Stork, Annika: Perspektivensensibilität innerhalb des Geschichtsunterrichts – Eine explorative Studie mittels funktional-linguistischer und geschichtsdidaktischer Kategorien

Die Untersuchung des Zusammenhangs von Sprache und historischem Lernen ist aktuell zu einem stark beachteten Forschungsfeld avanciert, dem es jedoch insbesondere im deutschsprachigen Raum noch an empirischen Untersuchungen mangelt. Dass insbesondere im Zuge der Debatten rund um Mehrsprachigkeit, Heterogenität und sprachsensiblen Unterricht, die Stimmen nach einer Erforschung des Zusammenhangs von Sprache und historischem Lernen lauter werden, liegt auf der Hand.

Bevor jedoch skizziert werden kann, wie ein sprachsensibler Geschichtsunterricht aussehen könnte, müssten zunächst fachspezifische Aspekte der historischen Kommunikation im Unterricht herausgearbeitet werden. Im Rahmen einer Analyse der sprachlichen Form historischer Urteile im Geschichtsunterricht im SoSe 15, hat Annika Stork mit Hilfe der Theorie Caroline Coffins versucht, dieses Feld näher zu erkunden. Coffin präsentierte bereits 2006 in ihrem Werk Historical Discourse eine Analyse (vorwiegend schriftlicher) Spracherzeugnisse im Geschichtsunterricht unter Anwendung der Systemic Functional Linguistic nach Michael Halliday. Sie vertritt die These, dass eine Progression im historischen Lernen und in den sprachlichen Strukturen sich bedingen und darüber hinaus, dass Schüler_innen sukzessiv bestimmte „Genres“ erlernen, die ihnen den Austausch über und das Erläutern und Bewerten von Geschichte ermöglichen (vgl. Coffin 2006).

Ausgehend von dieser Analyse, schlussfolgerte Stork, dass es bestimmte Kategorien der Theorie Coffins (bzw. der Systemic Functional Linguistic) sein, die sich für die Untersuchung des Umgangs mit Perspektiven im Geschichtsunterricht besonders gut eignen. Auf Basis dieser Hypothese entwickelte sich das aktuelle Dissertationsvorhaben, in dem mit Hilfe funktional-linguistischer und geschichtsdidaktischer Kategorien der Umgang mit Perspektiven in der mündlichen Kommunikation des Geschichtsunterrichts untersucht wird. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Interaktion zwischen der Sprache der Lehrkraft und der Schüler_innen. Mit Hilfe des übergeordneten Untersuchungsgegenstandes der Perspektivensensibilität, soll versucht werden, einen fachspezifischen Aspekt der Sprache über Geschichte greifbar zu machen. Perspektivensensibilität bezeichnet hierbei die Form und den Grad, in welchem Personen ihre eigenen und fremden Perspektiven als konstituierende Elemente historischer Aussagen wahrnehmen und sich auf sie beziehen können. Sie wird nicht nur über explizite Bezugnahmen auf Perspektiven identifizierbar, sondern auch in linguistischen und geschichtsdidaktischen Merkmalen historischer Aussagen. Für die Untersuchung werden bereits videografierte und zum Teil transkribierte Unterrichtsstunden verwendet.

Erste Analysen lassen bereits die Hypothese zu, dass ein Zusammenhang zwischen Formen des perspektivensensiblen Sprechens der Lehrkraft und der Schüler_innen nachzuweisen ist, so dass im weiteren Verlauf nach eventuellen Regelhaftigkeiten gesucht werden kann. Am Ende des Projekts steht letztlich die Frage, welche Konsequenzen die Ergebnisse für die geschichtsdidaktische Forschung haben, etwa für die Debatte der Kompetenzorientierung.

Kontakt: annika.stork@studium.uni-hamburg.de

Literatur:

Coffin, C. (2006): Historical Discourse. The Language of Time, Cause and Evaluation. New York: Continuum.