Anmerkung 1.12.2020: Zum Ehrenmal in Wentorf nun auch die intensive Aufarbeitung im Projekt „Denkmal gegen den Krieg“ der Nordkirche: https://www.denk-mal-gegen-krieg.de/kriegerdenkmaeler/schleswig-holstein-v-z#denkmal-301
Im April dieses Jahres berichtete die Bergedorfer Zeitung von Plänen der Gemeinde Wentorf, das dortige Kriegerehrenmal aus den 1920er Jahren, das in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg nur die Ergänzung „1939-1945“ trägt, um eine neue Bronzetafel mit den Namen Wentorfer Gefallener zu ergänzen. In dem Artikel und in den dort zitierten Äußerungen der Initiatoren wurde dies ausdrücklich als beabsichtigte „Ehrung“ bezeichnet. Das Denkmal firmiert bei der Gemeinde ausdrücklich als „Ehrendenkmal“ (etwa hier).
Zu diesen Plänen habe ich seinerzeit einen Brief (Wentorf_BZ_Gedenken_1) an die Gemeinde Wentorf und auch an die BZ geschrieben (s. Beitrag in diesem Blog), der auf Grund seiner Länge jedoch nicht als Leserbrief abgedruckt wurde.
Später wurde -wiederum in der BZ- berichtet, dass diese Ehrentafel nun am 25.10. eingeweiht werden soll.
Aus dem Kreise der Initiatoren wird behauptet, Kritik an diesem Vorhaben verkenne die Zusammenhänge; es handle sich nicht um ein „Heldengedenken“. Dem ist aber durchaus einiges entgegenzuhalten:
Nicht nur angesichts der Tatsache, dass unter den Namen, die im April als zu „ehrende“ veröffentlicht wurden, mindestens einer einen SS-Unterscharführer bezeichnet, dessen Tod von seinen Eltern in der SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“ in eindeutig propagandistischer Manier angezeigt wurde, muss sich die Gemeinde Wentorf die Frage gefallen lassen, ob „Ehrung“ hier die richtige Kategorie des Gedenkens ist, und ob also das Gedenken in dieser Form und an diesem Ort angemessen sein kann.
Man gewinnt den Eindruck, dass hier doch, nachdem genug Zeit ins Land gegangen ist, dort wieder angeknüpft werden soll, wo man in den 1950er Jahren nicht einfach weiter zu machen wagte (es aber wohl eigentlich wollte), nämlich bei der Glorifizierung der eigenen Gefallenen ohne hinreichende Berücksichtigung der Zusammenhänge ihres Todes.
Gegen eine Bekundung von Trauer als Verarbeitung des menschlichen Verlustes kann man sinnvollerweise nichts oder wenig einwenden. Auch ist durchaus nachzuvollziehen, dass für die Angehörigen derjenigen, die keine andere Grabstätte haben, ein konkreter Ort des Erinnerns wichtig ist.
Eine Würdigung dieser Männer als Menschen ist wohl in den allermeisten Fällen auch durchaus angebracht — aber eine öffentliche symbolische „Ehrung“ an diesem Gefallenenehrenmal muss zwangsläufig auch als positive Wertung der Tatsache ihres Sterbens verstanden werden.
Auch wenn das nicht explizit als „Heldengedenken“ gedacht ist – die Gestaltung des gesamten Denkmals spricht trotz der expressionistischen Anklänge diese Sprache. Das Schwert im Helm als Sinnbild für die Unmenschlichkeit von Krieg und das Mahnmal somit als ein Friedensmal anzusehen, ist untriftig. Vielmehr deutet es auf die Gefahren hin, die im Krieg lauern und auf die Opfer, die zu bringen sind.
Eine Würdigung der Gefallenen als „Opfer“ des Krieges, die aus dem ganzen Denkmal ein Mahnmal machen würde, erscheint somit unglaubwürdig. Wer hier nicht „Heldengedenken“ erkennen mag oder kann, wird doch mindestens an ihren Tod als ein für das Vaterland „treu“ gebrachtes „Opfer“ denken. Opfer also im Sinne von „sacrifice“, von Aufopferung denken können, nicht aber im Sinne von unschuldigen „victims“. Und Opfer in diesem Sinne gelten nun einmal für eine „gute Sache“. — Der Zweite Weltkrieg auf deutscher Seite — eine gute Sache?
Haben wir denn nicht endlich gelernt zu differenzieren?
Initiatoren und Gemeinde müssen sich also fragen lassen, wofür dieses „Ehrenmal“ stehen soll, welche Geschichte es erzählen soll, welchen Bezug zum erinnerten Geschehen es ausdrücken soll.
Hier soll doch wohl kein neuer Ort für Gedenkfeiern entstehen, wie sie gerade auch die NPD an solchen Denkmälern immer noch abhält?
Gerade weil Erinnerung und Gedenken immer politisch sind und ihre öffentlichen Symbole immer politisch gelesen werden, sollte entweder eine eindeutige und den Werten der Bundesrepublik entsprechende Symbolik und Terminologie gewählt werden – oder man sollte das berechtigte Interesse der Trauer um die eigenen Toten doch lieber im privaten Rahmen belassen.
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Nachträge:
- Ein Bericht der „BZ“ über die Enthüllung
- Bilder der Einweihung am 5. Mai 1925
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- auf einer ausländischen, privaten Seite ohne Impressum mit weiteren historischen Bildern von Wentorf: https://de.nailizakon.com/w/16-sh/wentorf-hamburg/einweihung-kriegerdenkmal-1925.html
- im Bericht von „Denkmal gegen Krieg“ der Nordkirche: https://www.denk-mal-gegen-krieg.de/assets/Uploads/SH-Wentorf-1925-web.jpg
- Postkarte des Wentorfer Kriegerdenkmals auf einer privaten Auktionsseite: https://oldthing.de/Ak-Wentorf-bei-Hamburg-in-Schleswig-Holstein-Kriegerdenkmal-0032141297
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- Zu Friedrich Terno ist wenig bekannt. Aus einigen genealogischen Datenbanken können die Lebensdaten entnommen werden. Geboren am 12. Juli 1881 in Schleswig, evtl. als Sohn des dortigen Lehrers, Grafikers und Schrifstellers und Kulturadministrators Emil Terno; 1909 in Hamburg verheiratet; Kriegsteilnahme zunächst als Gefr.; im 2. Jahr des 1. Weltkrieges Unteroffizier des in seiner Geburtsstadt stationierten Infanterie-Regiments Nr. 84 „von Manstein“; am 20. Oktober 1915 wird er in Frankreich leicht verwundet. Dienstgrad bei Kriegsende Leutnant d.R.; Mitte der 1920er Jahre firmiert Terno in Hamburg, wohnhaft Claus-Groth-Straße 59a, als „Maler und Bildhauer“ und ist gemäß seinem Telefonbuch-Eintrag als Schriftführer der „Offiziers-Vereinigung der ehemaligen Mansteiner“ in der Traditionspflege aktiv. Er stirbt am 7. September 1925 mit 44 Jahren in Hamburg; vgl. u.a. https://gedbas.genealogy.net/person/show/1134152534; Preußische Armee: Armee-Verordnungsblatt; Anhang; Verlustlisten; Preußen Nr. 358; S. 9474; vorl. zugänglich unter http://des.genealogy.net/search/show/2698120; Amtliches Fernsprechbuch für die Oberpostdirektion Hamburg, 1924; Hülsemann (1921-1929): Geschichte des Infanterie-Regiments von Manstein (Schleswigsches) Nr. 84 1914-1918 in Einzeldarstellungen von Frontkämpfern. Hamburg (Erinnerungsblätter der ehemaligen Mansteiner). [↩]