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Ich war beim Werk­statt­ge­spräch lei­der nicht dabei. Was mich aber wirk­lich inter­es­sie­ren wür­de jen­seits aller (nein: neben allen) Fra­gen nach Authen­ti­zi­tät, Ver­läss­lich­keit, Repro­du­zier­bar­keit ist unter spe­zi­fisch didak­ti­schen Gesichts­punk­ten die Fra­ge, ob mit­tels der Dis­kus­si­ons-Sei­ten von Wiki­pe­dia (und ähn­li­chen Pro­jek­ten) das (nicht nur geschichts-) didak­ti­sche Kon­zept der “Kon­tro­ver­si­tät” beson­ders in Wert gesetzt wer­den kann.
Das Kon­zept basiert ja auf der theo­re­tisch ein­sich­ti­gen Vor­stel­lung, dass es nicht die eine wah­re Geschich­te gibt, son­dern jeweils per­spek­ti­visch und kul­tu­rell sowie wer­tend unter­schied­li­che, und dass es so zu einer Mehr­zahl von nicht immer span­nungs­frei mit­ein­an­der kom­bi­nier­ba­ren Re-Kon­struk­tio­nen kommt.

Für den Geschichts­un­ter­richt wird ‑in Anleh­nung an den Beu­tels­ba­cher Kon­sens (1976)- dann gefor­dert, dass, was in Wis­sen­schaft und Gesell­schaft kon­tro­vers ist, auch im Unter­richt kon­tro­vers the­ma­ti­siert wer­den müs­se, damit Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen, mit eben die­sen Kon­tro­ver­sen in der Gesell­schaft umzu­ge­hen (so zumin­dest unse­re kom­pe­tenz­theo­re­ti­sche Vor­stel­lung; vgl. Schreiber/​Körber 2006).
Im Rah­men der kon­ven­tio­nel­len Unter­richts­me­di­en kann die­ses gesche­hen, indem in die­sen “typi­sche” Posi­tio­nen ein­an­der gegen­über gestellt wer­den (wenn es auch noch immer zu weni­ge wirk­lich mul­ti­per­spek­ti­visch und kon­tro­vers ange­leg­te Quel­len­samm­lun­gen gibt), und, indem die Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit oder ohne Hil­fe in ihrer Umge­bung sol­che Deu­tungs-Kon­tro­ver­sen entdecken.

Wird das mit Wiki­pe­dia anders und leich­ter? Stel­len die Dis­kus­si­ons-Sei­ten eine rele­van­te Aus­wahl rele­van­ter und reprä­sen­ta­ti­ver Per­spek­ti­ven und Kon­tro­ver­sen dar? Gibt es also durch Wiki­pe­dia weni­ger auf den Haupt-Sei­ten, son­dern mehr auf den Debat­ten-Sei­ten einen Zugriff auf die Rea­li­tät des Deu­tungs­ge­schäfts (Vgl. mei­nen Vor­trag in Schleswig)?

Und – dar­an anschlie­ßend – wel­che Kon­zep­te und Kate­go­rien sowie metho­di­sche Fähig­kei­ten müs­sen ent­wi­ckelt und geför­dert wer­den, um in die­sen doch nicht spe­zi­fisch vor­struk­tu­rier­ten Debat­ten die rele­van­ten Per­spek­ti­ven zu ent­zif­fern, ihre Deu­tun­gen zu de-kon­stru­ie­ren und dis­ku­tier­bar zu machen?

Hier wäre es z.B. sinn­voll, an kon­kre­ten his­to­ri­schen The­men ein­mal die Debat­ten­sei­ten zu ana­ly­sie­ren, um exem­pla­risch zu erar­bei­ten, ob die­se das oben geschil­der­te Poten­ti­al haben, oder ob sie sich doch eher als Spiel­wie­se für abstru­se Detail­dis­kus­sio­nen von ‘Freaks’ oder für poli­ti­sche Gra­ben­kämp­fe erwei­sen? [Damit soll nicht gesagt sein, dass das nicht gera­de rele­van­te Dis­kus­sio­nen ergibt, wer aber etwa die Debat­te um Illigs The­se zwi­schen des­sen Adep­ten Gün­ter Lel­ar­ge und einer weit­ge­hend wech­seln­den Grup­pe eher wis­sen­schaft­lich argu­men­tie­ren­der Teil­neh­mer in einer news­group kennt, kennt auch die poli­ti­schen Publikationen).

Gruß

Andre­as Körber