zie­ren, ohne dass dies ein vali­des Argu­ment gegen die­se Bezeich­nung lie­fern wür­de. Das gilt selbst für vie­le Täter im Holo­caust, denen (wie Harald Wel­zer plau­si­bel argu­men­tiert) oft nicht vor­ge­wor­fen wer­den kann, dass sie “unethisch” gehan­delt hät­ten, wohl aber, dass das Uni­ver­sum, dem gegen­über sie mora­lisch han­deln zu müs­sen glaub­ten, ein­ge­schränkt war und ande­re Men­schen (ihre “Opfer”) der­art sys­te­ma­tisch aus­schloss, dass Hand­lun­gen, die wir aus ande­rer (uni­ver­sa­lis­ti­scher) Per­spek­ti­ve als “Taten” (=Ver­bre­chen) qua­li­fi­zie­ren müs­sen, ihnen als “Hel­den­ta­ten” vor­ge­kom­men sein mögen. Nicht alles was nach “bes­tem Wis­sen und Gewis­sen” getan wird, muss also posi­tiv beur­teilt wer­den. Aller­dings bedarf es auch hier einer Dif­fe­ren­zie­rung: es besteht durch­aus ein Unter­schied zwi­schen der his­to­ri­schen Beur­tei­lung der “Taten” eines Hexen­rich­ters des 16. Jahr­hun­derts, des­sen Todes­ur­teil wir heu­te eben­falls miss­bil­li­gen müs­sen, und der­je­ni­gen der Taten der Ver­bre­cher des Holo­caust: Letz­te­ren war es denk­mög­lich, ihren exklu­si­ves “mora­li­sches” Uni­ver­sum als sol­ches zu erken­nen, die Mons­tro­si­tät eines Den­kens zu erfas­sen, wel­ches Men­schen aus der Teil­ha­be an der Qua­li­tät des Mensch­seins aus­schloss. Die­se kon­junk­ti­vi­sche Mög­lich­keit, auch anders (bes­ser) gekonnt zu haben, qua­li­fi­ziert die Hand­lun­gen zu “Taten”.
Ein zwei­ter Aspekt kommt hin­zu: Alle die­se Begrif­fe haben als his­to­ri­sche Bezeich­nun­gen für Men­schen die Eigen­schaft, sie schein­bar auf die durch sie benann­te Eigen­schaft zu redu­zie­ren. Das ist vor allem mit Blick auf die Opfer, aber auch für die Täter von Belang — wenn auch in etwas ande­rer Art und Wei­se: Auch wenn kein Täter nur Täter war, wenn selbst der kom­men­dant von Ausch­witz ein lie­ben­der Fami­li­en­va­ter war, so bleibt er doch Täter. Es gibt kein Auf­wie­gen des Schlech­ten durch das Gute. Ande­rer­seits ist es durch­aus ein Pro­blem, die Opfer nur als Opfer zu den­ken. Sie waren mehr als das. Sie waren Men­schen mit einem voll­stän­di­gen Leben, mit Hoff­nun­gen, Plä­nen (und wohl nicht immer nur ehren­wer­ten), mit Schwie­rig­kei­ten — und mit der Fähig­keit zum Han­deln. Vol­lens pro­ble­ma­tisch wird es bei den­je­ni­gen, die Täter und Opfer in einer Per­son ver­ei­nen, bei Kapos, Funk­ti­ons­häft­lin­gen, bei lei­den­den, die ihr eige­nes Leid ver­rin­gert haben mögen, indem sie absicht­lich oder auch nur unab­sicht­lich ande­ren wei­te­res Leid zuge­fügt haben — und natür­lich bei den Tätern, die auch “gute” Momen­te hatten.
Es muss also fest­ge­hal­ten wer­den, dass “Opfer” und Täter” wie all die ande­ren Bezeich­nun­gen mit Vor­sicht zu genie­ßen sind, weil sie Essen­tia­li­sie­ren und weil sie den Zeit­in­dex der in ihren kon­zen­trier­ten Nar­ra­ti­ve (frü­he­res Gesche­hen und Han­deln von spä­ter beur­teilt) nicht offen zur Schau stellen.
Als letz­ter Aspekt sei erwähnt, dass ins­be­son­de­re der Opfer-Begriff eine zwei­te Dop­pel­deu­tig­keit auf­weist, die zumin­dest in der deut­schen Spra­che gege­ben ist: “Opfer von” (engl. “vic­tim”) und “Opfer für” (engl. “sacri­fice”) fal­len in einem Wort zusam­men. Das bedingt Unein­deu­tig­kei­ten nar­ra­ti­ver Ver­wen­dun­gen, die beson­ders aus­sa­ge­kräf­tig, aber auch pro­ble­ma­tisch sein kön­nen. Es ermög­licht etwa, eine spe­zi­fi­sche nar­ra­ti­ve Abbre­via­tur in unter­schied­li­che Nar­ra­ti­ve auf­zu­lö­sen ohne sie ändern zu müs­sen. 9 Im Fol­gen­den ist zumeist “Opfer von” gemeint, d.h. die pas­si­ve Form der Vik­ti­mi­sie­rung steht im Vordergrund.

3.2 Deutungsangebote von Täter- und Opfer-Orientierung an unterschiedliche Rezipientengruppen

Im Fol­gen­den wird der Ver­such gemacht, mit Hil­fe einer erwei­ter­ten Typo­lo­gie von Sinn­bil­dungs­mus­tern nach Rüsen die Deu­tungs­an­ge­bo­te trans­pa­rent und dis­ku­tier­bar zu machen, die For­men der Opfer- und Täter-The­ma­ti­sie­rung Ler­nen­den anbie­ten. Dabei ist zu beach­ten, dass die Deu­tun­gen nur skiz­ziert wer­den kön­nen, und auch ledig­lich Ange­bo­te darstellen.

3.3 Affirmative Opfer-Identifikation — ein Problem

Wen wir uns zunächst einer Form der Opfer-Iden­ti­fi­ka­ti­on zu, die in Lern­pro­zes­sen und ‑kon­zep­ten vor­herr­schend zu sein scheint, der affir­ma­ti­ven Iden­ti­fi­ka­ti­on. Es geht dabei dar­um, dass sich die Ler­nen­den im Zuge des Lern­pro­zes­ses mit den Gegen­stän­den ihres Ler­nens, näm­lich den Opfern des Holo­caust, iden­ti­fi­zie­ren. Gemeint ist, dass sie durch eine Kom­bi­na­ti­on kogni­ti­ver wie emo­tio­na­ler Leis­tun­gen eine Nähe zu den Opfern auf­bau­en. Kogni­tiv geht es dar­um, dass die Ler­nen­den Infor­ma­tio­nen über die Opfer erwer­ben, vor allem über ihr Leben und Schick­sal. Die­se Infor­ma­tio­nen betref­fen dabei gera­de nicht nur die Opfer als Opfer, son­dern sol­len die­se aus der Anony­mi­tät und Sche­ma­ti­sie­rung, wel­che die Klas­si­fi­ka­ti­on als Opfer mit sich bringt, her­aus­ho­len und die Opfer als Men­schen sicht- und erkenn­bar machen. Der Eigen­schaft “Opfer” zu sein, ist dem­nach für die­se Tätig­keit und das damit ange­streb­te Ler­nen not­wen­di­ge, nicht aber hin­rei­chen­de Bedin­gung. His­to­risch gese­hen, geht es zum einen dar­um, in tra­di­tio­na­ler Sinn­bil­dung an die Lebens­welt und das Leben der Men­schen, der Indi­vi­du­en, die zu Opfern wur­den, anzu­schlie­ßen, und die Ver­nei­nung, die Nega­ti­on, die ihnen durch die Täter wider­fah­ren sind, rück­wir­kend auf­zu­he­ben. Es geht also in dop­pel­tem Sin­ne um tra­di­tio­na­les his­to­ri­sches Denken:

  • in posi­tiv-tra­di­tio­na­lem Sin­ne soll die Iden­ti­tät und die Indi­vi­dua­li­tät der Men­schen, ihre nicht nur ange­tas­te­te, son­dern negier­te Wür­de nor­ma­tiv auf­ge­grif­fen wer­den, soll die Zeit inso­fern “still­ge­stellt” wer­den, dass die Ver­nei­nung die­ser Wür­de kein Ende bedeu­tet. Dies ist gemeint, wenn gesagt wird, es gehe dar­um, den Opfern ihre Iden­ti­tät und ihre Wür­de wiederzugeben.
  • in nega­tiv-tra­di­tio­na­ler Sinn­bil­dung soll der durch die Tat der Täter beab­sich­tig­te und her­ge­stell­te Zustand einer Welt ohne die­se Men­schen und ihre Wür­de, einer Welt, die die­se Men­schen nicht aner­kennt und wert­schätzt, de-legi­ti­miert wer­den. Die­se Zeit wird gera­de nicht still­ge­stellt, son­dern auf­ge­ho­ben. Tra­di­tio­nal ist die­ses his­to­ri­sche Den­ken in dem Sin­ne, dass die­se Zeit gera­de nicht einer Dyna­mik unter­wor­fen wird oder Regeln aus ihr abge­lei­tet wer­den, son­dern dass die Ableh­nung die­ses Zustan­des nor­ma­tiv auf Dau­er gestellt wird: “nie wieder”.

Kom­bi­niert ergibt sich somit eine his­to­ri­sche Sinn­bil­dungs­lo­gik, die gera­de­zu in kon­tra­fak­ti­scher Nor­ma­ti­vi­tät den his­to­risch gewor­de­nen Zustand auf­zu­he­ben und sein Gegen­teil zeit­lich still zu stel­len trach­tet. Es geht um die posi­tiv-tra­di­tio­na­le Anknüp­fung an eine Mensch­lich­keit, die gera­de nicht ein­fach tra­diert wer­den kann, weil sie gebro­chen war — gleich­zei­tig aber um den Appell, die­se ver­lo­re­ne und im eige­nen Den­ken wie­der­ge­won­ne­ne Ori­en­tie­rung an einem Kon­zept von Men­schen­wür­de und Mensch­lich­keit ohne Exklu­sio­nen, tra­di­tio­nal wei­ter­zu­ge­ben an die jun­gen Generationen.

Die­se spe­zi­fi­sche Form tra­di­tio­na­len Den­kens, wel­che nicht “wie­der-gut-machen” will, wohl aber “wie­der gut sein” und die­ses unge­bro­chen wei­ter­gibt, muss jedoch wei­ter dif­fe­ren­ziert wer­den. Es ist näm­lich durch­aus frag­lich, ob (und wenn ja, wie) die in ihr beschlos­se­ne Inten­ti­on his­to­ri­scher Ori­en­tie­rung addres­sa­ten­neu­tral ist und ob und wie sie “ver­mit­telt” wer­den kann.

Zunächst ist nach dem Sub­jekt der­ar­ti­ger Ori­en­tie­rung zu fra­gen. Wenn Men­schen für sich eine sol­che Ori­en­tie­rung gewon­nen haben, ist das in aller Regel nicht ohne spe­zi­fi­sche (wie­der­um kogni­ti­ve und emo­tio­na­le) Denk­leis­tun­gen mög­lich geworden.

Wer als Ange­hö­ri­ger der Täter-Gesell­schaft eine sol­che Ori­en­tie­rung gewon­nen hat, hat dazu ande­re Denk­leis­tun­gen erbrin­gen müs­sen als jemand, die/​der fami­li­är, sozi­al und/​oder kul­tu­rell einer Opfer­grup­pe zuzu­rech­nen ist — und schon gar als jemand, die/​der bei­de oder ganz ande­re Ver­bin­dun­gen “mit­bringt”. Die Aus­gangs­la­gen des his­to­ri­schen Den­kens prä­gen die Perspektiven:

Für Ange­hö­ri­ge einer Opfer­grup­pe (sei­en es Juden, Sin­ti und Roma, Homo­se­xu­el­le, Kom­mu­nis­ten uder ande­re) sich bio­gra­phisch mit Opfern des Holo­caust iden­ti­fi­ziert, hat in aller Regel eine ande­re Sinn­bil­dung zu voll­brin­gen als die/​derjenige, die/​der selbst kei­ner sol­chen Grup­pe ange­hört — zumin­dest wenn das Objekt der Iden­ti­fi­ka­ti­on der eige­nen Grup­pe ange­hört. Wer sich etwa als heu­ti­ger Kom­mu­nist mit der Ver­fol­gung und Ermor­dung von Kom­mu­nis­ten im Drit­ten Reich aus­ein­an­der­setzt, kann viel eher im Sin­ne einer tra­di­tio­na­len Sinn­bil­dung  von einem his­to­ri­schen “Wir” aus­ge­hen und das betrach­te­te Opfer zu den “eige­nen” rech­nen. Die zu bear­bei­ten­den Fra­gen his­to­ri­schen Den­kens lau­ten dann ganz anders als etwa dann, wenn ein Ange­hö­ri­ger einer (damals) natio­na­len oder zumin­dest staats­treu­en Grup­pie­rung sich mit der glei­chen Per­son auseinandersetzt.

Affir­ma­ti­ve Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem Opfer erfor­dert im ers­te­ren Fal­le wenig mehr als die Gleich­set­zung — bis hin zur Fra­ge, inwie­fern auch die jewei­li­gen Kon­tex­te gleich­ge­setzt wer­den kön­nen oder gar müs­sen. Es ist denk­bar (und oft vor­ge­kom­men) , die Ver­fol­gung von Kom­mu­nis­ten im Drit­ten Reich in affir­ma­tiv-tra­di­tio­na­lem Sin­ne zu nut­zen zur Stif­tung einer gegen­wär­ti­gen Iden­ti­tät der (ver­meint­lich oder real) wei­ter­hin Ver­folg­ten.  Affir­ma­ti­ve Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern wäre dann — ganz im Sin­ne des land­läu­fi­gen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­be­griffs — Gleich­set­zung. Sie kann Iden­ti­tät sta­bi­li­sie­ren, dabei aber auch Unter­schie­de aus­blen­den. Die­se Form der affir­ma­tiv tra­di­tio­na­len Iden­ti­fi­ka­ti­on ist mög­lich, indem das Opfer gera­de in sei­ner Eigen­schaft als poli­ti­sches Opfer ange­spro­chen und gedacht wird.

Im ande­ren Fall eines ANge­hö­ri­gen einer Nicht-Opfer-Grup­pe, der sich affir­ma­tiv-iden­ti­fi­zie­rend mit einem Opfer aus­ein­an­der set­zen soll, das gera­de nicht sei­ner Grup­pe ange­hört, sind ganz ande­re men­ta­le Ope­ra­tio­nen erfor­der­lich. Wenn eine sol­che Iden­ti­fi­ka­ti­on gelin­gen soll, muss auf eine Art und Wei­se auch die poli­ti­sche Dif­fe­renz (Geg­ner­schaft) mit reflek­tiert und his­to­ri­siert wer­den. Dies kann dahin­ge­hend gedacht wer­den (und “gelin­gen”), dass (a) die eige­ne poli­ti­sche Ori­en­tie­rung in Fra­ge gestellt wird, also gewis­ser­ma­ßen poli­tisch umge­lernt wird, was wie­der­um ein anders gela­ger­tes his­to­ri­sches Den­ken in Gang set­zen muss, oder/​und dass (b) zumin­dest dif­fe­ren­ziert wird zwi­schen der poli­ti­schen Ori­en­tie­rung und der mensch­li­chen Wür­de des dama­li­gen Opfers, und so die sich in der Tat mani­fes­tie­ren­de Gleich­set­zung und die damit ein­her­ge­hen­de Legi­ti­ma­ti­on der Ent­rech­tung rück­wir­kend auf­ge­ho­ben wird. Salopp aus­ge­drückt: Wer sich als kon­ser­va­tiv den­ken­de® Bürger(in) mit sozia­lis­ti­schen oder kom­mu­nis­ti­schen Opfern affir­ma­tiv aus­ein­an­der­setzt, muss nicht auch gleich Kommunist(in) oder Sozialist(in) wer­den. Die Aner­ken­nung des in der poli­ti­schen Ver­fol­gung lie­gen­den Unrechts kann zumin­dest zur Zivi­li­sie­rung der poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen führen.

Dazu gehört somit auch, die/​den ande­ren (die/​das Opfer) gera­de nicht als  als Ver­tre­ter der poli­tisch “ande­ren” wahr­zu­neh­men, son­dern auch (und vor allem) als Men­schen. Erfor­der­lich ist eine Differenzierungsleistung.

4. Schluss

Es ergibt sich somit eine Dif­fe­ren­zie­rung von Deu­tungs­an­ge­bo­ten in Iden­ti­fi­ka­ti­ons­ori­en­tier­tem his­to­ri­schem Ler­nen, die in Lehr- und Lern­pro­zes­sen berück­sich­tigt wer­den muss. Es kann und muss näm­lich nicht nur dar­um gehen, jeweils ein­ein­deu­ti­ge, für alle glei­cher­ma­ßen for­mu­lier­ba­re Schluss­fol­ge­run­gen über das Damals und für das Heu­te und Mor­gen zu zie­hen. Das wür­de der legi­ti­men Plu­ra­li­tät weder des dama­li­gen noch des heu­ti­gen Lebens gerecht. Viel­mehr muss immer auch berück­sich­tigt wer­den, dass und wie die­sel­be Ver­gan­gen­heit für Men­schen unter­schied­li­cher Posi­tio­nen und Per­spek­ti­ven ver­schie­de­nes bedeu­ten kann und wie zugleich nicht iden­ti­sche, son­dern kom­pa­ti­ble gemein­sa­me Schluss­fol­ge­run­gen nötig sind.

Iden­ti­fi­ka­ti­ons-Gegen­stand Ler­ner
(Kom­bi­na­tio­nen mög­lich und wahr­schein­li­cher als ein­ein­deu­ti­ge Zuordnungen)
Täter bzw. ‑nach­fah­ren Opfer bzw. ‑nach­fah­ren Zuschau­er bzw. ‑nach­fah­ren
ohne spe­zi­fi­zier­ten Bezug (evtl.: eini­ge Migranten)
Täter affir­ma­tiv Ein­nah­me der tra­di­tio­nal ver­län­ger­ten Per­spek­ti­ve der Täter(-nachfahren) in nor­ma­ti­ver Hin­sicht: Beschrei­bung, Erklä­rung und Bewer­tung der Vor­gän­ge, Hand­lun­gen, Taten im Denk- und Wert­ho­ri­zont der Täter (apo­lo­ge­tisch, affirmativ). nicht denk­bar (?)
refle­xiv Refle­xi­on auf die eige­nen per­sön­li­chen, fami­liä­ren und kul­tu­rel­len Bezie­hun­gen zu Tätern und der Gesell­schaft der Täter, auf fort­wir­ken­de Ele­men­te die­ser Kul­tur, und auf die Fol­gen die­ser Bezie­hun­gen für das eige­ne Den­ken und Han­deln (etwa: Entlastungswünsche) Ein­la­dung
  • zur Refle­xi­on auf die Ver­bin­dun­gen auch der eige­nen sozia­len, kul­tu­rel­len, reli­giö­sen Wir-Grup­pe zu den Tätern und zur Täter-Kul­tur (tra­di­tio­na­le Sinnbildung: 
    • Inwie­fern sind Vor­stel­lun­gen und Wer­te, die in der Täter-Gesell­schaft gal­ten, auch in meiner/​unserer heu­ti­gen Kul­tur wirk­sam und gültig?
    • Wel­che von ihnen kön­nen oder müs­sen inwie­fern sie als mit-ursäch­lich ange­se­hen werden?
    • Inwie­fern sind eini­ge von ihnen wei­ter­hin vertretbar?)
  • zur Refle­xi­on auf die Loya­li­tä­ten und Iden­ti­fi­ka­tio­nen mit Ange­hö­ri­gen der Täter-Gesell­schaft, die das eige­ne heu­ti­ge Selbst­ver­ständ­nis und das eige­ne Den­ken über den Holo­caust prägen;
  • zur Refle­xi­on auf Erkennt­niss, die aus der Geschich­te des Holo­caust und der Täter für ande­re, aber ver­gleich­ba­re Situa­tio­nen abzu­lei­ten sind: 
    • auf Mög­lich­kei­ten eige­nen ver­gleich­ba­ren Han­delns in ande­ren Zusammenhängen
Ein­la­dung zur Refle­xi­on auf die Struk­tu­ren, Wer­te, Hand­lungs­wei­sen in der dama­li­gen Täter-Gesell­schaft, die die Hand­lun­gen ermög­licht haben, wie auch die Hand­lungs­wei­sen, die zum Weg­schau­en bewo­gen haben.

Refle­xi­on auf die Bedeu­tung der eige­nen Zuge­hö­rig­keit zu Men­schen, die ein­fach “mit­ge­macht” haben für deren und die eige­ne Deu­tung und Bewer­tung der Ereig­nis­se, Struk­tu­ren und Handlungen.

Opfer affir­ma­tiv Ein­la­dung
  • zur kon­tra­fak­ti­schen Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Opfern, zur Beur­tei­lung der Hand­lungs­wei­sen, Struk­tu­ren und Ereig­nis­se aus ihrer Sicht, zur Über­nah­me ihrer Perspektive;
  • zur Aus­blen­dung der eige­nen Prä­gung durch per­sön­li­che, sozia­le, kul­tu­rel­le Ver­bin­dun­gen zu Tätern aus der Refle­xi­on über eige­ne Denk- und Handlungsweisen
Ein­la­dung zur
  • Iden­ti­fi­ka­ti­on in der Logik tra­di­tio­na­ler Sinn­bil­dung: Selbst­po­si­tio­nie­rung in einer als fort­wäh­rend denk­ba­ren Opferrolle.
Ein­la­dung zur Iden­ti­fi­ka­ti­on in der Logik exem­pla­ri­scher Sinn­bil­dung, zum Ver­gleich (bzw. zur Gleich­set­zung) der eige­nen Posi­ti­on in der heu­ti­gen Gesell­schaft mit der­je­ni­gen der Opfer in der dama­li­gen Gesellschaft.
refle­xiv Ein­la­dung
  • zur Refle­xi­on auf die Bedeu­tung der  fami­liä­ren, sozia­len, kul­tu­rel­len Zuge­hö­rig­keit zu Men­schen, die Opfer wur­den, für die eige­ne Sicht­wei­se der Ereig­nis­se, Struk­tu­ren und Handlungen;
  • Refle­xi­on auf die Prä­gung der Wer­te und Hand­lungs­wei­sen sowie der Sicht­wei­sen der eige­nen Grup­pe durch die Opfererfahrung
Mit­läu­fer affir­ma­tiv Ein­nah­me einer Per­spek­ti­ve, die das “Nicht-Mit­ge­tan” haben als hin­rei­chend affir­miert; (ver­meint­li­che oder wirk­li­che) Ein­fluss­lo­sig­keit ‘klei­ner Leu­te’ damals wird als Ent­schul­di­gung affir­miert und mit Ein­fluss­lo­sig­keit auch in der heu­ti­gen Gesell­schaft tra­di­tio­nal ver­bun­den — gera­de auch hin­sicht­lich der Anfor­de­run­gen des Erinnerns
refle­xiv Ein­la­dung zur Refle­xi­on über die Rol­le der “Zuschau­er” und “Mit­läu­fer”
ohne spe­zi­fi­zier­ten Bezug affir­ma­tiv
refle­xiv

 

Anmer­kun­gen /​ Refe­ren­ces
  1. Kin­der und Jugend­li­che — Mit der Reichs­bahn in den Tod[]
  2. Der Tagungs­be­richt unter der alten URL der Pro­jekt­grup­pe “NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Mün­chen” (Zeu­gen­schaft und Erin­ne­rungs­kul­tur. Der künf­ti­ge Umgang mit dem Ver­mächt­nis der Zeit­zeu­gen­ge­ne­ra­ti­on in der Bil­dungs­ar­beit zum Natio­nal­so­zia­lis­mus; 11.5.2009)ist nicht mehr ver­füg­bar. Ein ande­rer Tagungs­be­richt von Kath­rin Koll­mei­er und Tho­mas Rink fin­det sich bei H‑SOZ-KULT: Tagungs­be­richt: Zeu­gen­schaft und Erin­ne­rungs­kul­tur. Der künf­ti­ge Umgang mit dem Ver­mächt­nis der Zeit­zeu­gen­ge­ne­ra­ti­on in der Bil­dungs­ar­beit zum Natio­nal­so­zia­lis­mus, 05.12.2008 Mün­chen, in: H‑Soz-Kult, 08.05.2009, <www​.hsoz​kult​.de/​c​o​n​f​e​r​e​n​c​e​r​e​p​o​r​t​/​i​d​/​t​a​g​u​n​g​s​b​e​r​i​c​h​t​e​-​2​598>. []
  3. So berich­tet in Cha­rim Isol­de: Wah­rer als wahr. Zur Pri­va­ti­sie­rung des Geden­kens. http://​kul​tur​po​li​tik​.t0​.or​.at/​t​x​t​?​t​i​d​=​3​2​f​d​1​5​0​a​8​a​3​a​c​4​5​4​6​a​a​f​6​c​3​8​4​9​8​8​9​5ed[]
  4. FAS: “Arbeit mit Fotos”. http://​www​.fasena​.de/​a​r​c​h​i​v​/​f​o​t​o​s​.​htm mit Bezug auf Abram/​Heyl[]
  5. Astrid Mes­ser­schmidt: “Refle­xi­on von Täter­schaft – his­to­risch-poli­ti­sche Bil­dung in der Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft“. https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/EGFTN1%5B1%5D_messerschmidt_de.pdf[]
  6. Vgl. etwa Albert von Königs­loew: “Was Kin­der über den Holo­caust erfah­ren sol­len” In: Die blaue Nar­zis­se. 11.2.2008 [Der­zeit nicht mehr online erreich­bar. Er ist noch auf­find­bar in archi​ve​.org. []
  7. “… the­re is no kno­wa­ble past in terms of what “it’ means. The­re is only what we may call the-past-as-histo­ry. […] We can only repre­sent the past through the form we give to its rea­li­ty.” Alan Mun­slow (2002): “Pre­face”. In: Jenk­ins, Keith (2002): Re-Thin­king Histo­ry. Lon­don, New York: Rout­ledge, S. XIV.[]
  8. Es ist daher auch ein Kate­go­rien­feh­ler, wenn Zeit­zeu­gen und in einer frag­li­chen Ver­gan­gen­heit aktiv gehan­delt Haben­de spä­ter Gebo­re­nen oder Hin­zu­ge­kom­me­nen ver­bie­ten wol­len, über die­se Zeit zu urtei­len. Die oft gehör­te Aus­sa­ge “Das könnt Ihr nicht beur­tei­len, weil Ihr nicht dabei gewe­sen seid” ver­kennt (oder unter­schlägt), dass wir gar nicht anders kön­nen, als uns aus spä­te­rer Zeit­li­cher Per­spek­ti­ve ein urteil über die frü­he­re zu machen. Das geht uns allen mit der gan­zen Geschich­te so: Wäre die­se Posi­ti­on vali­de, dürf­te nie­mand heut­zu­ta­ge noch ein Urteil über Napo­le­on fäl­len oder über Karl den Gro­ßen etc. Selbst die Zeit­zeu­gen erzäh­len und urtei­len nicht aus ihrem dama­li­gen Wis­sen und vor dama­li­gen Hin­ter­grund. Auch sie ken­nen die zwi­schen­zeit­li­chen Ereig­nis­se und sehen die Ereig­nis­se inzwi­schen aus ande­rer Per­spek­ti­ve. Die zitier­te For­de­rung negiert dies ledig­lich. Sie kommt einem Ver­bot his­to­ri­schen Den­kens gleich, das nicht nur unzu­läs­sig ist, son­dern über­haupt der Tod der his­to­ri­schen Ori­en­tie­rung wäre.[]
  9. “40.000 Söh­ne der Stadt lie­ßen ihr Leben für Euch” stand und steht auf der Ste­le am Ham­bur­ger Rat­haus­markt, die 1929/​1932 ent­hüllt wur­de. Mit dem ori­gi­na­len, an eine Pie­tà ange­lehn­ten, Reli­ef einer trau­ern­den Frau und Toch­ter von Ernst Bar­lach löst sich die­ses mög­li­cher­wei­se auf in ein “wur­den geop­fert”; mit dem auf­flie­gen­den Adler (bzw. Phoe­nix) von Hans Mar­tin Ruwoldt, den die Natio­nal­so­zia­lis­ten dort anbrin­gen lie­ßen, wer­den aus den 40.000 Hel­den; heu­te ist dort wie­der die “Pie­tà” zu sehen.[]
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